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Salvator

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XCVIII
Wo Herr Jackal sich für den Dienst, den ihm Salvator geleistet, erkenntlich zeigt

Endlich erschien der große Tag der Wahlen; es war der 17. Dezember, ein Samstag: der Leser sieht, daß wir genau sind.

Wir haben ihm vielleicht auf eine zu weitschweifige Art durch unsere drei Besuche bei dem Grafen Rappt gezeigt, wie die Sachen für den Candidaten der Regierung standen.«

Vervollständigen wir dieses Bild durch ein Rundschreiben, welches wir bei einem der Präfecten unserer sechsundachtzig Departements nehmen.

Wir wählen nicht, wir nehmen, wie sich der Zufall bietet: man wird übrigens sehen, daß dieses das Verdienst der Naivität hat. Es gab zu jenen Zeiten noch naive Präfecten.

»Seine Majestät,« sagte das fragliche Rundschreiben, »Seine Majestät wünscht, daß der größere Theil der Mitglieder der Kammer, welche ihre Arbeiten beendet, wieder gewählt werde.

»Die Collegienpräsidenten sind die Candidaten.

»Alle Beamten sind dem König das Zusammenwirken ihrer Thätigkeit und ihrer Bemühungen schuldig.

»Wenn sie Wähler sind, müssen sie nach der Ansicht des Königs wühlen, die durch die Wahl der Präsidenten angedeutet ist, und alle Wahlen auf die sie Einfluß haben können, in ähnlicher Weise zu stimmen veranlassen.

»Wenn sie nicht Wähler sind, müssen sie durch diskrete aber beharrliche Maßregeln, die Wähler, die sie kennen, zu bestimmen suchen, daß sie ihre Stimmen dem Präsidenten geben. Anders handeln oder sogar unthätig bleiben, hieße der Regierung die Mitwirkung versagen, die man ihr schuldig ist; es hieße, sich von ihr losreißen und auf sein Amt verzichten.

»Theilen Sie diese Gedanken Ihren Untergebenen mit u.s.w. u.s.w.«

Was die liberale Partei betrifft, so war ihre Opposition minder öffentlich, aber wirksamer.

Der Constitutionnel, der Courier Francais und die Débats verbanden sich zu einem Gedanken. So ist sie sich such sonst den Krieg machten, denn es galt, einen gemeinschaftlichen Feind zu bekämpfen, nämlich ein verhaßtes, abgenütztes, unmögliches Ministerium.

Salvator, wie man sich denken kann, war in diesem großem Kampfe nicht unthätig geblieben.

Er hatte nach und nach, abgesehen von den Anführern der Venta und den Logenmeistern, die Parteihäupter: Lafayette, Dupont (de L’Eure), Benjamin Constant und Casimir Perrier besucht.

Als die Wahlresultate in Paris nicht mehr zweifelhaft für ihn waren, ging er in die Provinz, um gegen das Ministerium genau das zu thun, was das Ministerium seinerseits gegen die Opposition that.

Das war die Ursache seiner Abwesenheit, von der wir in einem früheren Capitel die Thatsache, nicht aber die Ursache angegeben haben.

Bei seiner Zurückkunft hatte er die Nachricht verbreitet. daß die Departements beinahe einstimmig mit Paris zusammenwirken würden, und man erwartete nur noch den entscheidenden Tag.

Am 17. Dezember begannen also die Pariser Wahlen. Der Tag war ziemlich ruhig; jeder Wähler begab sich still nach seiner respectiven Mairie und nichts deutete darauf hin, daß der andere Tag, ein Sonntag, und somit ein Tag der Ruhe, ein stürmischer Tag oder vielmehr Abend werden würde.

Ein altes Sprichwort sagt, daß die Tage sich folgen, aber sich nicht gleichen.

Der folgende Tag war ein Tag des Sturmes. Die Vorläuferblitze dieses furchtbaren Julisturmes, der drei Tage dauern sollte, zerrissen den Himmel.

Es war am Morgen des berüchtigten Sonntags; Salvator saß mit Fragola beim Frühstücke – einem jener idyllischen Frühstücke, wie sie bei Liebenden stattfinden, – als man die Glocke ertönen hörte und Roland bellte.«

Das Bellen Rolands, das mit dem Zittern der Glocke verstummte, deutete auf einen zweifelhaften Besuch.«

Es war eine jener tausend schamhaften Vorsichtsmaßregeln Fragolas, in den Hintergrund ihres Zimmers zu fliehen und sich dort zu verstecken. Wenn sie die Glocke ertönen hörte.

