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Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1

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XLV.
Die Mansarde von Herrn Jacques

Die Treppe, schon eng und schwierig am Ende des Ganges, an der Stelle, wo Gilbert an die erste Stufe gestoßen hatte, wurde immer schwieriger und enger von dem dritten Stockwerke an, das Jacques bewohnte. Dieser und sein Schützling gelangten nur mir Mühe zu einem wahren Speicher. Diesmal hatte Therese Recht gehabt; es war wirklich ein Speicher von vier Abtheilungen, von denen drei nicht bewohnt wurden.

Es ist nicht zu leugnen, daß alle außer dem für Gilbert bestimmten unbewohnbar waren.

Das Dach senkte sich so jäh vom First an, daß es mit dem Boden einen spitzigen Winkel bildete. Mitten an diesem Abhang war eine Dachluke, geschlossen mit einem schlechten Rahmen ohne Scheiben, um Luft und Licht einzulassen: das Licht kärglich, die Luft verschwenderisch, besonders während der Winterstürme.

Zum Glück war man dem Sommer nahe; aber trotz der milden Nachbarschaft der heißen Jahreszeit erlosch das Licht, welches Jacques hielt, beinahe, als sie in den Speicher drangen.

Der Strohsack, von dem Jacques prunkhaft gesprochen hatte, lag allerdings auf dem Boden und bot sich sogleich als das Hauptgeräthe der Stube. Da und dort erhoben sich Stöße an ihren Schnitten vergilbter, gedruckter alter Papiere unter einem Haufen von den Ratten zerfressener Bücher.

An zwei quer gezogenen Schnüren, an deren erster Gilbert sich beinahe erwürgt hätte, tanzten raschelnd im Nachtwinde papierene Säcke, welche getrocknete Bohnen in ihren Hülsen enthielten, aromatische Kräuter und Haushaltungswäsche, vermischt mit alten Frauenkleidern.

»Das ist nicht schön,« sagte Jacques, »aber der Schlaf und die Dunkelheit machen die armseligsten Hütten den kostbarsten Palästen gleich; schlafen Sie, wie man in Ihrem Alter schläft, mein junger Freund, und nichts wird Sie morgen früh abhalten, zu glauben, Sie haben im Louvre geruht. »Geben Sie aber vor Allem wohl auf das Feuer Acht.«

»Ja, mein Herr,« versetzte Gilbert, etwas betäubt von Allem dem, was er gesehen und gehört hatte.

Jacques entfernte sich lächelnd, kam dann wieder zurück und sprach:

»Morgen werden wir plaudern. Ich denke, es wird Ihnen nicht widerstreben, zu arbeiten, nicht wahr?«

»Sie wissen, mein Herr, daß arbeiten im Gegentheil Alles ist, was ich wünsche.«

»Das ist gut.«

Jacques machte abermals einen Schritt nach der Thüre.

»Eine würdige Arbeit, wohlverstanden,« sprach der wunderliche Gilbert.

»Ich kenne keine andere, mein junger Freund, morgen also.«

»Gute Nacht und meinen Dank,« sagte Gilbert.

Jacques ging hinaus, schloß die Thüre von außen, und Gilbert blieb allein in seiner Dachkammer.

Anfangs erstaunt, dann wie versteinert, daß er sich in Paris befinden sollte; fragte er sich, ob es auch gewiß Paris sei, wo man Stuben wie die seinige finde.

Dann überlegte er, daß ihm Jacques im Ganzen ein Almosen gewähre, und da er in Taverney das Almosen hatte geben sehen, so staunte er nicht mehr, sondern die Verwunderung fing an der Dankbarkeit Platz zu machen.

Seinen Leuchter in der Hand, durchging er mit der von Jacques empfohlenen Vorsicht alle Winkel der Dachstube, ohne sich um die Kleider von Therese zu bekümmern, denen er nicht einmal einen alten Rock entziehen wollte, um sich daraus eine Decke zu machen.

Er blieb bei den Stößen gedruckter Papiere stehen, welche im höchsten Grade seine Neugierde erregten; sie waren mit Bindfaden zusammengebunden und er berührte sie nicht.

Den Hals ausgestreckt, das Auge gierig, ging er von den zusammengebundenen Papieren zu den Bohnensäcken über.

Die Bohnensäcke waren von einem sehr weißen, ebenfalls bedruckten und mit Nadeln zusammengehaltenen Papier gemacht.

Bei einer etwas ungestümen Bewegung berührte Gilbert den Strick mit seinem Kopf, und einer von den Säcken fiel herab.

