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Erinnerungen eines Policeman

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Erinnerungen eines Policeman
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I.
Spieler und Fälscher

1

Etwa ein Jahr nachdem mich meine Jugendthorheiten, deren Hauptquelle das Spiel war, und deren Erzählung kein Interesse für meine Leser haben würde, zum Eintritt in die Londoner Polizei gezwungen hatten, wurde ich ein Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit für einen der obersten Chefs der Civilgewalt. Diese Aufmerksamkeit war die Folge der Gewandtheit und Entschlossenheit, die ich bei der Entdeckung eines lange verborgen gebliebenen Verbrechens gezeigt hatte. Die Rädelsführer und ihre Mitschuldigen waren durch mich zur Haft gebracht worden. Das Verbrechen hatte einem der angesehensten Kaufherren im Westende von London Leben und Vermögen gekostet; das Leben konnte ich ihm nicht zurückgeben, aber seine Kinder kamen wieder in den Besitz eines großen Theiles seines Vermögens.

Eines Morgens also ließ mich der Chef der englischen Polizei zu sich kommen, und gab mir nach einer langen Unterredung nicht nur seine Zufriedenheit über mein Verhalten in der fraglichen Angelegenheit zu erkennen, sondern setzte auch hinzu, daß sich wahrscheinlich sehr bald eine Gelegenheit finden werde, meine Gewandtheit und Kaltblütigkeit, von der ich einen so glänzenden Beweis gegeben, in einer höchst wichtigen Angelegenheit zu benützen.

»Ich glaube Sie übrigens schon früher gesehen zu haben,« sagte er, als ich mich entfernen wollte; »Sie befanden sich damals in ganz andern Verhältnissen als jetzt.«

Als er meine Verlegenheit bemerkte. setzte er hinzu:

»O! fürchten Sie sich nicht, Mr. Waters ich habe durchaus keine Lust, die Geheimnisse des Privatlebens ohne ganz besondere Ursachen zu erforschen. Waters ist ein in allen Schichten der Gesellschaft so verbreiteter Name, daß ich ihn keineswegs zum ersten Male höre. Uebrigens ist es möglich, daß ich mich irre, obgleich mein durch lange Uebung gestärktes Gedächtniß mich selten im Stich läßt.«

Hier nahm das ruhige Lächeln meines Chefs einen etwas ironischen Ausdruck an.

»Wie dem auch sey,« fuhr et fort« »ich verlasse mich auf das Zeugniß der ehrenwerthen Person, deren Empfehlung Sie Ihre jetzige Stellung zu verdanken haben; ich habe überdies die ganze Angelegenheit genau geprüft, seitdem ich Ihren Namen nennen hörte, und die Ueberzeugung gewonnen, daß Ihnen nur Unbesonnenheit und Thorheit, und keine schlechte Handlung zur Last zu legen ist. Unter diesen für Sie ganz ehrenvollen Umständen habe ich weder das Recht noch den Wunsch, mehr von Ihnen zu erfragen. Morgen werde ich Sie wahrscheinlich rufen lassen, um Ihnen in der bewußten Angelegenheit die nöthigen Mittheilungen zu machen.

Dann entließ er mich mit freundlichem Kopfnicken. Seine Worte machten begreiflich einen tiefen Eindruck aus mich. Ich ging sinnend nach Hause. und immer kam mir der Gedanke wieder: er hat mich in einer andern Gesellschaftssphäre gekannt.

Aber wo hatte er mich gesehen? das war die Frage, wie Hamlet sagt.

Während ich alle nicht ganz gewöhnlichen Ereignisse meines Lebens in Gedanken die Musterung passiren ließ, erinnerte ich mich, daß ich in der Zeit meines Glückes nur selten in London gewesen und während dieser kurzen Besuche nie in vornehmen Cirkeln erschienen war. Ich vermuthete daher, Mr.** müsse in der Provinz meinen Namen gehört haben.

Zu Hause theilte ich meiner Frau die Unterredung mit, um mit Hilfe ihres Gedächtnisses vielleicht zu ermitteln, wo mich mein Chef kennen gelernt haben könne.

Meine Frau erinnerte sich, daß Mr.** einmal in Duncaster beim Wettrennen gewesen war. Der Zufall wollte, daß ich bei jenem Rennen bedeutende Wetten gemacht und gewonnen hatte. Es war nicht zu bezweifeln, daß ich damals die Aufmerksamkeit eines Mannes, von welchem jetzt meine Zukunft abhing, auf mich gelenkt hatte.

