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Das Mormonenmädchen Zweiter Band

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Das Mormonenmädchen Zweiter Band
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Zweiter Band

1
Im Atelier

In vielen, ja in den meisten Fällen bietet das Atelier eines Malers das Bild einer gewissen genialen Unordnung, die indessen nicht unangenehm berührt, weil gewöhnlich die Aufmerksamkeit auf angefangene und fertige Gemälde hingelenkt wird, hier, um mit reger Phantasie die noch nicht ausgeführten Gedanken des Künstlers zu errathen, dort, um laut zu bewundern oder auch im Stillen zu tadeln.

Wo nun in größeren amerikanischen Städten Künstler ihre Werkstätten aufgeschlagen haben, da tritt diese Unordnung noch mehr in den Vordergrund, weil eben der Mangel an geeigneten Räumlichkeiten sie zwingt, jedes kleinste Fleckchen, mit sehr wenig Rücksicht auf Symmetrie, zu benutzen und die Gegenstände, die nicht neben einander Plan haben, über einander aufzustapeln.

So war es auch in Falk’s Häuslichkeit, die, obgleich er sich ganz nach dem äußersten Ende der Stadt zurückgezogen hatte, wo die Wohnungen noch verhältnißmäßig billig vermiethet wurden, ihm kaum gestattete, eine größere Gesellschaft bei sich aufzunehmen.

Seine Häuslichkeit bestand nämlich nur aus zwei Gemächern: einer Kammer, in welcher sein einfaches Bett stand, und einer großen Stube, die ihren Zweck zugleich als Wohnzimmer und Atelier erfüllte.

Letztere wurde durch zwei große Fenster erhellt; doch concentrirte sich das Licht gewissermaßen nur auf einen Punkt, während der übrige Theil des Gemaches in einer milden Dämmerung lag, weil das eine Fenster ganz, das andere dagegen nur zur Hälfte mit grünen kattunen Gardinen dicht verhangen worden war.

Ein altes Sopha, ein Wiegenstuhl, vier gewöhnliche hölzerne Stühle, ein kleiner und ein großer Tisch bildeten die ganze Stubeneinrichtung. Dieselbe verschwand indessen fast gegenüber den Staffeleien von verschiedener Größe, den Kisten und Kasten, den Bilderrahmen, den skeletähnlichen hölzernen Modellen von Menschen und Thieren, den wattirten Büsten und sonstigen Gegenständen, welche, auf dem Fußboden umherstehend und liegend, kaum noch einen Durchgang durch das Gemach frei ließen.

Welche Farbe den Wänden einst aufgetragen worden war, oder ob sie überhaupt einen Anstrich erhalten hatten, konnte man nicht entscheiden, man hätte sich denn die Mühe nicht dürfen verdrießen lassen, einen Theil der größeren, auf dickes Papier entworfenen Skizzen von den Mauern zu entfernen, um unter denselben nach der Lösung dieses Räthsels zu forschen. Denn was nicht mit dergleichen Skizzen beklebt und benagelt worden war, das hing voller Gypsabdrücke von Händen, Füßen und Gesichtern, oder war auch so bestaubt, daß es sogar dem bedeutendsten Farbenkünstler schwer geworden wäre, daselbst sich wiederholende Schattirungen und Zeichnungen von Tapeten oder Schablonenmalereien zu entdecken.

Auf Kisten und Kasten nun endlich, auf Tischen und Stühlen und selbst auf dem Sopha lagen und standen alle diejenigen Kleinigkeiten umher, die eigentlich den höheren Maler verrathen. Hier sah man einen Berg ausgedrückter Farbenblasen, dort eine ähnliche Anhäufung halb geleerter oder noch strotzend voller; auf einer andern Stelle wieder ruhten nachbarlich neben einander ein Bündel theils frisch gebrauchter, theils sorgfältig gereinigter Pinsel und eine blecherne Kaffeemaschine. Ein Stuhl war ganz bedeckt mit zahllosen bunten Zeichenstiften; auf einem andern brüstete sich in ihrem mosaikartigen Farbenschmuck die Palette, während der dürre Malstock mit seinen kleinen ausdruckslosen Köpfchen sich gemächlich an den kleinern Tisch lehnte, auf welchem eine ganze Auswahl von Skizzenbüchern, Zeichenmappen und losen Papierblättern von allen Formen und Größen über einander geschichtet war.

