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Salvator

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Der Marschall hielt sich beiseit, das Lächeln des Triumphes aus den Lippen; der König, immer die Hand ausgestreckt und sich nach und nach gegen die vier Cardinalpunkte wendend, beherrschte durch seine hohe Gestalt, die, obschon sie sich unter dem Gewichte der Jahre gebeugt hatte, sich bei den großen Veranlassungen gerade aufrichtete, – der König beherrschte alle diese Männer. In diesem Augenblicke überragte sie sein Geist, wie seine Gestalt, um einen Kopf.

»Nun reden Sie, Herr von Villèle,« sprach der König, »was haben Sie mir zu sagen?«

»Nichts, Sire,« antwortete der Conseil-Präsident; »wir haben Eurer Majestät nur noch den Ausdruck der tiefsten Ehrfurcht zu Füßen zu legen.«

Der König größte; die Minister zogen sich zurück.

»Marschall,« sagte der König, »ich glaube, daß Sie entschieden Recht haben.«

Und er ging wieder in seine Gemächer.

In der nächsten Sitzung des Conseil setzte der König den Ministern seinen Wunsch, am 29. April eine Revue zu halten, auseinander. – Am 25. gab Seine Majestät diese Absicht kund. – Die Minister versuchten es Anfangs, den Willen des Könige zu bekämpfen; doch dieser Wille stand zu fest, um den schlimmen Waffen des persönlichen Interesses nachzugehen. Da warfen sie sich auf ein Detail zurück: dieses war, die Nationalgarde von den Meuterern und Aufreizern abzufondern, welche sie unfehlbar umgeben würden.

»Am andern Tage machte ein Tagsbefehl bekannt, daß, da der König auf der Parade am 16. April angekündigt habe, um der Nationalgarde einen Beweis seines Wohlwollens und seiner Zufriedenheit zu geben, beabsichtige er, sie die Revue passieren zu lassen, so werde diese Revue auf dem Marsfelde am Sonntag den 29. April stattfinden.

Das war eine große Neuigkeit.

Schon am Abend vorher, das heißt am 25., hatte ein bei den geheimen Gesellschaften affiliirter Buchdruckergehilfe Salvator einen Abdruck von dem Tagesbefehle gebracht, der am andern Tage angeschlagen werden sollte.

Salvator war Fourier bei der 11. Legion. Man begreift, warum er diesen Grad eines Fouriers angenommen, sogar darum nachgesucht hatte: das war eines von den tausend Mitteln, welche der thätige Carbenaro anwandte, um sich mit den Meinungen des Volks in Berührung zu bringen.

Diese Revue war eine Gelegenheit, den öffentlichen Geist zu sondieren: Salvator versäumte sie nicht. Mehr als fünfhundert Arbeiter, deren brennende Ansichten er kannte, hatten sich immer geweigert, sich bei der Nationalgarde zu betheiligen, wobei sie ihre Weigerung durch die Ausgabe, welche eine Uniform nöthig mache, motivierten; vier Abgeordnete, von Salvator gewählt, besuchten diese Leute im Hause; Jeder von ihnen erhielt hundert Franken, unter der Bedingung, daß er am Sonntag den 29. sein Costume vollständig habe und seinen Rang in der Compagnie einnehme. Man gab die Adressen von Schneidern, welche zur Association gehörten und die Verbindlichkeit übernommen hatten, das Costume am bestimmten Tage für die Summe von fünfundachtzig Franken zu liefern. Es blieben jedem Manne fünfzehn Franken Ueberschuß.

So führte man es in den zwölf Arrondissements durch.

Die Maires, – beinahe alle liberal, – waren entzückt über diese Demonstration; sie machten keine Schwierigkeiten, den Neueingetretenen Flinten zu geben.

Fünf bis sechstausend Mann, welche acht Tage vorher nicht einmal zur Nationalgarde gehörten, wurden auf diese Art bewaffnet und gekleidet. Alle diese Leute sollten, nicht den Befehlen ihrer Obersten, sondern dem Signal eines nur für sie allein erkennbaren Carbonarichefs gehorchen. Da aber die am weitesten Vorgerückten glaubten, die Stunde der Empörung sei noch nicht gekommen, so wurde von der obersten Venta befohlen, sich während der Revue keinen Art der Feindseligkeit zu erlauben.

