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Die Mohicaner von Paris

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XLII
Geschichte der Prinzessin von Vanvres

Die ersten Tage verliefen mit Erinnerungen an die Vergangenheit und mit der Erzählung der verschiedenen Abenteuer, deren Opfer oder Held Camille gewesen war.

Alle Freuden dieser reichen, aber mitten in ihrem Reichthum egoistischen Natur kamen von der Befriedigung, wie alle ihre Traurigkeiten vom Mangel eines Vergnügens kamen.

Er war viel gereist; er hatte Griechenland, Italien, den Orient, Amerika gesehen; seine Conversation mußte also voll Interesse für den Geist von Colombau sein, der begierig war, Allee zu erfahren, Alles kennen zu lernen.

Camille war aber weder als Gelehrter, noch als Künstler, noch in Handelsgeschäften gereist.

Er war als Vogel gereist, und jeder neue Wind hatte von seinen Flügeln Alles bis aus den Staub des Landes, das er verließ, gestreift.

Eines war ihm jedoch auf seinen Reisen aufgefallen.

Dieses Eine, was ihm aufgefallen, waren aber weder die Monumente, noch die Landschaften, weder die Sitten, noch die Menschen, weder die Schönheiten der Kunst, noch die der Natur; nein! was ihn ergriffen, geblendet hatte, das waren die vielfachen Schönheiten der Frau in den verschiedenen Klimaten. Camille war mehr ein Mensch der Empfindungen, als der Eindrücke; seine Glückseligkeiten verbreiteten sich durch seinen ganzen Körper, doch sie überschritten nicht die Oberhaut: er nahm die Freude, das Glück, die Wollust, die Liebe, wie man ein Bad nimmt; er blieb mehr oder minder lang darein getaucht, je nachdem ihm das Bad mehr oder minder angenehm war.

Daraus ging hervor, daß Camille alle große Wälder, alle Urwälder, alle Savannen, alle Seen, alle Prairien, Griechenland mit seinen Ruinen, Jerusalem mit seinen Erinnerungen, den Nil mit seinen tausend Städten für den Kuß des ersten schönen Mädchens, dem er auf seinem Wege begegnet wäre, gegeben hätte.

Vergebens versuchte es Colombau mit einer Hartnäckigkeit, welche von seiner Naivität zeugte, ihn zu bewegen, auf eine pittoreske oder interessante Weise von den verschiedenen Orten zu sprechen, die er durchlaufen: er blieb stumm; nicht als hätte es ihm an der Form gefehlt, um seine Eindrücke wiederzugeben: die Form war im Gegentheil zugleich bestimmt und poetisch; rief ihn aber sein Freund an die Ufer des Ohio oder in die große Moschee von Kairo, so kam ihm die Erinnerung an eine junge Indianerin mit der rothen Haut oder an eine schöne Griechin mit den schwarzen Augen in den Kopf; und die ernste Erzählung lief querfeldein.

Als er eines Tages mit Colombau von Griechenland sprach, von diesem classischen Lande, das mehr als irgend ein anderes die Begeisterung des jungen Bretagners erregte, bat ihn dieser, nachdem er es vergebens versucht hatte, ihn zur Beschreibung aller der pittoresken Inseln, die er besucht, zu bestimmen, zur Beschreibung von Delos, Zea, Paphos, Cythere, Paros, Ithaka, Lesbos, Amathunt, diesen Blumenkörben des Ionischen Archipels, deren Namen allein zum Herzen alle jugendliche Strömungen jener antiken Poesie, woran sich der Geist mit, fünfzehn Jahren tränkt, steigen machen; nachdem er ihn in allen ihren Einzelheiten seine Liebschaft mit einem jungen Mädchen der Dardanellen, unter den Oleandern von Abydos, hatte erzählen lassen; – eines Tags, sagen wir, bat ihn Colombau inständig, ernst mit ihm von Athen zu sprechen und ihm zu sagen, was sein Eindruck bei seiner Ankunft in dieser großen Stadt gewesen,-nach der sie mit einander durch den Archipel der Bänke des Collége gereist.

»Ah! Du willst, daß ich mit Dir von Athen rede?« fragte Camille.

»Ja, Du sollst mir sagen, was Du davon denkst.«

»Was ich von Athen denke? . . . Teufel! Ich habe Dir hierüber nichts zu sagen.«

»Wie, Du hast mir hierüber nichts zu sagen?«

»Nein . . . Ei! Du kennst Montmartre, nicht wahr? Nun, es ist auf einer Anhöhe wie Montmartre,, nur beherrscht diese Anhöhe den Piräus.«

Camille sein Geist, sein Temperament sein Charakter lagen ganz in dieser Schätzung von Athen.

