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Otto der Schütz

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I

Gegen das Ende des Jahres 1340, in einer kalten, aber noch schönen Herbstnacht, folgte ein Reiter dem schmalen Wege, welcher längs dem linken Ufer des Rheines hinführt. Wegen der späten Stunde und dem raschen Schritte, den er sein Pferd einschlagen ließ, so ermüdet es auch von dem bereits zurückgelegten langen Tagesmarsche sein mogte, hätte man glauben können, daß er zum Mindesten während einiger Stunden in der kleinen Stadt Oberwinter einkehren würde, in die er so eben eingeritten war; aber er schlug im Gegentheile in demselben Schritte und wie ein Mann, dem sie bekannt sind, die schmalen und krummen Straßen ein, welche seinen Weg um einige Minuten abkürzen konnten, und erschien bald darauf an der andern Seite der Stadt; indem er sie durch das entgegengesetzte Thor wieder verließ. Da in dem Augenblicke, wo man das Fallgatter hinter ihm herabließ, der bis dahin in Mitte des Wolkenmeeres, das seine phantastischen Wellen an den Himmel dahin rollte, verschleierte Mond gerade in einen, wie ein ruhiger See reinen und glänzenden Raum trat, so wollen wir diesen flüchtigen Strahl benutzen, um einen raschen Blick auf den nächtlichen Reisenden zu werfen.

Er war ein Mann von vierzig bis fünfzig Jahren, von mittlerer Größe, aber von athletischem und breitschultrigem Baue, der, so sehr stimmten seine Bewegungen mit denen seines Pferdes überein, mit ihm aus demselben Felsenblocke gehauen zu sein schien. Da man sich in Freundes Land, und dem zu Folge fern von aller Gefahr befand, so hatte er seinen Helm an den Sattelknopf gehängt, und trug nur eine kleine, mir Tuch gefütterte Kapuze von Panzerringen, die, wenn der Helm an seinem gewöhnlichen Orte war, spitz zwischen den beiden Schultern herabfiel, um seinen Kopf gegen die feuchte Nachtluft zu schützen. Wahr ist es, daß ein langes und dichtes Haar, das grau zu werden begann, seinem Herrn denselben Dienst erwies, welche ihm die bequemste Kopfbedeckung hätte erweisen können, indem es außerdem, wie in einen natürlichen Rahmen, sein zugleich ernstes und friedliches Gesicht, wie das eines Löwen einfaßte. Was seinen Stand anbelangt, so wäre er nur für die wenigen Personen ein Geheimniß gewesen, welche zu jener Zeit die heraldische Sprache nicht kannten, denn wenn man die Augen auf seinen Helm warf, so sah man aus seiner Grafenkrone, welche dessen Schmuck bildete, einen nackten Arm hervortreten, der ein bloßes Schwert erhob, während auf der andern Seite des Sattels auf dem rothen Grunde des als Gegenstück aufgehängten Schildes die drei goldenen, zu zwei und eins aufgestellten Sterne des Hauses Homburg glänzten, eines der ältesten und der angesehensten von ganz Deutschland. Wenn man jetzt mehr über die Person wissen will, die wir haben auftreten lassen, so fügen wir hinzu, daß der Graf Karl aus Flandern zurückkehrte, wohin er auf Befehl Kaiser Ludwig V. von Baiern gegangen war, um Eduard III. von England, welcher achtzehn Monate zuvor zum Generalvikar des Reiches ernannt worden, den Beistand seines tapferen Schwertes zu leihen, und dieser hatte ihm, mittelst des einjährigen Waffenstillstandes, den er mit Phlipp von Valois durch die Vermittlung der Frau Johanna, Schwester des Königs von Frankreich und Mutter des Grafen von Hennegau, abgeschlossen hatte, für den Augenblick seine Freiheit gegeben.

Auf der Höhe des kleinen Dorfes Mühlheim angelangt, verließ der Reisende die Heerstraße, der er von Coblenz aus gefolgt war, um einen Fußpfad einzuschlagen, der unmittelbar in das Land führte. Einen Augenblick lang verloren sich Pferd und Reiter in einem Hohlwege, bald darauf erschienen sie wieder auf der andern Seite, indem sie einen Weg über die Ebene einschlugen, den beide gut zu kennen schienen. In der That, nach dem es fünf Minuten vorwärts geschritten, erhob das Pferd den Kopf und wieherte, wie um seine Ankunft zu melden, und dieses Mal, ohne daß sein Herr nöthig hatte, es weder durch Worte noch mit dem Sporn anzutreiben, steigerte es seinen Eifer, so daß sie nach Verlauf eines Augenblickes das kleine, in einem Baumdickicht versteckte Dorf Godesberg in der Dunkelheit zu ihrer Linken ließen, und indem sie den Weg verließen, welcher von Rolandseck nach Bonn führt und sich ein zweites Mal links wandten, schritten sie geraden Weges auf das auf der Höhe eines Hügels liegende Schloß zu, welches denselben Namen als das Dorf führt, sei es nun, daß es ihm denselben gegeben, oder denselben von ihm erhalten hat.

