Читать книгу: «Das aureanische Zeitalter IV: Vorstoß nach Terra», страница 4
„Die Einnahme oder Zerstörung des genannten Energiekomplexes wird laut Aswin Leukos und seinem Stab dazu führen, dass die Orbitalverteidigung im Radius von mehreren Hundert Kilometern außer Kraft gesetzt oder wenigstens nachhaltig gestört wird.“
Die anwesenden Soldaten raunten durcheinander. Dass diese Mission einem Selbstmordkommando glich, war offensichtlich. Zwei muskelbepackte Soldaten aus der ersten Reihe sprangen zeitgleich auf; der Rechte von ihnen knurrte: „Wir werden diesen Energieknoten wohl nicht sonderlich lange halten können, wenn uns die Marslegionen auf die Pelle rücken. Aber vermutlich reicht es Leukos, wenn wir in das Ding reinkommen. Rauskommen brauchen wir nicht mehr, wie?“
„Dieser Einsatz wird kein Spaziergang, das ist mir durchaus klar“, gab Sachs zurück.
„Ich hoffe nur, dass wir uns auf diese tollen Störschilde der Dronai verlassen können. Ich traue diesen Kolonisten ehrlich gesagt nicht. Vielleicht wollen sie uns auch nur verarschen“, polterte ein Soldat in der ersten Reihe dazwischen.
Der Zenturio stöhnte verärgert auf. „Blödsinn! Natürlich kann ich nicht sagen, ob diese Schilde etwas taugen, aber ich verlasse mich auf die Angaben des Oberstrategos. Er wird schon wissen, was er tut.“
Es folgte ein lautes Gemurmel, das sich irgendwann zu einem aufgeregten Geschwätz verdichtete. Manilus Sachs brüllte ungehalten dazwischen und befahl den Legionären, endlich den Mund zu halten. Flavius hingegen starrte ins Leere, während seine Gedanken bei Eugenia und seiner Familie auf Terra waren.
„Ich werde nun noch auf ein paar wichtige Aspekte der kommenden Mission eingehen. Daher werden jetzt alle Klugscheißer hier den Rand halten. Wir können es uns nicht aussuchen und ich kann nur sagen, dass die Einnahme dieses Energieknotens äußerst wichtig für den Verlauf der Landungsoperation ist“, rief Sachs mit rauer Stimme.
Flavius lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schloss die Augen. Soeben hatte er beschlossen, nicht mehr zuzuhören, denn auf dem langen Flug zum Mars würde er alles noch tausendmal hören. Indes flog Flavius selbst davon - wenn auch nur in Gedanken - und schwebte schöneren Orten als dieser halbdunklen Vortragshalle entgegen. Im Geiste kehrte er ins sonnendurchflutete Vanatium zurück, wo er seine Eltern und Geschwister begrüßte. Dabei lächelte er still in sich hinein.
Abflug der Renovatio
Rodmilla Curow bewegte sich schnellen Schrittes durch die inneren Hallen des Archontenpalastes von Asaheim; ihre hochhackigen Schuhe klackerten über den polierten Parkettboden, wobei sich der eine oder andere Würdenträger flüchtig nach der schönen Dame umdrehte und ihr nachsah.
Juan Sobos, der neue Kaiser des Goldenen Reiches, erwartete sie in seinem Privatgemach. Kurz bevor die Assassinin den Treffpunkt erreicht hatte, huschte eine verlegen lächelnde Konkubine auf dem Gang an ihr vorbei. Rodmilla schmunzelte in sich hinein. Sie durchquerte ein Bioscanner-Portal, um anschließend in einen langen Flur, dessen Wände mit aufwendigen Holzschnitzereien verkleidet waren, einzubiegen.
Als sie vor dem Gemach des Imperators stand, wurde sie von zwei gepanzerten Palastwachen empfangen. Die hünenhaften Gestalten trugen schwere Blaster in den Händen und beäugten die Besucherin mit grimmigen Mienen. Rodmilla blickte kalt zurück.
„Sie dienen jedem Herrn, diese Hohlköpfe“, sagte sich die Frau und verzog dabei ihre schmalen, rot geschminkten Lippen. Die Wachen gewährten ihr Zugang; eine Tür öffnete sich.
„Fräulein Curow!“, flüsterte Juan Sobos, als er sie sah. Der Imperator hatte sich auf einer breiten Liege inmitten roter und blauer Samtkissen niedergelassen. Er lächelte ein wenig unzüchtig, während sein Blick Rodmillas Beine hinauf wanderte.