Die Polizei ihrerseits war auf den Beinen, stand mit den Augen auf der Lauer und horchte mit allen Ohren. Was aber thun gegen Menschen, die sich beeifern, dem König zu gehorchen?

Herr Jackal reihte zehn Mann in jede Legion ein: nur, da ihm dieser Gedanke erst kam, als er von der Bewegung erfahren hatte, die sich bewerkstelligen sollte, fand sich, die Schneider von Paris haben so viel Arbeit, daß die Mehrzahl der Leute von Herrn Jackal wohl am Sonntag bewaffnet, aber erst am Montag gekleidet war.

XX
Die Revue am Sonntag den 29. April

Von dem Augenblicke an, wo der die Revue auf den 29. April festsetzende Tagesbefehl veröffentlicht war, bis zum Tage dieser Revue fühlte man durch Paris einen von jenen dumpfen Schauern laufen, welche den politischen Stürmen vorhergehen und sie verkündigen. Niemand konnte erklären, was dieses Fieber weissagte, noch sogar, ob es etwas weissagte: doch ohne zu wissen, welchem Schwindel man preisgegeben war, begegnete man sich, drückte sich die Hand und sagte sich.

»Sie werden dabei sein?«

»Am Sonntag?«

»Ja.«

»Ich glaube wohl!«

»Fehlen Sie nicht dabei!«

»Ich werde mich wohl hüten!«

Dann drückte man sich aufs Neue die Hand, – die Maurer und die bei der Venta Affiliirten mit dem Zeichen ihrer Gesellschaft, die Andern ganz einfach, und man verließ sich, und Jeder sagte zu sich selbst:

»Dabei fehlen? Ah! ja wohl!«

Vom 26. bis zum 29. sprachen die liberalen Journale nur von dieser Revue, munterten die Bürger auf, dabei zu erscheinen, und empfahlen ihnen Vorsicht. Man weiß, was solche aus den der Regierung feindlichen Federn kommende Empfehlungen bedeuten: »Haltet Euch für jedes Ereigniß bereit, denn ein Ereigniß schwebt in der Luft, und ergreift die Gelegenheit!«

Die drei Tage waren nicht gleichgültig für die jungen Helden unserer Geschichte vorübergegangen. Diese Generation, welche die unsere ist, – ist es ein Vorzug, ist es ein Nachtheil? – hatte zu jener Zeit nach den Glauben, der nicht durch sie verloren gegangen ist, – er ist jung von Herzen geblieben, – sondern durch die auf sie folgende Generation, welche heute die der Menschen von dreißig bis fünfunddreißig Jahren ist. Diesmal ist es das Schiff, das Schiffbruch in den Revolutionen von 1830 und 1848 gelitten hat, welche noch in der Zukunft verborgen waren« wie ein Kind, das lebt und bebt, schon im Schooße der Mutter verborgen ist.

Jeder von unseren jungen Freunden hatte also den Einfluß dieser drei Tage gefühlt, die Einen activ, die Andern passiv.

Salvator, einer der Hauptchefs des Carbonarismus, dieser Religion der Zeit, die Seele der nicht nur in Paris, nicht nur in den Departements, sondern auch im Auslande organisierten geheimen Gesellschaften; Salvator hatte, wie wir gesehen, thätig zur Verstärkung der Reihen der Nationalgarde durch fünf bis sechstausend Patrioten beigetragen, welche bis dahin nicht dazu gehört hatten. Diese Patrioten waren uniformiert, hatten Gewehre: das war die Hauptsache; Patronen würde man sich leicht verschaffen können; an einem gegebenen Tage, in einem verabredeten Augenblicke würde man sich mit einer Uniform und mit Waffen wiederfinden.