Es war jetzt augenscheinlich, daß das Schloß Godesberg das Ziel der Reise des Grafen Karl war, aber was noch weit sicherer war, daß er an den Ort seiner Bestimmung mitten in einem Feste anlangen würde. In dem Maße, als er den schneckenförmigen Weg hinaufritt, welcher von dem Fuße des Berges ausging und an dem großen Thore endigte, sah er jede Seite des Schlosses nach der Reihe Licht aus allen ihren Fenstern verbreiten; dann sah er hinter den hell erleuchteten Vorhängen sich zahlreiche Schatten bewegen, welche mannigfaltige Gruppen bildeten. Er setzte nichts desto weniger seinen Weg fort, so daß er einige Minuten nachher durch das Schloßthor ritt, obgleich es nach dem leichten Runzeln seiner Stirn nicht schwer gewesen wäre, zu sehen, daß er vorgezogen hätte, in den vertrauten Familienkreis zu treten, als in das Getümmel eines Festes.

Der Hof war voll von Knappen, Dienern, Pferden und Sänften, denn wie wir gesagt, fand ein Fest auf Godesberg statt. Kaum war demnach der Graf Karl abgestiegen, als ein Haufen von Dienern und Knechten erschien, um sich seines Pferdes zu bemächtigen und es in die Ställe zu führen. Aber der Ritter trennte sich nicht so leicht von seinem treuen Gefährten; er wollte es daher auch der Obhut Niemandes anvertrauen, und indem er es selbst bei dem Zügel nahm, führte er es in einen abgesonderten Stall, in welchen man die eigenen Pferde des Landgrafen von Godesberg stellte. Obgleich über diese Kühnheit erstaunt, ließen ihn die Diener doch gewähren, denn der Ritter hatte mit solcher Zuversicht gehandelt, daß er ihnen dadurch das Vertrauen eingeflößt hatte, er habe das Recht, so zu handeln.

Als Hans, das war der Name, welchen der Graf seinem Pferde gab, an einem der leeren Plätze angebunden, sein Stand gehörig mit Stroh, seine Krippe mit Hafer und seine Raufe mit Heu versehen worden war, dachte der Ritter an sich selbst, und nachdem er das edle Thier, das sein bereits begonnenes Mahl unterbrach, um durch ein Wiehern zu antworten, noch einige Male gestreichelt, schritt er auf die große Treppe zu und gelangte trotz der auf allen Wegen von den Pagen und von den Knappen gebildeten Versperrungen bis nach den Gemächern, in denen sich für den Augenblick der ganze Adel der Umgegend versammelt befand.

Der Graf Karl verweilte einen Augenblick lang an einer der Thüren des Hauptsaales, um einen Blick auf das am meisten glänzende Ganze des Festes zu werfen. Es war belebt und geräuschvoll, ganz buntscheckig von jungen in Sammet gekleideten Leuten und edeln Damen in mit Wappen gestickten Kleidern, und unter diesen jungen Leuten und diesen edlen Damen war der schönste junge Mann Otto und die schönste Burgfrau Emma, der eine der Sohn, die andere die Frau des Landgrafen Ludwig von Godesberg, des Herrn des Schlosses und Waffenbruders des guten Ritters, der so eben angekommen war.

Uebrigens hatte die Erscheinung dieses seine Wirkung hervorgebracht; allein in Mitte aller Eingeladenen erschien er, wie Wilhelm Leonoren, noch ganz mit seiner Schlachtrüstung bedeckt, deren dunkler Stahl seltsam gegen die heitern und lebhaften Farben des Sammets und der Seide abstach. Aller Augen wandten sich daher auch so gleich nach seiner Seite, mit alleiniger Ausnahme derer des Grafen Ludwig, welcher an der entgegengesetzten Thür stehend, in so tiefe Gedanken versunken schien, daß seine Blicke keinen Augenblick lang ihre Richtung veränderten. Karl erkannte seinen alten Freund, und ohne sich weiter um die Sache zu bekümmern, welche ihn beschäftigte, ging er durch die benachbarten Zimmer, und nach einem hitzigen aber siegreichen Kampfe mit dem Gedränge, erreichte er dieses abgelegene Zimmer, an deren einer Thür er, als er durch die andere eintrat, den Grafen Ludwig erblickte, der seine immer finstere Stellung nicht gewechselt hatte.