Diese Erklärung war keineswegs unwahrscheinlich, völlige Gewißheit bekam ich freilich nie darüber; denn diese Anspielung war die einzige, welche Mr.** während meiner langen Dienstverhältnisse auf meine früheren Verhältnisse machte. Ich vermied freilich meinerseits jede Gelegenheit, das Gespräch auf dieselben zu lenken.

Der folgende Tag verging, ohne daß er mich rufen ließ; auch der zweite und dritte ; und erst am vierten Tage ließ er mich einladen, in seinem Bureau zu erscheinen.

Ich vernahm zu meiner Freude, aber nicht ohne Erstaunen, daß ich sogleich einen Auftrag erhalten sollte, dessen Vollziehung sich die klügsten und erfahrensten Sicherheitsbeamten1 zur Ehre geschätzt haben würden.

»Hier,« sagte M.**, indem er mir ein Namensverzeichniß mit Randglossen übergab. »hier ist eine genaue Liste aller Mitglieder jener Gauner- und Fälscherbande, die seit länger als einem Jahre in London ihr Unwesen treibt. Ihre Aufgabe ist, die Schlupfwinkel dieser Banditen aufzufinden und sie dergestalt zu überführen, daß dem Gericht die gesetzlichen Beweise ihrer Schuld vorgelegt werden können. Alle unsere Bemühungen sind bis jetzt durch die Schlauheit dieser Gauner vereitelt worden; aber meiner Meinung nach liegt die Schuld hauptsächlich an dem übergroßen Eifer der Policemen, die den Auftrag erhalten hatten, die Bande zu beobachtet und über ihr Treiben Bericht abzustatten. Vor diesem Fehler müssen Sie sich hüten, lieber Mr. Waters; es sind durchtriebene Schurken, denen sie sich nur mit der größten Vorsicht nähern dürfen. Ich sage Ihnen im Voraus, es bedarf großer Klugheit und Geduld, um sie in ihren Schlupfwinkeln zu überraschen und den Händen der Gerechtigkeit zu überliefern.«

»Ich werde thun was ich kann,« antwortete ich mit einer Bescheidenheit, die meinem Chef sehr zu gefallen schien.

»Gutes ihrer neuesten Opfer,« fuhr er fort, »ist der junge Merton, Sohn der verwitweten Lady Everton aus erster Ehe. Die Lady hat sich an uns mit der Bitte gewendet, ihren Sohn den Klauen dieser Unholde zu entreißen. Gehen Sie diesen Nachmittag um fünf Uhr zu ihr, natürlich in bürgerlicher Kleidung, und sie wird Ihnen alle nöthigen Nachweisungen geben. Es versteht sich, daß Sie immer unmittelbar mit mir verkehren, und sich nur an mich zu wenden haben, wenn Sie Verhaltungsbefehle einholen oder Bericht erstatten wollen.«

Mit diesen und andern minder interessanten Weisungen versehen wurde ich von meinem Chef entlassen.

Wie schwierig, ja wie gefährlich auch der Auftrag war, der mir übertragen wurde, so übernahm ich ihn doch mit Freude, als eine Zerstreuung in der ermüdenden Einthönigkeit meines täglichen Dienstes.

Ich eilte nach Hause, und da der größte Theil meiner Garderobe glücklich aus dem Schiffbruch meines Vermögens gerettet worden war, so machte ich möglichst elegante Toilette und begab mich um fünf Uhr in das Hotel der Lady Everton.

Ich wurde ohne Zweifel erwartet, denn sobald ich meinen Namen nannte, wurde ich in den Salon geführt, wo ich die Dame vom Hause nebst ihrer schönem liebenswürdigen Tochter fand.

Beide hatten wirklich mit Sehnsucht meine Ankunft erwartet.

Die Lady schien sich sehr zu wundern, als sie mich erblickte. Ich hatte mich immer in höheren Gesellschaftskreisen bewegt, und bei diesem Anlasse ließ ich mir’s ganz besonders angelegen seyn, als Gentleman aufzutreten. Mein Aeußeres mochte daher wohl sehr verschieden seyn von dem willkürlichen Begriffe, den sie sich von einem Diener der Sicherheitsbehörde gemacht hatte, und erst nachdem sie das von mir überreichte Billet gelesen hatte, wurde ihr stolze, ungläubiger Blick milder und herablassender.

