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Denkwürdigkeiten eines Fechtmeisters

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Denkwürdigkeiten eines Fechtmeisters
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– Ei! Potztausend! das ist ja ein Wunder, sagte Griesier zu mir, als er mich in der Thür des Fechtbodens erscheinen sah, auf welchem er ganz allein noch zurück geblieben war.

In der That, seit dem Abend, an welchem uns Alfred von Nerval die Geschichte Paulinens erzählt, hatte ich keinen Fuß wieder in die Faubourg Montmartre No. 4 gesetzt.

– Ich hoffe, fuhr unser würdiger Lehrer mit der väterlichen Sorge, die er für seine ehemaligen Schüler hegte, fort, daß es nicht etwa irgend ein schlimmer Handel ist, der Sie zu mir führt?

– Nein, mein theurer Meister, und wenn ich Sie um einen Dienst zu bitten habe, antwortete ich ihm, so gehört er nicht zu denjenigen, welche Sie mir in ähnlichen Fällen zuweilen erwiesen haben.

– Sie wissen, daß, was es auch sein möge, ich immer ganz der Ihrige bin. Reden Sie demnach.

– Nun denn, Mein Theurer, Sie müssen mich aus einer Verlegenheit reißen.

– Wenn die Sache möglich, so ist sie schon geschehen.

– Ich habe auch nicht an Ihnen gezweifelt.

– Reden Sie.

– Denken Sie sich, daß ich so eben einen Vertrag mit meinen: Buchhändler abgeschlossen, und ihm Nichts zu geben habe.

– Teufel auch!

Nun komme ich zu Ihnen, damit Sie mir Etwas liefern möchten.

– Ich?

– Gewiß, Sie haben mir wohl fünfzig Mal von Ihrer Reise nach Rußland erzählt.

– Hm, wahrlich!

– Zu welche: Zeit waren Sie dort?

– Während der Jahre 1824, 1825 und 1826.

– Gerade während der interessantesten Jahre: dem Ende der Regierung des Kaisers Alexander und der Thronbesteigung des Kaisers Nicolaus.

– .ich habe den einen begraben, und den anderen krönen sehen. Aber, warten Sie doch!

– ich wußte es wohl! . . .

– Eine wundervolle Geschichte.

– Das ist gerade, was ich brauche.

– Denken Sie doch . . . . Aber so ist es besser, haben Sie Geduld?

–Sie fragen das einen Mann, der sein Leben damit zubringt, Wiederholungen zu machen.

–Nun, dann warten Sie! – Er ging an einen Schrank, und zog aus demselben einen mächtigen Stoß Papier – Da, das ist, was brauchen.

– Ein Manuskript, Gott verzeihe mir!

– Die Bemerkungen eines meiner Zunftgenossen der zur selben Zeit, als ich, in Petersburg war, der alles das gesehen hat, was ich gesehen habe, und in den Sie dasselbe Vertrauen setzen können, als in mich selbst.

– Und Sie geben mir das?

– Ganz als Ihr Eigenthum.

– Aber das ist ein Schatz.

– In dem mehr Kupfer als Silber, und nicht Silber als Gold ist. Ziehen Sie das Beste davon heraus.

– Mein Theurer, noch heute Abend mache ich mich ans Werk, und in zwei Monaten . . .

– In zwei Monaten? . . .

– Wird Ihr Freund eines Morgens ganz lebendig, gedruckt wieder erwachen.

– Wahrhaftig?

– Sie dürfen unbesorgt sein.

– Nun denn! auf Ehre, das wird ihm Vergnügen machen.

– Apropos, es fehlt Ihrem Manuscript Etwas.

– Was?

– Ein Titel.

– Wie, ich muß Ihnen auch den Titel geben?

– Weil Sie einmal daran sind, mein Theurer, so machen Sie die Sache nicht halb.

– Sie haben nicht recht gesehen, das Manuscript hat einen.

– Wo denn?

– Auf dieser Seite, – - sehen Sie: —

Der Fechtmeister oder achtzehn Monate in Sanct- Petersburg.

– Nun! da er denn da ist, so lassen wir ihn.

– Also?

– Angenommen.

Durch diese Vorrede wird das Publikum sich in Kenntniß gesetzt glauben, daß Nichts von dem, was es hier liest, von mir ist, nicht einmal der Titel.

Außerdem ist es Grisiers Freund, welcher spricht.

Erster Band

I

Ich war noch in dem Alter der Täuschungen, besaß eine Summe von vier Tausend Franken, die mir ein unerschöpflicher Schatz schien, und hatte von Rußland als von einem wahrhaften Eldorado für alle in ihrer Kunst ein wenig ausgezeichnete Künstler reden hören: da es mir nun nicht an Selbstvertrauen fehlte, so entschloß ich mich nach St. Petersburg zu reisen.

