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Zwanzig Jahre nachher

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»Ah, ich las ihn doch vorhin erst. Sollte ich ihn verloren haben? Ei, verdammt! meine Tasche hat ein Loch.«

»Oh! ja, Herr Raoul,« sagte Mousqueton, »und der Brief war sogar sehr tröstlich. Diese Herren haben ihn mir vorgelesen, und ich weinte darüber vor Freude.«

»Aber Ihr wißt doch wenigstens, wo er ist, Herr d’Artagnan?« fragte Raoul halb erheitert.

»Oh! bei Gott, gewiß weiß ich es. Aber es ist ein Geheimniß.«

»Hoffentlich nicht für mich.«

»Nein, nicht für Euch. Ich will Euch auch sagen, wo er ist.«

Porthos schaute d’Artagnan mit seinen großen, erstaunten Augen an.

»Wo Teufels soll ich sagen, daß er ist, damit er nicht das Gelüste bekommt, ihn aufsuchen zu wollen?« murmelte d’Artagnan.

»Nun, wo ist er denn, mein Herr?« fragte Raoul mit seiner sanften, schmeichelnden Stimme.

»Er ist in Constantinopel.«

»Bei den Türken!« rief Raoul erschrocken. »Guter Gott, was sagt Ihr mir da?«

»Nun, macht Euch das bange?« sprach d’Artagnan. »Bah! was sind die Türken für Männer wie den Grafen de la Fère und den Abbé d’Herblay!«

»Ah, sein Freund ist bei ihm,« sagte Raoul, »das beruhigt mich ein wenig.«

»Wie viel Geist hat er doch, dieser Teufel von einem d’Artagnan,« sprach Porthos, ganz erstaunt über die List seines Freundes.

Es drängte d’Artagnan, den Gegenstand des Gespräches zu verändern, und er sagte daher zu Raoul:

»Hier sind fünfzig Pistolen, die Euch der Herr Graf durch denselben Courier geschickt hat. Ich setze voraus, daß Ihr kein Geld habt und daß sie Euch willkommen sein werden.«

»Ich habe noch zwanzig Pistolen, mein Herr.«

»Und wenn Ihr mehr wollt,« versetzte Porthos, die Hand an seine Tasche legend…«

»Ich danke,« erwiderte Raoul erröthend, »tausend Dank, mein Herr.«

In diesem Augenblick erschien Olivain am Horizont.

»Ei, sagt mir doch,« sprach d’Artagnan, so daß es der Lackei hörte, »seid Ihr mit Olivain zufrieden?«

»Ja, ziemlich wohl.«

Olivain stellte sich, als hätte er nichts gehört, und trat in das Zelt.

»Was habt Ihr diesem Burschen vorzuwerfen?«

»Er ist ein Fresser,« sagte Raoul.

»Oh, gnädiger Herr!« rief Olivain.

»Er ist ein wenig Dieb.«

»Oh, gnädiger Herr, oh!«

»Und besonders ein feiger Prahler!«

»Oh! oh! oh! gnädiger Herr, Ihr entehrt mich,« sprach Olivain.

»Pest!« rief d’Artagnan, »erfahrt, Meister Olivain, daß Leute, wie wir, sich nicht durch Feige bedienen lassen. Befiehlt Euern Herrn, eßt sein Zuckerwerk und trinkt seinen Wein; aber bei Gottes Zorn seid kein Feiger, oder ich schneide Euch die Ohren ab. Schaut Herrn Mouston an, sagt ihm, er solle Euch seine ehrenvollen Wunden zeigen, und seht, welche Würde seine Tapferkeit seinem Gesichte verliehen hat.«

Mousqueton war in dem dritten Himmel und würde d’Artagnan umarmt haben, wenn er es gewagt hätte. Mittlerweile schwur er in seinem Innern, sich für ihn tödten zu lassen, wenn sich je Gelegenheit zeigen würde.