Noch einige Secunden schwieg sie, und erst nachdem sie abwechselnd mich und den Brief angesehen hatte. Begann sie, auf einen Stuhl deutend:

»Setzen Sie sich, Mr. Waters. Aus diesem Briefe ersehe ich, daß Sie den Auftrag haben, meinen Sohn der gefährlichen Lage zu entreißen, in die er durch seine Unbesonnenheit gerathen ist.«

Ich war so einfältig, mich anfangs durch die Kälte und das hochfahrende Wesen der Lady verletzt zu fühlen, und war im Begriff ihr zu antworten, daß ich allerdings beauftragt sey, eine Gaunerbande, deren Mitglied ihr Herr Sohn sey, den Händen der Gerechtigkeit zu überliefern, und daß ich gekommen sey, um von ihr genauere Nachweisungen zu erhalten; allein zum Glück erinnerte ich mich meiner gegenwärtigen Stellung und bedachte, daß diese Eleganz, die vormals unzertrennlich mit meiner Person verbunden gewesen war, jetzt nur als Verkleidung gelten konnte. Statt daher meine Empfindlichkeit zu äußern, gab ich meine Zustimmung durch eine tiefe Verbeugung zu erkennen.

Lady Everton fuhr in ihrer Erzählung fort und ich erhielt im Wesentlichen folgende Nachweisungen.

2

Charles Merton hatte in den wenigen Monaten, die seit seiner Volljährigkeit verflossen waren, das Unglück gehabt, jenen Spielern und Gaunern in die Hände zu fallen, die theils in der eleganten Welt, theils in versteckten Schlupfwinkeln ihr schändliches Gewerbe treiben und sich durch Schlauheit und Gewandtheit den Nachforschungen der Sicherheitsbehörde zu entziehen wissen. Die Leidenschaft des Spiels schien sich seiner mit sonderbarer Gewalt bemächtigt zu haben; fast alle Tage und sicherer noch alle Nächte seines aufgeregten, wüsten Lebens brachte er an einem grünen Tische zu. Er spielte immer unglücklich, und nachdem er alles ererbte baare Geld und noch große Summen, die er seiner Mutter abgelistet, vergeudet hatte, sah er sich gezwungen, seine Verluste durch Schuldscheine und Wechsel zu decken, und diese sogenannten »Ehrenschulden« beliefen sich bereits auf eine furchtbar hohe Summe.

 

Eine sonderbare Erscheinung, die man unter ähnlichen Verhältnissen fast immer beobachtet, zeigte sich auch hier: Charles Merton hatte das unbedingteste Vertrauen zu dem Zartgefühl dieser Menschen. und obgleich er von dem Gauner und dessen Bande geplündert worden war, vertraute er sich diesem Gauner an und suchte Hilfe bei ihm, um sich der verzweifelten Lage, in der er sich befand, zu entreißen.

Die Güter und Besitzungen der Familie Everton fielen in Ermanglung eines männlichen Leibeserben an einen Seitenverwandten des verstorbenen Lords ; wenn daher der junge Gentleman, als einziger Sohn der Lady Everton, ein Opfer seiner wüsten Lebensweise wurde oder in einem der unter Spielern sehr häufigen Duelle den Tod fand, so stand seiner Mutter und seiner Schwester unfehlbarer Ruin bevor.

Das Witthum der Lady Everton war nicht bedeutend, ihr persönliches Vermögen hatte sie ihrem Sohne fast ganz geopfert, und der Rest war nicht einmal hinreichend, um Charles Merton’s Schulden zu bezahlen. Er wurde von seinen Gläubigern hart gedrängt, als seine Mutter die Hilfe der Polizei in Anspruch nahm.

Ich hörte die Erzählung der Lady Everton mit der größten Aufmerksamkeit und Theilnahme an. Mehr als einmal bemerkte ich in ihrer Schilderung gewisse Andeutungen über die Manieren und das Aeußere eines gewissen Sandfort, eines angeblichen Gentleman, den der junge Charles Merton seiner Mutter und seiner Schwester vorgestellt hatte.

Diese Andeutungen ließ ich mir mehr als einmal wiederholen, und jedes Mal erkundigte ich mich genau nach gewissen persönlichen Eigenthümlichkeiten, die gar seltsame und schmerzliche Erinnerungen in mir weckten.