Bleicher, erschrockener, als wenn es das Schloß einer Geldkasse gewesen wäre, beeilte sich der junge Mann, die auf dem Boden zerstreuten Bohnen aufzulesen und wieder in den Sack zu schieben.

Während er diese Operation vornahm, schaute er maschinenmäßig das Papier an; maschinenmäßig lasen auch seine Augen einige Worte; diese Worte erregten seine Aufmerksamkeit. Er stieß die Bohnen zurück, setzte sich auf den Strohsack und las; denn diese Worte standen so vollkommen im Einklang mit seinen Gedanken und besonders mit seinem Character, daß sie nicht nur für ihn, sondern sogar von ihm geschrieben zu sein schienen.

Sie folgen hier:

»Nätherinnen, Kammermädchen, kleine Kaufmannstöchter reizten mich nur wenig, ich bedurfte der Fräulein; Jeder hat seine Phantasie, das ist die meinige gewesen. Ich denke in diesem Punkte nicht wie Horaz. Es ist indessen durchaus nicht die Eitelkeit des Standes und des Ranges, was mich anzieht, sondern ein besser erhaltener Teint, schönere Hände, ein anmuthigerer Putz, eine gewisse Zartheit und Reinlichkeit über die ganze Person verbreitet, mehr Geschmack in der Art und Weise, sich zu halten und auszudrücken, ein feineres und besser gemachtes Gewand, eine zierlichere Fußbekleidung, Bänder, Spitzen, besser geordnete und geglättete Haare. Ich würde stets die minder Hübsche vorziehen, welche Alles dies besäße. Ich finde selbst diesen Vorzug sehr lächerlich, aber mein Herz gibt ihn unwillkührlich.«

Gilbert bebte und der Schweiß trat ihm auf die Stirne; es war unmöglich, seine Gedanken besser auszudrücken, seine Instinkte besser zu erläutern, seinen Geschmack besser zu analysiren. Nur war Andrée nicht die minder Hübsche, welche Alles dies besaß. Andrée hatte Alles dies und war die Schönste.

Gilbert fuhr also gierig fort.

Nach den von uns angeführten Zeilen kam ein reizendes Abenteuer eines jungen Mannes mit zwei jungen Mädchen; die Geschichte einer Cavalcade, begleitet von jenen kleinen, reizenden Schreien, welche die Frauen noch viel reizender machen, einer Reise auf dem Kreuz hinter einer derselben und einer noch viel reizenderen und viel köstlicheren nächtlichen Rückkehr.

Das Interesse nahm immer mehr zu; Gilbert hatte den Sack auseinander gezogen und Alles, was Gedrucktes darauf stand, mit einem gewissen Herzklopfen gelesen; er betrachtete die Pagination und suchte, ob die anderen Seitenzahlen nicht eine Folge bildeten. Die Pagination war unterbrochen. Aber er fand sieben oder acht Säcke, welche sich zu folgen schienen. Er zog die Nadeln heraus, leerte die Bohnen auf den Boden, faßte sie zusammen und las.

Diesmal war es etwas noch ganz Anderes. Die neuen Zeilen enthielten die Liebschaft eines armen, unbekannten jungen Mannes mit einer vornehmen Dame. Die vornehme Dame war bis zu ihm herabgestiegen, oder er war vielmehr bis zu ihr hinaufgestiegen, und die vornehme Dame hatte ihn aufgenommen, als ob er ihres Gleichen gewesen wäre, hatte ihren Geliebten aus ihm gemacht, hatte ihn eingeweiht in alle Geheimnisse des Herzens, in die Träume der Jugend, welche eine so kurze Dauer haben, daß sie uns, wenn wir auf der andern Seite des Lebens angelangt sind, nur noch als glänzende, aber flüchtige Meteore erscheinen, welche an einem gestirnten Frühlingshimmel hingleiten.

Der junge Mann war nirgends genannt. Die vornehme Dame hieß Frau von Warens, ein Name süß und reizend auszusprechen.

Gilbert träumte von dem Glück, eine ganze Nacht so lesend zuzubringen, und das Bergungen vermehrte sich durch die Sicherheit, daß er eine lange Reihe von Säcken einen nach dem andern zu plündern hatte, als sich plötzlich ein leichtes Geknister hörbar machte; erhitzt durch den kupfernen Leuchter versank das Licht in dem flüssigen Fett, ein übelriechender Dunst verbreitete sich im Speicher, der Docht erlosch, und Gilbert befand sich in der Dunkelheit. Dieses Ereigniß war so schnell gekommen, daß sich kein Rath dagegen schaffen ließ. Mitten in seiner Lecture unterbrochen, hätte Gilbert bald vor Wuth geweint. Er ließ die Papiere auf die bei seinem Bette angehäuften Bohnen fallen und legte sich auf seinen Strohsack, wo er, trotz seines Aergers, bald in tiefen Schlaf versank.