Er betrachtete die ernstesten Seiten des Lebens mit derselben Gleichgültigkeit und demselben Leichtsinn.

Und dennoch wird man bei Gelegenheit sehen, welche Schätze von Erinnerungen zuweilen in seinem Gedächtnis der vergeßliche Creole wiederfand.

Eines Tags sagte Colombau das heißt der Schauspieler, der in der Komödie des Daseins von Camille die Rolle des Moralisten spielte, – Colombau sagte zu ihm:

»Höre, Camille, Du kannst so nichtsthuend bleiben. Mache Dir Vergnügen, so viel Du willst, wenn es Deine Gesundheit aushält, das ist Deine Sache; doch das Vergnügen ist nicht der Zweck des Lebens; der Zweck des Lebens, der wahre Zweck ist die Arbeit; Du mußt also darauf bedacht sein, etwas zu thun. Jede Beschäftigung wird Dir überdies das Vergnügen theurer machen; und dann ist Dein Vermögen nicht so groß, daß es Dir nicht eines Tags unzulänglich scheinen sollte, wenn Du heirathest und Frau und Kinder hast. Nimmst Du gleich beim Eintritt ins Leben die Gewohnheit des Müßiggangs an, so wirst Du nicht mehr im Stande sein, Dir das abzugewöhnen; Du wirst nirgends mehr empfangen werden, denn Deine Ruhetage werden die Arbeitsstunden der Andern sein. Hättest Du einen beschränkten Geist, eine schwache Einbildungskraft, so ließe ich Dich vielleicht nach Deinem Belieben gehen; doch Du hast ganz im Gegentheil herrliche Anlagen, wunderbare Fähigkeiten . . . Was kannst Du thun? Ei! mein Gott! ich weiß es wie Du nicht! Wir werden darüber reden, wenn Du willst; doch mittlerweile erkenne ich bei Dir eine für alle Arbeiten, sowohl für die Werte der Kunst, als für die der Wissenschaft, geeignete Intelligenz; Du kannst einen guten Advocaten, einen guten Arzt, einen guten Compositeur geben; Du hast die Erhabenheit der Musik: ich habe mehrere von den Melodien, die Du im Collége gemacht, aufbewahrt, und in einer Entfernung von fünf Jahren habe ich in diesen Melodien Motive von bewunderungswürdiger Frische und Originalität gefunden. Wähle also um Gotteswillen ein Gewerbe! treibe Jurispondenz oder Medicin; werde ein Gelehrter oder ein Künstler; werde aber Etwas! Ich weiß nicht, wie ich Dich leiten sollt ich kenne Deine Neigungen nicht seit der langen Zeit, daß Du mich verlassen hast; doch glaube mir, mein lieber Camille, es ist besser, Du thust irgendeine Arbeit, und wäre sie auch nicht nach Deinem Geschmacke, als Du thust keine.«

»Ich werde hieran denken,« erwiderte Camille, welcher aussah, als hätte er eben so viel Lust, zu denken, als sich zu henken.

»Glaubte ich Dir so theuer zu sein, als Du es mir bist, fuhr Colombau mit einem unstörbaren Ernste fort, »so würde ich Dich mit dem Verluste meiner Freundschaft bedrohen, wählst Du nicht irgend einen Stand. Bruder Dominique nennt den Menschen, der nicht arbeitet, einen unredlichen Menschen, und er hat Recht.«

»Es ist gut,« sprach Camille halb heiter, halb ernst. man wird ihn wählen, Deinen Stand.

Ich denke bei mir selbst hieran, ohne daß ich das ansehen habe, doch im Grunde denke ich nur hieran: so frage ich mich alle Abende, wenn ich mich auskleide, aus welcher Geheimnisvollen Ursache meine Hosenträger, welche am Morgen flach und gerade auf meinem Rücken liegen, am Abend wie Kabel zusammengerollt und verkrümmt seien. Nun, mein lieber Freund, diese Wahrnehmung hat mich tiefe Reflexionen machen lassen, und ich glaube, es wäre ein philanthropisches Werk, eine Verbesserung in der Verfertignug der Hosenträger herbeizuführen.«

Colombau gab einen Seufzer von sich.

»Ah! Colombau,« sagte Camille: seufze nicht so wegen eines Scherzes. Was Teufels wirst Du bei einem Unglücke machen? . . . Morgen lasse ich mich bei der Rechtsschule einschreiben; ich kaufe einen Codex und lasse ihn in Chagrin binden, damit er ein rührendes Emblem desjenigen sei, welchen ich Dir verursacht.17

Camille! Camille!« rief Colombau, »Du bringst mich in Verzweiflung, und ich befürchte, Du wirst nie ein Mann.«

Camille sah, daß er das Gespräch auf ein anderes Terrain überführen mußte, oder der Dialog würde sich zur Melancholie hinwenden.