Justin, ein gemeiner Voltigeur in einer Compagnie der elften Legion; Justin, der bis dahin die oberflächlichen Verbindungen, welche eine in der Wachtstube zugebrachte Nacht, zwei Stunden als Schildwache zugebracht zwischen zwei Bürgern anknüpfen, vernachlässigt hatte ; Justin, seitdem er im Carbonarismus ein Mittel gesehen hatte, diese Regierung umzustürzen, unter der ein Adeliger, von einem Priester unterstützt, ungestraft die Familien in Unruhe versetzen konnte, Justin hatte angefangen carbonaristische Propaganda mit um so größerer Thätigkeit zu machen, als diese bis dahin zurückgehalten worden war; und da er in seinem Quartier wegen seiner so wohl bekannten Familientugenden geschätzt, geliebt, sogar geehrt war, so hörten auf ihn wie auf ein Orakel die Leute, welche übrigens nichts lieber wollten, als überzeugt sein, und selbst der Ueberzeugung entgegenkamen.

Ludovic, Petrus und Jean Robert waren einfache Einheiten, von denen aber jede an ein Centrum hinwirkte. Ludovic inspirierte und leitete seine jungen Mitschüler, die Studenten des Rechts und der Medicin, deren Reihen er kaum am Abend vorher verlassen hatte; Petrus diese ganze Atelierjugend, welche damals voll künstlerischer Flamme und nationalen Glaubens; Jean Robert Alles, was eine Feder hielt, und, einem auf dem Terrain der Kunst anerkannten Chef folgend,, bereit war, ihm auch auf ein ganz anderes Terrain zu folgen, auf welches sich zu wagen ihm gefiele.

Jean Robert gehörte zur Nationalgarde zu Pferde; Petrus und Ludovic waren Lieutenauts bei der Nationalgarde zu Fuß.

Jeder von ihnen hatte, wenn auch in seinem Innern von Kunst, Wissenschaft oder Liebe in Anspruch genommen, – denn diese jungen Herzen waren für alle Gefühle offen, – Jeder von ihnen, sagen wir, hatte den Tag des 29. April kommen sehen, seinen Theil an diesem allgemeinen Beben fühlend, dessen Existenz wir constatirt haben, ohne die Ursache genau angeben zu können.

Am Abend des 28. war auf Berufung von Salvator Zusammenkunft bei Justin. Hier unterrichtete Salvator ernst und einfach seine vier Gefährten von dem, was vorging. Er glaubte, es werde am andern Tage eine Demonstration stattfinden, doch keine Bewegung; er bat sie, Herren über sich zu bleiben und nichts von Bedeutung zu thun, ohne daß sie von ihm erfahren hätten, der Augenblick sei gekommen.

Endlich erschien der großes Tag. Es war wahrhaft ein Sonntag, nach dem Anblicke der Straßen von Paris zu urtheilen ; mehr als ein Sonntag: es war ein Festtag.

Von neun Uhr Morgens durchfurchten die Legionen der verschiedenen Arrondissements Paris, Musik an der Spitze, und es folgte ihnen, entweder auf den Trottoirs oder auf den beiden Seiten der Boulevards, die Bevölkerung der verschiedenen Quartiere, die sie durchzogen.

Um elf Uhr waren zwanzigtausend Mann Nationalgarde vor der Ecole Militaire aufgestellt. Sie hatten unter ihren Füßen die Erde des Marsfeldes so voll von Erinnerungen, welche von ihren Vätern aufgewühlt worden war am großen Tage der Föderation, der aus Frankreich ein Vaterland und aus allen Franzosen Brüder machte. Das Marsfeld! das einzige Monument, das den der furchtbaren Revolution geblieben ist, deren Mission es war, nicht zu erheben, sondern zu zerstören. Was hatte sie besonders zu zerstören? Die alte Race der Bourbonen, den der ein Mitglied in jener Verblendung, welche die ansteckende Krankheit der Könige ist, es wagte, diese Erde niederzutreten, welche glühender als die Lava des Vesufs, beweglicher als der Sand der Wüste Sahara!

 

Seit mehreren Jahren war die Nationalgarde nicht mehr die Revue passirt. Es ist ein seltsamer Geist der Geist dieser Bürgersoldaten; laßt man sie die Wache beziehen, so Murren sie; löst man sie auf, so empören sie sich.

Müde ihrer Unthätigkeit, hatte also die Nationalgarde dem Rufe, der an sie ergangen war, entsprochen. Verstärkt durch sechstausend Mann in neuer Uniform, war sie vollzählig und, was die Haltung betrifft, herrlich.