Die Meuchelmörderin verbeugte sich höflich, um dann eine verhaltene Begrüßung zu murmeln.
„Setzen Sie sich, gnädige Frau!“, sagte der Archon und rief eine Servitorin herbei. Kurz darauf wurde Rodmilla ein Glas Wein gebracht.
„Nein, vielen Dank!“, wehrte die Assassinin ab und stellte das Weinglas neben sich auf einen Ziertisch.
Sobos lächte; er strich sich über seinen Kugelbauch. Breit grinsend kam er einen Schritt auf Rodmilla zu. „Es ist venusianischer Wein und kein Himbeertee, meine Hübsche.“
„Ich habe einfach nur keinen Durst, Eure Hoheit“, gab sie zurück. „Was kann ich für Euch tun?“
Sobos schwieg für einen Augenblick, wobei er sich nachdenklich an seinem speckigen Kinn kratzte. Anschließend ließ er sich selbst einen Wein bringen, leerte das Glas genüsslich schlürfend und betrachtete dabei Rodmillas lange, schlanke Beine, die aus ihrem wallenden Kleid hervorschauten.
„Ich hätte da noch ein paar Kleinigkeiten für Sie“, sprach der Archon.
„Soll ich weitere Personen beseitigen?“, fragte Rodmilla.
„Sie sollen“, erklärte Sobos, „mir bei der Ausarbeitung eines neuen Steuergesetzes behilflich sein.“
Die Dame schob die Augenbrauen leicht nach oben; es folgte ein verlegenes Lächeln.
„Von diesen Dingen verstehe ich nichts, Eure Majestät.“
„Tatsächlich?“, amüsierte sich Sobos.
„Ihr wisst, dass meine Talente woanders liegen“, meinte Rodmilla, keine Miene verziehend.
„Das war auch nur Spaß, meine Liebe. Nein, ich hätte noch ein paar Kandidaten, die dezent und lautlos in die feinstoffliche Daseinsform befördert werden müssten.“
Fräulein Curow nickte. „Kein Problem!“
„Was nicht heißt“, sagte Sobos gedehnt, den Zeigefinger belehrend hebend, „dass sich Ihre Talente nur auf das Morden beschränken. Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie auch andere Dinge gut können. Ja, ich bin mir sogar sicher.“
Sie räusperte sich. Der Blick des Imperators verriet nun unverhohlene Gier. Rodmilla zog die Beine an.
„Alles nur Spaß, Fräulein Curow. Nehmen Sie es einem arbeitsgeplagten Archon bitte nicht übel, wenn er sich in Gegenwart einer schönen Dame einen kleinen Spaß gönnt“, sagte der Imperator mit einem feisten Grinsen.
Rodmilla schwieg. Daraufhin hielt sich auch Juan Sobos für einen Augenblick mit seinen Sprüchen zurück. Sein Gesichtsausdruck allerdings sprach Bände. Manchmal kam es Rodmilla beinahe so vor, als würde sie der Archon nur zur Erteilung weiterer Mordaufträge in den Kaiserpalast rufen, um sie dabei anstarren zu können.
„Wie auch immer, auf dieser Datenverarbeitungsscheibe“, fuhr Sobos fort, „sind die Namen und Adressen einiger Personen, deren Ableben mich und meine Freunde sehr erfreuen würde. Natürlich wird die Bezahlung fürstlich sein, Fräulein Curow.“
Wortlos stand die Assassinin auf und nahm das kleine Gerät entgegen. Dann verneigte sie sich, während der Archon seinen Blick gelangweilt durch den Raum schweifen ließ.
„Kann ich sonst noch etwas für Euch tun, Majestät?“, fragte Rodmilla förmlich.
„Ja, da würden mir noch ein paar Dinge einfallen, aber lassen wir das. Nein, erledigen Sie Ihre Aufgaben und verschwinden Sie jetzt!“, brummte Sobos. Er machte eine abweisende Handbewegung.
Rodmilla verbeugte sich tief und machte dann auf dem Absatz kehrt. Der Archon sah ihr schweigend nach. Plötzlich wirkte er mürrisch und gereizt. Die schöne Meuchelmörderin verschwand.
Draußen begann es zu dämmern; die Schatten der Nacht senkten sich auf Lethon herab und die Furcht in Flavius Inneren wuchs ins Unermessliche. Wie von einer Tarantel gestochen sprang er von der Bettkante auf, rannte zur Wand und presste sich die Hände vors Gesicht.
