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Die Mohicaner von Paris

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CXXXIII
Warum die Nachtigall nicht sang

Das Gespenst kam immer näher. Es ging aus drei Schritte an Salvator vorbei und setzte sich auf die Bank.

Einen Augenblick glaubte Salvator, es sei der Schatten dieses Körpers, den irgend ein Verbrechen zu seinen Füßen liegend halte.

Doch er hatte ein Geräusch von Tritten gehört, und ein Schatten wäre nicht schwer genug gewesen, um die dürren Zweige zu zerbrechen und das Laub rascheln zu machen.

Es war also nicht ein Gespenst, sondern ein junges Mädchen.

Nur, wie kam es, daß ein junges Mädchen so um Mitternacht im Parke umherirrte und sich allein aus eine Bank setzte?

Ein Mondstrahl beleuchtete die nächtliche Spaziergängerin, und aus diesem Strahle schien ihr Blick zum Himmel auszusteigen.

Salvator konnte ihr Gesicht sehen: es war ihm völlig unbekannt.

Es war das eines Mädchens von sechzehn Jahren, mit azurblauen Augen, blonden Haaren und einem Teint voll Jugend und Frische; ihre dem Himmel zugewandten Augen hatten die Reinheit der Ekstase. Es schien nur Salvator, stille Thränen fließen über ihre Wangen.

Zu dieser Stunde schlafen in der That die Glücklichen.

Roland, da er begriff, das sei kein Feind, den man sehr zu fürchten brauche, hatte sich besänftigt.

Salvator schaute mit mehr Erstaunen als Besorgnis.

Plötzlich drang ein in der Ferne ausgesprochener Name durch die Lust. Das Mädchen bebte und neigte den Kopf gegen das Schloß. Salvator fühlte einen Schauer unter der Haut von Roland durchziehen.,

Er bemerkte, daß der Hund im Begriffe war, ein Knurren vernehmen zu lassen.

Er näherte sich ihm und sagte ihm ins Ohr:

»Stille, Roland!«

Ein zweiter Rus machte, daß das Mädchen sich auf seinen Füßen erhob.

Salvator konnte sich nicht enthalten, sich von der Erde auszurichten. Es hatte ihm geschienen, er habe den Namen Mina aussprechen hören.

Nach Verlauf von fünf Minuten, während welcher Salvator, das Mädchen und der Hund, alle Drei so unbeweglich wie Bildsäulen blieben, hörte man deutlich den Namen Mina von einer Männerstimme dem Winde zugeworfen.

Salvator legte seine Hand an seine Stirne, und es entschlüpfte ihm unwillkürlich ein Ausruf des Erstaunens.

Roland hob seine Lippen auf eine bedrohliche Art aus; Salvator drückte ihm aber die Hand aus den Kopf, nötigte ihn, seinen Hals auf seine Pfoten auszustrecken und wiederholte das Wort: Stille! mit der gedehnten, zischenden Betonung, welche die Thiere so gut verstehen.

Wäre nicht die ganze Aufmerksamkeit des Mädchens aus einen anderen Punkt gerichtet gewesen, so würde es wohl bemerkt haben, es gehe etwas Seltsames an seiner Seite vor.

Man hörte das Geräusch eines hastigen Schrittes, der sich näherte.

Einen Augenblick schien das Mädchen die Absicht zu haben, in den Wald zu lausen, um sich dort zu verbergen, oder zu fliehen; doch sie schüttelte den Kopf, als ob sie zu sich selbst sagte: »Vergeblich!« und sie setzte sich wieder.

Ein Ausruf verkündigte, daß sie entdeckt war.

Da ging ein junger Mann raschen Schrittes durch die Allee, und Salvator erkannte den Reiter, welchen er in dem Augenblicke, wo er über die Mauer gestiegen war, hatte vorüberziehen sehen.