In dem Augenblicke, wo sie sich in Schlachtordnung aufstellte, das Gesicht gegen Chaillot, das heißt gegen die Seite, von der der König kam, gewendet, nahmen dreimal hunderttausend Zuschauer Platz auf den Böschungen, welche die Manoeuvreterrains umschließen. Jeder von diesen dreimal hunderttausend Zuschauern schien durch seine beifälligen Blicke, durch seine anhaltenden Bravos, durch seine unablässig wieder entstehenden Vivats der Nationalgarde zu gratulieren wegen der Sorgfalt, die sie angewandt hatte, um die Hauptstadt würdig zu repräsentieren und durch ihre Gegenwart dem König zu danken, der das verfluchte Gesetz zurückziehend dem allgemeinen Wunsche der Nation entsprochen hatte; – denn, man muß sagen, ausgenommen im Herzen jener Verschwörer, welche sie von ihren Vätern empfangen und auf ihre Kinder übertragen, die von den Swedenborg und den Cagliostro gegründete große revolutionäre Tradition, gab es in diesem Augenblicke auf dem Marsfelde, in Paris, in Frankreich nur Dankbarkeit und Sympathie für Karl X. Man hätte müssen ein sehr scharfes Auge haben, um, in einer Entfernung von drei Jahren, den 29. Juli durch diesen 29. April zu sehen.

Wer wird das Räthsel dieser großen Volksumschläge lösen, welche in ein paar Jahren, in ein paar Monaten, in ein paar Tagen oft, niederstürzen, was erhaben war, aufrichten, was zu Boden lag?

Die Aprilsonne, diese noch junge Sonne, die, das Gesicht mit Thau bedeckt, mit der Liebe einer Braut die Erde anschaut, eine poetische, liebende Julia, welche aus ihrem Grabe aufsteht und Falte um Falte ihr Leichentuch fallen läßt; die Aprilsonne glänzte hinter dem Invalidendome und sollte die Revue begünstigen.

Um ein Uhr verkündigten die Salven der Kanonen und entferntes Geschrei die Ankunft des Königs, der zu Pferde, in Begleitung des Herrn Dauphin, des Herzogs von Orleans, des jungen Herzogs den Chartres und einer Menge von Generaloffccieren, herbeikam. Die Herzogin von Angoulême, die Herzogin von Berry und die Herzogin von Orleans folgten in offener Caleche.

Der Anblick dieses glänzenden Cortége machte einen Schauer die Welt von Zuschauern durchlaufen.

Was für eine Empfindung ist es denn, die, in gewissen Augenblicken, unser Herz mit ihren Feuerflügeln streift, uns dein Kopfe bis zu den Füßen schauern macht und uns zu extremen Dingen, mögen sie gut oder schlecht sein, antreibt?

Die Revue begann; Karl X. durchritt die ersten Linien unter dem Rufe: »Es lebe die Charte! Es lebe die Preßfreiheit!« doch noch viel zahlreicher ertönte der Ruf: »Es lebe der König!«

Man hatte unter allen Legionen ein gedrucktes Blatt verbreitet, das die Ermahnung enthielt, man möge jede Manifestation vermeiden, welche die königliche Empfindlichkeit verletzen könnte. Derjenige, welcher diese Zeilen schreibt, war an jenem Tage in den Reihen, und es ist in seinen Händen ein also abgefaßtes Blatt geblieben.

An die Nationalgarden, um es bis in die letzte Reihe circuliren zu lassen

»Man hat das Gerücht in Umlauf gebracht, die Legionen beabsichtigen zu rufen: »»Es lebe der König! Nieder mit den Ministern! Nieder mit den Jesuiten!«« Das können nur Böswillige sein, welche ein Interesse dabei haben, die Nationalgarde ihrem edlen Charakter widersprechen zu sehen.«

Die Ermahnung war mehr klug der Form, als elegant der Abfassung nach; wir geben sie aber, so wie sie ist« hier als historisches Actenstück.