Fragola stand deßhalb vom Tische auf, floh in ihr Zimmer und versteckte sich dort.

Salvator öffnete.

Ein Mann in einer ungeheuren Polonaise, das heißt in einer großen, mit breitem Pelzwerk verbrämten Redingote erschien auf der Schwelle-

»Sie sind der Commissionär der Rue aux fers?« fragte er.

»Ja,« antwortete Soldaten indem er das Gesicht des Fremden zu erkennen suchte, was ihm jedoch unmöglich war, da dieser das Gesicht mit einer dreifachen Binde von braunem Wollzeug umschlungen hatte, wodurch wir den Erfinder unserer modernen Cachenez in jener Zeit zu suchen genöthigt sind.

»Ich habe mit Ihnen zu sprechen.« sagte der Unbekannte, indem er eintrat und die Thüre hinter sich schloß.

»Was wollen Sie von mir?« fragte der Commissionär, indem er den dichten Schleier zu durchdringen suchte, der das Gesicht seines Mitunterredners bedeckte.

»Sind Sie allein?« fragte dieser, indem er sich rings umsah.

»Ja,« antwortete Salvator.

»So wird diese Verkleidung unnöthig,« machte der Fremde,« indem er ohne Weiteres seine Polonaise abnahm und die ungeheure Binde. die ihm das Gesicht bedeckte, loslöste.

Nachdem die Polonaise abgenommen und die Binde losgelöst war, erkannte Salvator zu seinem großen Erstaunen Herrn Jackal.

»Sie?« rief er.

»Ja, ich,« antwortete Herr Jackal mit großer Bonhomie, »woher kommt Ihr Erstaunen? – Bin ich Ihnen nicht einen Dankbesuch für die wenigen Tage schuldig, die Sie mir noch auf der Erde zuzubringen gestatteten. Denn ich spreche es laut aus und ich möchte es der ganzen Welt sagen können, Sie haben mich aus einer verflucht schlimmen Affaire gezogen. Perr! Mich schauert noch, wenn ich nur daran denke.«

»Wenn Sie mir Ihren Besuch erklären.« sagte Salvator, »so erklären Sie mir damit noch nicht Ihre Verkleidung.«

»Nichts ist einfacher, lieber Herr Salvator. Erstens habe ich eine außerordentliche Vorliebe für die polnische Tracht, namentlich im Winter, und Sie werden mir zugeben, daß diesen Morgen eine wahre Dezemberkälte herrscht; – und dann fürchtete ich, unterwegs zu Ihnen erkannt zu werden.«

»Gut, was wollten Sie sagen?«

»Es wäre mir schwer gewesen, ich will nicht sagen unmöglich, einen solchen Besuch an einem Tage wie heute zu erklären.«

»Ist denn der heutige Tag nicht ein Tag wie alle andern?«

»»Keineswegs. – Erstens ist er ein Sonntag, und da der Sonntag der einzige Tag der Woche ist, wo unsere heilige Religion uns Ruhe auferlegt, kann dieser Tag nicht ein Tag wie alle andern sein; ferner ist heute der zweite und folglich der letzte Wahltag.«

»Ich begreife noch immer nicht.«

»Etwas Geduld. Sie werden alles begreifen. Nur wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich einen Stuhl nehmen lassen wollten, da ich in einer wichtigen Angelegenheit komme, die einiger Auseinandersetzung bedarf.«

»O, ich bitte tausend Mal um Vergebung, lieber Herr Jackal; treten Sie doch ein.«

Und der junge Mann zeigte Herrn Jackal den kleinen Salon, dessen Thüre halb geöffnet geblieben.

Herr Jackal trat ein und machte sich’s in einem am Kamin stehenden Fauteuil bequem.

Salvator blieb stehen.

Durch die zweite Thüre des Salons, welche in das Speisezimmer ging, wie die andere in das Vorzimmer, sah Herr Jackal die beiden Couverts.

»Sie frühstückten?« fragte er.

»Ich war gerade damit fertig,« antwortete Salvator; »wenn Sie nun zum Zweck Ihres Besuches kommen wollten . . . «

»Augenblicklich. Ich sagte Ihnen also, fuhr Herr Jackal fort, »daß es mir unmöglich gewesen wäre, meinen Besuch bei Ihnen an einem Tage wieder heutige zu erklären.«

»Ich antwortete, daß ich das nicht begreife.«

»Wohlan, Sie werden begreifen, denn Sie wissen, daß alle Candidaten der Opposition in Paris gewählt sind, – das wissen Sie, ja, und ich gehe darüber weg, – doch nicht, daß die Majorität der liberalen Candidaten in ganz Frankreich durchgegangen ist. Sie werden zugestehen, daß wenn der Sonntag für Sie ein Tag wie alle andern ist, er es nicht auch für die Regierung sein kann.«

»Ah! was theilen Sie mir da mit?« rief Salvator vergnügt.