»Oh! Vorsehung!« murmelte er, »wenn sie es wäre!«

»Mina! . . . Ah! endlich finde ich Sie!« sagte der junge Mann. »Warum sind Sie außen zu dieser Stunde, allein mitten im Walde, am wildesten Orte des Parkes?«

»Und Sie, mein Herr, warum sind Sie zu dieser Stunde in diesem Hause, während es Uebereinkunst war, Sie werden nie bei Nacht kommen?« fragte das Mädchen.

»Mina, verzeihen Sie mir! Ich konnte dem Verlangen, Sie zu sehen, nicht widerstehen. Wenn Sie wüssten, wie ich Sie liebe!«

Das Mädchen antwortete nicht.

»Sagen Sie, Mina, werden Sie kein Mitleid mit mir haben? Diese, ich gebe es zu, wahnsinnige, aber unbesiegbare Liebe, wird sie keine Gnade vor Ihren Augen finden? Ohne mich zu lieben, hassen Sie mich nicht weniger?«

Das Mädchen beobachtete dasselbe Stillschweigen.

»Ist es möglich, daß zwei Herzen bei einander schlagen, das eine von einer so großen Liebe, das andere von einem so großen Hasse?«

Der junge Mann wollte die Hand von Mina nehmen.

»Sie wissen, Herr Loredan, wir sind übereingekommen, daß Sie mich nie berühren werden,« sagte sie, indem sie ihre Hand zurückzog und aus der Bank zurückwich, auf die sich der junge Mann nicht zu setzen wagte.

»Aber sagen Sie mir doch wenigstens, warum ich Sie hier finde?« fragte er sichtbar beherrscht durch diese eiskalte Würde.

»Soll ich es Ihnen sagen?«

»Ich bitte Sie inständig.«

»Nun wohl, so hören Sie, und Sie werden sehen, daß ich nichts von Ihnen zu fürchten habe, da mir, wenn Sie Ihren Versprechungen zuwider handeln, der Himmel seine Warnungen schickt.«

»Ich höre, Mina.«

»Ich lag im Bette, ich schlief . . . So wahr als ich Sie in diesem Augenblicke vor mir stehen sehe, sah ich Sie die Thüre meines Zimmers mit einem Nachschlüssel öffnen und eintreten; ich erwachte, ich war allein; doch ich sagte mir, Sie werden bald kommen. Ich stand auf, kleidete mich an, ging in den Park und setzte mich auf diese Bank.«

»Mina, unmöglich!«

»Sagen Sie mir, ist es wahr, daß Sie in mein Zimmer mittelst eines Nachschlüssels eingetreten sind?«

»Mina, verzeihen Sie mir!«

»Ich habe Ihnen nichts zu verzeihen. Sie halten mich hier wider meinen Willen zurück; ich bleibe, weil, wenn ich fliehen würde, die Freiheit und das Leben von Justin bedroht wären. Sie wissen aber auch, Unter welchen Bedingungen ich bleibe, mein Herr!«

»Mina, Sie konnten unmöglich errathen, ich sei unter Weges, um hierher zu kommen . . . Sie konnten unmöglich vorhersehen, ich werde eintreten . . . «

»Ich habe es dennoch errathen, mein Herr, ich habe es dennoch vorhergesehen, und das hat Ihnen einen ewigen Gewissensbiß erspart, wenn Sie überhaupt Gewissensbisse haben können.«

»Was wollen Sie damit sagen?«

»Daß ich mich, hätte ich Sie in mein Zimmer eintreten sehen, mit diesem Messer getödtet haben würde.«

Und sie zog aus ihrer Brust eine seine, spitzige, in der Scheide einer Scheere verborgene Klinge.

Der junge Mann stampfte vor Ungeduld mit dem Fuße.

»Ah! ja,« sagte Mina, »ich begreife, nicht wahr, es ist traurig, reich zu sein, allmächtig zu sein, die Gesetze nach seiner Laune zu biegen, über die Freiheit und das Leben eines Unschuldigen zu verfügen, wenn man selbst Verbrecher ist, und sich zu sagen: ›Ich vermag Alles dies, und ich kann dieses kleine Mädchen nicht verhindern, sich zu tödten, wenn ich sie entehre!‹

»Oh! ich werde Sie wohl verhindern,«

»Sie werden mich verhindern?«

»Ja, ich.«

Und mit einer raschen Bewegung ergriff der junge Mann die Hand, in der Mina das Messer hielt.