Dieser Entschluß einmal gefaßt, wurde bald ausgeführt: ich war ledig, ließ nichts zurück, selbst nicht einmal Schulden; ich brauchte demnach nur einige Empfehlungsbriefe und meinen Paß zu nehmen, was nicht langer Zeit bedurfte, und acht Tage nachdem ich mich zur Abreise entschlossen hatte, befand ich mich auf dem Wege nach Brüssel.

Ich hatte den Weg zu Lande gewählt, zuvörderst, weil ich in den Städten, durch welche ich kam, öffentliche Fechtübungen zu geben gedachte, um auf diese Weise die Reisekosten durch die Reise selbst zu decken, und ferner deshalb, weil ich, begeistert für unseren Ruhm, einige jener schönen Schlachtfelder zu besuchen wünschte, wo, wie ich glaubte, die Lorberen wie auf den Gräbern Virgils von selbst wachsen müßten.

Ich verweilte zwei Tage lang in der Hauptstadt Belgiens, am ersten Tage gab ich daselbst eine

öffentliche Fechtübung, und am zweiten hatte ich daselbst ein Duell. Da ich mich aus dem einen

wie aus dem anderen ziemlich glücklich herauszog, so machte man mir sehr annehmbare Vorschläge, um

in der Stadt zu bleiben, welche ich indessen nicht annahm, da es mich weiter trieb.

Nichts desto weniger hielt ich mich einen Tag in Lüttich auf, ich hatte dort bei dem Stadt-Archiv einen früheren Schüler, an dem ich nicht vorüber gehen wollte, ohne ihm meinen Besuch abzustatten. Er wohnte in der Straße Pierreuse, und von der Terrasse seines Hauses konnte ich, während dem ich mit dem Rheinweine Bekanntschaft machte, die Stadt von dem Dorfe Herstall an, wo Pepin geboren wurde, bis zu dem Schlosse Ranioulle, von wo aus Gottfried nach dem heiligen Lande wanderte, sich unter meinen Füßen entfalten sehen. Diese Betrachtung geschah nicht, ohne daß mir mein Schüler über alle diese alten Gebäude fünf oder sechs alte Legenden erzählte, von denen die eine immer merkwürdiger als die andere war; eine der tragischsten davon ist ohne Widerspruch die, welche den Titel das Banket von Varfusen führt, und deren Gegenstand die Ermordung des Bürgemeisters Sebastian Laruelle ist, von dem noch heutigen Tages eines der Stadt-Thore den Namen trägt.

Beim Einsteigen in den Postwagen nach Aachen, hatte ich meinem Schüler von meiner Absicht gesagt, daß ich in den bedeutendsten Städten aussteigen und auf den berühmtesten Schlachtfeldern anhalten wollte; aber er hatte über meine Anmaßung gelacht und mich belehrt, daß man in Preußen nicht anhält, wo man will; sondern wo es der Schirrmeister will, und daß man, einmal in seinen Kasten eingeschlossen, ganz zu seiner Verfügung steht. In der That, von Köln bis Dresden, wo es meine bestimmte Absicht war, drei Tage zu bleiben, ließ man uns aus unserem Käfig nur zu den Stunden der Mahlzeiten, und ließ uns gerade nur so

lange Zeit, um die zu unserm Unterhalt nothwendigte Nahrung zu uns zu nehmen. Nach Verlauf von drei Tagen dieser Einkerkerung, gegen welche übrigens niemand murrte, so sehr ist man in den Staaten Seiner Majestät, Friedrich Wilhelms, daran gewöhnt, langten wir in Dresden an.1

In Dresden war es, wo Napoleon im Jahre 1812 bei seinem Zuge nach Rußland diesen großen Halt machte, wohin er einen Kaiser, drei Könige und einen Vice-König rief; was die souverainen Fürsten anbelangt; so waren sie an den Thüren des Kaiserlichen Zeltes so gedrängt, daß man sie mit den General-Adjutanten und den Ordonanz-Officieren vermengte; der König von Preußen mußte drei Tage lang warten.