»Ah! Du befürchtest, ich werde nie ein Mann!« sagte er; »in jedem Falle ist diese Furcht nicht die Deiner Wäscherin.«

Colombau schaute Carmelite mit der Miene eines Menschen an, zu dem man mitten in der Conversation plötzlich in einer fremden Sprache spricht.

»Meine Wäscherin?« versetzte er.

»Ah! mein Schalk, Du sagtest mir nichts davon, daß Du die Hände mit dieser Seife waschest! . . . Teufel! mein Herr Doktor, mein Herr Weiser, mein heiliger Hieronymus hat eine achtzehnjährige Wäscherin, der man wegen ihrer bezaubernden Schönheit einstimmig den Namen: die Prinzessin von Vanvres und die Königin der Mi-Carême18 gegeben Nun kommt sein bester Freund aus den Urwäldern von Amerika zu ihm mit einem aus eben diesen Wäldern entlehnten Ueberflusse an Saft, und der Herr wird zum Verräther an den ersten Pflichten der Gastfreundschaft, indem er vor seinem Gaste seine kostbarsten Schätze verbirgt. Ventre-Mahon! Wie, ich weiß nicht, welche Person von Walter Statt sagt, verstehen Sie so die elementarsten Regeln der Gemeinschaft, und ist nicht eine Art von Verrath in Ihrer Geheimniskrämerei?«

»Mein Freund,« erwiderte Colombau, »Du magst mir glauben, wenn Du willst, doch ich kenne nur sehr wenig das Gesicht meiner Wäscherin.«

 

»Du kennst das Gesicht Deiner Wäscherin sehr wenig?«

»Ich schwöre es Dir.«

»Dann ist es wohl der Mühe werth, ein solches Gesicht zu haben, damit ein dreijähriger Kunde, ein junger Mann von fünfundzwanzig Jahren gar nicht darauf merkt; denn ich habe sie gefragt, wie lange Du ihr Kunde seist, und sie antwortete mir: ›Drei Jahre!«

»Das ist möglich,« versetzte Colombau, »ich habe keinen Grund, die Wäscherin zu wechseln, wenn meine Wäscherin gut wäscht.«

»Und wenn sie hübsch ist!«

»Camille, es gibt gewisse Frauen, um deren Schönheit oder Häßlichkeit ich mich nie bekümmere.«

»Seht doch den Herrn Vicomte von Penhoël. . . . Du Aristotrat! . . . Herr von Béranger mit seiner Lisette ist also ein Pöbelmensch? Wer war denn Lisette, wenn nicht die Wäscherin von Herrn von Béranger? Ah! es ist wahr, Herr von Beranger hat ein Lied gemacht, in welchem er sagt, er sei nicht adelig, sondern gemein, sehr gemein: das erklärt Lisette, Frétillon, Sulzon . . . Doch Herr Colombau von Penhoël, Teufel!«

»Was willst Du, Camille? es ist so.«

Camille erhob die Arme mit einem komischen Mit leid zum Himmel.

»Es ist so sagte er. »Wie! das höchste Wesen strengt sich an um vor Deine Augen alle Wunder der Schönheit verkörpert in einem einzigen Geschöpfe zu stellen, und Du, Heide, behauptest, Du habest etwas Wichtigeres zu thun, als dieses Meisterwerk zu betrachten! Würde der selige Raphael die Fornarina mit derselben Verachtung behandelt haben, wie Du die Prinzessin von »Vanvres, so hätten wir die Madonna della Sedia nicht, Unglücklicher! Und wer war die Fornarina? Eine Wäscherin, welche ihre Wäsche in der Tiber wusch. Sage nicht nein: ich habe mich im Hafen der Ripetta erkundigt.«

»Gut, es mag sein: ich gebe Alles dies zu. Nun sage: woher kennst Du meine Wäscherin, wo hast Du sie gesehen?«

»Ah! dahin wollte ich Dich führen! Die Schlangen der Eifersucht zerreißen Dir die Brust, nicht wahr?«

»Du bist ein Narr!« erwiderte Colombau die Achseln zuckend.

»Du gibst mir Dein Wort, daß Dich die Prinzessin von Vanvres nicht besondere interessiert?«

»Oh! das versichere ich Dir, so wahr ich ein Edelmann bin.«

Dieser Fee des Gewässers, dieser Najade der Seine den Hof machen, hieße also nicht auf Deinen Gütern jagen?«

»Nein, hundertmal nein!«

»Dann höre aufmerksam; ich fange an:

»Geschichte des ersten Zusammentreffens von Guillaume Felix Camille von Rozan, Creolen von Lousiana, mit Ihrer Hoheit Mademoiselle Chante-Lilas, Prinzessin nein Vanvres, Wäscherin im Fürstenthum Vanvres.