»Indem Sie mir diese Waffe entreißen?« sagte Mina. »Nun wohl, diese Waffe ist aber nur ein Mittel des Todes; ist mir dieses Mittel benommen, so bleiben mir zehn andere. Gibt es nicht den Teich, der dem Schlosse gegenüber liegt? wird es mir nicht immer freistehen, in den zweiten Stock hinaufzugehen und mich zum Fenster hinaus aus die Platten der Freitreppe zu stürzen? Oh! meine Ehre ist wohl bewacht, das schwöre ich Ihnen, denn sie steht unter der Obhut des Todes.« . . . . Mina, Sie werden nicht thun, was Sie sagen!«

»So wahr ich Sie hasse, so wahr ich Sie verabscheue, so wahr ich Sie verachte, so wahr ich Justin liebe, so wahr ich immer nur ihn lieben werde, tödte ich mich an dem Tage, in der Stunde, in der Minute, wo ich nicht mehr würdig sein werde, vor ihm zu erscheinen! Hiernach steht es Ihnen frei, mich hier zu behalten, so lange es Ihnen beliebt!«

»Gut!« sprach der junge Mann, dessen Zähne Salvator knirschen hörte, »wir wollen sehen, wer zuerst müde sein wird.«

»Sicherlich der, mit welchem Gott nicht ist.« erwiderte das Mädchen,

»Gott!« murmelte der junge Mann, »Gott! immer Gott!«

»Ja, ich weiß, es gibt Leute, die nicht an Gott glauben, oder sich stellen, als glaubten sie nicht an ihn; und sollten Sie das Unglück haben, einer von diesen Menschen zu sein, mein Herr, so würde ich Ihnen sagen: ›Bei diesem Lichtstrahle, der uns Beide beleuchtet, schauen Sie mich an, mich die Unterdrückte, mich die Gefangene, mich die Sklavin; ich bin es, die ruhig und gläubig ist, und Sie sind voll Zorn und Zweifel. Es gibt also einen Gott, und dieser Gott erlaubt, daß ich ruhig bin, und daß Sie aufgeregt sind.‹

»Mina,« sprach der junge Mann, indem er sich vor ihr aus die Kniee warf, »Sie haben Recht, man muß an den Gott glauben, der Sie gemacht hat. Es fehlt mir nur Eines, um an ihn zu glauben: das ist Ihre Liebe. Lieben Sie mich, und ich werde an ihn glauben.«

Das Mädchen erhob sich und machte einen Schritt rückwärts, um sich von Loredan zu entfernen.

»An dem Tage, wo ich Sie liebe,« sprach Mina. »werde ich nicht mehr an ihn glauben, weil ich dann der Ehre.und der Redlichkeit den Verrath und das Verbrechen vorziehe.«

»Mina.« sagte der junge Mann ausstehend und eine Ruhe heuchelnd, welche offenbar fern von ihm war, »ich sehe wohl, daß ich der Vernünftigere von uns Beiden sein muß; nehmen Sie meinen Arm und lassen Sie uns zurückkehren!«

»So lange Sie im Schlosse sind, kehre ich nicht dahin zurück, mein Herr.«

»Mina, ich schwöre Ihnen, daß ich, sobald Sie zu Hause sind, abgehen werde.«

»Gehen Sie zuerst ab, und ich werde sodann zurückkehren.«

»Sie werden Ursache sein, daß ich mich zu einem äußersten Schritte hinreißen lasse!« rief der junge Mann.

»Hier, im Angesichte Gottes, werden Sie es nicht wagen,« sprach Mina nach dem Himmel deutend.

»Nun wohl, ich gehe, da Sie mich wegjagen, doch Sie werden mich zurückrufen.«

Mina lächelte verächtlich.