»Was noch Niemand weiß, was der Telegraph jedoch zu unserer Kenntniß gebracht; und erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen, daß, wenn ich nach der Freude urtheile, die Ihnen diese Nachricht bereitet, ich meine Zeit nicht ganz verloren habe, indem ich Ihnen diesen kleinen Besuch abstatte; aber das ist nur die Hälfte von dem, was ich Ihnen zu sagen habe, mein lieber Herr Salvator.«

Salvator streckte die Hand aus.

»Erstens und vor allem, Herr Jackal, wollen wir uns über diesen Punkt in’s Reine setzen, sagte er; »Sie versichern, die Candidaten der Opposition seien der Majorität nach in den Departements gewählt worden?«

»Ich schwöre es Ihnen« antwortete Herr Jackal feierlich und traurig, indem er seinerseits die Hand ausstreckte.

»Ich danke für die gute Nachricht, lieber Herr Jackal, und ich stehe ganz zu Ihren Diensten, wenn ich das Glück haben sollte, Ihnen noch einmal unter dem Aste eines Baumes zu begegnen.«

Herr Jackal schauerte.

Das wars, was er gewissenhaft jedes Mal that, wenn er an sein Abenteuer dachte oder ein Anderer darauf anspielte.

»Sie halten mich also für quitt, lieber Herr Salvator?«

»Ganz quitt, Herr Jackal,« antwortete der junge Mann, »und Sie werden es bei der ersten Gelegenheit sehen.«

»Aber ich« sagte der Polizeichef geheimnißvoll, »ich halte mich nur zur Hälfte für quitt und deßhalb, einzig und allein deßhalb bitte ich Sie um die Erlaubnis, in meiner Erzählung fortfahren zu dürfen.«

»Ich höre und mit dem größten Interesse.«

»Erlauben Sie, eine Frage an Sie zu richten.«

»Sprechen Sie.«

»Was würden Sie thun, lieber Herr Salvator, wenn Sie die Regierung oder ganz einfach der König wären und sähen, daß trotz Ihrer und Ihrer Beamten Bemühungen die Partei siegt, die Sie bekämpfen?«

»Ich würde zu erforschen suchen, lieber Herr Jackal, antwortete Salvator einfach, »weßhalb die Partei, die ich bekämpfe, siegt, und wenn die Partei, die ich bekämpfe, wirklich die der Majorität wäre, so würde ich mich mit der Majorität verbinden. Das ist nicht schwer.«

 

»Gewiß, gewiß, und wenn wir nur die absolute Vernunft zu Rathe ziehen, so haben Sie ganz Recht. Man muß sich vor allem über die Elemente des Erfolgs, den die feindliche Partei hatte, Rechenschaft geben und sich dieser Elemente bemeistern; wir stimmen darin überein. Unglücklicher Weise sieht die Regierung die Sachen nicht so einfach an, wie wir; die Regierung versteht nur Einhalt zu tun.«

»Zu unterdrücken!« sagte Salvator lächelnd.

»Unterdrücken, wenn Sie wollen, ich streite nicht um das Wort. Die Regierung also, welche ohne Zweifel im Interesse der Majorität zu handeln glaubt, hat den Beschluß gefaßt, zu unterdrücken, und in dieser Rücksicht, mein lieber Herr, bitte ich Sie, mir Ihre Aufmerksamkeit zu schenken; zugegeben, daß die Regierung mit Unrecht oder Recht so handeln muß, wie soll sie sich dabei benehmen?«

»Ich bin darüber im Zweifel« sagte Salvator mit dem Kopfe schüttelnd.«

»Sie können allerdings darüber im Zweifel sein; aber ich kann Ihre Zweifel lösen und darum bin ich hier. Was glauben Sie, daß die Regierung thun, wird, um diesen schlimmen Streich zu parieren?«

»Ich glaube, daß sie Paris in den Belagerungszustand erklären wird, wie sie es bereits an dem Tage im Sinne hatte, als die Hinrichtung des Herrn Sarranti und das Begräbniß Manuels statthaben sollte. In Ermangelung eines militärischen Belagerungszustandes, denke ich mir, wird Herr von Villèle die Maßregel zu einem moralischen Belageagerungszustande ausdehnen, das heißt alle Oppositionsjournale unterdrücken, was genau denselben Dienst thun wird, wie das Auslöschen aller Lichter, wenn man deutlicher sprechen will.«