»Es war gestern . . . Ein Romandichter würde sagen, es war an einem blendenden Nachmittage des Monats Mai; doch dieser Romandichter würde Dich betrügen, mein Lieber, denn es regnete gewaltig, wie Du weißt, da Du den Regenschirm mitgenommen; ein Grund, der mich in Betracht der Entfernung der Fiacres, welches Beförderungsmittel man nur in den civilisirten Ländern findet, verhinderte, auszugehen, während Du in der Rechtsschule warst. Ich beklage mich nicht hierüber, denn das machte, daß ich in Deiner Abwesenheit das Vergnügen hatte, die Wäscherin zu empfangen, welche hier ganz durchwässert wie der Wein ins Collége ankam . . . Du erinnerst Dich unseres Ueberflusses? . . . Nun, so war die Prinzessin von Vanvres durchwässert. Mein erster Gedanke, als ich sie so naß sah, war, – bewunderte meine Philosophie! – mein erster Gedanke war, einen zweiten Regenschirm zu kaufen; denn – behalte dieses Axiom wohl, Colombau, – so unnütz zwei Regenschirme sind, wenn das Wetter schön ist, ebenso unzulänglich ist ein Regenschirm, wenn das Wetter schlecht ist, und man geht Jeder seinerseits.«

»Doch das ist ein Detail.«

»Deine Wäscherin kam also in Deine Arche, eine weiße Taube, nur kam sie am Anfange der Sündfluth, so daß sie, als sie den Deinem Zimmer auf sah, welches Weiter außen herrschte, und wie das Gewässer, nach dem Worte der Bibel, auf Erden wuchs, daß alle hohen Berge bedeckt wurden, kein Bedenken trug, das Anerbieten, für den Augenblick hier zu verweilen, das ich ihr machte, anzunehmen.«

»Laß hören, Colombau, was hättest Du an meiner Stelle gethan? . . . Sprich offenherzig.«

»Ei! fahre in Deiner Erzählung fort, ungezogener Junge!« erwiderte Colombau, den das Geschwätze dieses Spottvogels unwillkürlich belustigte.

Offenbar hättest Du, wenn ich Dich gut kenne, entweder die Wäscherin sich ganz und gar mit Wasser füllen lassen, oder wenn Du menschlich genug gewesen wärest, ihr Dein Dach anzubieten, so würdest Du ihr den Rücken zugewandt und sie so der Reize Deines Gesichtes beraubt haben; oder Du hättest wieder angefangen zu lesen und sie des Zaubers Deiner Conversation beraubt. Das hättest Du gethan, nicht wahr? unter dem Vorwande, Herr Edelmann, es gebe Frauen, welche keine Frauen für Sie seien! Ich, ich bin nur ein Wilder; ich habe auch gethan, was der Indianer in seinem Wigwam, der Araber unter seinem Zelte thut: ich habe gewissenhaft alle Pflichten der Gastfreundschaft erfüllt. Die erste, der ich mich, nach einigen kleinen Redensarten entledigen zu müssen glaubte, war die daß ich sie ihr Halstuch ablegen ließ, in Betracht, daß es den der Ecke genannten Halstuches auf ihren Rücken rieselte, wie vom Fischbeine eines Regenschirmes; ohne diese mildthätige Vorsichtsmaßregel hätte die Prinzessin von Vanvres unfehlbar einen heftigen Katarrh bekommen, und das würde ich mir bitter zum Vorwurfe gemacht haben! . . . Ah! ich sehe von hier aus den schlimmen Gedanken, der Dich sticht, wie Meister Amyot sagt . . . Nun wohl, nein, ich hatte keine böse Absicht, und ich kann, wie Hippolyt, sagen, der Tag war nicht reiner als der Grund meines Herzens! Der Vers ist nicht da, und hierüber bin ich entzückt: ich habe die Verse nie leiden können. Es geschah, ich wiederhole es Dir, aus reiner Menschenliebe, und zum Beweise dient, daß ich ihr, die eisige Kälte Deines Zimmers für sie befürchtend, ein Foulard bot, das sich auf Deinem Stuhle fand.

»Wie! Herr Tartuffe hätte es hoffentlich nicht besser gemacht?

»Es war Dein weißes Foulard, das schönste von allen Deinen Foulards! ich muß Dir sogar sagen, daß es die Prinzessin mitgenommen hat, im Glauben, es gehöre ihr.

»Doch das ist abermals ein Detail.