»Gute Nacht, Mina! . . . Ah! ist Justin verloren, so halten Sie sich nur an sich selbst.«

 

»Justin ist wie ich unter der Obhut Gottes, und die Bösen vermögen eben so wenig gegen ihn, als sie gegen mich vermögen.«

»Das werden wir sehen . . . Gute Nacht, Mina.« sagte der junge Mann.

Und er entfernte sich rasch eine Art von Gebrüll des Zornes ausstoßend.

Nach zehn Schritten blieb er stehen und wandte sich um, um zu sehen, ob ihn Mina nicht zurückrufe.

Mina stand unbeweglich da und hatte nicht einmal aus sein »gute Nacht!« geantwortet.

Er machte eine Geberde der Drohung und verschwand.

Der Starke war am Schwachen gebrochen.

Mina sah ihn weggehen, ohne eine Bewegung zu machen; als sie ihn aber aus dem Gesichte verloren hatte, als das Geräusch seiner Tritte in der Ferne erloschen war, als sie sich ganz allein und ihrer Schwäche überlassen glaubte, da stellte sich ohne Zweifel das Gefühl dieser Schwäche ihrem Geiste dar, denn sie sank wie vernichtet aus die Bank, und ihre, während der ganzen Scene durch das Gefühl ihrer Würde zurückgehaltenen. Thränen stürzten ungestüm hervor.

»Mein Gott!« rief sie, indem sie mit einer verzweifelten Bewegung, ihre beiden Arme zum Himmel erhob, »mein Gott! wirst Du nicht die Hand über mich ausstrecken, Deine barmherzige Hand! Oh! mein Gott! Du weißt, nicht für mich, nicht für mein Leben flehe ich Dich an, sondern für denjenigen, welchen ich liebe. Verfüge über Deine demüthige Magd, aber Gnade für Justin; den Tod oder ein Dasein der Schmerzen für mich, rette aber Justin! Herr!« fügte sie bei, indem sie von ihrer Bank hinabglitt und aus die Kniee fiel, »Herr! höre mich! Herr! antworte mir!«

Sodann, mit einem herzzerreißenden Schluchzen:

»Ach! ach! bist Du denn zu fern, um mich zu hören?«

»Nein, Mina,« sagte Salvator mit sanfter und zugleich klangvoller Stimme, »er hat Sie gehört, und er schickt mich Ihnen zu Hilfe.«

»Großer Gott!« rief Mina, indem sie erschrocken und bereit zu fliehen aufsprang, »wer ist da, und wer spricht mit mir?«

»Seien Sie ohne Furcht, Mina, ein Freund von Justin!«

Doch trotz der beruhigenden Worte, die sie gehört, stieß Mina einen Angstschrei aus, als sie diesen Mann aus der Dickung begleitet von einem Hunde von der maßlosen Größe der Thiere der Apokalypse hervorkommen sah, diesen Mann, der der Abgesandte Gottes und der Freund von Justin zu sein behauptete.

Es war wirklich eine fantastische Erscheinung, und das Mädchen, das sich dieselbe vergebens zu erklären suchte, drückte seine beiden Hände an seine Augen, neigte das Haupt und murmelte:

»Oh! wer Sie auch sein mögen, seien Sie willkommen! Alles, Alles, Alles eher, als diesem Schändlichen angehören!«

Und nun begreift der Leser, warum die Nachtigall nicht in einem Parke sang, wo sich so erschreckliche Dinge zutrugen.

CXXXIV
Erklärungen

Die erste Bewegung von Mina, und das ist leicht zu begreifen, war ganz die des Schreckens gewesen; als sie aber die sanfte, sympathetische Stimme von Salvator hörte, als sie begriff, er habe drei Schritte vor ihr angehalten und bleibe hier stehen, weil er es nicht wage, weiter zu gehen, aus Furcht, ihre Angst zu verdoppeln, da ließ sie sachte die Hände fallen, mit denen sie sich das Gesicht verschleiert hatte, und nachdem ihre Augen einen Blick mit denen von Salvator gewechselt, sah sie ein, daß hier, wie es der junge Mann gesagt, ihr Heil war.

Sicher, daß sie es mit einem Freunde zu thun hatte, war sie es, welche die Entfernung durchschritt, die sie noch von einander trennte.