»Es sind dies alles nur wahrscheinliche und künftige Maßregeln. Aber ich möchte von den gewissen und gegenwärtigen Maßregeln sprechen.«

»Sie werden zugestehen, Herr Jackal, daß das Alles nicht klar ist.«

»Wollen Sie, daß ich es sei.«

»Ich gestehe Ihnen. dass Sie mir ein Vergnügen bereiten würden.«

»Was gedenken Sie diesen Abend zu thun?«

»Bemerken Sie wohl, daß Sie mich fragen, statt mir Mittheilungen zu machen.«

»Ein Verfahren wie das andere bringt mich zum Ziele.«

»Gut. Ich habe meinen Abend nach nicht vergeben.«

Dann fügte, er lächelnd hinzu:

»Ich werde thun, was ich alle Abende thue, an denen ich freie Zeit habe; ich werde im Homer, Virgil oder Lucien lesen.«

»Das ist eine edle Zerstreuung, der ich mich wohl auch von Zeit zu Zeit hingeben möchte und der ich Ihnen rathe, sich heute Abend mehr denn je zu widmen.«

»Weßhalb das?«

»Weil, wenn ich Sie recht kenne, Sie den Lärm, das Geräusch, die Volksmassen nicht lieben.«

»Ah! ah! ich beginne zu begreifen – Sie glauben, daß diesen Abend in Paris Lärm, Geräusch, Volksmassen sein werden?«

»Ich fürchte.«

»Etwas wie ein Auflauf?« fragte Salvator, indem er seinen Mitunterredner fest ansah.

»Ein Auflauf, wenn Sie wollen,« machte Herr Jackal. »Ich wiederhole Ihnen, daß ich nicht um Worte mäkle; aber ich möchte Sie überzeugen, daß für einen Menschen wie Sie, die Lectüre der Dichter des Alterthums einer Promenade in der Stadt von sieben oder acht Uhr an weit vorzuziehen sein dürfte.«

»Ah! Ah!«

»Wie ich Ihnen zu sagen die Ehre habe.«

»Sie sind also gewiß, daß heute Abend ein Auflauf sein wird?«

»Mein Gott, lieber Herr Salvator, man ist nie einer Sache ganz gewiß und namentlich nicht der Launen der Menge; wenn es jedoch auf Grund einiger aus guter Quelle geschöpfter Erkundigungen erlaubt ist, die eine oder andere Conjectur zu machen, so wage ich zu behaupten, daß die Manifestationen des Volksjubels diesen Abend sehr laut . . . und . . . sogar feindselig werden.«

»Ja! und das gerade zwischen sieben und acht Uhr?« machte Salvator.

»Gerade zwischen sieben und acht Uhr.«

»So kommen Sie also;« sagte Salvator, »um mir anzukünden, daß für diesen Abend ein Aufstand bestimmt ist.«

»Allerdings. Sie begreifen wohl, daß ich das Herz und den Geist der Menge gut genug kenne, um versichern zu können, wenn die Nachricht von dem Sieg der Opposition durch Paris läuft, Paris erbeben wird; und nachdem es gezittert, wird es singen. Und von Gesang zur Pechpfanne ist nur ein Schritte wenn Paris gesungen, wird es beleuchten. Ist Paris beleuchtet, so ist zwischen den Pechfackeln und dem Schwärmer nur eine Handbreite. Paris wird deßhalb mit Schwärmer und Zündraketen schießen. Zufällig wird ein Soldat oder ein Geistlicher durch die Straßen gehen, wo man sich diesem unschuldigen Exerzitium hingibt; ein Gamin (dieses Alter ist ohne Mitleid, sagt der Dichter) wird wieder ganz zufällig einen Schwärmer oder eine Zündrakete auf diesen ehrenwerthen Vorübergehenden werfen. Dadurch entsteht große Freude und helles Lachen aus der einen Seite, aus der andern ein Ausbruch des Zornes oder Lärmgeschrei. Man wird heftige Worte, Beleidigungen, vielleicht Schläge austauschen; die Bewegungen der Masse sind so unerwartet.«