„Ich muss diese Angst in den Griff bekommen! Wieso schaffe ich das nicht?“, schrie er und schlug sich mit der flachen Hand auf die Wange.
Eugenia eilte zu ihm. Sie versuchte, Flavius in den Arm zu nehmen, doch dieser schüttelte sie ab.
„Schritt für Schritt! Zuerst kommt der Flug, da wird euch nichts geschehen“, beruhigte sie ihn.
„Ich will nicht wieder in den Kälteschlaf! Ich will nicht wieder in irgendein Gemetzel geschickt werden!“
Princeps zuckte zusammen, als ihn Eugenias Hand am Oberarm berührte. Seine schreckgeweiteten Augen, die zuvor stumpf in die Leere gestarrt hatten, richteten sich auf die junge Frau.
„Diesmal wird es uns alle erwischen! Wir werden im verdammten Sol-System alle krepieren! Leukos kann diesen Krieg nie und nimmer gewinnen, das ist vollkommen unmöglich! Und ich kann langsam kein Blut mehr sehen, ich werde noch wahnsinnig! Irgendwann verliere ich den Verstand, Eugenia!“
„Beruhige dich, Liebster. Alles wird gut …“, sagte sie sanft, doch Princeps ignorierte ihre Worte. Dann setzte er sich wieder auf die Bettkante, während Tränen seine Wangen hinunterliefen. Eugenia blieb vor ihm stehen und streichelte seinen Kopf.
„Tut mir leid, aber ich kann einfach nicht mehr“, wimmerte Flavius.
„Ist doch gut!“, hauchte sie mit einem milden Lächeln.
„Diese ganzen Bilder, ich bekomme sie nicht mehr aus dem Kopf. San Favellas, Colod, der Bürgerkrieg. Meistens gelingt es mir, dies alles zu verdrängen, aber heute Abend schaffe ich es nicht.“
Eugenia hörte ihm nur zu, sagte jedoch nichts. Schließlich ließ sie sich neben Flavius auf dem Bett nieder und legte ihm den Arm auf die Schulter. Princeps weinte leise in sich hinein; das befreite, er konnte es fühlen.
Den Neurostimulator ließ der Legionär jedoch in der Schublade, obwohl er nach einem Schwall beruhigender Glücksgefühle geradezu lechzte. Doch die Angst konnte dadurch nicht vertrieben oder unterdrückt werden, diese Erfahrung hatte Princeps in den letzten Jahren oft genug gemacht. Man konnte sie nur besiegen, wenn man sich ihr stellte.
Flavius Gesichtszüge verkrampften sich, während die schrecklichen Eindrücke der Vergangenheit durch seinen Geist zogen. Bilder von verstümmelten Leichen auf schlammigen Schlachtfeldern, Trümmerwüsten, ausgebrannte Ruinen, ganze Berge halb verwester Toter. Der Soldat biss sich auf die Lippen und verharrte einen Augenblick lang in finsterer Grübelei. Plötzlich begann er gequält zu lächeln. Er wischte sich die Tränen aus den Augen und blickte trotzig ins Nichts.
„Ich bin eine Schraube im Stahlleib einer Kriegsmaschine, eine Energiezelle unter Tausenden in einem Munitionsdepot, eine Ameise in einem riesigen Schwarm aus Ameisen. Der Tod sitzt in diesem Moment genau so neben mir wie du, Eugenia. Er ist immer da, genau wie ein Schatten. Ich sollte mich endlich mit ihm anfreunden, da ich ihn ja sowieso nicht loswerde.“
Eugenia sah Flavius verstört an, doch dieser blickte weiter in die Leere. Er murmelte noch ein paar Minuten kaum hörbar vor sich hin, bis er laut sagte: „Ich kriege mich schon wieder ein. Siehst du, es geht schon.“
„Es ist völlig normal, dass man manchmal die Nerven verliert, bei dem, was wir schon durchgemacht haben. Aber irgendwann wird dieser Krieg auch wieder vorbei sein. Und dann gehen wir in Midheim etwas Trinken. Ganz so, wie wir es uns damals auf dem Hinflug nach Thracan vorgenommen haben.“
Flavius ergriff ihre Hand. „Ja, das werden wir tun“, sagte er dann mit verbissener Miene, „aber zuerst vernichten wir die Feinde des Imperiums. Und wenn wir dabei nicht draufgehen, dann fliegen wir nach Midheim und können endlich leben.“
Aus Malix Yussam war in den letzten Jahren ein einflussreicher Bankier geworden. Inzwischen verwaltete der Geldverleiher aus Süd-Orian, dem als Kind die Gnade einer Adoption durch eine reiche Nobilensippe und der Aufstieg in die aureanische Kaste zuteil geworden war, nicht nur die Vermögen mehrerer Adelsfamilien, sondern herrschte längst über ein gewaltiges Geldimperium. Die Vergabe von Krediten an wohlhabende Aureaner hatte Yussam einst reich gemacht. Mittlerweile vermehrte sich das Geld des geschäftstüchtigen Mannes mit atemberaubender Geschwindigkeit. Millionen Verrechnungseinheiten waren zu Milliarden geworden - und noch immer wuchs die Geldmenge an.