Alles ist bereit, um Asien seine Einfälle der Hunnen und der Tartaren zu vergelten. Sechs mal Hundert und siebzehn Tausend Mann, die in acht verschiedenen Sprachen: es lebe Napoleon! riefen, sind von den Ufern des Guadalquivir und dem Meere von Calabrien durch die Hand des Riesen bis an die Ufer der Weichsel getrieben worden; sie führen dreizehn Hundert zwei und siebzig Stück Kanonen mit sich, sechs Schiffbrücken, ein Belagerungsgeräth; an ihrer Spitze marschieren vier Tausend Wagen mit Lebensmitteln, drei Taufend Pulver-Wagen, fünfzehn Hundert Lazareth-Fuhren, und überall, wo sie durchkamen, begleitet sie der Jubel Europas.

Am 29. Mai verläßt Napoleon Dresden, hält sich in Polen nur auf, um den Polen einige Freundes-Worte zu sagen, verschmähet Warschau, hält sich in Thorn nur so lange auf, als durchaus nothwendig ist, um die Festungswerke und die Magazine zu besuchen, geht die Weichsel hinab, läßt Friedland, ruhmwürdigen Andenkens, zu einer Rechten, und langt endlich in Königsberg an, wo er im Herabgehen nach Gumbinnen vier oder fünf seiner Armee-Corps die Musterung passieren läßt. Der Befehl über die Bewegung ist gegeben: der ganze Raum, der sich von der Weichsel bis zu dem Niemen erstreckt, bedeckt sich mit Menschen; der Pregel, welcher von einem Flusse zum andern wie eine Ader rollt, die zwei Hauptadern mit einander in Verbindung setzt, bedeckt sich mit Schiffen voller Lebensmittel. Endlich gelangt Napoleon am 25. Juni vor Tagesanbruch an den Saum des preußischen Waldes von Pilwiski; eine Hügel-Kette breitet sich vor ihm aus, und an der anderen Seite dieser Hügel rollt der russische Fluß. Der Kaiser, welcher bis dahin zu Wagen gekommen ist, steigt um zwei Uhr Morgens zu Pferde, kommt bei Kowno an die Vorposten, nimmt die Mütze und den Mantel eines polnischen Chevaulegers, und sprengt im Galop mit dem General Haro und einigen Mann davon, um selbst den Fluß zu recognosciren; im Anlangen an den Ufern stürzt sein Pferd, und wirft ihn einige Schritte von sich in den Sand: – Das ist eine schlimme Vorbedeutung, sagt Napoleon, indem er wieder aufstand; ein Römer wäre zurückgewichen.

 

Die Recognoscierung ist gemacht: die Armee soll den ganzen Tag über ihre Stellung behalten, welche sie den Augen der Feinde verbirgt; während der Nacht wird sie auf drei Brücken über den Fluß gehen.

Als der Abend gekommen, nähert sich Napoleon dem Flusse; einige Sappeure gehen in einem Nachen über den Fuß, der Kaiser folgt ihnen mit den Augen in die Finsterniß, in der sie sich verlieren; sie landen und steigen an dem russischen Ufer aus: die feindliche Armee, welche sich am Tage zuvor hier befand, scheint verschwunden zu sein. Nach Verlauf eines Augenblickes der Stille und der Bangigkeit zeigt sich ein Kosacken-Offizier: er ist allein und scheint erstaunt, um diese Stunde Fremde am Ufer des Flusses zu finden.

– Wer seyd Ihr? fragt er.

– Franzosen, antworten die Sappeure.

– Was wollt Ihr?

– Ueber den Niemen gehen.

– Was wollt Ihr in Rußland machen?

– Krieg, bey Gott!

Auf diese Erklärung des subalternen Herolds sprengt der Kosacke ohne zu antworten in der Richtung von Wilna davon, und verschwindet wie eine nächtliche Erscheinung. Drei Flintenschüsse verfolgen ihn ohne ihn zu treffen, Napoleon erbebt bei diesem Knall, der Feldzug ist eröffnet.

Der Kaiser befiehlt sogleich drei Hundert Woltigeuren über den Fluß zu gehen, und die Herstellung der Brücken zu decken; zu gleicher Zeit werden Ordonanz-Officiere nach allen Richtungen hin versendet. Nun setzen sich die französischen Massen in der Dunkelheit in Bewegung, und rücken versteckt durch das Gebüsch und sich in das Korn bückend vor, die Nacht ist so finster, daß die Spitzen der Kolonnen bis auf zwei Hundert Schritt vom Fluss angelangt sind, ohne von Napoleon bemerkt zu seyn; er hört nur ein dumpfes Brausen gleich dem eines herannahenden Sturmes; er sprengt nach dieser Seite zu; das Wort Halt! mit leiser Stimme wiederholt, verbreitet sich über die ganze Linie; man zündet kein Feuer an, Stille ist befohlen, jeder soll sich, das Gewehr im Arme, in seiner Reihe niederlegen. Um zwei Uhr Morgens waren die drei Brücken geschlagen.