Der junge Mensch schlief, wie man mit achtzehn Jahren schläft; er erwachte auch erst bei dem Geräusch des knarrenden Schlosses, das Jacques am Abend vor die Thüre des Speichers gelegt hatte.

Es war heller Tag; als Gilbert die Augen öffnete, sah er seinen Wirth sachte in sein Zimmer treten.

Seine Augen fielen sogleich auf die zerstreuten Bohnen und auf die Säcke, welche wieder Blätter geworden waren.

Die Augen von Jacques hatten schon dieselbe Richtung genommen.

Gilbert fühlte die Schamröthe in seine Wangen steigen, und murmelte, ohne genau zu wissen, was er sagte:

»Guten Morgen, mein Herr.«

»Guten Morgen, mein Freund,« sprach Jacques; »haben Sie gut geschlafen?«

»Ja, mein Herr.«

»Sollten Sie zufällig ein Nachtwandler sein?«

Gilbert wußte nicht, was ein Nachtwandler ist, aber er begriff, daß Jacques mit seiner Frage von ihm eine Erklärung über die außerhalb ihrer Säcke zerstreuten Bohnen und über die von ihren Bohnen verlassenen Säcke verlangte.

»Ach! mein Herr,« versetzte er, »ich sehe wohl, warum Sie mir das sagen; ja, ich bin der Missethat schuldig und klage mich in Demuth derselben an; doch ich glaube, daß es sich wieder gut machen läßt.«

»Ganz gewiß; doch warum ist Ihr Licht ganz und gar aufgezehrt?«

»Ich habe zu lange gewacht.«

»Und warum haben Sie gewacht?« versetzte Jacques argwöhnisch.

»Um zu lesen.«

Der Blick von Jacques durchlief noch mißtrauischer den vollgepfropften Speicher.

»Dieses erste Blatt,« sagte Gilbert, indem er auf den ersten Sock deutete, »dieses erste Blatt, auf welches zufällig mein Blick fiel, hat mich dermaßen interessirt  . . . Doch Sie, mein Herr, der Sie so Vieles wissen, Sie müssen auch wissen, zu welchem Buch es gehört?«

Jacques schaute es nachläßig an und antwortete:

 

»Ich weiß es nicht.«

»Es ist ohne Zweifel ein Roman,« sagte Gilbert, »ein sehr schöner Roman.«

»Ein Roman, glauben Sie?«

»Ich glaube es, denn man spricht darin von Liebe wie in den Romanen, nur daß man besser spricht.«

»Doch,« versetzte Jacques, »da ich unten an dieser Seite das Wort Confessions lese, so glaube ich  . . .«

»Sie glauben?«

»Daß es eine Geschichte sein könnte.«

»Oh! nein, nein; der Mann, welcher so spricht, spricht nicht von sich selbst. Es ist zu viel Offenherzigkeit in seinen Geständnissen, zu viel Unparteilichkeit in seinem Urtheil.«

»Und ich, ich glaube, daß Sie sich täuschen,« erwiederte rasch der Greis. »Der Verfasser wollte im Gegentheil der Welt das Beispiel eines Menschen geben, der sich seines Gleichen so zeigt, wie ihn Gott gemacht hat.«

»Kennen Sie denn den Verfasser?«

»Der Verfasser ist Jean Jacques Rousseau.«

»Rousseau!« rief lebhaft der junge Mann.

»Ja. Es finden sich hier einige verzettelte Blätter von seinem letzten Buch.«

»Der arme, unbekannte, dunkle junge Mann, der bei nahe auf den Landstraßen bettelte, auf denen er zu Fuß wanderte, war also Rousseau, der Mann, der eines Tages den Emile machen und den Contrat sociale schreiben sollte?«

»Er war es, oder vielmehr nein,« sprach der Greis mit einem unbeschreiblichen Ausdrucke von Schwermuth. »Nein, er war es nicht: der Verfasser des Contrat sociale und des Emile ist der über die Welt, über das Leben, über den Ruhm und beinahe über Gott entzauberte Mann; der andere  . . . der andere Rousseau  . . . der von Frau von Warens, ist das Kind, welches in das Leben durch dieselbe Pforte wie die Morgenrots in die Welt eintritt; es ist das Kind mit seinen Freuden, seinen Hoffnungen. Zwischen den beiden Rousseau ist eine Kluft befestigt, welche sie immerdar hindern wird, zusammenzukommen  . . . dreißig Jahre des Unglücks.«

Der Greis schüttelte den Kopf, ließ traurig seine Arme fallen, und schien sich in eine tiefe Träumerei zu verlieren.