Ein paar Augenblicke konnte man glauben, die Ermahnung werde pünktlich befolgt werden; an der ganzen Front der Schlachtordnung erscholl, wie gesagt, nur der Ruf: »Es lebe der Königs Es lebe die Charte! Es lebe die Preßfreiheit!« doch so wie der König in die Linien eindrang, als nöthigte seine Gegenwart die Herzen, sich zu öffnen, fing an mit dem Rufe: »Es lebe der König! Es lebe die Charte! Es lebe die Preßfreiheit!« sich der: »Nieder mit den Jesuiten! Nieder mit den Ministern!« zu vermengen.

Bei diesem Rufe hielt der alte König unwillkürlich sein Pferd an. Der Mensch war stetig wie das Thier.

Das Geschrei, das ihm mißfallen hatte, erlosch; das wohlwollende Lächeln, das den Grund seiner Physiognomie bildete, erschien, einen Augenblick abwesend, wieder. Er setzte seinen Marsch durch die Legionen fort; doch zwischen der dritten und vierten Reihe begann das aufrührerische Geschrei wieder, obgleich die Nationalgardisten, ganz schauernd, einander Vorsicht empfohlen ; nur entschlüpftem ohne daß sie selbst wußten wie es kam, die Rufe: »Nieder mit den Ministern! Nieder mit den Jesuiten!« die sie in ihre Herzen zu verschließen sich anstrengten, unwillkürlich ihren Lippen.

Es war in den Reihen der Nationalgarde etwas wie ein fremdes, unbekanntes, electrisches Element; das war das Volkselement, welches sich unter dem Einflusse der Carbonarichefs für diesen Tag mit dem bürgerlichen Elemente vermischt hatte.

Der König war aufs Neue verletzt in seinem Stolze durch diese Rufe, die ihm eine Regel politischen Verfahrens vorzuschreiben schienen.

Er hielt zum zweiten Male an: er befand sich einem Nationalgardisten von hoher Gestalt und von einer herculischen Stärke gegenüber; das war wohl der Typus, den Barye für den Löwen-Menschen oder für das Löwen-Volk gewählt hatte.

Dieser Mann war unser Freund Jean Taureau. Er schwang sein Gewehr, wie er es mit einem Strohhalme gethan hätte, und rief, er, der nicht lesen konnte:

»Es lebe die Preßfreiheit!«

Die Energie dieser Stimme, die Kraft dieser Geberde setzten den alten König in Erstaunen. Er ließ sein Pferd zwei Schritte machen und ritt auf den Mann zu. Dieser seinerseits trat zwei Schritte aus den Reihen vor, – es gibt Organisationen, welche die Gefahr anzieht, und immer sein Gewehr schüttelnd, rief er:

»Es lebe die Charte! Nieder mit den Ministern! Nieder mit den Jesuiten!«

Wie alle Bourbonen, sogar Ludwig XVI, hatte Karl X. zuweilen eine große Würde.

Er winkte, daß er seinerseits etwas zu antworten habe: diese zwanzigtausend Mann schwiegen wie durch Zauber.

»Meine Herren,« sagte er, »ich bin hierher gekommen, um Huldigungen, und nicht um Lectionen zu empfangen.«

Sodann sich gegen den Marschall Qudinot umwendend:

»Commandiren Sie das Defilé, Marschall!«

Und er setzte sein Pferd in Galopp, verließ die Reihen der Nationalgarde, und nahm Platz auf der Seite, und vor der dichten, stürmischen Masse.

Das Desilé begann.

Jede Compagnie, wenn sie am König vorüberzog, gab einen Ruf von sich: die Mehrzahl dieser Rufe war: »Es lebe der König!l« Das Gesicht von Karl X. heiterte sich wieder auf.

Als das Defilé beendigt war, sagte der König zum Marschall Qudinot:

»Das hätte besser gehen können; es gibt einige unruhige Köpfe, doch die Masse ist gut. Im Ganzen bin ich zufrieden.«

Und man schlug im Galopp wieder den Weg nach den Tuilerien ein.