Ein Verdacht, den gewisse Bemerkungen meines Chefs in mir geweckt hatten, schlug immer tiefere Wurzeln, so daß ich noch vor dem Ende der Erzählung der Lady Everton überzeugt war, es handle sich um einen alten Bekannten von mir, und dieser Sandfort sey kein Anderer als der Gauner, der an meinem eigenen Ruin Schuld war; ich ergriff daher mit Begierde diese günstige Gelegenheit, ihm den Schaden, den er mir gethan, mit reichen Zinsen zurückzugeben.

Es versteht sich, daß ich so vorsichtig war, diese Meinung für mich zu behalten, und nachdem ich der Mutter und Schwester des jungen Charles Merton ehrerbietig aber dringend das tiefste Stillschweigen empfohlen hatte, empfahl ich mich den Damen.

Ich wußte nun Alles was ich wissen mußte, um den Plan, nach welchem ich zu handeln beschloß, in Ausführung zu bringen. Es wurde überdies zur Vermeidung jedes Argwohns beschlossen, daß ich Lady Everton nicht mehr besuchen, sondern sie durch die Post von allen meinen Schritten in Kenntniß setzen und auf demselben Wege nöthigenfalls jede weitere Auskunft von ihr erhalten sollte.

Auf dem ganzen Wege von dein Hotel Everton zu meiner bescheidenen Wohnung dachte ich unaufhörlich: Wenn er’s wäret Und diese Vermuthung, daß er es seyn könne, trieb mir das Blut in die Wangen.

»Wenn dieser Sandfort,« sagte ich zu mir selbst, »wirklich der schändliche Cardon ist, so wird der glückliche Erfolg meines Unternehmens ein wahrer Sieg, ein Triumph, und Lady Everton wird nicht nöthig haben, meinen Eifer durch die Zusicherung einer Belohnung anzufeuern. Nein, ein zerrüttetes Vermögen, ein verfehltes Leben, eine verlorene Zukunft, ein junges, liebenswürdiges Wesen, durch seine Schuld dem Elende preisgegeben – Alles dies wäre genügend, um dem erbärmlichsten, feigsten Wicht Muth zu machen . . . Gott gebe, daß meine Vermuthung sich bestätigt! Dann nimm Dich in Acht, Cardon, denn der Rächer folgt Dir auf dem Fuße!«

» Von Lady Everton hatte ich erfahren, daß Sandfort gewöhnlich die Balletvorstellungen in der Oper besuche. Ich begab mich ins Theater und ließ mir, als ob ich selbst eine Loge miethen wollte, das Vermiethungsregister zeigen und konnte auf diese Weise die Nummer seiner Loge erfahren.

An demselben Abende sollte eine brillante Vorstellung stattfinden. Ich beschloß sogleich meine Nachforschungen zu beginnen.

Um neun Uhr war ich im Parterre; das Ballet sollte eben anfangen, aber der Vorhang war noch nicht aufgezogen. Ich konnte daher vor meinem Sperrsitz stehen bleiben und mit Hilfe meiner Lorgnette alle Logen mustern.

Die Lege des Mannes, den ich suchte, war leer. Aber ich hatte nicht lange zu warten. Kaum waren fünf Minuten verflossen, als die Thür aufging und der angebliche Sandfort eintrat. Denn meine Vermuthung bestätigte sich; er war kein Anderer als Cardon – aber eleganter, unverschämter, frohlockender als je. Er erschien Arm in Arm mit einem blassen, jungen Gentleman von aristokratischen Manieren, den ich durch den Vergleich mit dem Porträt, das ich in dem Salon seiner Mutter gesehen, leicht als Charles Merton erkennen konnte. Die Aehnlichkeit war auffallend.

Mein Entschluß war schnell gefaßt. Ich wartete nur einige Augenblicke, um den Eindruck, den der Anblick des verhaßten Cardon auf mich gemacht hatte, zu bekämpfen. Dann verließ ich das Parterre, ging in den ersten Rang und trat entschlossen in die Loge

Cardon kehrte mir den Rücken zu. Ich berührte seine Schulter, er sah sich rasch um.

Der Anblick des fabelhaften Basilisken mit den giftigen stechenden Augen würde Cardon nicht mehr überrascht und erschreckt haben, als mein ganz unerwartetes Erscheinen. Ich wußte mich indeß zu beherrschen und zeigte mich von der freundlichsten, einnehmendsten Seite. Er konnte auf meinem Gesicht unmöglich die mindeste Spur der Gefühle wahrnehmen, die in meinem Herzen tobten, und die Hand, die ich ihm reichte, war nur eine Einladung zur Erneuerung unserer alten Bekanntschaft.