So sah es also in Falk’s Atelier aus. Alles, was zu seinem Geschäft, oder vielmehr seiner Kunst gehörte, hatte in dem beschränkten Raume seinen Platz gefunden. Sogar ein paar Hüte und ein Rock erfreuten sich in diesem Chaos von Dingen verhältnißmäßig gesicherter und geschützter Stellen, indem ein Hut das kahle, ohrenlose Haupt des hölzernen Menschenskelets schmückte, der andere auf dem nach oben gedrehten Hinterfuße des Modellpferdes hing, der Rock aber mit einem kühnen Faltenwurf um die Schultern desselben wurmstichigen Menschen geschlungen worden war.

Der arme gefühllose Bursche sah recht komisch aus mit dem schiefgerückten Strohhut und dem dominoartig niederhängenden Ueberrock; und um den komischen Ausdruck noch zu erhöhen, hielt er, wahrscheinlich noch von seiner letzten Sitzung her, die beiden langfingerigen Hände wie segnend von sich gestreckt, während seine Beine, Dank irgend einem zufälligen Stoß, wie die Arme eines altmodischen Telegraphen, das eine vorwärts, das andere rückwärts wiesen.

Doch, wie schon oben angedeutet, wer in das Atelier eintrat, übersah gewiß alle diese seltsamen Zusammenstellungen und die unvergleichliche Unordnung und beeilte sich, in den Schein des durch das halbverhangene Fenster fallenden Lichtes zu gelangen, um von dort aus das große, mit einem prächtigen Goldrahmen umgebene Gemälde in Augenschein zu nehmen, welches, obwohl schon beendigt und gefirnißt, von dem Eigenthümer offenbar mit großem Vorbedacht wieder auf die Staffelei gestellt und in die günstigste Beleuchtung gerückt worden war.

Andere, ebenfalls schon fertige Bilder standen etwas abseits, gleichsam als Beweis, daß die Hauptaufmerksamkeit gerade auf das zuerst erwähnte hingelenkt werden solle.

Dasselbe war ein Seestück und stellte eine schroffe, felsige Küste dar, an welcher sich das vom Sturm aufgewühlte Meer schäumend und brandend brach. Zahllose Möven umschwärmten die vom Sprühwasser überschütteten thurmähnlichen Klippen, eben so den Rest eines Mastbaums, der aus dem Gischt einer sich überstürzenden Woge emporragte, während im Hintergrunde sich neue wetterleuchtende Wolken aufthürmten, und niederbrausende Strichregen am fernen Horizont ein einsames Segel fast bis zur Unkenntlichkeit verschleierten.

Das Bild zeigte eigentlich nur Atmosphäre, Felsen und Wasser, aber es zeigte Wahrheit, und darum war es verständlich und schön, und wenn man auf dasselbe hinschaute, dann befreundete man sich unwillkürlich mit dem Künstler, der so Schönes zu schaffen vermochte. —

An dem Nachmittage, an welchem Falk den Lieutenant Weatherton und Raft erwartete, herrschte eine ungewöhnliche Ordnung in dem Atelier, indem auf dem Sopha und aus einem Stuhl, durch Zusammenschieben und Uebereinanderpacken der Sachen, so viel Platz gewonnen war, daß drei Personen, ohne sich gegenseitig viel zu hindern, bequem sitzen konnten.

Weatherton war wirklich eingetroffen und hatte, wie Falk vorhergesehen, den alten Bootsmann mitgebracht.

In dem Augenblick, in welchem wir einen Blick in das Atelier werfen, mußte der Besuch sich schon längere Zeit bei dem Künstler befunden haben; denn aus der nachdenkenden Stellung, in welcher die beiden jungen Leute, die sich schnell mit einander befreundet hatten, auf dem Sopha saßen, ging hervor, das Falk mit seinem Bericht zu Ende gekommen war, das Erzählte ihren Geist aber noch ernst und rege beschäftigte.

Jim Raft, der erst auf des Künstlers ausdrücklichen Wunsch den einzigen leeren Stuhl für sich in Anspruch genommen hatte, saß vor ihnen an dem Tisch. Mit der gespanntesten Aufmerksamkeit war er Falk’s Mittheilungen gefolgt, hatte sich dabei aber doch nicht enthalten können, das Tau- und Segelwerk einer kleinen Modellfregatte, die nicht ohne Absicht vor ihn auf den Tisch gestellt worden war, etwas zu ordnen. Es entschlüpfte seinen Lippen wohl hin und wieder ein leises ungeduldiges »Goddam,« wenn die schwachen Fäden an den zierlich geschnitten Masten sich als zu wenig haltbar für seine mächtigen Fäuste auswiesen, oder wenn Falk einzelne Punkte in seiner Erzählung besonders hervorhob; weiter ging indessen seine Betheiligung an der Unterhaltung nicht, und mochten auch, wer weiß was für Pläne und Gedanken in seinem Kopfe herumschwirren, seinem eisenharten Gesicht war nichts anzumuten, und nur das Blauwerden seiner furchtbaren Narbe deutete zuweilen auf eine vorübergehende innere Erregung. —

