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Capitän Richard

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Erster Theil

I.
Der spanische Katechismus

Etwa fünfzehn Stunden von München, das in den Reisehandbüchern eine der höchstgelegenen Städte nicht nur Baierns, sondern Europa’s genannt wird, fünf Stunden von Augsburg, der altberühmten Reichsstadt, wo 1530 das lutherische Glaubensbekenntnis von Melanchthon entworfen wurde, zwanzig Stunden von Regensburg, wo von 1662 bis 1806 die deutschen Reichsstände versammelt waren, erhebt sich die kleine Stadt Donauwörth, wie ein vorgeschobener Posten die Donau überragend.

Vier Landstraßen vereinigen sich in dem uralten Städtchen, wo Herzog Ludwig der Strenge auf einen ungegründeten Verdacht hin die unglückliche Maria von Brabant enthaupten ließ. Zwei dieser Straßen führen über Nördlingen und Dillingen nach Stuttgart und Frankreich, die beiden andern vermitteln den Verkehr mit Oesterreich. Die beiden ersten laufen am linken Donauufer bin; die beiden andern, am rechten Ufer, vereinigen sich bei Donauwörth zu einer einfachen hölzernen Brücke.

Jetzt hat das Städtchen durch die Eisenbahn und die Dampfschifffahrt eine gewisse Wichtigkeit erlangt und es herrscht ein ziemlich reges Leben, aber im Anfange dieses Jahrhunderts war es noch nicht so.

Der alte Ort, der in gewöhnlichen Zeiten von der Göttin der Einsamkeit und von dem Gott des Schweigens zur Residenz erkoren schien, bot indeß am 17. April 1809 ein für die zweitausendfünfhundert Einwohner so ungewohntes Schauspiel, daß mit Ausnahme der Wiegenkinder und der lahmen Greise die ganze Bevölkerung auf den Beinen war und insbesondere die Gasse, bei der sich die von Stuttgart kommenden Landstraßen vereinigten, und den Schloßplatz anfüllten.

Am 13. April Abends hatten drei Postchaisen, von Packwagen begleitet, vor dem Gasthofe »zum Krebs« angehalten. Aus dem ersten Reisewagen war ein General gestiegen, der, wie der Kaiser, einen kleinen Hut, und über seiner Uniform einen grauen Rock trug; aus dem andern war ein ganzer Generalstab hervorgekommen Es hatte sich das Gerücht verbreitet, der Sieger von Marengo und Austerlitz habe in dem bevorstehenden Feldzuge gegen Oesterreich das Städtchen Donauwörth zum Mittelpunkt seiner Operationen erkoren.

Dieser General, der von Neugierigen am Gasthofsfenster als ein Mann von sechs- bis siebenundfünfzig Jahren erkannt wurde, war nach der Behauptung Wohlunterrichteter der alte Kronmarschall Berthier, Fürst von Neuchâtel, und man versicherte, der Kaiser werde in zwei bis drei Tagen nachfolgen. Er hatte in der Nacht nach seiner Ankunft nach allen Richtungen Couriere abgeschickt und eine Zusammenziehung von Truppen angeordnet, die schon am folgenden Tage begann. Man hörte in und um Donauwörth nur Trommelwirbel und Trompetenstöße, und von allen vier Himmelsgegenden rückten baierische, würtembergische und französische Regimenter an.

Vor Allem ein Wort über die beiden alten Feinde Frankreich und Oesterreich, und über die Umstände, die den zwischen Napoleon und dem Kaiser Franz II. geschlossenen Pressburger Frieden gebrochen hatten und nun das sonst so stille Städtchen mit Kriegslärm erfüllten.

Der Kaiser Napoleon war mit Spanien im Kriege. Der Vertrag von Amiens war nemlich nur ein Jahr in Wirksamkeit gewesen; England hatte den König Johann VI. Von Portugal bewogen, seine gegen den Kaiser der Franzosen übernommenen Verpflichtungen zu brechen. Als Napoleon die Nachricht erhielt, schrieb er nur folgende mit seinem Namen unterzeichnete Zeile: »Das Haus Braganza hat aufgehört zu regieren.« Johann VI. aus Europa vertrieben, mußte sich über den atlantischen Ocean flüchten und in den portugiesischen Colonien eine Zuflucht suchen.

Camoëns hatte bei dem Schiffbruch, den er an der Küste von Cochinchina litt, sein unsterbliches Gedicht gerettet, das er mit der einen Hand hielt, während er mit der andern schwamm. Johann VI. war gezwungen, in dem Sturme, der ihn nach Rio-Janeiro trieb, seine Krone loszulassen. Er fand jenseits des Oceans freilich eine andere und ließ sich zum Ersatz für sein europäisches Königreich zum Kaiser von Brasilien ausrufen.