Der Tag bricht an, das linke Ufer des Niemen ist mit Menschen, Pferden und Wägen bedeckt, das rechte Ufer ist verödet und todtenstille, der Boden selbst scheint, indem er russisch wird, die Ansicht zu verändern, alles, was nicht finsterer Wald ist, ist ein dürrer Sand.

Der Kaiser tritt aus seinem, auf einem der höchsten Hügel und in Mitte dieser Menge errichteten Zelte; sogleich sind die Befehle ertheilt, die General-Adjutanten sprengen nach den bezeichneten Punkten, auseinander fliegend, wie die Strahlen eines Sternes. Fast zu gleicher Zeit setzen sich diese verworrenen Massen in Bewegung, vereinigen ich in Armee-Corps, verlängern sich in Kolonnen, und sich nach den Krümmungen des Bodens windend, gleichen sie eben so vielen Bächen, die nach dem Flusse hinabrollen.

In dem Augenblicke, wo drei Avantgarden den Fuß auf das russische Gebiet setzen, nahm der Kaiser Alexander einen Ball an, den ihm die Stadt Wilna gab, und tanzte mit der Frau Barclay de Tolly, deren Gatte als Oberfeldherr seine Armee kommandirte. Um Mitternacht hatte er durch den Kosacken-Officier, dem unsere Sappeure begegnet waren, die Ankunft der französischen Armee an dem Niemen erfahren, aber er hatte das Fest nicht unterbrechen wollen.

Kaum hatte die Avantgarde durch den dreifachen Uebergang, der ihr offen stand, auf dem rechten Ufer des Niemen Fuß gefaßt, als Napoleon, gefolgt von seinem Generalstabe, auf die mittlere Brücke herbei sprengt, und sie seiner Seits passirt. Auf dem anderen Ufer angelangt, beunruhigt, verwundert er sich: dieser ihm entschlüpfende Feind scheint ihm viel drohender durch seine Abwesenheit, als er es durch seine Gegenwart gewesen seyn würde; in diesem Augenblicke hält er an, er hat geglaubt, Kanonen zu hören; er irrt sich, es ist der Donner; ein Gewitter zieht sich über der Armee zusammen, das Wetter bedeckt und verfinstert sich, als ob die Nacht bereit wäre, hereinzubrechen, Napoleon vermag seiner Ungeduld nicht zu widerstehen, er umgibt sich nur mit einigen Mann, stürzt in diese graue Atmosphäre, und mit der ganzen Schnelligkeit seines Pferdes dahin sprengend, verschwindet er in der Tiefe eines Waldes. Das Wetter fährt fort sich zu bedecken. Nach Verlauf einer halben Stunde sieht man den Kaiser beim Schein eines Blitzes zurückkommen: er hat mehr als zwei Stünden gemacht, ohne einer lebenden Seele zu begegnen. In diesem Augenblicke bricht das Gewitter aus; Napoleon sucht in einem Kloster ein Obdach.

Gegen fünf Uhr Abends, während dem die Armee fortfährt über den Niemen zu gehen, rückt Napoleon, den diese Einöde beunruhigt, bis nach der Wilia vor, welcher er eine Viertelstunde oberhalb des Ortes, wo sie sich in den Niemen ergießt, begegnet; die Russen haben im sich Zurückziehen die Brücke verbrannt, es würde zu lange dauern, um eine andere zu errichten: die Polnischen Chevaulegers sollen eine Fuhrt suchen.

Auf den Befehl Napoleons stürzt sich eine Eskadron Cavalerie in den Fluß, anfangs bewahrt die Eskadron ihre Linie, was einige Hoffnung gibt; nach und nach sinken Menschen und Pferde tiefer, sie verlieren den Boden, dringen aber nichts desto weniger vorwärts; bald, trotz ihrer Anstrengung, lösen sie sich auf. In Mitte des Flusses angelangt reißt sie die Heftigkeit des Stromes fort, einige Pferde sind bereits verschwunden, die anderen, erschreckt, wiehern als Zeichen der Angst, die Menschen kämpfen und matten sich ab, aber die Gewalt des Wassers ist so groß, daß sie fortgerissen werden. Kaum gelingt es einigen wenigen, das andere Ufer zu erreichen, die anderen versinken und verschwinden unter dem Rufe: es lebe der Kaiser und diejenigen von der Armee, welche auf dem Niemen geblieben, sehen die Leichname von Menschen und Pferden auf sich zu schwimmen, welche ihnen Nachrichten von ihrer Avant-Garde bringen.