»Waters!« stammelte er endlich, indem er meine Hand zögernd ergriff, »Waters! wer hätte gedacht Sie hier wiederzufinden!«

»Sie haben’s gewiß nicht gedacht, Cardon,« erwiederte ich: »Sie betrachten ja einen alten Freund, als ob es sein Geist und nicht er selbst wäre.«

»Still!« sagte er hastig, »wir wollen hinausgehen, um ungestört mit einander zu sprechen.«

Er wandte sich zu Charles Merton und sagte dessen fragenden Blick beantwortend:

»Es ist ein alter Freund, lieber Lord. Wünschen Sie uns Beiden Glück; ich habe ihm etwas zu sagen, aber wir kommen sogleich wieder.«

Cardon eilte in den Corridor; ich folgte ihm. Wir waren fast ganz allein, denn die Logen waren bereits gefüllt.

»Was bedeutet das, Waters?« sagte Cardon mit seiner gewohnten Ruhe, als er sah, daß uns Niemand belauschen konnte; »Entschuldigen Sie, lieber Freund, aber mich dünkt als wir uns zum letzten Male sahen, waren Sie . . . nun, wie soll ich mich ausdrücken? Kommen Sie mir doch zu Hilfe . . .«

»Ja, ruinirt, auf dem Trocknen; so nennt man’s, Niemand konnte es besser wissen als Sie.«

»Sie bilden sich wohl gar ein, ich sey Schuld daran.«

»Ich bilde mir gar nichts ein, lieber Cardon Vor drei Monaten noch hätte ich mir wohl Mancherlei einbilden können; aber Vor drei Monaten war mein alter, ehrwürdiger Oheim so gütig, dieser Welt Valet zu sagen . . .«

»Nicht möglich!« fiel mir Cardon ins Wort, »der alte liebe Herr ist abgefahren?«s

»Sie sehen ja, Theuerster, daß ich noch trauere.«

Cardon affectirte ein komisches Mitleid.

»Lieb» Freund,« erwiederte er , »empfangen Sie meine aufrichtigen Beileidsbezeigungen, obschon ich vermuthe, daß Ihnen die Katastrophe nicht so unangenehm ist, wie man aus Ihrem schwatzen Anzuge schließen könnte.«

»Sie haben nicht ganz Unrecht, Cardon; Sie wissen daß ich Ihren Scharfsinn nie in Abrede gestellt habe. Aber Sie wissen, daß ich alle meine früheren Gewohnheiten in dem Sarge meines Oheims begraben habe. Ich habe den Karten und Würfeln auf immer Lebewohl gesagt und meiner Frau fest versprochen, nie mehr zu spielen.«

Der kalte, sterbende Blick des eingefleischten Dämons – denn ich habe Cardon immer für einen Dämon gehalten – ruhte mit höhnischem Ausdruck auf mir, als er diese guten Vorsätze aus meinem Munde vernahm. Aber er erwiederte nur:

»Sie haben vollkommen Recht, Waters. Jetzt kommen Sie, ich will Sie meinem Freunde Merton vorstellen.«

»Alle einer der Unsrigen«?« fragte ich lachend.

»Er ist aus seht gutem Hause. . . Apropos, Waters ,« setzte er mit vertraulichem, einschmeichelndem Tone hinzu, »aus Familienrücksichten, die ich Ihnen später erklären werde, nenne ich mich jetzt Sandfort.«

»Sandfort?« wiederholte ich.

»Ja, vergessen Sie den Namen nicht . . . Doch kommen Sie wieder in die Loge, das Ballet geht sonst zu Ende, ohne daß wir etwas davon sehen.«

Wir gingen wieder in die Loge. Ich wurde in gehöriger Form als alter Freund vorgestellt, den Sandfort nach einigen Jahren wiedergesehen.

3

Als das Ballet zu Ende war, machte Sandfort den Vorschlag, ein in der Nähe des Theaters befindliches Kaffeehaus zu besuchen. Der Vorschlag wurde angenommen und wir gingen.

Oben auf der Treppe, die von den ersten Logen zur Vorhalle führt, stießen wir auf Mr.**, meinen Chef, der ebenfalls das Theater verließ. Er beantwortete die Entschuldigungen Merton’s mit einer leichten Verbeugung und sah uns einen Augenblick mit der größten Gleichgültigkeit an, ohne daß er die Bekanntschaft mit mir durch Blick oder Geberde merken ließ. Ich glaubte wirklich, er hätte mich in meinem neuen Anzuge nicht erkannt; aber als ich mich umsah, wurde ich enttäuscht; ein flüchtiger Blick, der zugleich Befriedigung und Ermuthigung ausdrückte, schoß mit Blitzesschnelle aus seinen Augen hervor.