Fast in derselben Minute, in welcher Falk seinen Bericht schloß, war auch Raft mit dem Ordnen der Takelage, so weit sich dieselbe eben ordnen lief, zu Stande gekommen. Da er aber zu bemerken glaubte, daß die beiden Herren in ihrem Sinnen vorläufig nicht gestört sein wollten, ihm, als einem Untergeordneten, nach seinen strengen Begriffen von Disciplin, es am allerwenigsten zustand, in einer so wichtigen Angelegenheit das Wort zu ergreifen, so drehte er, ohne aufzustehen, seinen Stuhl auf einem Bein herum, durch welche Bewegung er gerade vor das Seestück zu sitzen kam.

Ehe er sich indessen in das Anschauen des Gemäldes versenkte, heftete er einen langen, mißtrauischen Blick auf die mit Hut und Rock geschmückte Gliederpuppe, welche durch die eigenthümliche Stellung ihrer dürren Beine und die vorgestreckten Arme das Aussehen gewann, als ob sie die feindlichsten Absichten gegen den alten Seemann hege, und sich zu diesem Zweck den Rock ausgezogen und über die Schulter geworfen habe.

Offenbar hatte Raft dergleichen noch nie in seinem Leben gesehen und wußte daher nicht, was er von der seltsamen Erscheinung denken solle. Jedenfalls glaubte er aber, den Nagel auf den Kopf zu treffen, als er sie zuletzt für ein altes Schnitzwerk hielt, welches ursprünglich dazu bestimmt gewesen, als Gallion den Bug irgend eines Schiffes zu schmücken; denn nachdem er sich vornübergeneigt, um der Puppe unter den Hut zu schauen, der ihr etwas in die Augen gefallen war, wendete er sich mit einem sehr bezeichnenden und zufriedenen Kopfnicken wieder dem Seesturm zu.

Das Bild mußte einen tiefen Eindruck auf ihn ausüben, denn indem er auf dasselbe hinstarrte, ballten sich seine Fäuste krampfhaft, während seine von den zusammengezogenen buschigen Brauen fast ganz bedeckten Augen wild glühten und die Narbe purpurroth anlief.

 

»Originell! – Verdammt! – Originell!« zischte es leise zwischen seinen Zähnen hindurch.

Dies waren die einzigen Worte, die in den nächsten zehn Minuten gesprochen wurden. Die drei Männer saßen so steif und regungslos da, als wenn sie nicht mehr Leben besessen hätten, wie die Gliederpuppe, die sie zu verhöhnen schien, oder das Pferd, welches sich, wie vor lauter Uebermuth, den einen Hinterschenkel verrenkt und aus dem Wirbel gedreht hatte.

Weatherton schaute sinnend vor sich nieder und spielte mechanisch mit einem blauen Zeichenstift, welcher so lange vor ihm auf dem Tische gelegen hatte; Falk’s Blicke dagegen hatten sich allmälig auf Raft gerichtet, und wenn auch die abenteuerliche Geschichte, in welche er jetzt mit verwickelt war, seine Phantasie erfüllte, so ergötzte ihn doch nebenbei die Art und Weise in welcher jener seine Bewunderung an den Tag legte.

Wurde nun dem alten Bootsmann das anhaltende Schweigen zu drückend, oder vermochte er die durch das Bild in seiner Brust wach gerufenen Gefühle nicht länger zu bemeistern, genug, er sprang plötzlich geräuschvoll empor, und seine geballte rechte Faust in die linke geöffnete Hand schmetternd, wendete er sein leuchtendes Gesicht dem überraschten Maler zu.