Die französischen Heere marschirten durch Spanien und nahmen Portugal in Besitz. Junot wurde zum Gouverneur ernannt. Portugal war so unbedeutend, daß man nur einen Gouverneur an die Spitze der Verwaltung stellte.

Aber die Pläne des Kaisers beschränkten sich keineswegs auf den Besitz des Ländchens. Der Preßburger Friede, der Oesterreich nach der Schlacht bei Austerlitz aufgenöthigt worden war, hatte Eugen Beauharnais zum Vicekönig von Italien gemacht; der Tilsiter Vertrag, der Preußen und Rußland nach der Schlacht bei Friedland aufgenöthigt worden war, hatte Hieronymus Bonaparte zum Könige von Westphalen gemacht: es handelte sich darum, Joseph zu entfernen und Murat an seine Stelle zu setzen.

Die Vorkehrungen waren getroffen. Ein geheimer Artikel des Vertrages von Tilsit ermächtigte den russischen Kaiser, Finnland in Besitz zu nehmen, und den französischen Kaiser, sich Spaniens zu bemächtigen. Man mußte nur eine günstige Gelegenheit abwarten. Diese fand sich bald. Murat war mit geheimen Instructionen in Madrid geblieben. König Carl IV. beklagte sich sehr über die Zerwürfnisse mit seinem Sohne, der ihn zur Abdankung gezwungen hatte und unter dem Namen Ferdinand VII. sein Nachfolger geworden war.

Murat rieth Carl IV., sich an seinen Bundesgenossen Napoleon zu wenden. Carl IV., der nichts mehr zu verlieren hatte, nahm den Schiedsspruch mit Dank an; Ferdinand VII., »der nicht der Stärkere war, willigte ungern und mit banger Besorgniß ein.

Murat überredete Vater und Sohn, sich nach Bayonne zu begeben, wo Napoleon sie erwartete. Sobald sie in der Höhle des Löwen waren, wurde die streitige Angelegenheit rasch entschieden. Carl IV. legte zu Gunsten Josephs die Krone nieder, da Ferdinand VII. derselben nicht würdig sey. Napoleon ergriff nun mit der rechten Hand den Vater, mit der linken den Sohn, und schickte den Ersten in das Schloß zu Compiègne, den Zweiten in das Schloß zu Valancay.

Joseph verließ Neapel, und Murat, der die ganze spanische Angelegenheit geleitet hatte, erhielt den Thron beider Sicilien zum Geschenk.

Rußland war ganz damit einverstanden, denn dieses Manöver war ja mit seinem Wissen ausgeführt worden und es bekam überdies seine Entschädigung; aber England, das nur das Continentalsystem gewann, war keineswegs zufrieden;es richtete seine gierigen Blicke auf Spanien und hielt sich bereit, den ersten Aufstand zu benutzen.

Dieser Ausstand ließ nicht lange auf sich warten. Am 27. Mai 1808 brach der Aufruhr an zehn verschiedenen Punkten aus, namentlich in Cadiz, wo die französische Flotte, die sich nach der Niederlage bei Trafalgar dahin geflüchtet hatte, von den Insurgenten in Besitz genommen wurde.

In wenigen Wochen verbreitete sich nun durch ganz Spanien der folgende Katechismus:

Wer bist Du, mein Sohn?

Spanier von Gottes Gnaden.

Was meinst Du damit?

Ich meine damit, daß ich ein Ehrenmann bin.

Wer ist der Feind unserer Glückseligkeit?

Der Kaiser der Franzosen.

Was ist der Kaiser der Franzosen?

Ein Unhold, der Urheber alles Bösen, der Zerstörer aller Güter, der Sitz aller Laster.

Wie viele Naturen hat er?

Zwei: die menschliche und die teuflische Natur.

Wie viele Kaiser der Franzosen gibt es?

Einen wirklichen in drei trügerischen Personen.

Wie heißen sie?

Napoleon, Murat und Manuel Godoy.

Welcher von den dreien ist der böseste?

Sie sind alle drei gleich schlecht.

Wovon stammt Napoleon ab?

Von der Sünde.

Und Murat?

Von Napoleon.

Und Godoy?

Von der unreinen Vermischung Beider?

Wie heißt der Geist des Ersten?

Hoffart und Despotismus.

Und des Zweiten?

Raubsucht und Grausamkeit.

Und des Dritten?

Habgier, Verrath und Unwissenheit.

Was sind die Franzosen?