»Sobald sie in dieser Hinsicht geschützt war, bot ich ihr einen Stuhl an, doch zu ihrem Ruhme muß ich bemerken, daß sie sich weigerte, sich darauf zu sehen, nicht als ob sie, die Prinzessin den Vanvres, sich unwürdig erachtet hätte, vor dem Demüthigsten ihrer Diener Platz zu nehmen, sondern, weil sie, ganz triefend wie sie war, den Utrechter Sammet Deines Mobiliars zu beschädigen befürchtete . . . Ich glaubte das wenigstens aus der Art zu errathern wie sie, nach einigen Manieren, einen Platz an meiner Seite auf dem Canapé nahm, das ihr mit einem Zwilchüberzuge bekleidet, keine Gefahr zu laufen schien.

»Und was Du mir nun nicht wirst glauben wollen, o Colombau! Du der Du die Lisetten leugnest, die Frétillons geringschätzt und die Suzons von Herrn von Béranger verachtest, ist, daß wenn man unter dem 86° 40’ – 92° 55’ westlicher westlicher Länge und dem 29° – 33° nördlicher Länge geboren ist, nicht ungestraft neben einem hübschen Mädchen sitzt, und wäre dieses Mädchen eine Wäscherin, siehst Du Colombau, es entsteht zwischen ihr und uns ein gewisses Etwas, das dem gleichkommt, was unser Professor der Physik im Collége die elektrischen Strömungen nannte. Diese Strömungen, – Du weißt das nicht, Don Sokrates, König der Weisen!– diese Strömungen machen in zehn Minuten im Gehirne tausend muntere Gedanken keimen, wachsen und blühen, welche nie ein Artikel des Codex, so hinreißend er auch sein möchte, sich erschließen machen würde.

»Ein Gedanke dieser Art, lieber Freund, trieb mich an, zu ihr zu sagen:

›Prinzessin den Vanvres, bei meiner Ehre, ich finde Eure Hoheit bezaubernd!«

»Und es war ohne Zweifel ein ähnlicher Gedanke, der sie wie eine Klapperrose erröthen machte.«

»So unschuldig Du bist, mein lieber Colombau, brauche ich Dir doch nicht zu sagen: eine Frau, je mehr sie erröthet, desto schöner ist sie. Die Prinzessin von Vanvres war also die Schönste der Prinzessinnen, und mein Kopf fing an sich zu drehen, als sich zum Glücke meine Augen, die sich mit meinem Kopfe drehten, auf das weiße Foulard hefteten, welches ihr Halstuch ersetzt hatte.

»Dieses Foulard, Freund, gehörte Dir; ich wußte nichts von Deiner Antipathie gegen die Feen, die Najaden, die Wassernixen, ich befürchtete zum Verräther an der Freundschaft zu werden, und diese Furcht hielt mich am Rande des Abgrundes zurück.

»Du schwörst mir nun, daß Dir die Prinzessin von Vanvres fremd ist: sehr gut! da ich vom Lande der Abgründe bin, so fürchte ich diese nicht. Es biete sich die Gelegenheit, und ich werde mich ganz sicher hinabgleiten lassen!«

Als dieser Redefluß beendigt war, wollte Colombau einige Bemerkungen machen; doch Camille fing an mit reizender Stimme zu singen:

Lisette, ma Lisette,

Tu m’as trompé toujours;

Mais vive la grisette!

Je veux, Lisette,

Boire à nos amours19

Und beiden Tönen dieser harmonischen, klangvollen, zauberhaften Stimme, welche die geheimsten Fibern des Herzens schauern machte, wußte Colombau nichts Anderes mehr zu thun, als Beifall zu klatschen.

XLIII
Die Eiche und das Schilfrohr

Diese Erzählung vom ersten Zusammentreffen von Camille mit der Prinzessin von Vanvres, eine Erzählung, die wir nicht nur in ihrem Ganzen, sondern auch in ihren Einzelheiten zu wiederholen versucht haben, wird besser als alle Analysen, die wir hätten machen können einen Begriff dem Charakter von Camille, einem Charakter voll Sorglosigkeit und Heiterkeit, geben.

Diese Heiterkeit, welche unter Männern nicht gerade immer von einem sehr geläuterten Geschmacke war, wirkte sie doch auf den ernsten Bretagner ungefähr wie die Schönthuereien einer Katze oder das Gestwätz eines Papageis gewirkt haben würden; Camille fing immer damit an, daß er Unrecht hatte, und endigte immer damit, daß er Recht hatte.

Es gab indessen einen Punkt, an welchem seine Beharrlichkeit scheiterte.