»Herr!« rief er aus, »Ihr seid der erste Künstler der Welt, schade drum, daß Ihr keine Theerjacke geworden seid! Verdammt! hättet es zum Commodore gebracht! Schaut her, Lieutenant Dickie!« fuhr er in seiner Erregung fort, »ist das nicht ein Himmel, um alle Mann an Deck zu pfeifen und den letzten Lappen Linnen einzuholen? Bei Gott! ein Wetter, zum Beilegen und vor Top und Takel-Treiben! Und dann die Seen, Dickie! Wie sie die weißen Perrücken so stolz tragen! Verdammt! ist ein Bild für’n Seemann und keinen Andern! Hängt’s im Hause einer Landratte auf, und ich will mich gleich daneben hängen lassen, wenn die Gesellschaft in den ersten vier Wochen vor lauter Seekrankheit aus den Federbetten kriecht! Das ist originell! Ihr seid ein Gentleman, Herr!« eiferte er weiter, indem er zuerst auf den treibenden Mast und dann auf den fernen Punkt deutete, der ein Segel vorstellen sollte; »habe manches gemalte Fahrzeug gesehen in Schaufenstern und bei Hausirern, aber dies sind die beiden ersten, die seegerecht gemalt sind! Am besten ist hier das vordere, von dem nur noch das Wrack vom Mast flott ist! Originell! Bei Gott! sehe es anprallen und sich die Nase an das Riff stoßen! Auch das Segel dort hinten ist nicht schlecht, kann’s nicht recht ausmachen; scheint nur noch zu viel Leinwand zu tragen für die Bö; und sogar noch ein Topsegel; werden’s aber einholen! Höre den Capitän: »Alle Mann zum Bergen! Herunter mit dem Topsegel! Alle Hand fertig zum Stengenstreichen!« Gebt mir Euer Fernglas, Herr!« wendete Raft sich jetzt in seiner fieberhaften Aufregung an Falk; in demselben Augenblick schlug er sich aber auch schon mit der Faust vor den Kopf, worauf er Weatherton dienstlich grüßte.

»Verzeihung, Lieutenant,« sagte er mit komischer Verlegenheit, »ist mir doch die Lothleine etwas durch die Hände geschlippt.«

»Schadet nicht, schadet nicht, Jim,« entgegnete Weatherton freundlich, seinem alten Gefährten die Hand reichend, welche dieser in seinen beiden Fäusten fast verschwinden ließ, »bin ja nicht Commandant hier, mußt es schon mit unserm Freunde ausmachen.«

»Und ich muß gestehen,« nahm Falk das Wort, »daß mir nichts Schmeichelhafteres hätte gesagt werden können. Das Urtheil eines so alten erfahrenen Seemannes über dieses Bild stelle ich höher, als das Gutachten mancher Kunstfreunde und Kunstkenner.«

»Hab’ ich’s nicht gesagt, Dickie?« versetzte Raft mit rührender Vertraulichkeit, indem er auf den Maler deutete, »hab ich’s nicht gesagt, er sei ein Gentleman vom Spiegel bis zum Stern? Merkte es schon gestern Abend, als ich ihn ansegelte und er mir dafür kunstgerecht den Wind abgewann.«

Nach dieser Erklärung ließ er sich auf seinen Stuhl nieder und balancirte denselben dann mit seiner ganzen Last wieder an den Tisch.

Raft’s letzte Bewegung schien gewissermaßen das Signal zur Fortsetzung der unterbrochenen Berathung gegeben zu haben, denn er hatte sich kaum beruhigt, da wendete Weatherton sich sogleich an Falk.

»Was Ihr durch einen so merkwürdigen Zufall erfuhret,« hob er an, »beweist nur, daß ich nicht irrte, indem ich muthmaßte, es sei nicht nur auf eine Täuschung des jungen hülflosen Mädchens abgesehen, sondern auch auf eine Uebervortheilung oder Beraubung desselben.«

»Ihr sagtet doch wohl, es befände sich in ihrer Umgebung eine Dame; haltet Ihr diese ebenfalls für treulos?« fragte der Künstler.

»Eben so treulos, ja noch treuloser, als alle Uebrigen;« antwortete Weatherton schnell. »Dieselbe ist eine alte, eitle Person, die sich offenbar nur deshalb zum Mormonismus belehrte, um ihre Tage nicht unverheirathet beschließen zu müssen. Habe ich sie richtig durchschaut, so rechnet sie darauf, die zweite oder dritte Gattin Desjenigen zu werden, dem das junge unschuldvolle Wesen geopfert werden soll. Sie will heirathen und zugleich Vortheil von dem nicht unbedeutenden Vermögen ihrer Schutzbefohlenen ziehen.«

»Es ist schändlich,« versetzte Falk mit einer Geberde des Abscheus, »ich glaube indessen kaum, daß in diesem Falle, so ganz ohne alle Beweismittel, von den Gerichten Beistand zu erwarten wäre.«

»Auch ich bezweifle das,« pflichtete Weatherton bei, »darum aber habe ich mir eben die Aufgabe gestellt, Alles aufzubieten, um dergleichen Beweismittel zu erlangen.«

»Könnte man der jungen Dame aber nicht die Augen öffnen und ihr mit klaren Worten das Loos beschreiben, welches ihrer am Salzsee harrt, und welches verwerfliche Spiel man mit ihrer Person und ihrem Vermögen treibt?« fragte Falk sinnend.