Für Malix Yussam arbeiteten inzwischen zahlreiche anaureanische Kleinhändler und Kreditvermittler, genau wie seine Brüder, die ihm halfen, sein aufstrebendes Bankenimperium im gesamten Sol-System auszubauen. Selbst der Archon und seine Optimaten hatten sich bei ihm bereits mehrere Milliarden VEs geliehen und es war anzunehmen, dass es dabei nicht bleiben würde. Yussam versorgte den Imperator und seine Seilschaft mit riesigen Geldsummen, während ihm die Optimaten lästige Handelsbeschränkungen oder hinderliche Finanzgesetze aus dem Weg räumten. Eine Hand wusch die andere, so lief das in der Politik, wie Juan Sobos oft betonte.
Heute war der Archon persönlich zu Yussams pompösem Landhaus nach Latynien geflogen, um sich mit dem Bankier über die Vergabe weiterer Kredite zu unterhalten.
Hier, im sonnigen Süden von Hyboran, an der Küste eines wundervollen Landes, das man in der mythischen Vorzeit Terras einst „Italien“ genannt hatte, ließ es sich gut leben. Das meinte nicht nur der Archon, sondern auch sein Geschäftspartner Yussam, dem mehrere Dutzend palastartige Landsitze auf allen Kontinenten gehörten.
Als sich die beiden Männer sahen, lächelten sie einander an, um sich anschließend die Hände zu schütteln. Sobos klopfte dem schwarzhaarigen Bankier mit den listigen, dunklen Augen auf die Schulter.
„Latynien ist stets eine Reise wert, die Tosca ist eine wundervolle Gegend. Es zeugt von Geschmack, wenn man seinen Landsitz hier errichten lässt“, lobte der Imperator den Geldverleiher.
„Ja, das sehe ich ähnlich, Exzellenz, wenn ich auch kaum Zeit habe, mich hier aufzuhalten. Ständig rufen einen die Geschäfte, manchmal geht es zum Mars, dann wieder zur Venus …“, sagte Yussam.
„Man hat niemals seine Ruhe, wenn man ein Imperium zu regieren hat. Das gilt auch für Sie, mein Freund“, antwortete der Kaiser. Malix Yussam nickte kurz.
Nachdem Juan Sobos einen längeren Vortrag über die Vorzüge latynischer Teiggerichte gehalten und ihn Yussam durch seine prunkvolle Villa geführt hatte, setzten sich die beiden Männer auf eine Terrasse hinter dem Haus. Der Bankier ließ dem Kaiser diverse Luxusspeisen und kalte Getränke servieren. Dann kam Sobos endlich zur Sache.
„Herr Yussam, Sie wissen ja, dass das System der sozialen Absicherung im Goldenen Reich auf Dauer vollständig abgeschafft werden soll. Zumindest in der Form, wie wir es seit Jahrhunderten kennen.
Eine gewisse Grundsicherung wird allerdings jedem Aureaner und auch Anaureaner zukommen - bis sich die Verhältnisse so radikal geändert haben, dass auch sie wegfallen kann. Aber so weit sind wir noch lange nicht. Derartige Reformen muss man häppchenweise umsetzen, sonst werden die Leute am Ende doch noch zu schnell zu unzufrieden“, erklärte der Archon.
Malix Yussam nickte. Zunächst wollte er zuhören und dem Imperator das Wort überlassen. Dieser fuhr fort: „Wir benötigen noch weitere Kredite. Meine Fraktionskollegen und ich können nicht immer nur alles aus der Staatskasse entnehmen. Die Umstellung des Sozialsystems, also seine schrittweise Abschaffung, wird zunächst einiges kosten. Wir werden im Goldenen Reich in Zukunft viele nutzlose Fresser am Hals haben, die zuvor aus dem Arbeitsleben entfernt worden sind. Diese Subjekte werden für einen gewissen Zeitraum aus der Staatskasse ernährt werden müssen. Und das Gleiche gilt auch für die ins Reich geholten Ungoldenen, die noch nicht produktiv arbeiten.“
„Ist das denn überhaupt zu bezahlen, Majestät?“, wunderte sich Yussam.