Gilbert war wie geblendet.

»So ist also das Abenteuer mit Fräulein Galley und Fräulein von Graffenried wahr?« sagte er. »Diese glühende Liebe für Frau von Warens, er hat sie also empfunden? Der Besitz der Frau, die ihn liebte, ein Besitz, der ihn traurig machte, statt ihn in den Himmel zu versetzen, wie er dies erwartete, ist also keine reizende Lüge?«

»Junger Mann,« sprach der Greis, »Rousseau hat nie gelogen. Erinnern Sie sich seines Wahlspruches: Vitam impendere vero.«

»Ich kannte ihn,« sagte Gilbert, »da ich aber das Lateinische nicht verstehe, so vermochte ich ihn auch nicht zu begreifen.«

»Das bedeutet: sein Leben für die Wahrheit hingeben.«

»Es ist also möglich,« fuhr Gilbert fort, »es ist möglich, daß es ein Mensch, von einer Stellung wie Rousseau ausgegangen, von einer vornehmen Dame geliebt wird?«

»Oh! mein Gott, wissen Sie, daß dies diejenigen wahnsinnig vor Hoffnung machen heißt, welche, wie er von unten ausgehend, die Augen über ihre Stellung hinauf erhoben haben?«

»Sie lieben,« versetzte Jacques, »und Sie sehen eine Aehnlichkeit zwischen Ihrer Lage und der von Rousseau?«

Gilbert erröthete, antwortete aber nicht auf diese Frage.

»Doch es sind nicht alle Frauen wie Frau von Warens,« sagte er; »es gibt stolze, hochmüthige, unzugängliche, und diese zu lieben ist eine Torheit.«

»Junger Mann,« sprach der Greis, »solche Gelegenheiten haben sich mehr als einmal Rousseau geboten.«

»Oh! ja,« rief Gilbert, »aber er war Rousseau. Ganz gewiß, wenn ich in mir einen Funken von dem Feuer fühlte, das in seinem Herzen brannte und sein Genie entzündete  . . .«

»Nun?«

»Nun, so würde ich mir sagen, es gäbe keine Frau, so vornehm sie auch sein möchte, welche mit mir rechnen könnte, während ich, der ich nichts bin, der ich nicht die Ueberzeugung von meiner Zukunft habe, wenn ich über mich schaue, geblendet werde. Oh! wie gern möchte ich mit Rousseau sprechen!«

»Warum?«

»Um ihn zu fragen, ob, wenn Frau von Warens nicht zu ihm herabgestiegen wäre, er nicht zu ihr hinaufgestiegen sein würde. Um ihm zu sagen: ,Der Besitz, der Sie traurig gemacht hat, hätten Sie ihn nicht, wenn er Ihnen verweigert worden wäre, erobert, selbst  . . .’«

Der junge Mann hielt inne.

»Selbst  . . .« wiederholte der Greis.

»Selbst durch ein Verbrechen?«

Der Greis bebte.

»Meine Frau muß aufgewacht sein,« sagte er, das Gespräch kurz abbrechend; »wir wollen hinabgehen. Der Tag eines Arbeiters fängt nie früh genug an: kommen Sie, junger Mann, kommen Sie.«

»Es ist wahr,« sprach Gilbert, »verzeihen Sie; doch es gibt gewisse Gespräche, die mich berauschen, gewisse Bücher, die mich begeistern, gewisse Gedanken, die mich beinahe verrückt machen.«

»Ah! ah! Sie sind verliebt,« rief der Greis.

Gilbert antwortete nichts und fing an die Bohnen zusammenzulesen und die Säcke mittelst der Nadeln wiederherzustellen; Jacques ließ ihn machen.