Er wußte nicht, wie wenig ich einer Aneiferung bedurfte, um das Ziel, welches wir Beide vor Augen hatten, zu erreichen.

Sandfort ließ Champagner bringen, wir stachen drei bis vier Flaschen aus. Sandfort zumal schien sehr vergnügt; er war, wie gewöhnlich, geschwätzig. aber witzig; er kramte eine Menge scandalöser Anekdoten aus; er sah in mir nur eine neue Beute, einen reichen Gimpel, den er zum zweiten Male eben so leicht rupfen könne wie das erste Mal, und er frohlockte schon im Voraus über den seiner Meinung nach unfehlbaren Sieg, über die guten Entschließungen und die Gelübde die ich dem Gott Hymen geleistet hatte.

Zwischen zwölf und ein Uhr erbot sich Sandfort uns zu einem Freunde zu führen, wo wir gute und vergnügte Gesellschaft finden würden.

Der Vorschlag wurde von Charles Merton sehr bereitwillig angenommen. Der junge Gentleman schien das Champagnertrinken für ein gar zu unschuldiges Vergnügen zu halten und hatte schon längst seine Ungeduld zu erkennen gegeben.

Ich stand auf und nahm meinen Hut um mit den Andern fortzugehen. .

»Sie gehen doch mit uns, Waters?« fragte Sandford.

»Sie spielen nicht« aber zusehen werden Sie doch?«

»Ja,« erwiederte ich; »aber Sie müssen mir Ihr Ehrenwort geben, mich zum Spiel nicht zu verleiten.«

»O! von Herzen gern; Ihre Tugend soll nicht in Versuchung kommen, so wahr ich ein Gentleman bin.«

In zehn Minuten kamen wir vor ein ganz ruhiges und anständig aussehendes Haus unweit des Strandes.

Sandfort klopfte leise und auf eigenthümliche Weise an die Hausthür. Es wurde sogleich auch von Innen geklopft. Ein Losungswort, das ich nicht verstand, wurde durch das Schlüsselloch gewechselt; dann that sich die Thür auf und wir traten ein.«

Der Hausgang war von einer Lampe beleuchtet. Wir gingen in den ersten Stock hinauf. Die Fensterläden waren sorgfältig verschlossen und mit Polstern verrammelt, so daß man von der Straße unmöglich sehen konnte, was im Hause vorging.

Die Zimmer waren glänzend erleuchtet. Zwei Tische erregten sogleich meine Aufmerksamkeit: ein Roulettetisch und ein Tisch mit Würfeln und Karten.

Beide Tische waren mit Spielern besetzt. Auf einem dritten Tische stand eine Menge Wein, Liqueur und Backwerk.

Ich warf einen flüchtigen Blick auf die Gesellschaft. Diese bestand aus zwölf bis fünfzehn Personen. Einige derselben gehörten, wie Charles Merton, offenbar den höheren Ständen an; die Uebrigen waren Gauner nach Art meines Freundes Sandfort-Cardon.

Im ersten Augenblicke wurde mir ganz bange, als ich die unheimlichen, tückischen Gesichter sah; ich fürchtete, der eine oder andere dieser eleganten Gauner könne die wahre Absicht meines Erscheinens in ihrer Mitte errathen; aber bald tröstete ich mich mit dem Gedanken, daß meine Besorgniß ungegründet sey: ich war erst seit drei bis vier Monaten im Dienste der Polizei und hatte meinen Posten immer in einem sehr entfernten Stadttheile gehabt, es war daher keineswegs wahrscheinlich, daß einer von ihnen mein Gesicht bemerkt hatte.

 

Trotzdem machte mein Erscheinen einiges Aufsehen.

Man sah Sandfort und Merton fragend an, und ein dicker Mann, der in amerikanischem Accent sprach, trieb seine Neugier und Rücksichtslosigkeit so weit, daß er mich für einen verdächtigen Menschen erklärte.

»Ich bürge für ihn,« sagte Sandfort. »Damn it!« wenn ich für Jemand gutstehe, so wird sich doch in der ehrenwerthen Gesellschaft Niemand erkühnen, ihn mit Mißtrauen zu betrachten!«

Dann flüsterte er dem dicken Amerikaner einige Worte zu, die ein höhnisches Lächeln auf dessen Mund hervorriefen und sein Benehmen gegen mich änderten.