»Fürchten Sie sich, nicht, Mademoiselle,« sagte Salvator.

»Sie sehen wohl, daß ich mich nicht fürchte, mein Herr, da ich es bin, die zu Ihnen kommt.«

»Und Sie haben Recht, denn Sie haben nie einen besseren, zärtlicheren, ergebeneren Freund gehabt als mich!«

»Ein Freund! zum zweiten Male sprechen Sie dieses Wort aus, mein Herr, und ich kenne Sie doch nicht.«

»Das ist wahr, Mademoiselle; doch in einem Augenblicke werden Sie mich kennen . . . «

»Vor Allem,« unterbrach Mina Salvator, »sind Sie schon lange hier?«

»Ich war hier, als Sie kamen und sich auf diese Bank setzten.«

»Sie haben also gehört . . . ?«

»Alles! Das ist das, was Sie zu wissen wünschen, ehe Sie mir antworten, nicht wahr?«

»Ja.«

»Nun wohl, glauben Sie mir, ich habe nicht ein Wort von dem verloren, was Herr Loredan von Valgeneuse gesagt hat, nicht ein Wort von dem. was Sie ihm erwidert haben, und meine Bewunderung für Sie, meine Verachtung gegen ihn haben in gleichem Maße zugenommen.«

»Nun noch eine Frage, mein Herr.«

»Sie wünschen ohne Zweifel zu wissen, wie ich mich hier befinde?«

»Nein, mein Herr, ich habe Vertrauen zu dem Gotte, den ich anrief, als Sie mir erschienen, und ich glaube, es ist die Vorsehung, die Sie aus meinen Weg gestellt hat. Nein,« – das Mädchen warf einen neugierigen Blick auf das Jägercostume, das der junge Mann trug, und das keinen gesellschaftlichen Rang bezeichnete, – »nein, ich wollte Sie nur fragen, mit wem ich zu sprechen die Ehre habe.«

»Wozu soll es nützen, daß ich Ihnen sage, wer ich bin? Ich bin ein Räthsel, dessen Auslösung in den Händen der Vorsehung ist. Was meinen Namen betrifft, so werde ich Ihnen den sagen, unter welchem man mich kennt. Ich heiße Salvator; nehmen Sie diesen Namen als eine gute Vorbedeutung an: er bedeutet Retter

»Salvator!« wiederholte das Mädchen. »Ein schöner Name, dem ich vertraue.«

»Es gibt einen andern, dem Sie noch viel mehr vertrauen würden.«

»Sie haben ihn schon einmal ausgesprochen, nicht wahr? . . . Der von Justin?«

»Sie kennen also Justin, mein Herr?«

»Um vier Uhr diesen Nachmittag war ich noch bei ihm.«

»Oh! mein Herr, ich hoffe, er liebt mich immer?«

»Er betet Sie an!«

»Der arme Justin . . . und er ist ohne Zweifel sehr unglücklich?«

»Er ist in Verzweiflung!«

»Ja, doch nicht wahr, Sie werden ihm sagen, daß Sie mich gesehen haben? Sie werden ihm sagen, daß ich ihn immer liebe, und daß ich nur ihn liebe, daß ich nie einen Andern als ihn lieben werde, und daß ich eher sterben als einem Andern angehören werde!«

»Ich werde ihm sagen, daß ich Sie gesehen und gehört habe; doch merken Sie wohl aus: wir müssen dieses seltsame Zusammentreffen von Ereignissen benutzen, das mich in der Stunde, wo ich die Spur eines Verbrechens verfolge, zu einem andern führt, als ob sich die schändlichen Netze des Mordes und der Entführung durchkreuzten. Es ist kein Augenblick zu verlieren: die Nacht rückt vor. Sie haben mir tausend Dinge zu sagen, zu erzählen, bei denen es wichtig ist, daß ich sie weiß, wichtig, daß Justin selbst sie erfährt . . . «

Mina machte eine Bewegung.