Karl blieb von Neuem einen Augenblick lang stehen, um diese seltsame Traurigkeit zu erforschen, die noch weit auffallender bei dem Wirthe war, der den Andern alle Freude gegeben und nur die Sorgen für sich behalten zu haben schien; dann endlich schritt er vor, und als er sah, daß er bis zu seinem Freunde gelangt war, ohne daß das Geräusch seiner Schritte ihn aus seinen Gedanken zu wecken vermogt, so legte er ihm die Hand auf die Schulter.

Der Landgraf erbebte und blickte auf. Sein Geist und seine Gedanken waren aber so sehr in einem ganz verschiedenen, ihn zerstreuenden Ideengang vertieft, daß er einige Zeit lang und ohne es zu erkennen, das offene Gesicht dessen anblickte, den er zu jeder andern Zeit mit geschlossenem Visir in Mitte des ganzen kaiserlichen Hofes genannt haben würde. Aber Karl sprach den Namen Ludwig aus und öffnete die Arme; der Zauber war gebrochen, Ludwig warf sich an die Brust seines Waffenbruders; eher wie ein Mann, der an ihr eine Zuflucht sucht, als wie ein Freund, der vergnügt ist, einen Freund wiederzusehen.

Indessen schien diese unerwartete Rückkehr bei dem tiefsinnigen Wirth dieses fröhlichen Festes eine glückliche Zerstreuung hervorzubringen. Er zog den Ankommenden an das andere Ende des Zimmers, und hieß ihn sich dort in einen weiten Sessel von Eichenholz setzen, über den ein Himmel von Goldtuch angebracht war; er setzte sich neben ihn, wobei er seinen Kopf in dem Schatten verbarg, und indem er ihn bei der Hand ergriff, bat er ihn um die Erzählung dessen, was ihm während der langen dreijährigen Abwesenheit, die sie von einander trennte, begegnet wäre.

 

Karl erzählte ihm Alles mit der kriegerischen Weitschweifigkeit eines alten Soldaten; wie die Englischen, Brabanter und kaiserlichen, von Eduard III. selbst angeführten Truppen Cambrai belagert hätten, indem sie alles mit Feuer und Schwert verheerten; wie die beiden Heere bei Buironfosse ohne Kampf auf einander gestoßen wären, weil ein Bote des Königs von Sicilien, der ein sehr weiser Astrolog war, in dem Augenblicke, wo man handgemein werden wollte, Philipp von Valois verkündet hatte, daß jede Schlacht, die er den Engländern liefern, und in der Eduard in Person das Commando führen würde, unglücklich für ihn wäre (eine Prophezeiung, die sich späterhin bei Crécy verwirklichte), und wie endlich ein einjähriger Waffenstillstand zwischen den beiden streitenden Königen in der Ebene von Esplechin geschlossen worden sei, und das, wie wir bemerkt, auf Ansuchen und die Bitte der Frau Johanna von Valois, der Schwester des Königs von Frankreich.

Der Landgraf hatte dieser Erzählung mit einem Schweigen zugehört, welches bis auf einen gewissen Punkt für Aufmerksamkeit gelten konnte, obgleich er von Zeit zu Zeit mit einer sichtbaren Unruhe aufgestanden war, um einen Blick in den Tanzsaal zu werfen, da er aber jedes Mal seinen Platz wieder eingenommen, so hatte der augenblicklich unterbrochene Erzähler nichts desto weniger seine Erzählung fortgesetzt, indem er einsah, da der Herr vom Hause sich in der Notwendigkeit befindet, mit den Augen den Anordnungen des von ihm gegebenen Festes zu folgen, damit Nichts von dem mangelt, was es den eingeladenen Gästen angenehm machen kann. Da indessen der Landgraf nach der letzten Unterbrechung, wie als ob er seinen Freund vergessen hätte, nicht zurückkehrte, um seinen Platz neben ihm wieder einzunehmen, so stand dieser auf; er näherte sich von Neuem der Thür des Tanzsaales, durch welche in dieses abgelegene und dunkle kleine Zimmer ein Strom von Licht drang, und dieses Mal hörte ihn derjenige, zu dem er trat, denn er erhob den Arm, ohne den Kopf abzuwenden. Der Graf Karl nahm den durch diese Bewegung angedeuteten Platz ein, und der Arm des Landgrafen sank auf die Achsel seines Waffenbruders herab, den er krampfhaft an sich drückte.