Vormalige Christen, die Ketzer geworden sind.

Welche Strafe verdient der Spanier, der seine Pflichten verletzt?

Den Tod und die Schmach der Verräther.

Wie müssen sich die Spanier aufführen?

Nach den Vorschriften unsern Herrn Jesus Christus.

Wer wird uns von unsern Feinden befreien?

Das gegenseitige Vertrauen und die Waffen

Ist es Sünde, einen Franzosen umzubringen?

Nein; im Gegentheil, man verdient den Himmel, wenn man einen dieser ketzerischen Hunde todtschlägt.

Das waren sonderbare Grundsätze, aber sie standen im Einklange mit der Rohheit und Unwissenheit des Volkes, das dieselben in Anwendung brachte. Die Folge davon war eine allgemeine Erhebung und das Resultat der letzteren war die Capitulation von Baylen, das ist die erste Schmach, die unsere Heere seit 1792 erlitten.

Die Capitulation war am 22. Juli geschlossen worden. Am 31. landete eine englische Armee in Portugal. Am 21. August wurde die Schlacht von Vimeiro geliefert, wo die Franzosen zwölf Geschütze und fünfzehnhundert Todte und Verwundete verloren. Endlich am 30. folgte der Vertrag von Cintra, der Junot und seine Armee nach Frankreich heimschickte.

Diese Nachrichten brachten in Paris eine furchtbare Wirkung hervor Napoleon wußte dem Unglück nicht anders abzuhelfen als durch seine Gegenwart. Er hatte Recht; Gott war noch mit ihm und sein Glücksstern noch nicht untergegangen; die Wunder von Rivoli, von den Pyramiden, von Marengo, Austerlitz, Jena, Friedland sollten sich auf spanischem Boden wiederholen. Er drückt dem Kaiser Alexander die Hand, versichert sich der Freundschaft Preußens und Oesterreichs, die der neue König von Sachsen von Dresden und der neue König von Westphalen von Cassel aus überwachten, bringt achtzigtausend alte Soldaten aus Deutschland mit, hält auf dem Durchmarsch in Paris an, um dem gesetzgebenden Körper anzuzeigen, daß die Adler bald auf den Thürmen von Lissabon flattern werden, und setzt seinen Marsch nach Spanien fort.

 

Am 4. überschreitet er die spanische Grenze; am 10. nehmen die Marschälle Soult und Bessières die Festung Burgos, erobern zwanzig Kanonen, metzeln dreitausend Spanier nieder und machen eben so viele Gefangene. Am 12. vernichtet der Marschall Victor das Heer La Romana’s und Black’s bei Espinosa, tödtet ihnen achttausend Mann und zehn Generale, macht zwölftausend Gefangene und nimmt ihnen fünfzig Kanonen. Am 20. vernichtet der Marschall Lannes bei Tutela die unter Palafor und Castasios stehenden Armeen, nimmt ihnen dreißig Kanonen, macht dreitausend Gefangene und tödtet viertausend Mann

Die Straße nach Madrid war frei. Dem Einzuge in die Residenz Philipps V. stand kein Hinderniß mehr im Wege; der Erbe Ludwigs XIV. wußte den Weg nach allen Hauptstädten zu finden. Ueberdies kam ihm eine Deputation der Stadt Madrid entgegen, um ihm ihre Huldigungen darzubringen und ihn demüthigst um Gnade zu bitten.

Treten Sie auf die Plattform des Escorial, Sire, und lauschen Sie: auf allen Seiten werden Sie nichts als Siegesecho vernehmen. Hören Sie nur: Der Ostwind bringt das Getöse der Kämpfe bei Cardeden, Elinas, Lobregat, San Felice und Molino del Rey – fünf neue Namen in unsere Jahrbücher zu schreiben, und in Catalonien kein Feind mehr. – Auch der Westwind, Sire, wird Ihren Ohren gar lieblich schmeicheln; er weht von Galicien herüber und meldet Ihnen, daß Soult die Nachhut Moore’s geschlagen und eine spanische Division entwaffnet hat; noch mehr, er hat die:Engländer auf ihre Schiffe zurück getrieben, die ihre Segel aufgespannt haben und verschwunden sind; ihr Oberbefehlshaber und zwei Generale liegen todt auf der Wahlstatt. Und der Nordwind bringt Ihnen die Kunde von der Einnahme Saragossa’s; man hat achtundzwanzig Tage gekämpft, ehe man in die Stadt drang, und achtundzwanzig Tage noch kämpfte man von Haus zu Haus, wie in Sagunt, wie in Numantia und Calahorra. Männer, Weiber, Kinder, Greise, Priester haben gekämpft; Jetzt sind die Franzosen Herren von Saragossa, oder vielmehr der Trümmer der vormaligen Stadt. Und der Südwind, Sire, bringt Ihnen die Kunde von der Einnahme von Oporto; der Ausstand ist in Spanien gedämpft, wenn nicht unterdrückt; Portugal ist besetzt, wenn nicht wieder erobert. Sie haben Wort gehalten, Sire, Ihre Adler flattern auf den Thürmen von Lissabon .