»Ich werde ansangen, damit Sie keinen Zweifel hegen, und Sie werden erst sprechen, wenn Sie wissen, an wen Sie Ihre Worte richten.«

»Mein Herr, das ist unnötig!«

»Ich habe von Justin mit Ihnen zu sprechen.«

»Oh! dann höre ich,« rief Mina.

Und sie setzte sich aus die Bank, und machte neben sich für Salvator den Platz, nach dem Loredan, ohne ihn erhalten zu können, so sehr gestrebt hatte.

Brasil hätte gern nach der Dickung zurückkehren mögen, doch aus einen gebieterischen Beseht von Salvator legte er sich zu den Füßen von diesem und von Mina.

»Seien Sie willkommen, mein Herr, Sie, der Sie von Seiten dieses Engels der Güte kommen, den man Justin nennt. Wiederholen Sie mir, nicht wahr? Alles, was er gesagt hat, Alles, was er gethan hat, als er mich nicht in Versailles fand.«

»Alles, Alles werden Sie erfahren,« erwiderte Salvator, indem er sanft und brüderlich die Hand drückte, die sie ihm reichte, und welche seinen Händen zu entziehen ihr eben sowenig einfiel, als es ihm einfiel, ihr dieselbe zurückzugeben.

Alsdann erzählte ihr Salvator Wort für Wort das Drama, dessen Entwicklung wir beigewohnt haben; wie, durch die Töne des Violoncells zum Schulmeister geführt, er und Jean Robert ihm ihre Dienste und ihn Ergebenheit angeboten hatten; wie sie von ihm weggehend Babolin getroffen; wie dieser einen Brief brachte; wie dieser Brief die Entführung von Mina mittheilte; wie Justin und Jean Robert sich zur Brocante begeben hatten, während er, Salvator, nach der Polizei lies und Herrn Jackal nach Versailles führte. Er detaillierte Mina aus eine Art, daß dieser kein Zweifel über den Antheil blieb, den der Erzähler an dieser Expedition genommen hatte, die Eintheilung des Pensionnats von Madame Desmarets, das Innere vom Zimmer des Mädchens, den Plan des Gartens, durch den es entführt worden war, und mehr als einmal fühlte er vor Entsetzen die Hand von Mina schauern, die auch mehr als einmal aus Scham über ihre enthüllten Geheimnisse zitterte.

Als er sodann in die geringsten Einzelheiten hinsichtlich der Schritte eingegangen war, die er gemacht hatte, um Mina wiederaufzufinden. Schritte, welche bis dahin fruchtlos geblieben, als er ihr von der Traurigkeit und Dunkelheit des Hauses gesagt hatte, aus dem die Freude und das Licht entflohen waren, und das sich aus die Mutter, aus den Bruder und die Schwester beschränkt sah, da hörte er seinerseits, denn es war an Mina, zu sprechen und Salvators Erzählung durch Erzählung zu erwidern.

In dem Augenblicke, wo Mina den Mund öffnete, um zu beginnen, hielt sie Salvator durch eine letzte Ermahnung zurück.

»Vor allen Dingen,« sagte er zu ihr, »liebe Braut meines Justin, theure Schwester meiner Seele, vergessen Sie keinen der einzelnen Umstände Ihrer Entführung; es ist wichtig, Alles zu wissen, wie Sie wohl begreifen. Wir kämpfen gegen einen Feind, der für sich die zwei Dinge hat, welche die Straflosigkeit hienieden machen: der Reichthum und die Macht.«

»Oh! seien Sie unbesorgt,« erwiderte Mina, »lebte ich hundert Jahre, ich würde mich der geringsten Episoden dieser entsetzlichen Nacht erinnern, wie ich mich derselben am andern Morgen erinnerte, wie ich mich ihrer heute erinnere.«

»Ich höre.«

»Ich hatte den ganzen Abend mit Susanne von Valgeneuse zugebracht, sie in einem Fauteuil am Fuße meines Bettes sitzend, ich ein wenig leidend und auf meinem Bette liegend, in ein großes Nachtgewand gehüllt; wir sprachen von Justin; die Zeil verging schnell. Wir hörten elf Uhr schlagen. Ich bemerkte gegen Susanne, es sei schon sehr spät, und es wäre Zeit, uns zu trennen.