Das regelmäßige, sogar monotone Leben, das Colombau führte, war nicht gerade das ideale Leben, das Camille geträumt hatte; er fühlte sich auch unbehaglich und beengt in diesem friedlichen Winkel. Die Mobilien des Bretagners flößten ihm jene Art von Angst ein, welche einem jungen Manne ohne Beruf der Anblick seiner Zelle beim Eintritt in ein Kloster einflößen muß.

Als Colombau eines Tags von der Schule zurückkam, fand er oben an seinem Bette einen Todtenkopf mit zwei Knochen im Kreuze befestigt und darüber die tröstlichen Worte:

Camille, man muß sterben!

Der ernste, nachdenkende Geist des jungen Mannes erschrak durchaus nicht vor dieser finsteren Maxime, und er ließ über seinem Bette die trübselige Zierrath, welche Camille hier angebracht hatte.

So dünstete diese, in den Augen von Colombau so lachende, Wohnung für Camille die Miasmen des Seminars aus; Alles reizte ihn auf, Alles stimmte ihn traurig, bis auf das poetische Grab der la Vallière, das Colombau und Carmelite so viel träumen gemacht hatte: dieses ewige Bild des Todes, das er vor den Augen hatte, ein tröstlichen Bild für eine fromme Seele, empörte ihn und gab ihm die bittersten Sarkasenen ein.

»Warum,« sagte er zu Colombau, »warum kaufst Du nicht sogleich eine Concession auf einem Kirchhofe? Ließest Du die Wände mit einem schwarzen Tuche silbernen Thränen behängen, so hättest Du Dein Leben lang eine Behausung von toller Heiterkeit, und Du könntest sie selbst nach Deinem Hinscheiden bewohnen.«

Zwanzigmal machte er Colombau den Vorschlag, das, was er ihre Einkerkerung nannte, gegen eine Wohnung in Paris, oder wäre es sogar in den Vorstädten von Paris, wie die Rue de Tournon oder die Rue du Bac, zu vertauschen.

Nie wollte sich Colombau hierzu herbeilassen.

Dann hörte Camille, wie einem Geiste der Fügsamkeit nachgebend, auf, vom Aussieben zu sprechen, aber er fuhr fort durch unablässige Witze und Einfälle gegen ihre mönchische Einklosterung nach diesem Ziele hinzustreben. Obgleich ungeduldiger Natur, hatte er aber, wenn er einen Widerstand fand, der stärker als sein Wille, eine Geschmeidigkeit in den Wirbelbeinen seiner Einbildungskraft, wenn es erlaubt ist, sich so auszudrücken, die ihm die Leichtigkeit der Natter, durch die engsten Ausgänge, durchzukommen, verlieh; er temporisierte also und versuchte es, unter dem Hindernisse, das er nicht umzustürzen vermochte, hinzuschlüpfen, wobei er sich so oft sich die Gelegenheit bot, die ergebene Freundschaft von Colombau, seine Schwäche gegen das verzogene Kind zu Nutze machte; alle seine Bestrebungen waren aber auf den einzigen Punkt gerichtet, so schnell als möglich das Quartier Saint-Jacques zu verlassen.

 

Zu seinem Unglücke, abgesehen von hohen Preise der Hausmiethe in einem anderen Quartier, welcher Preis das Gleichgewicht des Budget von Colombau gestört hätte, abgesehen davon, daß dieser einsame Aufenthaltsort dem emsig seinen Studien obliegenden Bretagner trefflich zusagte, – zum Unglücke für Camille, sagen wir, widerstrebte es Colombau, diese Wohnung zu verlassen, wo ihm zum ersten Male die Liebe unter ihren frischesten Farben erschienen war.

Den Leichtsinn von Camille befürchtend, hatte er es nicht gewagt, ihm das Geheimnis anzuvertrauen, von dem sein Herz voll war; daher kam es, daß die Hartnäckigkeit von Colombau, weder seine Wohnung, noch sogar das Quartier zu verlassen, ein Räthsel für den Amerikaner blieb.

Camille war mehr als einmal Carmelite begegnet, mehr als einmal hatte der feurige Creole die köstliche Schönheit seiner Nachbarin bewundert und Colombau über diese reizende Betrübte befragt; – in Trauer um ihre Mutter, war Carmelite schwarz gekleidet; – doch Colombau hatte nur kurz geantwortet:

»Die Trauer, die diese junge Person trägt, ist die um ihre Mutter, ich hoffe, ihr Schmerz wird sie in Deinen Augen ehrwürdig machen.«

Und Camille hatte nicht mehr von Carmelite gesprochen.

Nur eines Tages als er von Paris zurückkam, wie er sagte, setzte sich der Creole breit in einen Lehnstuhl, zündete eine Havanna an und begann folgende Erzählung:

»Ich komme vom Luxembourg . . . «

»Sehr gut!« sagte Colombau.