Aber wo sind Sie denn, Sire, und warum sind Sie so schnell wieder fortgeeilt? – Ja, richtig, die Engländer, Ihre Erbfeinde, haben Oesterreich durch trügerische Vorspiegelungen verführt: Sie wären fünfhundert Meilen entfernt, Sie könnten Ihre Streitkräfte nicht entbehren, der Augenblick sey günstig; der Papst Pius Vll. hat Sie in den Bann gethan, wie einst Heinrich IV. von Deutschland und Philipp August von Frankreich; man müsse diesen Augenblick benützen, um Ihnen Italien zu nehmen, und Sie aus Deutschland zu vertreiben.

Und Oesterreich hat es geglaubt, es hat hunderttausend Mann unter die Waffen gerufen und unter den Befehl der Erzherzoge Carl, Ludwig und Johann gestellt. Ziehet hin,meine schwarzen Adler, hat es ihnen zugerufen, und zerreißet die rothen Adler Frankreichs

Am 17. Jänner reiste Napoleon zu Pferde von Vallavolid ab; am 18. kam er nach Burgos, am 19. nach Bayonne. Dort nahm er einen Wagen, und als ihn Jedermann noch in Altcastilien glaubte, klopfte er am 22. um Mitternacht an das Thor der Tuilerien und begehrte Einlaß. Man staunte, den künftigen Sieger von Eckmühl und Wagram zu sehen.

Der künftige Sieger von Eckmühl und Wagram war übrigens in sehr übler Laune, als er nach Paris kam. Er hatte wohl Ursache dazu. Der spanische Krieg, den er für ersprießlich gehalten hatte, war ihm zuwider, aber einmal begonnen hatte er wenigstens den Vortheil, die Engländer auf den Continent zu locken.

Wie der afrikanische Riese, fühlte sich Napoleon wirklich stark, wenn er die Erde berührte. Wäre er Themistokles gewesen, würde er die Perser in Athen erwartet und Athen nicht in den Golf von Salamis verlegt haben. Die Glücksgöttin, die ihm stets treu gewesen war, die ihn von der Etsch bis zum Nil, vorn Niemen bis zum Manzanares begleitet, hatte ihn bei Abukir verlassen, bei Trafalgar verrathen.

Und in dem Augenblicke, als er drei Siege über die Engländer errungen, als er ihnen zwei Generale getödtet, den dritten verwundet, als er sie übers Meer zurückgetrieben, wie es einst Hektor in Achills Abwesenheit mit den Griechen gemacht hatte, – in einem solchen Moment sah er sich auf einmal gezwungen, die Halbinsel zu verlassen.

Es war zwei Uhr nach Mitternacht, als er die Tuilerien betrat, aber er warf kaum einen Blick auf sein Bett und ging aus seinem Schlafgemach in sein Arbeitszimmer.

»Man wecke den Großkanzler,« sagte er, »und benachrichtige den Polizeiminister, den Oberkämmerer, daß ich sie erwarte – den Ersteren um vier, den Andern um fünf Uhr.«

»Soll Ihre Majestät die Kaiserin von Höchstdero Ankunft in Kenntniß gesetzt werden?« fragte der Thürsteher, dem dieser Befehl ertheilt wurde.

Napoleon sann einen Augenblick nach.

»Nein,« sagte er, »ich wünsche zuvor den Polizeiminister zu sprechen. Bis zu seiner Ankunft soll mich Niemand stören, ich will schlafen.«

Der Thürsteher entfernte sich und Napoleon blieb allein.

»Ein Viertel auf drei,« sagte er auf die Tischuhr blickend, »nur halb drei Uhr will ich aufmachen.«

Er warf sich in einen Lehnstuhl, ließ die linke Hand auf der Seitenlehne ruhen, steckte die rechte in die Weste, schloß die Augen, seufzte leise und schlief ein.