Die französische Armee bedurfte dreier ganzer Tage, um den Fluß zu passiren.

In zwei Tagen erreichte Napoleon die Engpässe, welche Wilna beschirmen; er hofft, daß der Kaiser Alexander ihn in dieser schönen Stellung erwartet haben wird, um die Hauptstadt Litthauens zu beschützen; die Engpässe sind verlassen, er kann seinen Augen nicht glauben; die Avant-Garden haben sie schon ohne Hinderniß passirt; er wird zornig, er flucht, er drohet; der Feind ist nicht allein unerreichbar, sondern auch noch unsichtbar. Das ist ein gefaßter Plan, das ist ein berechneter Rückzug, denn er kennt die Russen, weil er mit ihnen zu thun gehabt hat, und er weiß, daß wenn sie den Befehl zum Schlagen erhalten haben, es lebendige Mauern sind, die man zurückwirft, die aber nicht, zurückweichen.

Inzwischen, welche Gefahr er auch verbirgt, man muß wohl den Rückzug des Feindes benutzen. Napoleon begibt sich in die Mitte der Polen, und hält mit ihnen seinen Einzug in Wilna. Bei dem Anblicke derjenigen, welche sie als ihre Landsleute betrachten, und desjenigen, auf den sie wie auf einen Erlöser hoffen, strömen die Litthauer unter freudigem Jubel und voll Begeisterung herbei; aber Napoleon geht ohne etwas zu sehen, ohne etwas zu hören, sorgenvoll durch Wilna, und eilt nach den Vorposten, welche schon die Stadt überschritten haben; dort endlich hat er Nachrichten von den Russen: das 8. Regiment Husaren, das sich unvorsichtiger Weise, und ohne unterstützt zu seyn, in einen Wald vertieft hat, ist daselbst in Stücken gehauen worden. Napoleon athmet wieder auf, er hat es also mit keiner Armee von Gespenstern zu thun; der Feind hat sich in der Richtung von Drissa zurückgezogen; Napoleon schickt Murat und seine Cavalerie ihm nach, dann kehrt er nach Wilna zurück, um Besitz von dem Palaste zu nehmen, den Alexander am Tage zuvor verlassen hat.

Napoleon verweilt daselbst, um seine rückständigen Arbeiten nachzuholen. Was seine Armee anbelangt, so soll sie fortfahren, unter der Anführung ihrer Heerführer vorzurücken, da es eine russische Armee gibt; so ist es an ihnen, sie einzuholen. Unsere Zufuhren, unsere Packwägen, unsere siegenden Lazarethe sind noch nicht angelangt, was liegt daran? was vor allem Noth thut, ist eine Schlacht, denn eine Schlacht wird ein Sieg seyn, und Napoleon treibt viermal Hundert Tausend Mann in ein Land, das weder Karl XII. noch seine zwanzig Tausend Schweden hat ernähren können.

Die traurigsten Nachrichten gelangen demnach auch von allen Seiten zu ihm. Die Armee, der die Lebensmittel fehlen, kann sich nur durch die Plünderung erhalten, und auch die Plünderung ist noch unzureichend; nun, obgleich in Freundes Land, drohet, sengt und brennt man; ohne Zweifel ist es durch Zufall, daß sich dieses letztere Unglück ereignet, aber ganze Dörfer sind das Opfer dieser Zufälle. Und trotz alle dem leidet das Heer; schon zeigt sich die Entmuthigung: man spricht von jungen Conscribierten, minder an Entbehrungen gewöhnt, als ihre alten Kameraden, welche, indem sie vor ihren Blicken sich lange Tage des Leidens, ähnlich denen, welche sie verlebt, entfalten sehen, ihre Stirn auf ihre Gewehre gestützt, und sich den Kopf in Mitte des Weges gesprengt haben. Kurz, man sagt, daß man auf der Straße nichts, als verlassene Munitionswägen, geöffnete und geplünderte Packwägen, als ob sie vom Feinde genommen gewesen wären, erblicke, denn an zehn Tausend Pferde sind todt, getödtet durch das grüne Korn, welches sie gefressen haben.