»Mr. Falk,« erwiderte der Officier, indem er seine Hand fest auf des Künstlers Arm legte; »ich habe es mir oft genug und zwar fest vorgenommen, ja, in der That schon oft den Anfang damit gemacht, allein ich für meine Person fühle mich der Aufgabe nicht gewachsen, ihr dergleichen Eröffnungen zu machen. Ihr und ich, wir kennen uns erst seit einigen Stunden, aber ich weiß, daß auch Ihr bei dem Versuch, sie über Alles aufzuklären, in Verlegenheit gerathen würdet.«

»Ich bezweifle, daß ich in einem so dringenden und wichtigen Falle von einem derartigen Versuch abstände,« versetzte Falk.

»Ihr würdet es,« entgegnete Weatherton mit eigenthümlicher Wärme; »wer weiß, die Gelegenheit dazu mag Euch geboten werden, da Ihr mir Eure fernere Hülfe für das arme unglückliche Opfer zugesagt habt. Und wenn Ihr dann vor ihr steht, und sie blickt Euch an mit ihren großen, blauen, unschuldvollen Augen, und Ihr vernehmt ihre Worte, die von einer so reinen Frömmigkeit, von einer so innigen Zuversicht in Gottes Allmacht und Weisheit zeugen, dann wagt es, zu dem kindlich holden Wesen von jenen heidnischen Gebräuchen zu sprechen, die wohl im grauen Alterthum, aber nicht in der heutigen gesitteten Welt ihre Entschuldigung finden. Wagt es, und wenn Euch die Worte nicht auf der Zunge erstarren, wenn Ihr nicht zurückschreckt, wie vor der Entweihung eines Heiligthums, dann will ich einräumen, daß Ihr mehr Mannes seid, als ich, und daß ich das Herz eines furchtsamen Schulknaben besitze.«

Während Weatherton dieses mit heftiger Erregtheit sprach, hatte Falk ihn aufmerksam von der Seite beobachtet. Er errieth offenbar die Gefühle, welche dem jungen Seemanne seine Handlungsweise verschrieben, denn ein kaum bemerkbares Lächeln der Theilnahme und des Verständnisses glitt flüchtig über seine ernsten, wohlwollenden Züge.

»Freilich kann ich Euch nicht unbedingt widersprechen,« sagte er nach kurzer Ueberlegung, indem er ein Blatt Papier und einen Bleistift zu sich heranzog und mechanisch zu zeichnen begann; »es bleibt immer eine mißliche Sache, solchen Augen gegenüber von derartigen Dingen zu reden, obenein Gefahr zu laufen, nicht verstanden zu werden und, was noch schlimmer ist, die schönen Augen sich mit einem Ausdruck der Verachtung abwenden zu sehen. Lassen wir daher jeden Gedanken an ein so wenig Erfolg versprechendes Verfahren fallen; suchen wir vielmehr den Begleitern des armen Mormonenmädchens beizukommen. Ich kenne Letztere allerdings noch nicht, allein nach Eurer Beschreibung zu schließen, verdient sie dem Schutz jedes Ehrenmannes im höchsten Grade. Wenn es aber auch nur gälte, die Pläne des saubern Kleeblattes, welches ich gestern Abend behorchte, zu durchkreuzen und ihm den Raub streitig zu machen, so würde ich Euch von ganzem Herzen meine Beihülfe zusagen. Ja, hier ist meine Hand darauf; aber Zeit werden wir nicht verlieren dürfen, sie können New-York in jedem Augenblick verlassen, und wo sollten wir sie dann wohl suchen.«

»Ich habe schon daran gedacht, ihre Erzieherin durch Geld zu bestechen und für unsere Dienste zu gewinnen,« bemerkte Weatherton, Falk’s dargebotene Hand drückend.

»Hahaha!« lachte dieser, »zeigt einer alten liebesiechen Jungfrau den heiligen Stand der Ehe und bietet ihr alle Schätze der Welt, demselben zu entsagen, so wird sie schwerlich auf Euer Anerbieten eingehen. Nein, Eure alte Französin ist, nach der von Euch selbst eben erst gegebenen Beschreibung, die Letzte, der ich in dieser Angelegenheit mein Vertrauen schenken möchte.«

»Aber sagt, wozu würdet ihr rathen?« fragte Weatherton weiter, und zwar mit einer Aengstlichkeit, die mehr von seinen Gefühlen verrieth, als er ahnte.