»Sie glauben, daß es bis zu Schlägen kommen werde?«

»Ja; Sie begreifen; irgend Jemand erhebt seinen Stock gegen den herausfordernden Gamin, der Gamin blickt sich, um dem Schlag auszuweichen;. indem er sich bückt, wird er, wieder durch den größten Zufall aus einen Pflasterstein stoßen. Und es braucht nur den ersten Pflasterstein; ist der erste Pflasterstein ausgebrochen, so folgen die übrigen; und bald ist ein ganzer Haufen beisammen. Was mit einem Haufen Pflastersteine machen, als Barrikaden? Man wird anfangs kleinere, dann bald größere Barrikaden machen, vorausgesetzt, daß ein Dummkopf von Kärrner den unglücklichen Gedanken hat, mit seinem Karren hier vorüber zu fahren. Die Polizei wird hier einen Beweis ächter väterlicher Fürsorge geben. Statt die Rädelsführer zu arretieren, und es gibt, wie Sie sich denken können, immer welche, wird sie die Blicke wegwenden und sagen: »Bah! Die armen Kinder, sie müssen sich amüsieren!« und sie wird sie ruhig Barrikaden machen lassen, ohne die Barrikadenmacher zu belästigen.«

»Aber dar ist ganz einfach schändlich.«

Mußt man das Volk sich nicht freuen lassen? Ich weiß wohl, daß mitten in dem Tumulte man auf den Gedanken kommen kann, ich weiß sogar, daß jemand auf den Gedanken kommen wird, statt einen Schwärmer ein Pistol, statt einen Zündrakete eine Flinte abzuschießen; dann wird, wie Sie sich denken können, die Polizei die Verpflichtung haben, um nicht der Schwäche oder der Mitschuld angeklagt zu werden, einzuschreiten. Aber es wird erst im letzten Augenblick so weit kommen, seien Sie überzeugt, wenn bereits sehr bedauerliche Ereignisse eingetreten sind. Sehen Sie, lieber Herr Salvator, wenn es Ihre ursprüngliche Absicht war, diesen Abend mit der Lectüre Ihrer Lieblingsschriftsteller zuzubringen, so möchte ich Ihnen den Rath geben, nichts in Ihrem Entschlusse zu ändern.«

»Ich danke Ihnen für den Rath, mein Herr,« sagte Salvator ernst, »und dieß mal sind wir wirklich quitt, obgleich ich, offen gesagt, diesen Morgen um neun Uhr von der jüngsten Neuigkeit unterrichtet war, die Sie mitzutheilen mir die Ehre erwiesen.«

»Ich bedeute zu spät gekommen zu sein, lieber Herr Salvator.«

»Es keine verlorene Zeit.«

Herr Jackal stand auf.

»Ich verlasse Sie jetzt,« sagte er, »mit der Ueberzeugung, daß weder Sie noch Ihre Freunde sich in dieses Wespennest wagen werden, nicht wahr?«

»Ah!« was das betrifft, so verspreche ich Ihnen nichts. Ich bin im Gegentheil entschlossen, mich in dieses Wespennest zu wagen, wo es am unruhigsten ist.«

»Ist das wirklich Ihre Absicht?«

»Man muß alles sehen um auf alles gefaßt zu sein.«

»Es bleibt mir somit nichts übrig, mein lieber Herr Salvator, als den aufrichtigsten Wunsch auszusprechen, daß Ihnen keine Unbill widerfahre,« sagte Herr Jackal, indem er aufstand und nach dem Vorzimmer ging, wo er seine Polonaise und sein Cachenez wieder anzog.

»Ich danke Ihnen für Ihre Wüsche,« sagte Salvator, indem er ihn begleitete; »erlauben Sie mir, Ihnen meinerseits den eben so lebhaften Wunsch auszusprechen, daß Ihnen ebenfalls keine Unbill zustoße, falls das Ministerium das Opfer einer Erfindung würde.«

»Das ist das Schicksal aller Erfinder,« sagte Herr Jackal melancholisch, indem er sich verabschiedete.

Siebenter Band

LXC
Andante der Revolution von 1830

Während Herr Jackal Salvator seine väterlichen Rathschlüsse ertheilte, gingen die Bürger von Paris auf die unschuldigste Weise spazieren: die Einen mit ihren Frauen, die Andern mit ihren Kindern, noch Andere endlich ganz allein, wie es in dem edlen Liede von Herrn Marlbarough heißt. Niemand dachte etwas Uebles, ohne daß wir deshalb sagen wollten, es habe Jemand etwas Gutes gedacht: die Idee, daß es an diesem Tage etwas geben könne – obgleich es ein etwas frischer Sonntag, aber voll Sonnenschein war – war nicht einem von diesen guten Köpfen in den Sinn gekommen.

Sie flohen das Haus und wollten Luft und Sonne haben, wäre es auch Luft und Sonne eines Dezembertages.

Das ist das natürliche Verlangen aller Menschen, die die ganze Woche im Schatten arbeiten.