»Sie sind nicht kostbar einquartiert gewesen,« sagte er, »doch im Ganzen haben Sie hier das Nothwendige, und wenn Sie frühzeitiger sich erhoben hätten, so wären Ihnen durch dieses Fenster die Düfte der grünen Gärten zugeströmt, die wohl ihr Verdienst unter den abscheulichen Gerüchen haben, welche die große Stadt verpesten. Es sind hier die Gärten der Rue de la Jussienne, die Linden und die Bohnenbäume blühen, und diese Düfte Morgens einathmen, heißt dies nicht Glück für einen ganzen Tag anhäufen?«

»Ich liebe Alles dies, aber ich bin zu sehr daran gewöhnt, um ihm große Aufmerksamkeit zu schenken.«

»Sagen Sie, Sie haben nicht lange genug das Land verloren, um es zu beklagen. Aber Sie sind fertig, gehen wir zur Arbeit.«

Hienach zeigte Jacques Gilbert den Weg, ließ ihn hinausgehen und legte hinter ihm das Schloß wieder vor die Thüre.

Diesmal führte Jacques den jungen Mann unmittelbar in das Zimmer, das Therese am Abend zuvor unter dem Namen seines Cabinets bezeichnet hatte.

Schmetterlinge unter Glas, Kräuter und Mineralien in Einfassungen von schwarzem Holz gerahmt, Bücher in einem Schranke von Nußbaumholz, ein schmaler, langer Tisch, bedeckt mit einem kleinen, durch die Reibung abgenutzten Teppich von grüner und schwarzer Wolle, worauf Manuscripte in guter Ordnung lagen, vier mit schwarzem Roßhaar überzogene Lehnstühle von Nußbaumholz; dies war die ganze Ausstattung des Cabinets; Alles glänzend, gewichst, tadellos, was Ordnung und Reinlichkeit betrifft; aber kalt für das Auge und das Herz, so sehr war das durch Vorhänge von Siamoise gemilderte Licht grau und schwach, so sehr schienen der Luxus und sogar das Wohlbehagen von dieser kalten Asche, von diesem schwarzen Heerde entfernt.

Ein kleines Klavier von Rosenholz, auf vier geraden Füßen stehend und auf dem Kamin ein margeres Cartel32, bezeichnet Dolt à l’Arsenal, erinnerten allein, das eine durch das Vibriren seiner stählernen Saiten, welche von dem durch die Straße fahrenden Wagen erweckt wurden, das andere durch seine silberne Unruhe, daran, daß etwas in diesem gräberartigen Raume lebte.

Gilbert trat ehrfurchtsvoll in das von uns beschriebene Cabinet; er fand das Geräthe beinahe kostbar, denn es war ungefähr wie das des Schlosses Taverney; der gewichste Boden machte besonders Eindruck auf ihn.

»Setzen Sie sich,« sagte Jacques, indem er auf einen zweiten kleinen Tisch deutete, welcher in einer Fenstervertiefung stand, »ich will Ihnen das Geschäft nennen, welches ich für Sie bestimmt habe.«

Gilbert gehorchte eiligst.

»Kennen Sie das?« fragte der Greis.

Und er zeigte Gilbert ein in ungleichen Zwischenräumen gestreiftes Papier.

»Ganz gewiß,« antwortete dieser, »es ist Notenpapier.«

»Nun, wenn eines von diesen Blättern von mir gehörig geschwärzt worden ist, das heißt, wenn ich so viel Musik, als es fassen kann, darauf abgeschrieben habe, gewinne ich zehn Sous; das ist der Preis, den ich selbst dafür bestimmt. Glauben Sie, daß Sie Musik abschreiben lernen werden?«

»Ja, mein Herr, ich glaube es.«

»Aber wirbelt Ihnen dieses kleine Geschmiere von schwarzen, an einfache, doppelte oder dreifache Striche angespießten Punkten nicht vor den Augen?«

»Es ist wahr, mein Herr, bei dem ersten Blick verstehe ich nicht viel davon; wenn ich mir jedoch Mühe gebe, werde ich die Noten von einander unterscheiden; hier ist zum Beispiel ein F

»Wo dies?«

»Hier, auf der obersten Linie.«

»Und dieses andere zwischen den zwei unteren Linien?«

»Ist abermals ein F

»Die Note über derjenigen, welche auf der zweiten Linie sitzt?«

»Ist ein G

»Sie können also Musik lesen?«

»Das heißt, ich weiß den Namen der Noten, aber ich kenne ihren Werth nicht.«

»Und wissen Sie, wenn es weiße Noten, wenn es schwarze Noten, wenn es geschwänzte, doppelt geschwänzte, dreifach geschwänzte Noten sind?«