„Man muss die Staatsfinanzen umschichten und das Innerste nach außen kehren. Ja, das geht schon, auch wenn das Reich dadurch ins Minus gerät. Aber das wird schon wieder an anderer Stelle herausgeholt werden. Irgendwann werden wir dem Agrar- und Industriebereich Millionen lobotomisierte Arbeiter zur Verfügung stellen können. Ihr kennt das Konzept ja.“
„In der Tat!“, meinte der Bankier mit ausdrucksloser Miene.
Sobos stieß ein leises Schnaufen aus. Er kratzte sich am Hinterkopf. Für einen Moment wirkte es so, als würden dem Archon diesmal die Worte fehlen.
„So ist das eben, die Optimatenfraktion benötigt jedenfalls weiteres Geld, denn wir haben eine Menge Sonderausgaben“, sagte Sobos.
„Sonderausgaben?“ Yussams dunkelbraune Augen lugten skeptisch zum Imperator herüber.
„Umstellung diverser Industriekomplexe, Rüstungsvorhaben und so weiter. Wir können nicht alles nur aus der Staatskasse nehmen, wie bereits erwähnt. Daher bauen wir auf Sie, Herr Yussam.“
„Ich bin ein treuer Unterstützer und Förderer des Imperiums“, antwortete dieser.
„Eben!“, brummte Sobos und schob die wulstige Unterlippe nach oben.
Der Bankier aus Süd-Orian zögerte kurz, um dann nachzuschieben: „Da mir inzwischen zahlreiche Handelsunternehmen gehören, würde ich mich freuen, wenn ich mich auch in die Industrie und Landwirtschaft einkaufen könnte. Leider gibt es da noch einige Gesetze, die es mir nicht leicht machen.“
„Pah!“, knurrte Sobos. „Gut, dass Sie es sagen. Wir werden dieses alte Zeug auf den nächsten Senatssitzungen eliminieren. Kein Problem, kaufen Sie sich ein, Herr Yussam.“
„Das hört sich gut an, Majestät!“, gab der Geldverleiher zurück.
„Es ist unglaublich, was Sie aus Ihrem Grundkapital gemacht haben. Das muss ich ehrlich zugeben. Ein so talentierter Bankier an meiner Seite ist eine wichtige Stütze“, lobte ihn der Kaiser anerkennend.
„Vielen Dank, Eure Majestät!“ Malix Yussam setzte ein mildes und dankbares Lächeln auf.
„Und nun wollen wir über Zahlen sprechen, mein lieber Freund“, sprach Juan Sobos und langte nach einem Glas eisgekühltem Orangensaft, das neben seinem Sessel auf einem kleinen Stelltisch stand.
Sylcor Adalsang von Thrimia betrat die Empfangshalle des Statthalterpalastes an der Spitze eines Trupps dronischer Rotmantelhopliten. Aswin Leukos und Magnus Shivas betrachteten die schwergepanzerten Leibwächter des Botschafters mit stiller Bewunderung. Sylcor kam näher, stellte sich vor die beiden und verbeugte sich höflich.
„Ich begrüße Euch, Statthalter des Proxima Centauri Systems. Genau wie Euch, rechtmäßiger Oberstrategos von Terra.“
Leukos musste schmunzeln. Dass ihn dieser Dronos als „rechtmäßig“ bezeichnete, schmeichelte ihm. Vor allem nachdem man ihn in den letzten Jahren oft genug als Verbrecher und Renegaten beschimpft hatte.
„Seid gegrüßt, Sylcor Adalsang von Thrimia“, sagte Shivas, wobei er die Hand hob.
Der Dronos deutete auf die hinter ihm stehenden Leibgardisten, hochgewachsene Männer in bronzefarbenen Vollkörperpanzern mit ausgefahrenen Sturmlanzen in den Händen. „Hiermit stelle ich Euch offiziell meine Leibwächter zur Verfügung. Sie gehören nun Euch, Aswin Leukos. Führt sie weise und verschwendet ihre Leben nicht, diese Hopliten sind hart und gut ausgebildet.“
Der Oberstrategos sah zu den Soldaten des dronischen Würdenträgers herüber und lächelte ihnen freundlich zu. Wie sie darauf reagierten, konnte er nicht erkennen, denn die Gesichter der Männer waren hinter undurchsichtigen Visieren verborgen.