Plötzlich erscholl auf den Boulevards, auf den Quais, in den Champs Elysées die Nachricht: »Die Regierung ist unterlegen.«

Und wer war der Sieger? Das wer eben diese Menge.

Die Menge, entzückt von ihrem Siege, begann den Besiegten zu verhöhnen.

Anfangs ganz leise.

Man verlästerte das Ministerium, man schimpfte auf die Jesuiten, aus die kurzen Röcke oder die langen Röcke; man beklagte den König; man überließ sich allen Arten von Verwünschungen.

»Es ist die Schuld des Herrn von Villèle,« sagte der Eine.«

»Es ist die Schuld des Herrn von Peyronnet,« sagte der Andere.

»Es ist die Schuld des Herrn von Corbière,« sagte ein Dritter.

»Das Herrn von Clermont Tounerre,« sagte ein Vierter.

»Die Herrn von Damas,« sagte ein Fünfter.

»Der Congregation,« sagte ein Sechster.

»Sie täuschen sich alle,« sagte ein Vorübergehender, »es ist die Schuld der Monorchie.«

Diese letztere Stimme setzte die Masse wirklich in Bestürzung.

Wohin gelangte man mit dieser in’s Blaue hineingeworfenen Behauptung: »Es ist die Schuld der Monarchie!«

Man wußte es nicht, und das war eben der Grund, weßhalb man erschrak.

Sind mal die, Brillengläser der Kurzsichtigen zerbrochen, so fürchten,sie immer, in einen Abgrund zu stürzen.«

Und die Bürger, von denen wir sprechen – diese Race ist vielleicht heutzutage ausgestorben, – die Bürger, von denen wir sprechen, waren Kurzsichtige.

Das Wort: »Es ist die Schuld der Monarchie!« hatte eben ihre Brillen zerbrochen.

Einer lachte verstohlen: das war Salvator.

Vielleicht hatte er diese furchtbaren Worte ausgestoßen.

Kaum war nämlich Herr Jackal weggegangen,als er einen Mantel umwarf und aus der Seite der Rue Saint-Denis spazieren ging.

Am Tage vorher hatte man, als man die ungeheuere Majorität sah, welche die Opposition in Paris erhielt, in der Eile die verschiedenen Freimaurerlogen zusammenberufen, und so rasch es damit ging, man hätte glauben sollen die Zusammenberufung sei vorausgesehen, im Voraus befohlen, ungeduldig erwartet gewesen.

Der Zustrom war ungeheuer.

Die Einen sagten:

»Die Stunde ist gekommen, zu handeln; wir wollen handeln.«

»Wir sind bereit,« antworteten Viele unter den Andern.

Man sprach von der günstigen Gelegenheit für die Revolution.

Salvator schüttelte traurig den Kopf.

»Nun!« sagten die Ungestümsten; »ist die Majorität in Paris nicht die Majorität in Frankreich? Ist Paris nicht der Kopf, welcher denkt, beräth, handelt? Nun gut, die Gelegenheit ist da, Paris soll sie ergreifen und die Provinz wird Paris folgen.«

»Gewiß ist das eine Gelegenheit,« sagte Salvator melancholisch ; »aber glaubt mir, Freunde, sie ist schlecht. Ich wittere dunkel ich weiß nicht welche Schlinge, in die man uns ziehen will und in der wir zu Grunde gehen werden. Ich halte es deßhalb für meine Pflicht, euch zu warnen. Ihr seid gute und brave Holzhauer, aber der Baum, den ihr fällen wollt, ist noch nicht reif für die Axt; ihr verwechselt in diesem Augenblicke das Ministerium mit dem König, wie man vielleicht später den König mit der Monarchie verwechseln wird. Ihr bildet euch vielleicht ein, daß man durch die Fällung des Einen das Andere vernichten wird; das ist ein Irrthum, meine Freunde, ein großer Irrthum! Die socialen Revolutionen sind keine Zufälle, glaubt es mir, sie geschehen mit derselben mathematischen Präzision, wie die Revolutionen des Erdballs. Das Meer übersteigt seine Ufer nicht, außer wenn Gott zu ihm sagt: »Ebne die Berge und fülle die Thäler!« Nun gut, ich sage es euch und ihr könnt mir um so mehr glauben, als ich es euch mit großem Bedauern sage, die Stunde ist noch nicht gekommen, die Monarchie zu nivellieren. Wartet, hofft, aber enthaltet euch, entfernt oder näher an dem Theil zu nehmen, was in den nächsten Tagen geschehen wird; ihr würdet, wenn ihr anders handelt, als ich euch rathe, nicht nur die Opfer, sondern die Mitschuldigen den Handlungen der Regierung sein. Was sie thun wird? Ich weiß es nicht; aber ich bitte euch, nicht durch Einmischung dem Unglück einen Vorwand zu geben.«

 

Diese Worte sprach Salvator mit solcher Trauer, daß alle den Kopf senkten und schwiegen.