Es fand offenbar ein schrecklicher und geheimer Kampf in dem Herzen dieses Mannes statt, und dennoch mogte Karl noch so sehr die Augen auf diese fröhliche Menge werfen, er sah Nichts, was ihm die Ursache einer solchen Gemüthserschütterung anzudeuten vermogte; indessen war sie zu sichtbar, als daß ein so treuer Freund, wie es der Graf war, sie nicht hätte gewahren und nicht einige Besorgnisse darüber fassen sollen. Er blieb indessen stumm, wohl einsehend, daß die erste Pflicht der Freundschaft gebietet, das Geheimnisses der Dinge zu achten, welche jene verbergen will; aber in Herzen, welche daran gewöhnt sind, sich zu errathen, besteht auch eine sympathetische Berührung, so daß der Landgraf, indem er dieses vertraute Schweigen verstand, seinen Freund anblickte, die Hand auf seine Stirn legte, einen Seufzer ausstieß, und dann nach einem letzten Augenblick des Schwankens mit dumpfer Stimme, wobei er ihm seinen Sohn mit dem Finger zeigte, zu ihm sagte:

–– Findest Du nicht, Karl, daß Otto außerordentlich dem jungen Ritter gleicht, der mit seiner Mutter tanzt?

Der Graf Karl erbebte nun auch. Diese wenigen Worte waren für ihn das, was für den in der Einöde verirrten Wanderer ein die Nacht erleuchtender Blitz ist; bei seinem grausigen Lichte, so flüchtig es auch gewesen war, hatte er den Abgrund gesehen; indessen, welche Freundschaft er auch für den Landgrafen hatte, die Aehnlichkeit des Jünglings mit dem Manne war so überraschend, daß er, obgleich er die Wichtigkeit seiner Antwort errieth, sich nicht enthalten konnte ihm zu antworten:

–– Es ist wahr, Ludwig, man sollte meinen, es wären zwei Brüder.

Kaum hatte er indessen diese Worte ausgesprochen, als er, da er einen Schauder den ganzen Körper dessen überlaufen fühlte, gegen den er gelehnt war, sich hinzuzufügen beeilte:

–– Was beweiset das am Ende?

– Nichts, antwortete der Landgraf mit dumpfer Stimme, nur war es mir sehr lieb. Deine Meinung darüber zu erhalten. Jetzt komm, um mir das Ende Deines Feldzuges zu erzählen.

Und er führte ihn zu denselben Sessel zurück, in welchem Karl seine Erzählung begonnen hatte, eine Erzählung, die er dieses Mal beendigte, ohne unterbrochen zu werden.

Kaum hörte er auf zu sprechen, als ein Mann an der Thür erschien, durch welche Karl eingetreten war. Bei seinem Anblicke stand der Landgraf hastig auf und schritt auf ihn zu. Die beiden Männer sprachen einen Augenblick lang leise mit einander, ohne daß Karl Etwas von dem verstehen konnte, was sie sagt! Indessen sah er leicht an ihren Gebärden, daß es sich um eine Mitteilung von der höchsten Wichtigkeit handelte, und er war mehr als jemals davon überzeugt, als er den Landgrafen mit einem noch weit finstereren Gesicht, als zuvor, zu sich zurückkehren sah.

–– Karl, sagte er zu ihm, aber dieses Mal ohne sich zu setzen, Du mußt nach einer so langen Strecke als die, welche Du heute zurückgelegt hast, mehr der Ruhe, als des Tanzes und der Feste bedürfen. Ich will Dich in Dein Zimmer führen lassen; gute Nacht, wir werden uns morgen wiedersehen.