„Meine Gardisten“, bemerkte Sylcor, „freuen sich darauf, die Waffen schwingen zu dürfen. Ich habe ihnen erzählt, was der Verräter Juan Sobos unserer Kaste angetan hat. Sie brennen drauf, dieser Blasphemie mit Blaster und Lanze entgegenzutreten.“
Magnus Shivas musste für einen kurzen Moment grinsen. Diese Dronai waren ein ganz besonderer Menschenschlag. Der Botschafter wandte ihm den Blick seiner wasserblauen Augen zu, seine Miene blieb ernst.
„Aber Ihr habt Euren Männern hoffentlich gesagt, dass ich sie nicht zwinge, mir in den Kampf gegen die Optimaten zu folgen“, meinte Leukos.
Sylcor Adalsang schüttelte den Kopf. „Nein! Malogors heilige Gebote zwingen sie bereits, Oberstrategos. Und sie zwingen auch mich, denn ich werde meinen Leibgardisten folgen.“
„Wollt Ihr das wirklich tun, Botschafter?“, wunderte sich Shivas.
„Ich bin kein Hoplit, aber ich weiß, wie man mit einer Waffe umgeht“, antwortete Sylcor ein wenig trotzig.
„Und was ist mit Eurer diplomatischen Mission hier auf Thracan? Immerhin handelt Ihr auf Geheiß Eures Archons, Gesandter“, wandte der Oberstrategos ein.
„Kastenverräter müssen ausgerottet werden! Immer und überall! Jeder von uns muss dazu beitragen, dass die Gebote Malogors unter allen Umständen eingehalten werden“, sprach der Dronos nüchtern. „Wir Dronai schicken unsere Soldaten auf das Schlachtfeld und verstecken uns nicht feige im Hinterland. Ich bin überzeugt davon, dass Imperator Hawalghast III. meine Entscheidung billigen würde.“
„Wie Ihr wünscht …“, murmelte Shivas, den die altaureanische Aufrichtigkeit des Fremden ebenso faszinierte wie verblüffte. Diese strengen Ehrencodizes galten im Goldenen Reich schon lange nichts mehr, genau wie die Lehren und Gebote Gutrim Malogors. Bei den Dronai waren sie hingegen bewahrt worden, wie auch das altaureanische Denken.
„Und nun, meine Freunde, werde ich Euch mein Schlachtschiff übergeben. Die Renovatio untersteht ab heute Eurem Kommando, Aswin Leukos“, sagte Sylcor Adalsang von Thrimia.
„Ich danke Euch, Ehrwürdiger!“ Der terranische Feldherr wirkte regelrecht gerührt.
Dann drehte sich der Botschafter zu seinen Hopliten um und gab ihnen den Befehl zum Abmarsch. Die gepanzerten Hünen mit den bronzefarbenen Rüstungen und den dunkelroten Mänteln machten auf den Absätzen kehrt, während Sylcor an ihnen vorbeilief, um sich an die Spitze der Truppe zu stellen.
Schließlich ging der Dronos mit seinem Gefolge wieder aus dem Statthalterpalast heraus. Aswin Leukos und Magnus Shivas folgten ihm, wobei sie sich gelegentlich fragend ansahen. Diese Fremden kamen ihnen vor wie Relikte aus einer anderen Epoche. Selbst ein bekennender Altaureaner wie Aswin Leukos musste sich erst einmal an das ungewöhnliche, nicht selten engstirnig anmutende Denken seiner Verbündeten gewöhnen.
Die Renovatio hatte das Proxima Centauri System inzwischen verlassen und befand sich auf dem Weg ins Sol-System. Unter anderen Umständen wäre dies für die an Bord befindlichen Legionäre ein Grund zur Freude gewesen, doch nicht unter diesen. Am Ende der mehrjährigen Reise würde die Soldaten nicht der wohlverdiente Frieden auf Terra erwarten, sondern ein ungewisses Schicksal, das in den roten Wüsten des Mars seinen Anfang nahm. Entsprechend gedrückt war die Stimmung unter den Legionären, die sich mit aller Kraft bemühten, die Nerven zu behalten.
Flavius und sein Freund Manilus Sachs saßen in einem der großen Speiseräume im oberen Bugbereich, direkt neben einem Außenfenster, das einen Blick in den Weltraum gewährte. Neben ihnen hatten sich ein paar der anderen Soldaten auf Plastikstühlen niedergelassen. Alle schwiegen; nicht einmal Flavius, der ansonsten recht kommunikativ war, wusste etwas zu sagen. Schließlich war es Zenturio Sachs, der die bedrückende Stille durchbrach.