Napoleon besaß wie Cäsar die seltene Gabe, einzuschlafen wo er konnte und wann er wollte, und so lange zu schlummern, wie es seine Zeit erlaubte. Wenn er gesagt hatte: ich will eine Viertelstunde schlafen, so war er gemeiniglich schon wach, wenn der Adjutant, der Thürsteher oder Secretär, der ihn wecken sollte, zu der bestimmten Stunde erschien. Ein anderer seltener Vorzug war, daß er, ohne in einen Zwischenzustand zwischen Schlaf und Wachen zu treten, augenblicklich vollkommen wach war; sobald er seine Augen aufschlug, waren seine Gedanken so klar und bestimmt wie vor dem Entschlafen.

Kaum hatte sich daher die Thür hinter dem Palastdiener, der die drei Staatsmänner rufen sollte, geschlossen, so schlief Napoleon schon, und sonderbar! keine Spur der Leidenschaften, die an ihm nagten, war auf seinem Gesichte zu sehen.

Eine einzige Wachskerze brannte im Zimmer. Als der Kaiser den Wunsch geäußert, einige Minuten zu schlafen, hatte der Thürsteher die beiden Armleuchter fortgetragen, deren zu helles Licht den kurzen Schlummer Napoleons hätte stören können. Er hatte nur den Handleuchter, mit welchem er die Kerzen angezündet, da gelassen.

Das Zimmer war daher nur matt erhellt, und die Gegenstände hatten in diesem Halbdunkel ein phantastisches Aussehen. Ein solches Halbdunkel suchen die Traumgötter die den Schlummer stören, oder die Gespenster, welche die Reue wecken.

Ein solcher Traumgott schien dieses helle Dunkel oder diese dunkle Helle erwartet zu haben, denn kaum hatte Napoleon die Augen geschlossen, so hob sich der Tapetenvorhang, der eine kleine geheime Thür verbarg, und es erschien eine weiße Gestalt, die in ihrem leichten Gewande und mit ihren schwebenden geräuschlosen Bewegungen einer überirdischen Erscheinung glich.

Die weiße Gestalt verweilte einen Augenblick in der dunklen Thür, dann ging sie leise auf den Schläfer zu, streckte aus ihrem leichten Gewande die schöne weiße Hand hervor und legte sie auf die Rücklehne des Sessels, dicht neben das Haupt, das einem römischen Imperator anzugehören schien.

Dann betrachtete sie das schöne ruhige Antlitz eine Weile mit unaussprechlicher Zärtlichkeit, seufzte leise, legte die linke Hand auf ihr Herz, um die ungestümen Schläge desselben zu dämpfen, neigte sich langsam und den Athem anhaltend und berührte die Stirne des schlafenden Kaisers mehr mit ihrem Hauch als mit ihren Lippen. Bei dieser Berührung, wie leicht sie auch war, zuckten die Muskeln dieses Gesichtes, das bis dahin so unbeweglich gewesen war wie ein Wachsbild. Die weiße Gestalt wich schnell zurück.

Diese Bewegung war übrigens kaum bemerkbar und dauerte nur einen Augenblick. Das ruhige Antlitz; das durch diesen Hauch der Liebe leicht bewegt worden war, wie das spiegelglatte Wasser eines Sees durch die säuselnde Abendluft, nahm seine vorige Heiterkeit und Unbeweglichkeit wieder an; die Gestalt trat an den Schreibtisch, schrieb einige Worte auf ein Blatt Papier, wandte sich wieder zu dem Schläfer, schob das Papier in die Weste, dicht neben seine Hand, die fast eben so weiß und so zart war wie die ihrige und verschwand eben so geräuschlos wie sie gekommen war.

Einige Secunden nach dem Verschwinden dieser Erscheinung und als die Tischuhr eben halb drei schlagen wollte, erwachte der Kaiser und zog die Hand aus der Weste.

Die Uhr schlug. – Napoleon lächelte, wie Augustus gelächelt haben würde, als er sah, daß er sich im Schlafe wie im Wachen zu beherrschen wußte, und nahm ein Papier auf, das er aus der Weste gerissen und zu Boden geworfen hatte.

Auf dem Papiere bemerkte er einige geschriebene Worte und näherte sich dem Lichte; aber er hatte die Schriftzüge erkannt, bevor er sie entziffern konnte. Er seufzte und las:

»Du bist da. Ich habe Dich geküßt, das ist mir genug. Deine Dich über Alles Liebende.«

»Josephine!« sagte er gerührt, und sah sich um, als hätte er erwartet, sie im Hintergrunde des Zimmers erscheinen zu sehen. Aber er war allein.

In diesem Augenblicke ging die Thür auf, der Thürsteher trat mit den beiden Armleuchtern ein und meldete:

»Se. Excellenz der Herr Erzkanzler.«

Napoleon stand auf, lehnte sich an das Camin und wartete.

Hinter dem Thürsteher erschien die eben gemeldete hohe Person.