Karl sah, daß sein Freund allein zu sein wünschte; er stand auf, ohne zu antworten, drückte ihm schwelgend die Hand, indem er ihm ein letztes Mal mit den, Blicke befragte; aber der Landgraf antwortete ihm nur mit jenem traurigen Lächeln, welches dem Herzen andeutet, daß der Moment noch nicht gekommen ist, ihm die geheiligte Mittheilung anzuvertrauen, die es in Anspruch nimmt. Karl deutete ihm durch einen letzten Händedruck an, daß er ihn zu jeder Stunde finden würde, und zog sich in das für ihn bestimmte Zimmer zurück, bis zu welchem, so entfernt es auch war, der Jubel des Festes dennoch gelangte. Das Herz voll trauriger Gedanken und das Ohr voll fröhlicher Klänge legte sich der Graf zu Bett, während einiger Zeit verscheuchte dieser seltsame Contrast durch seinen Kampf den Schlaf. Aber endlich siegte die Ermüdung über die Besorgniß, der Leib besiegte die Seele. Allmählig wurden die Gedanken und die Gegenstände minder deutlich, seine Sinne erstarrten und seine Augen schlossen sich. Es fand zwischen dem Momente der Schlafsucht und des wirklichen Schlafes ein Zwischenraum gleich dem der Dämmerung statt, welche den Tag von der Nacht trennt, ein wunderlicher und unbeschreiblicher Zwischenraum, während dessen die Wirklichkeit sich so mit dem Traume vereinigt, daß weder Traum noch Wirklichkeit vorhanden ist; dann folgte ihm eine tiefe Ruhe. Der Ritter hatte seit langer Zeit immer nur unter einem Zelte und in seinem Kriegsharnische geschlafen und er gab sich mit Entzücken den Annehmlichkeiten eines guten Bettes hin, so daß er, als er erwachte, erst an der großen Helligkeit sah, daß der Morgen bereits ziemlich weit vorgerückt sein mußte. Aber sogleich bot sich ein unerwartetes Schauspiel seinen Augen, das ihn an den ganzen Auftritt vom vorigen Abende erinnerte, und seine ganze Aufmerksamkeit auf sich zog. Der Landgraf saß regungslos und mit auf die Brust geneigtem Haupte in einem Sessel, wie als ob er das Erwachen seines Freundes erwartete, und dennoch war seine Träumerei so tief, daß er dieses Erwachen nicht bemerkt hatte. Der Graf blickte ihn einen Augenblick lang schweigend an, und als er hierauf zwei Thränen über seine hohlen und gebleichten Wangen rollen sah, vermogte er sich nicht länger zu halten, und indem er die Arme nach ihm ausstreckte, rief er aus:

–– Ludwig, in des Himmels Namens Was gibt es denn?

–– Ach! ach! antwortete der Landgraf, ich habe weder Gattin noch Sohn mehr!

Und indem er bei diesen Worten mit Mühe aufstand, kam er wankend wie ein Trunkener, um in die Arme zu sinken, welche der Graf öffnete um ihn zu empfangen.

II

Um die Begebenheiten zu verstehen, welche folgen werden, müssen unsere Leser einwilligen, mit uns zur Vergangenheit zurückzukehren.

Es waren sechzehn Jahre seit der Verheirathung des Landgrafen vergangen. Er hatte die Tochter des Grafen von Ronsdorf geheirathet, welcher im Jahre 13l6, während der Kriege zwischen Ludwig dem Baier, für den er Partei ergriffen, und Friedrich dem Schönen von Oesterreich getödtet worden war, und dessen Besitzungen an dem rechten Ufer des Rheins, jenseits und an dem Fuße jener, das Siebengebirge genannten Hügelkette gelegen waren. Die Wittwe von Ronsdorf, eine Frau von hoher Tugend und unbeflecktem Rufe, war nun mit ihrer einzigen, fünf Jahre alten Tochter Wittwe geworden, da sie aber von fürstlichem Geschlechte war, so hatte sie während ihres Wittwenthumes den ursprünglichen Glanz ihres Hauses behauptet, so daß ihr Gefolge fortwährend eines der glänzendsten der umliegenden Schlösser war.

Einige Zeit nach dem Tode des Grafen vermehrte sich der Hausstand der Wittwe von Ronsdorf um einen jungen Pagen, wie sie sagte, den Sohn einer ohne Vermögen gestorbenen Freundin. Er war ein schöner Knabe, kaum drei bis vier Jahre älter als Emma, und bei dieser Veranlassung verleugnete die Gräfin ihren Ruf großmüthiger Güte nicht. Der kleine Waise wurde von ihr wie ein Sohn aufgenommen, mit ihrer Tochter erzogen, und theilte mit dieser die Liebkosungen der Wittwe, und das auf eine so gleiche Weise, daß es schwer war zu unterscheiden, welches von den beiden ihr eigenes oder ihr angenommenes Kind wäre.