Ins Schloß zurückgekehrt, näherte sich der Marschall dem König und fragte:

»Sire, darf ich in einem Tagsbefehle der Zufriedenheit Eurer Majestät Erwähnung thun?«

»Ich sehe nichts dagegen einzuwenden,« erwiderte der König. »Nur möchte ich die Worte kennen, in denen diese Zufriedenheit ausgedrückt sein wird.«

Hiernach meldete der Haushofmeister, es sei dem König serviert, Seine Majestät bot den Arm der Frau Herzogin von Orleans, der Herzog von Orleans der Herzogin von Angoulême, der Herzog von Chartres der Herzogin von Berry, und man ging in den Speisesaal.

Mittlerweile kämen die Nationalgarden in ihre Quartiere zurück; doch ehe sie in ihre Quartiere zurückkamen, hatten sie die Antwort von Barthélemy Lelong: »Ich bin hierher gekommen, um Huldigungen, und nicht um Lectionen zu empfangen,« ausgelegt.

Man fand das Wort ein wenig stark aristokratisch für den Ort, wo es gesagt worden war: Karl X. als er dieses Wort sprach, verweilte gerade auf dem Platze, wo sich siebenunddreißig Jahre früher jener Altar des Vaterlands erhob, an welchem Ludwig XVI. der französischen Constitution den Eid leistete. – Es ist wahr, Karl X., damals Graf d’Artois, hatte diesen Eid nicht gehört, weil er schon 1789 nach dem Auslande abgereist war. – Das Resultat war, daß, als der König kaum außer dem Marsfelde, das bis dahin zurückgehaltene Geschrei losbrach und die ganze Arena unter einem allgemeinen Hurrah des Zornes und der Verwünschungen zu zittern schien.

Doch das war nicht Alles: jede Legion als sie den Weg nach ihrem Arrondissement wieder einschlug, nahm eine gewisse Summe Aufregung aus dem allgemeinen Herde geschöpft mit sich und verbreitete sie in Geschrei ihren ganzen Weg entlang. Hätte dieses Geschrei kein Echo in der Bevölkerung gehabt, so wäre es wohl erloschen wie eine Kohlenglut ohne Nahrung, aber es schienen im Gegentheile nur Funken zu sein auf Herde fallend, welche ganz bereit, sich zu entzünden.

Das Geschrei wurde in der Menge zurückgeworfen wie ein verstärktes Echo; die Männer schwangen vor den Thüren ihre Hüte, die Frauen ließen von den Fenstern ihre Sacktücher flattern und schrien nicht mehr: »Es lebe der König! Es lebe die Charte! Es lebe die Preßfreiheit!« sondern: »Es lebe die Nationalgarde! Nieder mit den Jesuiten! Nieder mit den Ministern!« Man war von der Begeisterung zur Protestation übergegangen, und man ging von der Protestation zum Aufstande über.

Das war aber noch viel schlimmer für die Legionen, welche von der Rue de Rivoli und über die Place Vendôme zurückkehrend der dem Finanzministerium und dem Justizministerium zu passieren hatten. Hier war es nicht mehr Geschrei, sondern Gebrüll. Trotz des von den Obersten gegebenen Befehle, weiter zu marschieren, machten die Legionen Halt, die Gewehrkolben schlugen geräuschvoll auf das Pflaster, und das Gebrüll: »Weder mit Villèle! Nieder mit Peyronnet!« erschütterte die Fensterscheiben der zwei Hotels.

Einige Obersten, nachdem sie den Befehl, weiter zu marschieren, wiederholt hatten, zogen sich, als sie sahen, daß man ihnen nicht gehorchte, protestierend zurück; doch die anderen Officiere waren geblieben. Und weit entfernt, daß sie ihre Soldaten zu besänftigen suchten, schrien sie, dem allgemeinen Schwindel ergriffen wie die Anderen: Einige sogar stärker als die Anderen.

Die Demonstration war ernste das war keine Volksmasse, kein Vorstädterhaufen, keine Arbeiterversammlung: es war ein konstituiertes Corps, eine politische Macht, es war das Bürgerthum das mit dem ganzen französischen Volke durch den Mund von zwanzigtausend Mann in Waffen protestierte.

Die Minister speisten in diesem Augenblicke beim österreichischen Gesandten, Herrn von Appony. Durch die Polizei benachrichtigt, standen sie von der Tafel auf, verlangten ihre Wagen und hielten Berathung im Ministerium des Innern. Von hier begaben sie sich insgesamt nach den Tuilerien.