II.
Drei Staatsmänner

Regis de Cambacérès war damals ein Mann von sechsundvierzig bis siebenundvierzig Jahren, also vier bis fünf Jahre älter als Napoleon. Er war sanft und wohlwollend von Charakter und ein gelehrter Jurist. Er war anfangs Steuerrath gewesen und 1792 Mitglied des Convents geworden. Am 19. Jänner 1793 hatte er für den Aufschub der Hinrichtung des Königs gestimmt, und 1794 war er Präsident des Wohlfahrtsausschusses geworden. Im Jahre1795 hatte er das Portefeuille der Justiz erhalten; 1799 hatte ihn Bonaparte zum zweiten Consul gewählt, und endlich im Jahre 1804 war er zum Erzkanzler ernannt, zum Reichsfürsten erhoben und mit dem Titel eines Herzogs von Parma beschenkt worden.«

Cambacérès war von mittler Größe und zur Beleibtheit geneigt; dabei ein Feinschmecker, elegant, vornehm in Haltung und Benehmen. Er hatte sich die Hofmanieren mit ungemeiner Schnelligkeit und Leichtigkeit angeeignet und sich dadurch beidem großen Erneuerer des socialen Gebäudes sehr beliebt gemacht.

Ueberdies hatte er in den Augen Napoleons noch ein anderes Verdienst. Cambacérès hatte wohl eingesehen, daß der große Mann, dereinst sein vertrauter Freund gewesen und nun sein Monarch geworden war, Anspruch auf seine Ehrerbietung hatte. Ohne gerade unterwürfig zu seyn, ohne sich zum Schmeichler herabzuwürdigen, beobachtete er gegenüber dem Erwählten des Schicksals, der damals in ganz Europa gefürchtet wurde, die Haltung eines aufrichtigen Bewunderers.

Eine Viertelstunde hatte ihm genügt, um eine Toilette zu machen, die in einem Kreise von Hofleuten tadellos gewesen wäre, und obgleich mitten im Schlafe geweckt, erschien er um halb drei Uhr Früh eben so heiter und munter, als ob ihn der Kaiser um sieben Uhr Abends, nach dem Diner hätte rufen lassen.

Aber das Gesicht des Kaisers war keineswegs so freundlich wie das seinige. Der Erzkanzler, etwas betroffen, machte eine Bewegung, die einem Rückzuge nicht unähnlich war.

Napoleon, dessen Adlerblick, die größten und die kleinsten Dinge nicht entgingen, errieth die Ursache dieser plötzlichen Betroffenheit und sagte mit herzgewinnender Freundlichkeit:

»O, kommen Sie, kommen Sie, Herr Erzkanzler, Ihnen zürne ich nicht.«

»Und ich hoffe, daß Ew. Majestät mir nie zürnen werden,« antwortete Cambacérès, »denn Ihre Ungnade würde mich sehr unglücklich machen.«

Der Kammerdiener entfernte sieh, die Armleuchter zurücklassend.

»Constant,« sagte der Kaiser zu ihm, »schließen Sie die Thür, bleiben Sie im Vorzimmer und führen Sie die Person, die ich erwarte, in den grünen Salon.«

Dann wandte er sieh wieder zu Cambacérès und sagte tief aufathmend: »Ach! da bin ich wieder in Frankreich, inden Tuilerien! Wir sind allein, Herr Erzkanzler, und können ganz offen reden.«

»Sire,« sagte der Erzkanzler, »abgesehen von der Ehrerbietung, die meinen Worten Schranken setzt, spreche ich nie anders mit Ew. Majestät.«

 

Der Kaiser sah ihn scharf an.

»Sie mühen sich ab, Cambacérès; Andere suchen sich geltend zu machen und an dasselbe Tageslicht zu treten, Sie hingegen treten immer weiter in den Schatten. Das gefällt mir nicht. Bedenken Sie, daß Sie nach mir der erste Mann im Staate sind.«

»Ich weiß, daß Ew. Majestät mich nach Ihrer Güte und nicht nach meinen Verdiensten behandelt haben.«

»Sie irren sich, ich habe Sie nach Ihrem Werthe behandelt, und deshalb habe ich Ihnen die Einrichtung der Gesetzpflege übertragen. Aber das Criminalgesetzbuch wird nicht gefördert; ich hatte Ihnen gesagt, daß es im Jahre 1808 beendet werden sollte, und heute haben wir den 22. Jänner1809. Der gesetzgebende Körper ist während meiner Abwesenheit versammelt geblieben, aber das Gesetzbuch ist nicht fertig, und wird vielleicht noch nicht in drei Monaten beendet. «

»Erlauben mir Ew. Majestät, über diese Angelegenheit offen zu reden?« fragte der Erzkanzler.