So wuchsen sie mit einander heran, und viele sagten, daß sie für einander bestimmt wären; als zum großen Erstaunen des Adels an den Ufern des Rheines der damals achtzehn Jahre alte junge Graf Ludwig von Godesberg mit der kleinen Emma von Ronsdorf verlobt wurde, die erst zehn Jahre alt war; nur wurde zwischen dem alten Landgrafen und der Wittwe bestimmt, daß die Verlobten noch fünf Jahre warten sollten, bevor sie Gatten würden.

Während dieser Zeit wuchsen Emma und Albert heran; der eine wurde ein schöner Knappe, und die andere ein anmuthiges junges Mädchen; die Gräfin von Ronsdorf hatte übrigens mit außerordentlicher Sorgfalt die Fortschritte ihrer Freundschaft beaufsichtigt und mit Vergnügen erkannt, daß, so groß ihre Zuneigung auch war, diese doch durchaus nicht den Charakter der Liebe hatte. Inzwischen war Emma dreizehn und Albert achtzehn Jahre alt; ihr Herz stand gleich der Knospe einer Rose im Begriffe, sich bei dem ersten Hauche des Jünglingsalters zu öffnen; dieser Moment war es, den die Gräfin für sie fürchtete. Unglücklicher Weise wurde sie zu jener Zeit selbst krank; einige Zeit lang hoffte man, daß die Kraft der Jugend (die Gräfin Wittwe war kaum vierunddreißig Jahre alt) über die Hartnäckigkeit der Krankheit siegen würde. Man täuschte sich, sie war tödtlich krank. Sie fühlte es selbst, ließ ihren Arzt kommen, und forschte ihn mit so vieler Beharrlichkeit und Festigkeit aus, daß er sich nicht weigern konnte, ihr zu sagen, daß die Wissenschaft der Menschen unzulänglich wäre, und daß für sie nur noch Rettung von dem Himmel zu erwarten sei. Die Gräfin empfing diese Nachricht als Christin, ließ Albert und Emma kommen, befahl ihnen vor ihrem Bette niederzuknien, und offenbarte ihnen mit leiser Stimme, ohne einen andern Zeugen als Gott, ein Geheimniß, das Niemand hörte. Nur bemerkte man mit Erstaunen, daß zur Stunde des Todeskampfes, statt daß die Sterbende es war, welche die Kinder segnete, es die Kinder waren, welche die Sterbende segneten, und daß sie ihr im Voraus auf Erden einen Fehltritt zu vergeben schienen, wegen dessen sie ohne Zweifel die Absolution im Himmel zu erhalten im Begriffe stand. An demselben Tage, wo diese Mittheilung stattgefunden hatte, verschied die Gräfin fromm und ergeben, und Emma, welche noch ein Jahr zu warten hatte, bevor sie als Verlobte Gattin wurde, brachte dieses Jahr in dem Kloster Nonnenwerth zu, das in Mitte des Rheines, auf der dem kleinen Dorfe Honnef gegenüber gelegenen Insel gleichen Namens erbaut ist.

Was Albert anbelangt, so blieb er in Ronsdorf, und der Schmerz, den er über den Verlust seiner Wohltäterin zeigte, war dem gleich, den er für eine Mutter empfunden hätte.

Die bestimmte Zeit verfloß, Emma hatte ihr fünfzehntes Jahr vollendet und sie blühte in Mitte ihrer Thränen und auf ihrer frommen Insel fortwährend, gleich einer jener frischen Wasserrosen, welche ganz funkelnd von Thau auf der Oberfläche der Seen schwimmen. Ludwig erinnerte den alten Landgrafen an das von der Wittwe gegebene und von der Tochter bestätigte Versprechen; das kam daher, weil der junge Mann seit einem Jahre seine Spaziergänge beständig nach Nonnenwerth gerichtet hatte, einem hübschen Hügel, der den Fluß überragt, und von dessen Höhe aus man unter sich ausgebreitet und den Strom durchschneidend, wie es der Kiel eines Schiffes thun würde, die anmuthige Insel ausgebreitet sieht, in deren Mitte sich noch heutigen Tages das in ein Wirthshaus umgeschaffene Kloster erhebt. Dort brachte er ganze Stunden, die Augen auf das Kloster geheftet zu, denn oft kam ein junges Mädchen, das er an ihrem Novizengewande erkannte, welches sie bald ablegen sollte, sich unter die Bäume zu setzen, welche den Rhein begrenzen, und blieb dort ganze Stunden regungslos und in eine Träumerei versunken, deren Ursache vielleicht derselbe Gegenstand war, der Ludwig anzog. Es war daher nicht zu verwundern, daß sich der junge Mann zuerst erinnerte, daß die Trauerzeit vorüber wäre, und daß er den Landgrafen daran erinnerte, daß diese Zeit duch einen günstigen Zufall mit der für die Feier seiner Verheirathung festgesetzten Zeit übereinstimmte.