„Könnt ihr euch noch an die Solon erinnern?“, brummte er in Richtung der Berufssoldaten, die stumm ins Leere starrten.
„Hmmm!“, kam von einem der muskelbepackten Hünen zurück. „Das war ein verfluchtes Drecksding.“
„Ja, und wie!“, knurrte sein Nebenmann.
„Da haben wir es hier doch wesentlich besser, oder etwa nicht?“, schob Sachs nach. Dann lächelte er verhalten.
„Die Innenausstattung der Renovatio ist wirklich schön, eigentlich sogar schon luxuriös. Diese hölzernen Wandverkleidungen in den Gängen gefallen mir sehr gut. Genau wie die roten Samtteppiche auf den Fluren und in den Zimmern. Ein echtes Prachtschiff“, meinte Princeps.
Mehrere Augenpaare glotzten ihn nichtssagend an. Der eine oder andere Legionär brummelte zustimmend. Offenbar hielt sich der Sinn für Ästhetik bei den Veteranen in Grenzen, dachte Flavius. Manilus Sachs pflichtete seinem jüngeren Freund indes bei, er hielt die Renovatio ebenfalls für ein ansehnliches Schiff.
„Ist halt ein schicker Diplomatenkahn der Dronai. Wir Soldaten geben uns ja auch mit Rostschiffen zufrieden, aber diese Botschafter und Politiker wollen es immer ganz fein und geschniegelt haben“, sagte ein Mann am Ende des Tisches.
„Mir fehlen vor allem die Nutten …“, ergänzte ein anderer.
Es folgte ein raues, kehliges Lachen. Ein paar der Legionäre schlugen sich auf die Schenkel. Flavius hob die Augenbrauen an, Sachs sagte nichts zu den derben Sprüchen.
„Es gibt hier mehrere Archivräume an Bord, wie ich herausgefunden habe“, bemerkte Flavius.
„Archiv? Was?“, kam zurück.
„Schon gut!“, wehrte Princeps ab.
Einer der Legionäre, ein breitschultriger Kerl, dessen drahtige Unterarme aus seinem Gewand hervorschauten, lachte meckernd. „Unser Herr Kohortenführer sucht bestimmt wieder irgendwelche Bücher.“
Flavius versuchte freundlich zu bleiben. Dann sagte Zenturio Sachs: „Wenn man lange im All unterwegs ist, sollte man ruhig etwas lesen. Was ist dagegen einzuwenden?“
„Ich hole mir lieber einen runter!“, erhielt er als Antwort, die sogleich in einem Schwall aus bellendem Gelächter unterging.
„Jeder so, wie’s ihm gefällt“, entgegnete Sachs humorvoll.
„Da tut einem doch irgendwann das Ding weh, wenn man pausenlos wichst“, sprach Flavius. Er versuchte, lustig zu wirken.
Ein rotbärtiger Soldat winkte ab. „Aha, der Herr Kohortenführer hat es wohl schon ausgetestet, wie?“
Dass Zenturio Sachs Princeps zum Kohortenführer ernannt hatte, schien manche der älteren Berufssoldaten noch immer zu wurmen. Doch jetzt, wo von der 562. Legion nur noch ein kläglicher Rest übrig war und die Truppe nicht mehr mit anderen Heeresverbänden zusammen kämpfte, hatte dieser Titel keine Bedeutung. Es waren mittlerweile so wenige Soldaten am Leben, dass aus ihnen nicht einmal mehr eine einzige Kohorte gebildet werden konnte.
Flavius wurde durch einen weiteren Lachausbruch aus seiner Grübelei gerissen. Er sah sich um. Muskelbepackte, stiernackige Gestalten umgaben ihn. Manche blickten stumpfsinnig umher, andere wirkten, als ob sie immer kurz vor einem gewalttätigen Anfall ständen. Flavius gegenüber saß der rotbärtige Soldat, der ihm soeben einen blöden Spruch an den Kopf geworfen hatte. Sein Blick wirkte auf den ersten Blick freundlich und auf den zweiten bereits psychopathisch. Jetzt grinste er breit und prostete Flavius mit einem Glas Mineralwasser zu. Der junge Legionär lächelte höflich zurück.