Napoleon hört alle diese Berichte, indem er thut, als ob er nicht daran glaube. Zu welcher Stunde man zu ihm kommt, so findet man ihn über ungeheure Karten gebückt, indem er den Weg zu errathen sucht, welchen die russische Armee einschlagen wird; in Ermangelung bestimmter Nachrichten erleuchtet ihn fein Genie, und er glaubt den Plan Alexanders durchdrungen zu haben. Die Geduld des Czar hält sich daran, daß die Franzosen den Boden des alten Rußlands. noch nicht betreten haben, und nur noch auf den neuen Eroberungen marschiren; aber ohne Zweifel wird er seine ganze Macht vereinigen, um das Moskovitische Gebiet zu vertheidigen. Das Moskovitische Gebiet beginnt aber erst achtzig Stunden hinter Wilna. Zwei große Flüsse sind es, die seine Gränzen bezeichnen: der eine ist der Dnieper, und der andere die Dwina, der eine entspringt oberhalb von Viasma, und der andere bei Toropez; alle beide laufen nach einem Raume von ohngefähr sechzig Stunden von Osten nach Westen in paralleler Linie zu beiden Seiten dieser großen Gebirgskette, deren beide Abhänge sie benetzen, welche, von den Karpathen bis zu dem Uralgebirge sich erstreckend, das Rückgrath Rußlands bilden. Mit einem Male entfernen sie sich bei Polosk und bei Orkha plötzlich der eine nach der Rechten, und der andere nach der Linken, die Dwina, um sich bei Riga in das Baltische Meer zu ergießen, und der Dnieper, um bei Cherson in das schwarze Meer zu fallen; aber bevor sie sich auf diese Weise trennen, schließen sie sich ein letztes Mal enger zusammen, indem sie zwischen sich Smolensk und Witebsk, diese beiden Schlüssel von St. Petersburg und Moskau, einschließen.

Es ist nicht mehr daran zu zweifeln: dort ist es, wo Alexander Napoleon erwarten wird.

Von nun an ist dem Kaiser alles erklärt: Barclay de Tolly zieht sich über Drissa auf Witebsk zurück, und Bagration über Borisoff nach Smolensk, dort werden sie sich vereinigen, um Frankreich den Eintritt in Rußland zu versperren.

Sogleich sind dem zu Folge die Befehle ertheilt: Dovoust wird sich des Dnieper bemächtigen, und mit dem Könige von Westphalen, der unter seinen Befehl gestellt wird, versuchen Bagration den Weg abzuschneiden, indem er vor ihm nach Minsk gelangt; Murat, Qudinot und Ney werden Barclay de Tolly verfolgen, und er, Napoleon, mit dem Kern seiner Armee, mit der Armee von Italien, den Bayern, der kaiserlichen Garde, den Polen, kurz mit fünfmal Hundert Tausend Mann, wird zwischen den beiden Korps durchgehen, und eine scharfe Spitze bilden, bereit sich mit Davoust, oder mit Murat zu vereinigen, sey es nun, daß sie Hilfe nöthig hätten, um nicht besiegt zu werden, oder sey es, daß sie der Unterstützung bedürften, um den Sieg zu vollenden.

Ein Streit über das Vorrecht zwischen Davoust und dem Könige von Westphalen läßt Bagration einen Ausweg; Davoust holt ihn nichts desto weniger bei Mohilof ein, aber das, was eine Schlacht hätte sein sollen, ist nur ein Gefecht, inzwischen ist der Zweck zum Theil erreicht, Bagration ist von seinem Wege abgebracht und gezwungen, einen großen Umweg zu machen, um Smolensk zu erreichen.

Auf dem linken Flügel begegnet Murat dasselbe, es ist ihm endlich gelungen, Barclay de Tolly einzuholen, und jeden Tag finden zwischen der russischen Arrier-Garde und der französischen Avantgarde Gefechte statt. Subevic ist es und seine leichte Cavalerie, der die Russen an der Wisna niedermezelt, und ihnen zwei Hundert Gefangene nimmt. Montbrun und seine Artillerie ist es, der die Division des General Korf mit Kartätschen niederschmettert, als er vergeblich sucht, eine Brücke hinter sich abzuschneiden. Sebastiani ist es, der in Vidzi anlangt, von wo der Kaiser Alexander erst am Abende zuvor abgegangen ist.

 

Barclay de Tolly faßt nun den Entschluß, die Franzosen in dem verschanzten Lager von Drissa zu erwarten, wo er hofft, daß sich Bagration mit ihm vereinigen wird; aber nach Verlauf von drei oder vier Tagen erfährt er den Verlust des russischen Fürsten und das von Napoleon ausgeführte Manöver. Wenn er sich nicht eilt, werden die Franzosen vor ihm in Witebsk seyn; der Befehl zum Aufbruche wird demnach auch gegeben, und nach einem Halt von einem Augenblicke begibt sich die russische Armee wieder auf den Rückzug.