 

Durch eine Art schweigender Uebereinkunft betrachtete jeder Albert, der damals kaum zwanzig Jahre alt war, der sich aber immer durch einen über sein Alter erhabenen Ernst ausgezeichnet hatte, als den Vormund Emmas; er war es also, den der Landgraf daran erinnerte, daß der Zeitpunkt gekommen wäre, die Trauerkleider durch festliche Gewänder zu ersetzen. Albert begab sich nach dem Kloster und benachrichtigte Emma, daß der junge Ludwig das von ihrer Mutter gegebene Versprechen in Anspruch nähme. Emma erröthete und reichte Albert die Hand, indem sie ihm antwortete, daß sie bereit wäre, ihm überall hinzu folgen, wohin er sie führen würde. Die Reise war nicht lang, man hatte nur über die Hälfte des Rheines zu fahren und zwei Stunden längs seiner Ufer zurückzulegen; die Reise konnte daher den von dem jungen Grafen so sehr ersehnten Moment nicht lange verzögern. Drei Tage, nach Vollendung ihres fünfzehnten Jahres, wurde daher Emma, von einem der Erbin von Ronsdorf würdigem Gefolge begleitet und von Albert geführt, den Händen ihres Herrin und Gebieters, des Grafen Ludwig von Godesberg übergeben.

Zwei Jahre, während denen die junge Gräfin einen Sohn gebar, der Otto genannt wurde, verflossen in vollkommenem Glücke. Albert, der eine neue Familie gefunden, hatte diese beiden Jahre bald in Ronstorf, bald in Godesberg zugebracht, und während dieser Zeit das Alter erreicht, in welchem ein Mann von adeliger Abkunft seine ersten Waffenthaten thun muß. Er hatte dem zu Folge Dienste als Knappe unter den Truppen Johanns von Louxemburg, Königs von Böhmen genommen, eines der tapfersten Ritter seiner Zeit, und war ihm zu der Belagerung von Kassel gefolgt, wo er dem Könige Philipp von Valois gute Dienste leistete, der es unternommen hatte, den Grafen Ludwig von Crécy wieder in seine Staaten einzusetzen, aus denen er durch die Bürger von Flandern verjagt worden war. Er hatte sich also in der Schlacht befunden, in welcher diese unter den Mauern von Kassel gänzlich geschlagen wurden, und als Probestück hatte er unter den Bauern eine solche Niederlage angerichtet, daß Johann von Louxemburg ihn auf dem Schlachtfelde zum Ritter schlug. Der Sieg war übrigens so entscheidend gewesen, daß er den Feldzug mit einem Schlage geendigt, und da der Frieden in Flandern wieder hergestellt, so war Albert, ganz stolz, Emma seine goldene Kette und seine Sporen zu zeigen, auf das Schloß Godesberg zurückgekehrt.

Er fand den Grafen im Dienste des Kaisers abwesend; die Türken waren in Ungarn eingefallen, und auf die Aufforderung Ludwig des V. war Ludwig von Godesberg mit seinem Waffenbruder Karl von Homburg aufgebrochen; er wurde nichts desto weniger auf dem Schlosse Godesberg gut aufgenommen, wo er ohngefähr sechs Monate blieb. Seiner Untätigkeit müde und da er die Fürsten Europas ziemlich ruhig unter sich sah, war er nach Verlauf dieser Zeit aufgebrochen, um gegen die Sarazenen Spaniens zu kämpfen, gegen die Alphons der XI. König von Castilien und Leon, Krieg führte. Dort hatte er Wunder der Tapferkeit gethan, indem er gegen Musley Muhamed kämpfte; da er aber vor Granada gefährlich verwundet worden, so war er ein zweites Mal nach Godesberg zurückgekehrt, wo er den Gatten Emmas wiedergefunden, der das Erbe des gegen den Anfang des Jahres 1332 gestorbenen Landgrafen in Besitz genommen hatte.