»Ich rathe vor allen Dingen, die Gesellschaft nicht aus den Augen zu verlieren. Ihr wißt ja, wo sie in New-York wohnen wird.«

»Keine Ahnung habe ich davon,« erwiderte Weatherton erschrocken. »Sie verließ in Begleitung ihrer Gouvernante, ihres Onkels und des Vormundes den Leoparden schon heute Vormittag, nachdem Alle den herzlichsten Abschied von fast Jedem an Bord genommen hatten. Ich selbst erfreute mich bei dieser Gelegenheit der anerkennendsten Worte, und Rynolds sagte sogar sehr verbindlich: er hoffe, mich noch vor seiner Abreise bei sich zu sehen, und er wolle, sobald das vorläufige Absteigequartier mit einer angemesseneren Wohnung vertauscht sei, mich von diesem Wechsel in Kenntniß setzen. Ich sehe ein, ich werde vergeblich auf Nachricht von ihm harren, denn die übrigen an Bord befindlichen Mormonen haben sich nicht nur gleich nach ihrem Laden nach allen Richtungen hin zerstreut, sondern es sind auch auffälliger Weise, offenbar um jeden Verkehr mit allen Mitreisenden abzubrechen, schon an Bord des Leoparden die Zeugenaussagen der Passagiere, betreffs des Unterganges der Brigg, von einem Notar aufgenommen worden. Das Einzige wäre, daß die junge Dame selbst mir über ihren Aufenthaltsort Auskunft gäbe; sie versprach wenigstens —«

Bis hierher hatte Falk ruhig zugehört. Als Weatherton aber eines Versprechens des jungen Mädchens erwähnte, erhellte wiederum das bezeichnende theilnahmvolle Lächeln sein kluges Gesicht, und indem er, wie spielend, mit ein paar flüchtigen Strichen das wohlgetroffene Portrait des aufmerksam und respektvoll lauschenden Raft beendigte, rief er aus:

»Ihr glaubt also, dieser Cerberus von Gouvernante würde einen Brief der jungen Mormonin, und wäre er nicht größer als ein Kupfercent, an seine Bestimmung gelangen lassen? Ich für meine Person glaube es nicht; wüßte ich nicht zufällig, in welchem Hause sie ein Unterkommen gefunden haben —«

»Ihr wißt?« fuhr Weatherton auf, und für Jemanden, der nur aus reiner Menschlichkeit seinem von unbekannten Gefahren bedrohten Nächsten zu dienen wünscht, wechselten Hoffnung und Besorgniß fast zu schnell und seltsam auf seinen gespannten Zügen.

»Ich kenne das Haus, und Mr. Raft kennt es auch,« versicherte Falk, den es höchlichst ergötzte, daß der Bootsmann bei Nennung seines Namens emporsprang und, wie bei der Musterung, mit lauter Stimme ausrief: »Hier!« »Ja wir kennen das Haus,« wiederholte er, nachdem Raft, sein Gesicht zu einem grimmigen Erstaunen verziehend, wieder Platz genommen hatte. »Entweder habt Ihr es überhört, oder ich bin in meinem Bericht nicht deutlich genug gewesen; doch sei dem, wie es wolle, es unterliegt kaum einem Zweifel, daß sie im Hause Abraham’s, wie die beiden Mormonen ihren Gefährten nannten, eingekehrt sind. Ich weiß zwar nicht die Nummer des Hauses, allein da ich die Straße kenne, so getraue ich mir auch bei Tage das Gebäude wieder herauszufinden, vor welchem ich gestern Abend so lange mit unserm Freunde Raft gestanden habe.«

»Das ist originell, Herr!« schnarrte Raft, und seine Faust fiel zur Bekräftigung schwer auf den Tisch, hob sich aber sogleich wieder militärisch grüßend nach seinem Haupt, wobei er sich beschämt zu Weatherton wendete. »Verzeihung, Lieutenant Dickie. Ja, originell das!« fuhr er in demselben Athem fort, »ich kenne das Haus wieder, wie ’nen Kaper, in dessen Fahrwasser ich sechs Wochen kreuzte. Hoher Dreidecker, braungestrichene Ziegelsteinwanten, weißes Band über der Wasserlinie, Stückpfortklappen grün und durchbrochen, wie ’n Bratrost —«

 

»Richtig, richtig,« unterbrach Falk den Redefluß des Seemannes, »und weil wir die Hausnummer nicht wissen, so schlage ich vor, uns von hier aus sogleich dorthin zu begeben, die Straße langsam zu durchwandern und dann die Augen gut zu gebrauchen.«

»Vielleicht entdecken wir an den Fenstern irgend etwas, das auf die Anwesenheit des jungen Mädchens deutet,« sagte Weatherton, indem er sich erhob und nach seiner Mütze griff.