Was Napoleon anbelangt, so ist er von Wilna am 16. abgereist, am 17. ist er zu Swentrioni, am 18. zu Klupokoe. Dort erfährt er, daß Barclay sein Lager von Drissa verlassen hat, er glaubt ihn schon in Witebsk; vielleicht bleibt ihm noch die Zeit, vor ihm daselbst anzugelangen. Er bricht sogleich nach Kamen auf. Sechs Tage vergehen in Eilmärschen, ohne daß man einem einzigen Feinde begegnet. Die Armee rückt lauernd vor, damit sie sich dorthin begeben kann, wohin sie der Donner rufen wird. Endlich brüllen die Kanonen am 24. aus der Gegend von Bezenkowiczi her: es ist Eugen, der an der Dwina mit der Arrier-Garde Barclays im Gefecht ist. Napoleon stürzt sich nach der Seite des Feuers; aber das Feuer erlischt, bevor er die Kämpfenden erreicht, und als er ankommt, findet er Eugen beschäftigt, die Brücke wieder herzustellen, welche Doktoroff bei seinem Rückzuge verbrannt hat. Er überschreitet dieselbe, sobald sie gangbar ist, nicht, weil er Eile hätte, sich dieses Flusses, seiner neuen Eroberung, zu bemächtigen; sondern um selbst zu sehen, wie weit die russische Armee in ihrem Marsche ist. Nach der Richtung der feindlichen Arrier-Garde, nach den Antworten einiger Gefangenen, urtheilt er, daß Barclay in diesem Augenblicke in Witebsk sein muß. Demnach hat er sich also über den Plan eines Feindes nicht getäuscht, dort ist es, wo ihn Barclay erwarten wird.

Napoleon ist an das Ziel gelangt, wo er seinen Soldaten vor einem Monate den Sammelplatz bestimmt hat. Im sich Umwenden sieht er auf drei entgegengesetzten Punkten, drei von dem Niemen aus zu verschiedenen Zeiten und auf verschiedenen Wegen aufgebrochene Colonnen hervorbrechen. Alle diese Korps finden sich hundert Stunden weit her auf dem angegebenen Sammelplatze nicht allein an dem bestimmten Tage, sondern fast auch zu derselben Stunde ein. Das ist ein Wunder der Feldherrnkunst.

Alle diese Korps kommen zusammen zu Bezenkowiczi und in der Umgegend an; Infanterie, Cavalerie, Artillerie, drängt, kreuzt sich, stößt auf einander, drängt sich lärmend zurück. Die einen suchen Lebensmittel, die andern Fourage, die anderen Quartiere; die Straßen sind mit Ordonanz-Officieren und General-Adjutanten, welche durch die Soldaten nicht hindurch können, überfüllt, so sehr beginnt der unterschied des Ranges zu verschwinden, so sehr gleicht dieses Vorrücken schon einem Rückzug. Sechs Stunden lang verlangen zweimal Hundert Tausend Mann sich in einem Dorfe von fünf Hundert Häusern einzuquartieren.

Endlich gegen zehn Uhr Abends suchen die Befehle Napoleons alle diese in der Menge verlornen Anführer auf, von denen zwei Drittheile seit zwölf Stunden weder getrunken noch gegessen haben, und die bereit scheinen, handgemein zu werden. Die Anführer steigen zu Pferde, und reden im Namen des Kaisers, des einzigen Namens, auf den geachtet wird. In einigen Augenblicken, und wie durch einen Zauber entwirren alle diese verworrenen Massen sich, jeder kehrte zu einer Waffe zurück und drängte sich um eine Fahne; lange Reihen bilden sich, und treten aus dieser Masse heraus wie Bäche, die aus einem See kommen, und rücken, die Musik an der Spitze, vorwärts. Die Wellen rollen nach Ostrowno zu, und auf das entsetzlichste Getümmel folgt in Bezenkowiczi die dumpfeste Stille. Das kommt daher, weil nach der Strenge der Befehle und nach der Schnelligkeit, mit der sie überbracht sind, jeder war, daß am andern Tage eine Schlacht stattfinden würde, und eine solche Ueberzeugung erweckt immer in einer Armee feierliche Gefühle.