Von den Fenstern seines Cabinets hätte der König, was vorgeht, sehen und sich dem Ernste der Lage Rechenschaft geben können; doch der König, er speiste auch im Dianensaale, und kein Geräusch gelangte bis zu den hohen Gästen.

War König Louis Philipp nicht ebenfalls beschäftigt, zu frühstücken, als man ihm, im Jahre 1848 meldete, die Wacheposten der Place Louis XVI. Seien genommen?

Die Minister erwarteten im Conseilsaale die Befehle des Königs, den man den ihrer Ankunft im Schlosse benachrichtigte.

Karl X. nickte mit dem Kopfe, blieb aber bei Tafel.

Aengstlich befragte die Herzogin Von Angoulême mit den Augen den Dauphin und seinen Vater: der Dauphin schob einen Zahnstocher zwischen seinen Schneidezähnen durch, doch er sah nicht und hörte nicht; Karl X. antwortete durch ein Lächeln, das bedeutete, man brauche sich nicht zu beunruhigen.

Das Diner wurde in der That nicht unterbrochen.

Gegen acht Uhr verließ man den Speisesaal und kehrte in die Gemächer zurück.

Der König als ein höflicher Cavalier, was er war, führte die Herzogin von Orleans bis zu ihrem Fauteuil und wandte sich dann nach dem Conseilsaale.

 

Auf seinem Wege fand er die Herzogin von Angoulême.

»Was gibt es denn?« fragte sie.

»Ich denke, nichts,« antwortete Karl X.

»Die Minister sollen den König im Conseilsaale erwarten.«

»Man hat mir während des Diners ihre Anwesenheit im Schlosse gemeldet.«

»Sollte Lärm in Paris sein?«

»Ich glaube nicht.«

»Wird der König meiner Unruhe vergeben, wenn ich mich bei ihm erkundige, auf welchem Punkte die Dinge stehen?«

»Schicken Sie mir den Dauphin.«

»Der König entschuldige meine Beharrlichleit, ich würde lieber selbst gehen . . . «

»Nun wohl, kommen Sie in einem Augenblicke.«

»Der König ist äußerst gnädig.«

Die Herzogin verneigte sich, näherte sich Herrn von Damas und zog ihn in eine Fenstervertiefung.

Der Herr Herzog von Chartres und die Frau Herzogin von Berry plauderten mit einander mit der Sorglosigkeit der Jugend: der Herr Herzog von Chartres war sechzehn Jahre alt; die Frau Herzogin von Berry fünfundzwanzig. Der Herr Herzog von Bordeaux, ein fünfjähriges Kind, spielte zu den Füßen seiner Mutter.

An den Kamin angelehnt, scheinbar gleichgültig, horchte der Herzog von Orleans auf das geringste Geräusch und strich von Zeit zu Zeit mit seinem Taschentuche über die Stirne, – durch diese Bewegung allein die innere Aufregung, die ihn verzehrte, verrathend.

Mittlerweile trat König Karl X. in den Conseilsaal ein.

Die Minister standen sehr aufgeregt umher. Diese Aufregung offenbarte sich auf den Gesichtern je nach dem Temperamente; Herr von Villèle war so gelb, als wäre ihm seine Galle ins Blut übergetreten; Herr von Peyronnet war roth, als wäre er von einem Schlagflusse bedroht gewesen; Herr von Corbière war aschfarbig.

»Sire . . . « sagte Herr von Villèle.

»Mein Herr,« unterbrach der König, der dem Minister hierdurch bemerkbar machte, er vergesse die Etiquette dergestalt, daß er zuerst spreche, »Sie lassen mir nicht einmal Zeit, mich nach Ihrer Gesundheit und der von Frau von Villèle zu erkundigen.«

»Das ist wahr, Sire; doch das rührt davon her, daß für mich die Interessen Eurer Majestät vor denen ihres unterthänigen Dieners kommen.«

»Sie wollen also von meinen Interessen mit mir sprechen, Herr von Villèle?«

»Allerdings, Sire.«

»Ich höre.«

»Eure Majestät weiß, was vorgeht?« fragte der Conseil-Präsident.