»Das versteht sich, Cambacérès sagte der Kaiser.

»Sire, ich bemerke nicht mit Besorgniß – denn so,lange Ew. Majestät das Scepter oder Schwert halten, fürchte ich nichts – aber mit Bedauern, daß sich überall ein Geist der Unruhe und Zügellosigkeit zu zeigen beginnt . . .«

»Ich weiß es,s erwiederte Napoleon, »und bin hierher geeilt, um zugleich diesen Geist und die Oesterreicher zu bekämpfen.«

»Zum Beispiel der gesetzgebende Körper, Sire . . .«

»Der gesetzgebende Körper!« wiederholte Napoleon, die Achseln zuckend.

»Der gesetzgebende Körper,« fuhr Cambacérès fort, ohne sich irr machen zu lassen,« brachte früher nur eine schwache Opposition von zwölf bis fünfzehn Stimmen zusammen; jetzt bietet er uns die Spitze, zweimal waren bei der Abstimmung achtzig, und einmal hundert schwarze Kugeln . . .«

»Ich bebe die gesetzgebende Versammlung auf!«

»Nein, Sire, wählen Sie, wählen Sie einen Moment wo sie günstiger gestimmt ist. Aber Ew. Majestät müssen in Paris bleiben; wenn Sie hier sind, geht Alles gut.«

»Ich weiß es, aber leider kann ich nicht hier bleiben.«

»Das ist nicht gut.«

»Sie haben Recht, Cambacérès . . . Ich werde daran denken; wenn ich’s vergessen sollte, so erinnern Sie mich daran.«

»Ew. Majestät sagten, daß Sie nicht in Paris bleiben können . . .«

»Glauben Sie denn, ich sey in vier Tagen von Valladolid gekommen, um hier zu bleiben? Nein, in drei Monaten muß ich in Wien seyn.«

»O! Sire,« sagte Cambacérès mit einem Seufzer, »immer Krieg?«

»Diese Sprache hätte ich von Ihnen nicht erwartet, Cambacérès. . . mache ich denn den Krieg

»Sire, der Krieg in Spanien . . .«

»Ja, den vielleicht. Aber warum hatte ich ihn unternommen? weil ich des Friedens in Norden versichert zu seyn glaubte, Mit Rußland verbündet, mit Westphalen und Holland verbrüdert, mit Baiern befreundet, von Preußen, dessen Armee auf 40,000 Mann zusammengeschmolzen ist, nichts befürchtend, konnte ich ahnen, daß Oesterreich, dessen Adler nach dem Verlust Italiens nur noch einen Kopf hat, im Stande seyn werde, 500,000 Mann gegen mich zu bewaffnen? Es scheint wahrlich der Lethe, und nicht die Donau bei Wien zu fließen; denn man hat die frühern Erfahrungen vergessen, aber die neuen Erfahrungen, die man machen wird, sollen nicht so leicht vergessen werden, dafür stehe ich. Ich will den Krieg nicht, ich habe kein Interesse dabei, und Europa ist mein Zeuge, daß mein ganzes Streben, meine ganze Aufmerksamkeit auf das von den Engländern gewählte Schlachtfeld, nemlich auf Spanien, gerichtet war. Oesterreich, das die Engländer schon einmal im Jahre1805 rettete,. als ich über die Meerenge von Calais gehen wollte, rettet sie wieder, indem es mich in dem Augenblick aufhält,wo ich im Begriffe war, sie ins Meer zu werfen. Ich weiß wohl, daß sie an einem andern Orte wieder zum Vorscheinkommen, wenn sie verschwinden; aber England ist nicht wie Frankreich, eine kriegerische Nation, es ist ein Handelsvolk – Karthago ohne Hannibal. Ich würde es endlich geschwächt oder zur Herbeiziehung seiner Truppen aus Indien gezwungen haben, und wenn nur der Kaiser Alexander Wort hält, o! dann soll Oesterreich diese Seitenwendung theuer bezahlen! Es muß entweder auf der Stelle seine Truppen entlassen, oder einen Vernichtungskrieg gewärtigen. Wenn es mich über seine künftigen Absichten beruhigt, so stecke ich selbst das Schwert in die Scheide; denn freiwillig ziehe ich es nur in Spanien, und gegen die Engländer. Wenn nicht, so lasse ich 400,000 Mann gegen Wien rücken, und in Zukunft wird England keine Bundesgenossen mehr auf dem Continent haben.«

»400,000 Mann?« fragte Cambacérès.