Als der Tag anbrach, befand sich die Armee auf einer breiten, mit Birken besetzten Straße aufgestellt. Murat marschierte als Avant-Garde mit seiner Cavalerie. Er hat unter seinen Befehlen Dumont, du Contlosquet und Carignan; ihnen ist das 8. Regiment Husaren als Späher voraus, welches in der Meinung steht, daß ihm selbst an einen Flanken zwei Regimenter der Division, wozu es gehört, voraus marschieren, und das demnach voller Sicherheit nach Ostrowno zu vorrückt, indem es nicht weiß, daß Zufälle des Terrains den Marsch der Regimenter aufgehalten haben, und daß es, anstatt ihnen zu folgen, vor ihnen her schreitet. Plötzlich, auf zwei Drittheile eines Hügels angelangt, erblickt die Spitze der französischen Colonne auf seinem Gipfel eine in Schlachtordnung aufgestellte Linie Cavalerie, und hält sie für die beiden als Späher vorausgesandten Regimenter. Der General Piré erhält den Befehl anzugreifen, aber er kann nicht glauben, daß das der Feind sey, den er vor sich sieht; er sendet einen Officier ab, um diese Truppe zu recognosciren, und fährt fort vorzurücken. Der Officier sprengt im Galop davon, aber kaum ist er auf dem Gipfel angelangt, als er umringt und zum Gefangenen gemacht ist. Zugleich erdonnern auf einmal sechs Stück Kanonen, und reißen ganze Glieder weg. Es ist keine Zeit, Kriegskunst zu üben, der Ruf: Vorwärts, ertönt, das 8. Regiment Husaren, und das 16. Chasseur sprengen vor, und nach dem ersten Abfeuern, bevor man noch Zeit gehabt hat, ein zweites Mal wieder zu laden, fallen sie über die sechs Stück her, bemächtigen sich ihrer, werfen das sich ihnen widersetzende Regiment über den Haufen, durchbrechen die Linie von einem Ende bis zu dem andern, und befinden sich den Russen im Rücken. Da sie nichts mehr vor sich erblicken, so wenden sie um, und sehen das feindliche Regiment, welches sie zur Rechten gelassen, bestürzt über diesen Ungestüm. Sogleich kehren sie auf dasselbe in dem Augenblicke zurück, wo es seine Viertelwendung ausführt, und vernichten es; hierauf wenden sie sich wieder um, erblicken das Regiment zur Linken, das sich zurückzuziehen beginnt, sie verfolgen dasselbe, erreichen es, zerstreuen es, und jagen bis in den Wald, der die Stadt Ostrowno wie ein Gürtel einhüllt. In diesem Augenblicke lagt Murat mit alle dem, was er an Mannschaft hat zusammenraffen können, auf dem Hügel an; er vereinigt diese Verstärkung mit der Avant-Garde und treibt alles auf den Wald, denn er glaubt nur mit einer Arrier-Garde zu thun zu haben; aber der Widerstand beginnt, aller Wahrscheinlichkeit nach befindet sich die russische Armee in Ostrowno. Murat wirft einen Blick auf die Stellung, und erkennt, daß sie in der That vortrefflich ist; er selbst ist in diesem Augenblicke mehr, als er wünschte, handgemein, aber Murat gehört zu denen, welche niemals zurückweichen; er befiehlt seinen beiden, aus den Divisionen. Bruyère und Saint-Germain bestehenden Vordertreffen, sich auf dem von ihnen eroberten Schlachtfelde zu behaupten. Als diese Maßregel getroffen, setzt er sich an die Spitze einer leichten Cavalerie, und erwartet den Feind, welcher seiner Seits bald hervorbricht. Alles, was aus dem Walde hervorkommt, ist im Augenblicke selbst überfallen: die Russen kamen um anzugreifen, und sie sind gezwungen sich zu vertheidigen. Die Cavalerie ist durch die langen Lanzen der Polen niedergestochen, die Infanterie durch die Husaren und die Chasseurs zusammengehauen. Aber diese Waldungen sind für die Russen, was die Erde für Antäus: kaum sind sie in dieselben zurückgekehrt, als sie zahlreicher wieder aus demselben herauskommen. Durch die Arbeit sind die Lanzen gebrochen und die Säbel abgestumpft; die Infanterie hat so viel geschossen, daß sie keine Patronen mehr hat. In diesem Augenblicke erscheint die Division Delzons auf dem Hügel, die ungeduldig mit zu kämpfen, im Eilschritt anlangt. Murat, der sie erblickt, beeilt ihre Ankunft noch mehr, und wirft sie auf die Rechte des Feindes. Bei dem Anblicke dieser Verstärkung wird der Feind bange; Murat befiehlt einen letzten Angriff, dieses Mal widersteht nichts mehr, die Russen sind im Rückzuge; die französische Armee dringt in die Waldung, die aufgehört hat, Flammen zu speien, geht hindurch, und im Ankommen an dem Saume desselben erblickt sie die russische Arrier-Garde, welche in einem andern Waldgürtel verschwindet.

1gibt es denn in Frankreich Posten, die nach Willkühr des Einzelnen anhalten wo es ihm beliebt? Glosse des Übersetzers.
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