»Ich bin unserer Nachbarin begegnet.«

»Wo dies?«

»Ich kehrte nach Hause zurück, als sie ausging.«

Colombau schwieg.

»Sie hielt ein Päckchen in der Hand.«

»Nun, was siehst Du hierin Interessantes?«

»Warte doch.«

»Ich wartet wie Du bemerkst.«

»Ich fragte den Concierge, was sie in ihrem Päckchen habe.«

»Warum dies?«

»Um es zu wissen.«

»Ah!«

»Er antwortete mir: ›Hemden.‹

Colombau schwieg.

»Weißt Du aber, für wen diese Hemden sind?« fuhr Camille fort.

»Ei! ich denke für eine Weißzeughandlung.«

»Für die Hospitäler und die die Klöster, mein Lieber!«

»Armes Kind!« murmelte Colombau.

»Da fragte ich Maria Jeanne . . . «

»Wer ist das, Maria Jeanne?«

»Deine Portière! Du wußtest nicht, daß Deine Portière Marie Jeanne heißt?«

»Nein!«

»Wie! und Du bist seit drei Jahren im Hause?«

Colombau machte eine Bewegung mit den Augen, dem Munde und den Schultern, welche besagen wollte: »In welcher Beziehung interessiert es mich, daß meine Portière Marie Jeanne heißt?«

»Nun!« sprach Camille, »das ist Dein Charakter, doch es handelt sich nicht um dieses . . . Ich frage also Marie Jeanne: ›Wie viel kann diese schöne junge Person damit verdienen, daß sie Hemden für die Klöster und die Hospitäler macht?« Weißt Du, was sie verdient?«

»Nein,« erwiderte Colombau, »doch sie muß wenig verdienen.«

»Einen Franc für das Hemd, mein Lieber.«

»Oh! mein Gott!«

»Weißt Du aber, wie viel Zeit sie braucht, um ein Hemd zu machen?«

»Wie soll ich das wissen?«

»Es ist wahr, ich vergaß, daß Du nicht neugierig bist. Nun wohl, mein Lieber, sie braucht einen ganzen Tag, um ein Hemd zu machen, und noch indem sie wie eine Negerin backt, das heißt von sechs Uhr Morgens bis zehn Uhr Abends arbeitet, und will sie dreißig Sous verdienen, – gerade so viel, um ihr Essen zu haben begreifst Du? – so muß sie die Nacht dazu verwenden.«

Colombau wischte den Schweiß ab, der auf seiner Stirne perlte.

»Ist das nicht erschrecklich?« fuhr Camille fort. »Antworte, Granitherz! Ist es möglich, daß Geschöpfe des guten Gottes, schön, jung, von ausgezeichnetem Wesen, dieses Leben der Lastthiere führen?«

»Du hast Recht, Camille, sehr Rechts,« sprach Colombau, beinahe ebenso bewegt durch die Empfindsamkeit seines Freundes, als durch die Armuth des Mädchens, »und ich weiß Dir Dank für Deine Rührung zu Gunsten der fleißigen Frauen, dieser frommen im Dunklen Waltenden, welche in den Augen Gottes durch ihre beharrliche Arbeit den Müßiggang der Andern sühnen.«

»Gut! das sagst Du wohl in Beziehung auf mich? Meinen Dank! . . . . Doch gleichviel! Ueberdies bin ich auch Deiner Ansicht. Wie! – nie ist eine Schändlichkeit, bei meinem Ehrenwort! – die Frau . . . die Frau, welche Gott in die Welt gesetzt hat,– um die Glückseligkeit des Mannes zu bilden, um seine Kinder zu schaffen, zu nähren, zu erziehen; dieses Geschöpf, geknetet aus Rosenblättern, Blumenduft und Thautropfent dieses Geschöpf, dessen Lächeln für das Herz des Mannes ist, was der Sonnenstrahl für die Natur; dieses Geschöpf ist im Lohne der Klöster und der Hospitäler nur einen Franc im Tage! Rechnet man die Sonntage und das Feiern ab, so macht das kaum dreihundert Franken jährlich! . . . Da nun, um die Wohnung ihrer Mutter zu behalten, Deine Nachbarin Carmelite . . . Wußtest Du, daß sie Carmelite heißt?«

»Ja!«

»Da Deine Nachbarin Carmelite hundert und fünfzig Franken Miethe bezahlt, so bleiben ihr für die Kleidung, die Heizung, die Kost hundert und fünfzig Franken jährlich, das heißt ein und vierzig Centimes täglich, wenn sie nicht etwa die Nacht zubringt wie den Tag, und diese Nachtarbeit würde ihr dann höchstens fünfzig Franken mehr eintragen! . . . Und wenn ich bedenke, daß ein Wesen wie ich, meines Gleichen, – nur daß sie schöner ist, als ich, – zu einer solchen Marter verdammt sein soll! . . . Aber, mein Freund, es gibt keine menschliche Gerechtigkeit, und man muß eine Revolution machen, um Alles dies zu ändern!«