»Möglich, aber nicht wahrscheinlich,« entgegnete Falk, dem Beispiele des Officiers folgend. »Aber Halt!« rief er plötzlich auf, an der Thür stehen bleibend, »wir dürfen nicht vergessen, daß Eure alten Reisegefährten Euch und Mr. Raft kennen; ebenso liegt es außer allem Zweifel, daß sie mich gestern Abend in der Laube sehr genau betrachtet haben. Gesetzt den Fall, einer der drei Männer befände sich statt des jungen Mädchens am Fenster, und er sähe uns zusammen vorübergehen und unsere Aufmerksamkeit —«

»Wir dürfen unbedingt nicht zusammenbleiben,« unterbrach Weatherton den Maler hastig; »bemerkten sie uns, so würden sie Verdacht fassen und ihre Vorkehrungen treffen. Begeben wir uns daher bis in die Nähe der bezeichneten Straße; dort trennen wir uns. Raft wird mich dann begleiten und mir das Haus zeigen; Ihr selbst aber folgt, vielleicht eine Viertelstunde später, nach und wir treffen uns dann an einer verabredeten Stelle.«

»Gut,« antwortete Falk, »ich habe ohnehin die Absicht, einen Freund im Hôtel Dietz zu besuchen, und wenn es Euch genehm ist —«

»Also Hôtel Dietz,« sagte Weatherton zustimmend, und gleich darauf traten sie auf die Straße hinaus.

Vor der Thür wendeten sie sich sogleich links, und nachdem sie eine kurze Strecke fortgeschritten waren, gelangten sie an eine schmale Querstraße, die nach der Pferdeeisenbahn führte, und da sie letztere der Entfernung wegen, zu benutzen gedachten, bogen sie ohne Zögern in die Verbindungsgasse ein. —

Kaum waren Weatherton’s, Falk’s und des Bootsmannes Gestalten in der Querstraße verschwunden, so traten aus dem Hofraum des neben der Wohnung des Künstlers gelegenen Hauses der Graf und der Baron, die am Abend vorher in der Concerthalle eine so wenig ergötzliche Rolle gespielt hatten. Vorsichtig schauten sie sich um. Gleich darauf aber eilten sie den augenscheinlich von ihnen beobachteten drei Männern nach, jedoch nur bis an die Ecke der Quergasse, von wo aus sie ihnen schweigend nachschauten. Ihre Blicke reichten bis nach der Pferdeeisenbahn hin; sie konnten also deutlich gewahren, daß Falk und seine Gefährten gerade vor der Eisenbahn stehen blieben, um den nächsten in die Stadt fahrenden Wagen zu erwarten.

»Weiter brauchen wir ihnen nicht nachzusetzen, Kamerad,« sagte der Baron, als es keinem Zweifel mehr unterlag, daß sie die bezeichnete Fahrgelegenheit benutzen würden.

»Aber wir haben etwas Anderes zu thun, mein Brüderchen,« antwortete der Graf, sich umkehrend und mit eiligen Schritten der Straße weiter abwärts folgend. »Schlaue Kerls, diese Mormonen; begriff gar nicht, warum sie uns auf dem Werft so lange schildern ließen und uns endlich auf die Fährte dieses abgeschmackten Schiffslieutenants setzten. Ha ha ha! Es ist unser erster Dienst im Solde der Mormonenregierung. Leichter Dienst, gute Bezahlung; auf Ehre, wollen ihnen dafür ihre Armee auf anständigen Fuß bringen, habe schon meine Pläne; statiöse Uniformen, gute Pferde, neues Dienstreglement statt ihrer barbarischen Gewohnheiten, und, mein Brüderchen, Orientalismus ist werth, die Seele zehnmal dem Teufel zu verschreiben, geschweige denn Mormone zu werden. Bin lieber Mormonengeneral, als Capitän oder Lieutenant in irgend einem beliebigen kleinen Staat.«

»Geld ist die Hauptsache, seit es in diesem Lande Mode geworden, Niemandem etwas auf sein ehrliches Gesicht zu borgen,« versetzte der Baron mit blasirtem Wesen. »Ob es wohl Karten am Salzsee giebt?« fragte er gleich darauf.