Und dies war der Grund, weßhalb Salvator durchaus nicht erstaunt war über das, was ihm Herr Jackal am selben Morgen gesagt; denn den Rath, den ihm Herr Jackal gab, hatte er am Tage vorher schon seinen Freunden gegeben.

Und deßhalb lachte auch Salvator auf die Seite, als er das Ministerium verwünschen und den König bedauern hörte.

Indeß war die Nacht angebrochen und man begann die Spiegellampen anzuzünden.

Plötzlich entstand unter der Menge eine außerordentliche Bewegung, eine Bewegung, welche nur die Fluthen und die Menschenmassen hervorbringen.

Alles, was in Bewegung war, drängte sich in unruhigere Hast.

Die Ursache dieser Bewegung war sehr einfach: wir kennen sie bereits. Man erfuhr durch die Abendzeitungen das Resultat der Wahlen in den Provinzen.

Gewisse Nachrichten dringen mit Blitzesschnelligkeit unter die Masse.

Die Masse wogte.

Auch in den Häusern war ein Wogen, wie unter der Masse.

»Bei dem Rufe eines Straßenjungen: »Die Lämpchen!« erhellte sich ein Fenster; dann ein Zweites endlich ein Drittes.

Eine illuminierte Stadt ist ein sehr schöner Anblick, namentlich Paris; es gibt ihr etwas ähnliches mit den Träumen, die man sich von chinesischen Städten während des berühmten Lampenfestes macht. Aber so malerisch eine derartige Scene ist, gewisse Personen erschrecken davor. Das war auch bei der Bürgermasse der Fall, welche an jenem Abend durch die Rue Saint Martin und die anliegenden kleineren Straßen strömte; denn es ist eine anerkennenswerte Sache, daß, je kleiner die Straßen sind, desto größer sind die Illuminationen an den Tagen öffentlicher Beleuchtungen.

Und der 18. November des Jahres der Gnade 1827 war einer jener Tage. Obgleich man noch nicht vollständig unterrichtet war über das definitive Resultat der Wahlen in den Departements, wußte man, wie wir bereits sagten, genug davon, um sich darüber zu freuen; der Beweis davon ist, daß man jubelte.

Man illuminierte also und die Straßen Denis und Saint-Martin unter anderen schien zwei phosphoreszirende Ströme.

Im Uebrigen war der Abend ruhig; das Herz der Liberalen war im Grunde sehr bewegt; aber Dank der Mahnungen Salvators schien alles an der Oberfläche ruhig.

Es gibt indeß kein ordentliches Fest ohne seinen Montag; ein Sprichwort sagt das, sonst würde ich es mir nicht erlauben.

Herr Jackal hatte sich getäuscht; die Ruhe war so groß, daß nichts im Stande war, sie zu stören.

Am anderen Tage, das heißt am 19., berichteten die Zeitungen von den Illuminationen des verhergehenden Tages und verkündeten, daß man Abends abermals beleuchten werde, daß dieß mal jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach die Beleuchtung machen würde, wie der Triumph, das heißt allgemein sein werde.

Die ministeriellen Zeitungen ihrerseits gezwungen, ihre Niederlage zu constatiren, thaten dieß in bitteren Ausdrücken. Sie sprachen von dem traurigen Resultate und von der Art, wie man diese beklagenswerthe Nachricht in der Hauptstadt aufgenommen.

»Die Partei der Masse triumphiert,« sagten sie, »wehe dem Vaterland! Man wird bald die Revolutionspartei an der Spitze sehen.«

Aber Paris schien die Trauer des Ministeriums nicht zu theilen; es ging wie gewöhnlich an seine Geschäfte, und war während des Tages ruhig, wenn auch vergnügt.

Anders war dieß am,Abend.

Am Abend, wie die liberalen Journalen es verkündigt, warf Paries seine Arbeitskleider auf die Seite und zog ein Festgewand an. Die Rue Saint-Martin, die Rue Saint Denise und die anliegenden Straßen illuminierten sich wie unter dem Zauberstabe einer Fee.