Als man ihn einst ins Proxima Centauri System geschickt hatte, als entbehrlichen Rekruten für die terranische Legion, war ihm die Anwesenheit der Berufssoldaten stets ein Graus gewesen. Die meisten der Legionäre, die ihr Leben dem Militärdienst verschrieben hatten, waren aus der gewöhnlichen Gesellschaft ausgetreten. Sie lebten ein Leben in Heerlagern und Raumschiffen, während sie von den gewöhnlichen Aureanern gemieden wurden. Im Grunde hatte man sie auf Terra kaum wahrgenommen, zumindest in Friedenszeiten. Doch das hatte sich inzwischen geändert. Auf das Sol-System und seine nichtsahnenden Einwohner rollte ein grausamer Krieg zu. Noch hatte die Gewalt den Mars, Terra und die anderen Planeten nicht erreicht, aber es war nur noch eine Frage der Zeit, bis das Herz des Goldenen Reiches in Flammen stehen würde.
„Wir haben den Kampf um Thracan gemeinsam geführt, mein Freund. Jetzt aber muss ich das zu Ende bringen, was wir beide begonnen haben“, sagte Aswin Leukos mit entschlossenem Blick.
Magnus Shivas nickte ernst. „Ich werde Euch weitere Raumschiffe und Truppen schicken. Trogan Macdron, Neeth Agte und unsere anderen Unterstützer werden zusammen mit mir dafür sorgen, dass hier die Ordnung aufrechterhalten wird.“
Der terranische General lächelte; dann kam er einen Schritt auf den Statthalter zu und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Ihr seid ein großer Mann, Magnus Shivas. Und Ihr seid ein Gefährte, auf den man sich verlassen kann. Wie gerne würde ich Euch mit nach Terra nehmen.“
„Ihr wollt mich schon wieder überreden, nicht wahr?“, scherzte Shivas, wobei ein etwas melancholischer Unterton in seiner Stimme mitschwang.
„Ich weiß, Thracan ist Eure Heimat“, gab Leukos zurück. Der weißhaarige Thracanos machte ein trauriges Gesicht. Er blickte den Oberstrategos in seiner väterlichen Art an, um schließlich zu bemerken: „Wenn Ihr morgen abfliegt, General, dann wird es so sein, als ob mich auch mein zweiter Sohn für immer verlässt. Aber ich bleibe hier und werde versuchen, Euch den Rücken frei zu halten.“
Aswin Leukos wirkte gerührt, als er diese Worte hörte. Für einen Moment suchte der Heerführer nach einer passenden Antwort.
„Baldur Leukos, mein lieber Vater, und meine arme Mutter Hyksia sind vermutlich schon längst von Juan Sobos Schergen ermordet worden. Damals, als ich mit meinen Truppen ins Proxima Centauri System aufgebrochen bin, war mein Vater schon sehr krank gewesen. Sicherlich wäre er auch ohne Sobos Zutun in absehbarer Zeit gestorben, wobei ich jedoch sicher bin, dass meine gesamte Sippe inzwischen nicht mehr am Leben ist. Ich hatte in letzter Zeit einige seltsame Träume, mein Freund. Meine Eltern und mein jüngerer Bruder sind mir im Schlaf erschienen, genau wie einige meiner Verwandten.
Jedenfalls habe ich seit Jahren keine Nachricht mehr von meinen Lieben erhalten. Wer kann schon sagen, was in der Zwischenzeit geschehen ist? Es kommt mir bereits so vor, als würde ich seit einer Ewigkeit durch das All irren.“
„Erwartet nicht das Schlimmste, Oberstrategos“, sagte Shivas.
„Sobos wird meine Sippe ausgerottet haben. Ich fühle, dass ich der letzte Leukos bin“, erwiderte der General düster.
Magnus Shivas antwortete nicht. Er sah seinen Gefährten lediglich nachdenklich an. Schließlich nahm er einen diamantbesetzten Goldbecher von einem kleinen Stelltisch und füllte das prunkvolle Gefäß mit etwas Wein.
„Wir alle haben in den letzten Jahren viel erduldet und erlitten. Diesen Kampf hat uns ein finsteres Schicksal aufgezwungen. Doch wir führen ihn zu Ende, wie er auch immer ausgehen mag.“
Leukos nahm den Becher von Shivas entgegen und leerte ihn. Gedankenverloren hob er den goldenen Kelch hoch und betrachtete die funkelnden Edelsteine, die ihn zierten. Der Feldherr drehte sich um und ging zu einem Fenster, um hinaus in die Nacht zu schauen. Sein Gefährte sagte nichts, er betrachtete nur stumm den Terraner, der ihn bald zu verlassen gedachte.
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