»»Es geht also etwas vor?«

»Eure Majestät hat uns neulich eingeladen, das Freudengeschrei des Pariser Volkes zu hören?«

»Ja.«

»Erlaubt uns der König, ihn das Drohungsgeschrei hören zu lassen?«

»Wohin muß ich zu diesem Ende gehen?«

»Oh! nicht weit; man braucht nur dieses Fenster zu öffnen. Gestattet der König . . . ?«

»Oeffnen Sie.«

Herr von Villèle ließ das Spaniolett spielen, und das Fenster öffnete sich.

Mit der Abendluft, welche die Lichter flackern machte, drang ein Wirbel von verworrenen Geräuschen herein. Es waren zugleich Freudenschreie und Schreie der Drohung; es waren von jenen Getösen, welche über den in gewaltiger Aufregung begriffenen Städten hinlaufen, deren Absichten man nicht erfassen kann, und die um so erschrecklicher werden, als man einsieht, sie enthalten das Unbekannte.

Sodann, mitten unter Allem dem, losbrechend wie ein Gewitter von Flächen, die Schreie: »Nieder mit Villèle! Nieder mit Peyronnet! Nieder mit den Jesuiten!«

»Ah! Ah!« sagte lächelnd der König, »ich kenne das. Sie waren heute Morgen nicht bei der Revue, meine Herren?«

»Ich war dabei, Sire,« antwortete Herr von Peyronnet.

»Es ist wahr, ich glaube Sie zu Pferde mit dem Generalstabe bemerkt zu haben.«

Herr von Peyronnet verbeugte sich.

»Nun wohl, das ist die Fortsetzung des Marsfeldes,« sagte der König.«

»Das ist eine Frechheit, der man Einhalt thun muß, Sire!« rief Herr von Villèle.

»Sie sagen, mein Herr?« fragte kalt der König.

»Sire,« fuhr der Finanzminister, zum Gefühle seiner Pflicht zurückgerufen, fort, »ich sage, die Beleidigungen, welche das Ministerium treffen, berühren auch den König; wir wollten also Seine Majestät fragen, was Ihr Belieben in Rücksicht dessen sei, was vorgeht.«

»Meine Herren, übertreiben Sie sich nicht die Gefahr, – ich glaube nicht, daß ich eine Gefahr mitten unter meinem Volke laufe, und ich bin fest überzeugt, daß ich mich nur zu zeigen brauchte, um alle diese verschiedenen Rufe in einen einzigen, in den: »»Es lebe der König!«« zu verwandeln.«

»Oh! Sire,« sagte hinter Karl X. eine Frauenstimme, »ich hoffe, der König wird nicht so unklug sein, sich hinauszubegeben!«

»Ah! Sie da, Frau Dauphine!«

»Hat mir der König nicht erlaubt, zu ihm zu kommen?«

»Das ist wahr . . . Nun wohl, meine Herren, was schlagen Sie mir vor in Betreff dessen, was vorgeht, wie Sie soeben sagten, Herr Finanzminister ?«

»Sire, Sie wissen, daß unter dem Geschrei, welches man ausstößt, das ist: »»Nieder mit den Priestern?«« sagte die Herzogin von Angoulême.

»Ah! wahrhaftig? . . . Ich hörte wohl rufen:

»»Nieder mit den Jesuiten!««

»Nun, Sire?« fragte die Dauphine.

»Das ist nicht ganz dasselbe, meine liebe Tochter . . . fragen Sie nur Monseigneur den Erzbischof . . . Herr von Frayssinous, sprechen Sie offenherzig: glauben Sie, daß das Geschrei: »»Nieder mit den Jesuiten!«« an die Geistlichkeit gerichtet ist?«

»Ich mache einen Unterschied, Sire,« antwortete der Erzbischof, ein Mann von sanftem Charakter und redlichem Geiste.

»Ich,« sagte die Dauphine, ihre dünnen Lippen zusammenpressend, »ich mache keinen.«

»Meine Herren,« rief der König, »nehmen Sie Platz und reden Sie Jeder über die Frage.«

Die Minister setzten sich, und die Erörterung begann.

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