Bei dem Anblick dieses Lampenstromes erhob sich ein Jubel, der im tiefsten Herzen der Minister, wie das Echo einer Leichenmusik nachklingen mußte; Tausende von Menschen gingen mit einander, redeten sich an, sprachen zusammen, ohne sich zu kennen; ja man schüttelte sich die Hand, man verstand sich, ohne zu sprechen. Die Freude drang mit dem Athem aus jeder Brust; man schlürfte die ersten Lüfte einer größeren, namentlich nationaleren Freiheit und die gepreßten Lungenflügel dehnten sich aus.

Bis dahin war der Menge nichts vorzuwerfen, es war eine gute ehrenwerte Menge, die sich des Sieges freute, aber ohne den vorbedachten Plan, ihn zu mißbrauchen.

Einige wohl stießen antiministerielle Verwünschungen aus; aber die Zahl dieser war klein. Der Protest war größer durch das Schweigen, als durch den Lärm; die Ruhe war imposanter, als der Sturm.

Plötzlich ließ ein Mensch mitten in der Masse den Ruf vernehmen:

»Kauft Raketen und Schwärmer, meine Herren! feiert die Wahlen!«

Man kaufte.

Man sah sie anfangs mechanisch, vielleicht sogar ängstlich an, ohne daran zu denken, sie anzuzünden. Dann näherte sich ein Gamin einem Bürger und steckte in seinem Muthwillen ein angezündetes Strick Schwamm in die Tasche, in welche der Bürger soeben ein Paket Schwärmer gethan.

Das Paket fing Feuer und der Bürge knallte.

Das war wie ein Signal.

Von diesem Moment an trachten die Schwärmer auf allen Seiten, tausend Raketen stiegen wie Kometen in die Luft.

Der größere Theil der Bürger dachte daran, sich zurück zu ziehen; aber das war keine leichte Sache, mitten in dieser compacten Masse; auch bekamen in wenigen Augenblicken die Dinge ein ganz anderes Aussehen. Kinder, junge Leute, Männer erschienen; – das war alles in zerrissene Kleider gehüllt, wie um Interesse zu erregen; jenes Elend, das sich sonst in der tiefsten Finsternis verbirgt, machte sich hier in den a giorno erleuchteten Straßen breit; eine wunderliche phantastische Masse, den Umrissen, wenn auch nicht der Zahl nach jenem Schatten ähnlich, die wir durch die Rue des Postes, ganz nahe an dem Impasse des Vignes, einige Schritte von dem geheimnisvollen Hause, von dessen höchstem Giebel, wie man sich erinnert, der arme Volauvent gefallen war, sich drängen sahen.

Mitten in der Masse kannte ein geübtes Auge jene brauen Agenten des Herrn Jackal erkennen,die wir bereits die Ehre hatten, unsern Lesern unter den malerischen Nennen Papillen, Carmagnole, Longue Avoine und Brin d’Acier vorzustellen, unter der Leitung Gibassiers sich bewegen sehen, ohne daß sie im Entferntesten das Ansehen hatten, als kannten sie ihn.

Salvator war auf seinem Posten an der Ecke der Rue aux fers; er lachte, wie er am vorhergehenden Tage gelacht, als er alle jene Gesichter erkannte, denen er ihre Namen hatte geben können.

Motive, die nicht bis zu uns gedrungen sind, die jedoch ihre Bedeutung haben mussten, hatten den Aufstand, der am Tage vorher ausbrechen sollte, wie Herr Jackal gegenüber von Salvator gemeint, verschoben. Dieser hatte ihn erwartet, und da ersah, daß er nicht ausbrach, gedacht, er werde an den andern Tag verschoben sein. Als er aber die Masse Masse, von der wir sprechen, in ihrem zerlumpten Anzuge, die Fackel in der Hand, mit geröthetem Gesichte, trunkenen Blicken, schwankendem Gange, und geleitet von den Anführern mit den Galgengesichtern, deren Namen wir so eben genannt, ankommen sah, da wurde es für Salvator klar, daß dieß die Missionäre des Aufruhrs seien und daß das wahre, das blutige Fest beginne.

Die neuen Akteure drängten sich in der That unter die Masse und brachten die tollsten, widersprechendsten Vivats aus:

»Es lebe Lafayette!«

»Es lebe der Kaiser!«

»Es lebe Beninij Constant!«

»Es lebe Dupont (de L’Eure)!«

»Es lebe Napoleon II.!«

»Es lebe die Republik!«

»Aber zwischen diesem Geschrei hörte man den Hauptruf, den die Gamins von 1848 zu erfinden glaubten, den sie aber nur wieder ausgruben:

»Die Lämpchen! die Lämpchen!«

Das war das Hauptmotiv dieser Leichensymphonie.

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