»Sie möchten gern wissen, wo sie sind, nicht wahr?«

»Ja, Sire, ich sehe kaum 100,000 über die Sie jetzt verfügen könnten.«

»So! man fängt an, meine Soldaten zu zählen, und Sie, Herr Erzkanzler, sind der erste Zweifler!«

»Sire! . . .«

»Man sagt, es sind nur 200,000, nur 150,000, nur 1000 Mann da. Der Feldherr wird schwach, er hat nur noch zwei Armeen; jetzt ist der günstige Zeitpunkt, den wir benützen müssen . . . Die Leute irren sich.« – Napoleon berührte die Stirne mit der Hand, »hier ist meine Kraft,« er streckte beide Arme aus, – »und dies sind meine Kriegsheere . . . Sie wollen wissen, wie ich 400,000 Mann zusammen bringen werde? Ich will’s Ihnen sagen. . . nicht um Ihretwillen, Cambacérès, Sie vertrauen vielleicht noch meinem Glücksstern, ich will’s Ihnen sagen, damit Sie es Anderen wieder sagen. Meine Rheinarmee besteht aus einundzwanzig Infanterieregimentern von je vier Bataillonen; sie sollten je fünf Bataillone stark seyn, aber eine Täuschung wäre hier nicht am rechten Ort. Es sind also 84 Bataillone, das ist 70,000 Mann Infanterie. Außerdem habe ich meine drei Divisionen St. Cyre, Legrand, Bouvet; diese sind nur drei Bataillone oder 30,000 Mann stark. Es sind also 100,000 ohne die 5000 Mann der Division Dupas. Ich habe vierzehn Regimenter Kürassiere, welche 12,000 Reiter in ihren Reihen zählen, und sich mit den in den Depots befindlichen auf 14,000 bringen lassen. Ich habe 17,000Mann leichte Infanterie; außerdem kann ich aus dem Süden leicht 5 bis 6000 Dragoner kommen lassen. Wir haben also schon 100,000 Mann Infanterie und mehr als 30,000 Reiter.«

»Sire, das macht zusammen erst 130,000 Mann, Ew. Majestät sagten 400,000.«

»Warten Sie nur, dazu kommen 20,000 Mann Artillerie, 20,000 Mann Garde, 100,000 Deutsche.«

»Alles dies, Sire, macht erst 270,000 Mann«

»50.000 nehme ich von meiner italienischen Armee, sie marschiren durch Steiermark und vereinigen sich in Baiern mit mir. Rechnen Sie dazu 10,000 Italiener und 10,000 Franzosen, die ich aus Dalmatien herbeiziehe und wir haben70,000 Mann mehr.«

»Zusammen also 340,000 Mann«

»New Geduld, Sie werden sehen, daß wir mehr zusammen bringen, als wir brauchen.«

»Ich weiß nicht, Sire, woher Sie die übrigen nehmen werden.«

»Sie vergessen meine Conscribirten, Herr Erzkanzler; Sie vergessen, daß Ihr Senat im September vorigen Jahres zwei Aushebungen bewilligt hat.«

»Ja wohl, Sire: die eine von 1809 ist schon unter den Waffen, und die von 1810 darf nach dem Gesetz im ersten Jahre nur im Innern des Landes dienen.«

»Ganz recht, aber glauben Sie, daß 80,000 Mann für 115 Departements genügen? Nein, ich bringe die Aufhebung auf 100,000, und lasse je 20,000 aus den Classen von 1809, 1808, 1807 und 1806 einberufen: das macht 20,000 Mann von 20 bis 23 Jahren, während die von 1810 erst 18 Jahre alt sind, und ich habe Zeit, diese heranwachsen zu lassen.«

»Sire, die 115 Departements liefern jährlich nur 337,000 Mann im dienstfähigen Alters 100,000 Mann wären mehr als der vierte Theil dieses Contingents, und es gibt keine Bevölkerung, die nicht bald zu Grunde geht, wenn man ihr jedes Jahr den vierten Theil der jungen Männer nimmt . . .«

»Wer sagt Ihnen denn, daß man sie ihr jedes Jahr nehmen wird? Ich nehme sie von vier Jahren, und befreie die früheren Classen; einmal ist nicht immer. Diese 80,000 Mann lasse ich durch meine Garde einüben und ausbilden; sie versteht sich darauf, es ist für sie eine Arbeit von drei Monaten. Im April werde ich mit 400,000 Mann an der Donau stehen, dann wird Oesterreich wie heute meine Legionen zählen, und wenn es mich zwingt loszuschlagen, so wird Europa erschrecken vor den Streichen, die ich führen werde.«

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