»Ich glaube,« sagte Colombau, »sie hat nebst dem eine kleine Pension von dreihundert Franken.«

»Ah! wahrhaftig, Du glaubst? dreihundert Franken! eine kleine Pension von dreihundert Franken, und hundert und fünfzig Franken, die sie verdient, Summe vierhundert und fünfzig Franken . . . und das scheint Ihnen genügend, Ihnen, der Sie zwölfhundert Franken jährlich haben? Ah! Herr Philanthrop, vierhundert und fünfzig Franken für dreihundert und fünfundsechzig Tage, und sogar für dreihundert und sechsundsechzig, wenn das Jahr ein Schaltjahr ist, scheinen Ihnen genügend, um zu wohnen, sich zu kleiden, zu frühstücken, zu Mittag zu essen, zu Nacht zu essen, seinen Stuhl in der Kirche zu bezahlen? Aber, Unglücklicher! wenn die Regierung genötigt wäre, die Pflanzen zu nähren, weißt Du, daß der Sauerstoff und der Kohlenstoff, die man verdunsten müßte, auf das Doppelte der Summe, welche dieses arme Kind ausgibt, zu stehen käme?«

»Das ist wahr,« erwiderte der Bretagner, der die Armuth von Carmelite noch nicht unter diesem engen Gesichtspunkte ins Auge gefaßt hatte, »das ist wahr, das ist betrübende ich frage mich, wie sie es machen kann?«

»Du fragst Dich das?« versetzte Camille entzückt, seine Genugthuung an Colombau zu nehmen. »Ah! Du fragst Dich das! Nun! ich will Dir antworten: sie arbeitet fast alle Nächte bis Morgens um drei Uhr!«

»Das hat Dir die Portière gesagt?«

»Nein, die Portière hat es mir nicht gesagt, ich habe es gesehen.«

»Du, Camille?«

»Ja, ich, Camille von Rozan, Creole von Louisiana, ich habe es gesehen.«

»Wann dies?«

»Ei! . . . gestern . . . vorgestern und die vorhergehenden Tage.«

»Und wie hast Du es gesehen?«

»Nicht wahr, sie ist nicht reich genug, um bei Nacht eine Lampe oder eine Kerze zu brennen, wenn sie schläft? Sobald nun also die Lampe oder die Kerze im Zimmer der Nachbarin brennt, wacht sie. Es brennt aber alle Nächte die Lampe oder die Kerze in ihrem Zimmer bis Morgens um drei Uhr.«

»Woher weißt Du das, Du, der Du nicht bis um drei Uhr Morgens wachst?«

»Ah! Gut! ich wache nicht bis um drei Uhr Morgens! Wer sagt Dir das? Nun, darin täuschst Du Dich: vorgestern, zum Beispiel, war Operntag, nicht wahr?«

»Ja, ich glaube . . . ich weiß es nicht . . . «

»Oh! er kennt nicht die Opertag! Montag, Mittwoch, Freitag, Wilder! Vorgestern war also Opertag . . . Montag!«

»Gut.«

»Und wenn Du auch nicht wolltest, es ist doch so . . . Nun wohl, als ich auf der Oper wegging, traf ich einen alten Kameraden vom Collége . . . «

»Einem Kameraden von uns?«

»Von wem denn?«

»Und welchen?«

»Ludovic.«

»Ah! ja, einer der wackeren Jungen des Collége. Es ist erstaunlich, wie man sich aus dem Gesicht verliert!«

»Sprich mir nicht hiervon! Es würde zu den traurigsten Reflexionen führen, wenn man darüber nachdächte.«

»Was ist aus ihm geworden?«

»Er treibt Arzneiwissenschaft: sie haben Alle die Wuth, etwas zu thun.«

»Nur Du . . . «

»Ah! hierbei erwartete ich Dich, und Du bist glücklich hineingetappt . . . Doch lassen wir das! . . . Er treibt also Arzneiwissenschaft.«

»Und es wird ihm gelingen: das ist eine bewunderungswürdige Intelligenz, nur ein wenig zu materialistisch in der Form.«

17Ein unübersetzbares Wortspiel: chagrin eine Art von Leder, le chagrin der Kummer.
18Mitte der fasten.
19Lisette, meine Lisette, Du hast mich immer betrogen; doch es lebe die Grisette! Ich will, Lisette; auf unsere Liebschaft trinken!
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