›Drängt es Dich so sehr, zu schlafen?‹ sagte sie zu mir. ›Ich, was mich betrifft, ich habe noch keine Lust hierzu. Laß uns plaudern.‹

»Sie schien in der Thai aufgeregt, fieberhaft; sie horchte aufmerksam aus das geringste Geräusch; sie schaute nach dem Fenster, als hätte ihr Blick durch den doppelten Vorhang in den Garten sehen wollen. Zwei oder dreimal fragte ich sie:

›Was hast Du denn?‹

›Ich? nichts,‹ antwortete sie jedes Mal.

»Ich täuschte mich also nicht,« unterbrach Salvator.

»Was dachten Sie, mein Freund?«

»Sie sei vom Complotte gewesen.«

»Da mir ihre Aufregung immer wieder einfiel, so glaubte ich es am Ende auch,« sprach Mina. »Ein Viertel vor Mitternacht stand sie endlich auf und sagte zu mir:

›Schließe Deine Thüre nicht, meine liebe Mina, ich kann nicht schlafen und werde wahrscheinlich wiederkommen.‹

»Sie küßte mich und ging weg . . . Ich fühlte ihre Lippen beben in dem Augenblicke, wo sie meine Stirne berührten.«

»Verrätherischer Kuß, Judas-Lippen!« murmelte Salvator.

»Ich hatte auch keine Lust, zu schlafen, doch ich wünschte allein zu sein . . .

»Um die Briefe von Justin wiederzulesen, nicht wahr?« sagte Salvator . . .

»Ja! Wer hat Ihnen das gesagt?« fragte Mina erröthend.

»Wir haben sie auf Ihrem Bette und aus dem Boden zerstreut gefunden.«

»Oh! meine Briefe, meine theuren Briefe! was ist aus ihnen geworden?« rief Mina.

»Seien sie hierüber ruhig: Justin hat sie.«

»Oh! wie gern möchte ich sie haben, und wie fehlen sie mir hier!«

»Sie werden sie bekommen.«

»Ich danke, mein Bruder,« sagte Mina, Salvator die Hand drückend.

Und sie fuhr fort:

»Ich las also diese theuren Briefe, als es Mitternacht schlug; ich dachte, es sei Zeit, mich auszukleiden und mich zur Ruhe zu begeben. Doch in dem Augenblicke, wo ich dies dachte, schien es mir, ich höre Tritte in dem von der Treppe nach dem Garten gehenden Corridor: ich glaubte, es sei Susanne, welche zurückkomme. Die Tritte gingen an meiner Thüre vorbei, und das Geräusch erlosch.

»Bist Du es, Susanne?‹ fragte ich.

»Nichts antwortete.

»Ich glaubte sodann die Riegel der Thüre vom Garten ziehen und diese Thüre sich aus ihren Angeln drehen zu hören! – Niemand ging, wenn es Nacht geworden war, in diesem düsteren, ungeheuren Garten, von welchem aus man in ein ödes Gäßchen gelangte. Das Geflüster mehrerer Stimmen drang bis zu mir; ich richtete mich in meinem Bette aus und horchte ganz schauernd: ich hörte mein Herz gewaltig schlagen . . .

 

»In diesem Augenblicke knisterte die Kerze und verdüsterte sich, wie es der Sage nach geschieht, wenn sie nahe daran ist, ein Unglück zu beleuchten.

»Meine Augen waren aus die Thüre geheftet; ich hatte nur einen Schritt zu machen, um den Schlüssel zu drehen und den Riegel vorzuschieben: ich ließ eines von meinen Beinen auf den Boden gleiten. Mir schien, außen suche eine Hand den Knopf meiner Thüre. Ich stürzte hinzu; doch in dem Momente, wo ich mit der Spitze meiner Finger den Riegel vorschieben wollte, öffnete sich die Thüre gewaltsam, meine Hand zurückstoßend, und im Halbschatten des Corridors erblickte ich zwei verlarvte Männer! – Etwas entfernter hinter ihnen, wie ein Gespenst, sah ich eine Frau sich schleichen.