»Wenn sie noch nicht da sind, beim Jupiter! dann müssen wir sie einführen,« antwortete der Graf, der in Gedanken schon die Generalsepauletten auf seinen Schultern fühlte. »Ich werde überhaupt meinen ganzen Einfluß aufbieten, die noblen Passionen etwas zu wecken und, wenigstens in meiner Umgebung, den nothdürftigsten Grad der verfeinerten Civilisation verbreiten.«

»Das hindert uns indessen nicht, jetzt Spionsdienste zu verrichten,« bemerkte der Baron mit einem Anflug von Sarkasmus.

»Dienst ist Dienst,« tröstete der Graf, »wir befinden uns in Feindes Land, und zum Spioniren gehört oft mehr Muth, als vor die Mündung eines geladenen Geschützes zu treten. Sind übrigens verhenkert schlaue Kerls, diese Mormonen; hätte ihnen nicht so viel Scharfsinn zugetraut; wundere mich selbst über unsern Erfolg; müssen daher ihren Anordnungen, wenigstens vorläufig, pünktlich Folge leisten.«

»Und was zunächst?« fragte der Baron gelangweilt.

»So schnell wie möglich zu Abraham,« antwortete der Graf. »Abraham, Abraham? Judenname; ist aber nie Jude gewesen, würde mich schämen, Israelitenpack Gefälligkeiten zu erweisen. Ja, zum Mr. Abraham; wer weiß, wozu er sich nach unseren wichtigen Mittheilungen entschließt! Merkwürdig! dieser perfide Farbenkleckser im Bündniß mit dem abgeschmackten Schiffslieutenant. Seltsames Zusammentreffen, auf Ehre!«

Unter solchen Gesprächen waren die beiden würdigen Kameraden an eine andere Querstraße gelangt, und als sie um die nächste Ecke herumtraten, befanden sie sich vor einem eleganten einspännigen Miethscabriolet, dessen Kutscher bei ihrem Anblick sogleich die Peitsche hob und die Zügel straff anzog.

»Augenblicklich nach dem Hause zurück, vor welchem wir aufgestiegen sind, und zugefahren!« commandirte der Graf, ohne den Kutscher eines Blickes zu würdigen, in schnarrendem Tone, worauf er sich nachlässig auf den einen Eckplatz warf, und es dem Baron überließ, mit etwas mehr Unbeholfenheit den andern Sitz für sich in Anspruch zu nehmen.

Die Peitsche knallte, das Pferd verfiel in einen langen Trab, der Kutscher aber, wahrscheinlich der Eigenthümer des Fuhrwerks, wendete sich halb auf seinem Sitz um, so daß er die beiden Herren ansehen konnte.

»Bei Gott!« rief er in höhnischem Tone aus, denn die wegwerfende Art der Behandlung hatte ihn empört. »Bei Gott!« wiederholte er herausfordernd, und zugleich knallte er spielend mit seiner Peitsche so dicht vor den Gesichtern der angehenden Mormonengenerale, daß diese erschreckt die in ihre Augen geklemmten Glasscherben fallen ließen. »Wer zum Teufel seid Ihr denn? Gehört der Wagen vielleicht Euch, oder glaubt Ihr einen Nigger vor Euch zu haben? Geschäh’ es nicht dem Mr. Abraham zu Gefallen, so hättet Ihr lange warten können, bis ich meinen Wagen durch ein Paar solcher ausländischer Vogelscheuchen verunziert hätte.«

Mit diesen Worten warf er sich wieder herum, und nachdem er dem Pferde noch einmal zugesprochen, begann er ein lustiges Negerliedchen zu pfeifen, welches er mit dem eben so lustigen Knacken und Knallen seiner Peitsche begleitete.

Die beiden Herren waren über die Unverschämtheit des Kutschers vor Entrüstung bis unter die Haare erröthet. Sie mochten es aber unter ihrer Würde halten, etwas zu erwidern, was ihnen vielleicht noch andere Kränkungen als bloße Schmähreden eingetragen hätte, denn sie schauten, als ob sich Einer vor dem Andern geschämt hätte, nach verschiedenen Richtungen, wobei sie ganz leise, so daß der Kutscher es nicht hörte, etwas von »pöbelhaftem Volk, Hetzpeitsche, ungebildeter Race« und sonstigen ihnen sehr geläufigen Begriffen zwischen den zusammengebissenen Zähnen hindurch murmelten.

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