Dies beruhigte mich, denn obgleich ich in meinen Beinkleidertaschen doppelläufige Terzerole trug und eins derselben beständig in der Hand hielt, konnte ich mich doch mitten unter diesen Gaunern, deren Platz auf den Galeeren und nicht in einem Salon war, einer gewissen Bangigkeit nicht erwehren.

Bald war das Spiel in vollem Zuge. Man lud mich ein, am Spiel Theil zu nehmen; ich lehnte es ab, und man schien meine Weigerung nicht weiter zu beachten.

Fünf Minuten nachher wurde die Einladung wiederholt; ich sträubte mich dieses Mal nur schwach. Die Spieler wechselten einige bedeutungsvolle Blicke: sie gaben dadurch zu verstehen, man müsse meinem Gewissen Zeit zum Einschlummern lassen. Endlich auf die dritte Einladung ergab ich mich, aber unter der Bedingung, nicht mehr als eine Guinee zu setzen. Man antwortete mir, die Gesellschaft spiele nicht um zu gewinnen, sondern zur Unterhaltung, es stehe mir daher frei, nach Belieben zu setzen. Ich setzte mich an den Tisch: mein Gegner war der dicke Americaner.

Er hatte wirklich die Manieren eines Gentleman; er war so artig, mich anfangs gewinnen zu lassen, so daß ich am Schlusse der Sitzung zehn Pfund Sterling besaß, die aus der Tasche des Dämons schnurstracks in die meinige gewandert waren.

Charles Merton, den ich nicht aus den Augen ließ, spielte mit einer an Wahnsinn grenzenden Leidenschaft. Er schien sehr beträchtliche Summen zu verlieren, und da er kein Geld bei sich hatte, so stellte er Wechsel aus. Die Gauner brandschatzten den unglücklichen jungen Gentleman mit unerhörter Frechheit; nur ein Neuling konnte sich so betrügen lassen, oder die Leidenschaft des Spiels mußte ihn dergestalt blenden, daß er das Complott nicht merkte und den Rath seines Freundes Sandfort, der weder Würfel noch Karten anrührte, blindlings befolgte.

Die ehrenwerthe Gesellschaft trennte sich gegen sechs Uhr Morgens. Jeder entfernte sich durch die Hinterthür und erhielt zum Abschiede das Losungswort für die folgende Nacht.

Einige Minuten nachher war ich bei Mr.** und stattete ihm Bericht ab. Er war sehr erfreut über; den glücklichen Erfolg meiner Kriegslist, empfahl mir aber die größte Vorsicht und Geduld.

Da ich das Losungswort kannte, so wäre es mir ein Leichtes gewesen, in der folgenden Nacht die ganze Bande gefangen zu nehmen; aber ich würde dann meinen Auftrag nur halb vollzogen haben. Denn einige von diesen Gaunern, namentlich Sandfort, waren nicht nur falsche Spieler, sondern der Ausgabe fremder gefälschter Banknoten dringend verdächtig. Mein Augenmerk mußte daher auf den gesetzlichen Beweis dieses neuen Verbrechens gerichtet seyn, und überdies mußten wo möglich alle von Charles Merton ausgestellten Wechsel und Schuldscheine in Beschlag genommen werden.

»In den folgenden sieben bis acht Tagen ereignete sich nichts Bemerkenswerthes. Es wurde wie gewöhnlich jede Nacht gespielt, und jede Nacht sank Charles Merton tiefer in den Abgrund. Eines Abends brachte er den Schmuck seiner Schwester; er verlor Alles, ohne daß ihn Jemand fragte, wie er in den Besitz dieser Damengeschmeide gekommen war. Endlich hatten seine »Ehrenschulden« – wie man die Spielschulden nennt – eine so bedeutende Summe erreicht, daß ihm Sandfort zu verstehen gab, es werde Niemand mehr mit ihm spielen, wenn er nicht Geld herbeischaffe, um seine Wechsel und Schuldscheine einzulösen. Er machte ihm den Vorschlag, seine Besitzungen zu verpfänden und mit der Anleihe seine Spielschulden zu bezahlen.