»Ich stieß einen Schrei aus, einen einzigen. Ich fühlte mich um den Leib gefaßt, eine Hand wurde auf meinen Mund gedrückt . . . Ich hörte, daß man meine Thüre von innen wieder schloß, und daß man die Riegel wieder vorschob; sodann, statt der Hand, war es ein Sacktuch, was man über meine Lippen ausbreitete und so stark zusammenzog, daß es mir fast unmöglich wurde, zu athmen . . . Ich verrichtete mein Gebet, denn ich glaubte, ich werde durch Erstickung sterben.«

»Armes Kind!« murmelte Salvator.

»Ich schlug mit den Armen die Lust; doch eine kräftige Hand ergriff sie, zog sie hinter meinen Rücken und band mir hier die Faustgelenke mit einem Sacktuche zusammen. Schon Anfangs war, geschah es durch Zufall oder mit Absicht, die Kerze erloschen. Ich hörte, daß man die Vorhänge aus einander that und das Fenster öffnete. Ein Gefühl von Kühle kam bis zu mir; die Dunkelheit meines Zimmers hellte sich allmählich ein wenig aus: ich bemerkte durch den Rahmen des Fensters die schwarzen Bäume und den trüben Himmel. Ein dritter Verlarvter wartete am Fenster, außen im Garten. Ich fühlte, daß mich Einer von denen, welche mich gepackt hatten, aufhob und von innen nach außen brachte.

›Hier ist sie!‹ sagte er.

›Mir scheint, sie hat geschrien?‹ sagte der Mann vom Garten.

›Ja, doch.Niemand hat es gehört, oder wenn man es gehört hat und man kommt, so ist das Fräulein auf der Treppe; das Fräulein wird sagen, es habe einen falschen Tritt gemacht, sich dabei den Fuß verrenkt, und der Schmerz habe ihr einen Schrei entrissen.‹

»Das Wort: das Fräulein, erinnerte mich an die Frau, die ich zu sehen geglaubt hatte. Da durchzuckte der erste Verdacht, Susanne sei Mitschuldige meiner Entführung, und Einer von den Verlarvten sei ihr Bruder, wie ein Blitz meinen Geist. War dies der Fall, so hatte ich nichts mehr für mein Leben zu fürchten; würde ich aber etwas dabei gewinnen, daß ich mein Leben rettete?

»Während dieser Zeit wurde ich durch den Garten getragen; derjenige, welcher mich trug, hielt am Fuße einer Mauer an, an deren Kappe eine Leiter angelegt war. Ich fühlte mich über diese Mauer emporgehoben, und mir schien, drei vereinigte Personen bewerkstelligen diese gefährliche Ueberschaffung.

»Eine zweite Leiter war aus der andern Seite der Mauer ausgerichtet; ein Wagen stand unten an der Leiter.

»Ich erkannte das öde Gäßchen, das am Garten hinlief.

»Man hob mich mit derselben Vorsicht hinab, mit der man mich emporgehoben hatte. Einer von den Männern stieg vor mir in den Wagen; die zwei Anderen schoben mich hinein. Mein Reisegefährte ließ mich in den Fond sitzen und sagte zu mir:

›Fürchten Sie sich nicht, man will Ihnen nichts zu Leide thun.‹

»Einer von den zwei Männern, welche außen geblieben waren, schloß den Wagenschlag; der Andere sagte zum Kutscher:

›An den bewußten Ort!‹

»Der Wagen ging im Galopp ab. – An den Worten: ›Fürchten Sie sich nicht, man will Ihnen nichts zu Leide thun,‹ hatte ich die Stimme des Bruders von Susanne, des Grafen Loredan von Valgeneuse, erkannt.«

»Ja,« sagte Salvator, »die Stimme von dem, welcher so eben hier war, dem ich so leicht eine Kugel in den Kopf jagen konnte! Doch ich bin kein Mörder . . . Fahren Sie fort, Mina.«

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