Der junge Otto wuchs heran, er war ein schöner Knabe von fünf Jahren, mit blondem Kopfe, rosigen Wangen und blauen Augen. Die Rückkehr Alberts war ein Fest für die ganze Familie, und besonders für den Knaben, der ihn sehr liebte. Albert und Ludwig sahen sich mit Vergnügen wieder, beide hatten gegen die Ungläubigen gekämpft, der eine im Süden, der andere im Norden, beide waren Sieger gewesen, und beide brachten zahlreiche Erzählungen für die langen Winterabende mit; ein Jahr verfloß daher auch wie ein Tag, aber nach Verlauf dieses Jahres führte Alberts abenteuerlicher Character ihn von Neuem fort, er besuchte die Höfe von Frankreich und England, begleitete den König Eduard auf seinem Feldzuge gegen Schottland, brach eine Lanze mit James Douglas; dann sich wieder gegen Frankreich wendend, war er zurückgekehrt, um mit Walther von Mauny die Insel Cadsand zu nehmen. Indem er sich nun wieder auf dem festen Lande befand, hatte er dies benutzt, um seinen alten Freunden einen Besuch abzustatten, und war zum dritten Male auf das Schloß Godesberg zurückgekehrt, wo er einen neuen Gast gefunden hatte.

Das war einer der Verwandten des Landgrafen, Namens Gottfried, welcher, da er Nichts von dem väterlichen Erbe zu hoffen, versucht hatte, sein Glück in den Waffen zu finden. Auch er hatte gegen die Ungläubigen gekämpft, aber in Palästina; die Bande der Verwandtschaft, der Ruf, den er im dem Kreuzzuge erlangt, ein gewisser Luxus, welcher bewies, daß sein Glaube eher den Character der Ueberspannung als den der Uneigennützigkeit getragen, hatten ihm die Thore des Schlosses Godesberg wie einem ausgezeichneten Gaste geöffnet; da bald darauf Homburg und Albert sich entfernt hatten, so war es ihm gelungen, seine Gesellschaft dem Landgrafen Ludwig beinahe unentbehrlich zu machen, so daß dieser ihn zurückgehalten hatte, als er geben wollte. Gottfried lebte daher auf dem Schlosse nicht mehr als Gast, sondern auf dem Fuße eines Hausgenossen.

Die Freundschaft hat ihre Eifersucht wie die Liebe; sei es nun Voreingenommenheit, oder sei es Wirklichkeit, Albert glaubte zu sehen, daß Ludwig ihn mit mehr Kälte als gewöhnlich empfing; er beklagte sich gegen Emma darüber, welche ihm sagte, daß auch sie einige Veränderung in dem Benehmen ihres Gatten gegen sie bemerkt habe. Albert blieb vierzehn Tage in Godesberg, dann ging er unter dem Vorwande, daß Ronsdorf seine Anwesenheit wegen unerläßlichen Ausbesserungen in Anspruch nähme, über den Fluß und durch die kleine Gebirgsschlucht, welche allein die eine Herrschaft von der andern trennte, und verließ das Schloß.

Nach Verlauf von vierzehn Tagen erhielt er Nachrichten von Emma. Sie begriff Nichts von dem Charakter ihres Gatten, aber derselbe war, statt sanft und wohlwollend, wie sie ihn immer gekannt hatte, mißtrauisch und schweigsam geworden. Selbst der junge Otto hatte von seiner bis dahin unbekannten Barschheit zu leiden, und das war um so schmerzlicher für die Mutter und für das Kind, als sie bis dahin von Seiten des Landgrafen die Gegenstände der feurigsten und innigsten Zuneigungen gewesen waren. Uebrigens fügte Emma hinzu, schien Gottfried in dem Maaße, als diese Zuneigung gegen sie abnahm, auffallende Fortschritte in dem Vertrauen des Landgrafen zu machen, wie als ob er den Theil der Gefühle erbte, welche dieser seiner Gattin und seinem Sohne nahm, um sie auf einen Mann zu übertragen, der ihm fast ein Fremder war.

Albert bedauerte von Herzensgrunde diesen Selbsthaß, welcher macht, daß der glückliche Mensch, wie als ob er von seinem Glücke gequält wäre, alle Mittel aufsucht, um es zu mäßigen oder zu erlöschen, wie er es mit einem zu heftigen Feuer machen würde, an dem er sein Herz sich verzehren zu sehen fürchtete. So standen die Sachen, als er, wie der ganze Adel der Umgegend, eine Einladung erhielt, sich nach dem Schlosse Godesberg zu begeben, wo der Landgraf ein Fest zur Feier des Geburtstages Ottos gab, der sein sechzehntes Jahr angetreten hatte.

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