»O ja, ich weiß das.«

»Und diese Zeichen?«

»Dieses ist eine Pause von einem Viertelstakt.«

»Und dieses?«

»Ist ein Kreuz.«

»Und dieses?«

»Ein B-moll

»Sehr gut! Doch mit Ihrer Unwissenheit,« sagte Jacques, dessen Auge sich mit jenem Mißtrauen zu verschleiern anfing, das bei ihm Gewohnheit zu sein schien, »mit Ihrer Unwissenheit sprechen Sie von der Musik, wie Sie von der Botanik gesprochen, und wie Sie beinahe auch von der Liebe gesprochen hätten.«

»Oh! mein Herr,« erwiederte Gilbert erröthend, »spotten Sie meiner nicht.«

»Im Gegentheil, mein Kind, Sie setzen mich in Erstaunen. Die Musik ist eine Kunst, welche nach den andern Studien kommt, und Sie sagten mir, Sie haben keine Erziehung erhalten, Sie sagten mir, Sie haben nichts gelernt.«

»Das ist Wahrheit, mein Herr.«

»Sie konnten sich jedoch nicht ganz allein einbilden, dieser schwarze Punkt auf der letzten Linie sei ein F

»Mein Herr,« .erwiederte Gilbert, den Kopf und die Stimme senkend, »in dem Hause, das ich bewohnte, war eine  . . . junge Person, welche Klavier spielte.«

»Ah! ja, diejenige, welche auch Botanik trieb,« versetzte Jacques.

»Ganz richtig, mein Herr, sie spielte sogar sehr gut.«

»Wirklich?«

»Ja, und ich bete die Musik an.«

»Alles dies ist kein Grund, die Noten zu kennen.«

»Mein Herr, im Rousseau steht geschrieben, daß der Mensch unvollständig sei, der die Wirkung genieße, ohne zur Ursache hinaufzusteigen.«

»Ja, doch es steht auch darin geschrieben, daß der Mensch, indem er sich durch seine Nachforschung vervollständige, seine Freude, seine Naivetät und seinen Instinkt verliere.«

»Was ist daran gelegen, wenn er in dem Studium einen Genuß findet, der den Genüssen gleichkommt, welche er verlieren kann?«

Jacques wandte sich erstaunt um.

»Ah!« sagte er, »Sie sind nicht nur Botaniker und Musiker, sondern auch Logiker.«

»Ach! mein Herr, ich bin leider weder Botaniker, noch Musiker, noch Logiker. Ich vermag eine Note von einer andern, ein Zeichen von einem andern zu unterscheiden, und weiter nichts.«

»Sie solfeggiren also?«

»Ich? Nicht im Geringsten.«

»Nun, gleichviel; wollen Sie das Abschreiben probiren? Hier ist linirtes Papier; aber nehmen Sie sich in Acht, dasselbe zu verderben, es ist sehr theuer. Oder besser, nehmen Sie weißes Papier, liniren Sie dasselbe und versuchen Sie es auf diesem.«

»Ja, mein Herr, ich werde es machen, wie Sie es mir empfehlen; aber erlauben. Sie mir, Ihnen zu sagen, daß dies kein Stand für mein ganzes Leben ist; denn statt Musik zu schreiben, welche ich nicht verstehe, würde ich lieber öffentlicher Schreiber werden.«

»Junger Mensch, junger Mensch, Sie sprechen ohne zu bedenken; hüten Sie sich.«

»Ich?«

»Ja, Sie. Treibt der öffentliche Schreiber sein Gewerbe bei Nacht, gewinnt er seinen Lebensunterhalt bei Nacht?«

»Nein, gewiß nicht.«

»Nun, so hören Sie, was ich Ihnen sagen werde: ein geschickter Mensch kann in zwei bis drei Stunden Nachts fünf und sogar sechs von diesen Seiten copiren, wenn er durch Uebung eine fette und leichte Notenschrift, einen reinen Zug und eine Gewohnheit des Lesens erlangt hat, die ihm das Zurückführen des Auges auf das Muster erspart. Sechs Seiten tragen drei Franken ein, hiemit lebt ein Mensch; Sie werden nicht das Gegentheil sagen, Sie, der Sie nur sechs Sous verlangen. Mit zwei Stunden Arbeit in der Nacht kann also ein Mensch die Curse der Medecin-Schule, der Chirurgie-Schule, der Botanik-Schule besuchen.«

 

»Ah!« rief Gilbert, »ah! ich verstehe Sie und danke Ihnen aus der Tiefe meines Herzens.«

Und er warf sich auf das weiße Blatt, das ihm der Greis bot.

32Eine an der Wand befestigte Pendeluhr.
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