Charles Merton bebte anfangs zurück vor dem Abgrunde, in welchen er nicht nur sich selbst, sondern auch seine Familie stürzte. Aber um seine Bedenklichkeiten zu besiegen, wurde ein albernes, aber unter solchen Umständen ganz unfehlbares Mittel angewandt. Merton glaubte sehr geschickt im Ecarté zu seyn; man wählte dieses Spiel und ließ ihn mehre Partien gewinnen, zum scheinbaren Aerger der Verlierenden. In dieser Schlinge hatte ich mich vormals selbst fangen lassen und war daher leicht im Stande sie zu entdecken. Ueberdies merkte ich wohl, daß man einen Hauptschlag vorbereitete.

Während dieser acht Tage war ich natürlich nicht müßig geblieben: ich hatte Sandfort auf einem Wege, den er für ganz zuverläßlich hielt, im Vertrauen sagen lassen, daß ich nach London gekommen sey, um eine Summe von vier- bis fünftausend Pfund Sterling in Empfang zu nehmen; daß diese Summe aber nur ein kleiner Theil des von meinem Oheim Paßgrov geerbten Vermögens sey. Dieselbe Person hatte hinzugesetzt, daß ich nach Empfang jener Summe in die Provinzstadt, wo ich meinen bleibenden Aufenthalt genommen, zurückkehren würde.

Wie funkelten die Augen Sandfort’s und seiner Spießgesellen, als ich gesprächsweise äußerte was er schon wußte!

O! Freund Sandfort, trotz deiner Schlauheit und Arglist habe ich Dich am Gängelbande geführt, wie einen blinden Einfaltspinsel! Denn nur ein Einfaltspinsel kann wähnen, der Mann, den Du ruinirt, fast entehrt hattest, könne deine Ruchlosigkeit und Tücke so leicht vergessen.

Die Angelegenheit war ihrer Lösung nahe, die glückliche oder unglückliche Entscheidung mußte in der Nacht erfolgen. Charles Merton hatte Geld auf Hypothek erhalten, seine Wechsel sollten am andern Morgen eingelöst werden. Ich hatte gesprächsweise gesagt, daß ich die fünftausend Pfund Sterling, die eigentliche Ursache meiner Anwesenheit in London, an demselben Tage erhalten würde.

Durch seine neuen Siege im Ecarté geblendet und durch seinen Freund Sandfort angeeifert, hatte Merton in der vorigen Nacht einen unheilvollen Entschluß gefaßt. Statt neuerlich seine Schulden zu bezahlen, setzte er so viel baares Geld, wie er den Gaunern verschrieben hatte. Wenn ihm nun das Glück, welches ihm in den letzten Nächten gelächelt hatte, fortwährend günstig war, so konnte er Alles, was er seit sechs Monaten verloren, in einer Nacht wieder gewinnen

Merton’s Gegner, die mit Sicherheit auf einen Gewinn zählten, konnten am andern Morgen nicht nur seine Wechsel und Schuldscheine, sondern auch die zu deren Einlassung bestimmte Summe besitzen.

Sandfort wußte die Sache so einzuleiten, daß Charles Merton selbst den Vorschlag machte.

Dieser Vorschlag erfüllte natürlich die feurigsten Wünsche der Spieler, aber zum Schein widersetzten sie sich und machten ihm viele Gegenvorstellungen, und erst als Merton von Sandfort unterstützt, bei seinem Vorsatz beharrte, gab die Gesellschaft nach.

Man kam überein, das; Merton wieder sein Glück im Ecarté versuchen solle, um seine Wechsel und Schuldscheine, und mit ihnen seine verlorene Ruhe wieder zu gewinnen.

Als diese Uebereinkunft getroffen war, legte Merton die Hand auf Sandfort’s Arm und sagte ganz heiter:

»Freund Sandfort, ich schwöre, daß ich nie wieder Karten und Würfel anrühren werde, wenn ich dieses Mal Glück habe.«

Leider bemerkte Merton das spöttische Lächeln nicht, welches diese Worte auf den Lippen der Spieler hervorriefen.

Die Partie sollte in der folgenden Nacht stattfinden. Es stand mehr als eine halbe Million auf dem Spiel, die Partie war daher fast mit einem Duell aus Leben und Tod zu vergleichen.

1In dem viertausend Mann starken Corps der Londoner Policeimänner besteht eine eigene kleine Abtheilung von sehr gebildeten, die gangbarsten Sprachen redenden Beamten, welche den Auftrag haben, ans gefährliche Menschen aller Stände ihr Augenmerk zu haben, und dieselben unbemerkt zu verfolgen. Diese Beamten werden sehr reich besoldet. Anm. des Verfassers.
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