»Schickt diesen Burschen weg, Raoul,« sagte d’Artagnan;«denn wenn er ein Feiger ist, wird er sich eines Tags entehren.«

»Mein Herr nennt mich feig,« rief Olivain, »weil er sich mit einem Cornet des Regimentes Grammont schlagen wollte, und ich mich weigerte, ihn zu begleiten.«

»Herr Olivain, ein Lackei darf nie ungehorsam sein,« sprach d’Artagnan mit strengem Tone.

Dann zog er ihn in einen Winkel und sagte zu ihm: »Du Hast wohl daran gethan, wenn Dein Herr Unrecht hatte, und hier ist ein Thaler für Dich. Ist er aber je beleidigt worden, und Du läßt Dich nicht neben ihm viertheilen, so schneide ich Dir die Zunge aus und fege Dir das Gesicht damit. Behalte dies wohl.«

Olivain verbeugte sich und steckte den Thaler in die Tasche.

»Und nun, Freund Raoul,« sprach d’Artagnan, »reifen wir, Herr Du Vallon und ich, als Botschafter ab. Ich kann Euch nicht sagen, zu welchem Ziele, denn ich weiß es selbst nicht; aber wenn Ihr etwas braucht, so schreibt an Madame Turquaine zur Rehziege, Rue Tiquetonne, und zieht auf diese Casse, wie auf die eines Banquier, jedoch mit etwas Schonung, denn ich sage Euch zum Voraus, daß sie nicht so gut gespickt ist, wie die von Herrn d’Emery.«

Nachdem er seinen Interimsmündel umhalst hatte, übergab er ihn den kräftigen Armen von Porthos, die ihn von der Erde emporhoben und einen Augenblick an das edle Herz des furchtbaren Riesen gedrückt hielten.

»Nun vorwärts,« sprach d’Artagnan.

Und sie schlugen den Weg nach Boulogne ein, wo sie gegen Abend auf Pferden, bedeckt mit Schweiß und weißem Schaum, ankamen.

Zehn Schritte von dem Orte, wo sie Halt machten, ehe sie in die Stadt einritten, war ein schwarz gekleideter, junger Mann, der Jemand zu erwarten schien und von dem Momente, wo er sie erblickt hatte, die Augen unablässig aus sie geheftet hielt.

D’Artagnan näherte sich ihm und sagte, als er sah, daß er das Auge nicht von ihm abwandte:

»He, Freund, ich liebe es nicht, daß man mich mißt.«

»Mein Herr,« sprach der junge Mann, ohne auf den Ruf von d’Artagnan zu antworten, »kommt Ihr nicht vielleicht von Paris?«

D’Artagnan dachte, es wäre ein Neugieriger, der Nachrichten von der Hauptstadt zu haben wünschte, und erwiderte mit sanfterem Tone:

»Ja, mein Herr.«

»Sollt Ihr nicht im Wappen von England wohnen?«

»Ja, mein Herr.«

»Seid Ihr nicht mit einer Sendung von Seiner Eminenz, dem Herrn Cardinal von Mazarin, beauftragt?«

»Ja, mein Herr.«

»Dann habt Ihr mit mir zu thun,« sprach der junge Mann; »ich bin Herr Mordaunt.«

»Ah!« sagte d’Artagnan ganz leise, »derjenige, von welchem mir Athos sagt, ich solle ihm mißtrauen.«

»Ah!« murmelte Porthos, »derjenige, von welchem Aramis schreibt, ich solle ihn erdrosseln.«

Beide schauten den jungen Mann aufmerksam an.

Dieser täuschte sich in dem Ausdrucke ihres Blickes.

»Solltet Ihr an meinem Worte zweifeln?« sagte er; »ich bin in diesem Falle bereit, Euch jeden Beweis zu liefern.«

»Nein, mein Herr,« antwortete d’Artagnan, »wir sind zu Euerer Verfügung.«

»Wohl, meine Herren.« sprach Mordaunt, »wir werden ungesäumt abreisen. Es ist heute der letzte Tag der Frist, die der Herr Cardinal von mir gefordert hatte. Mein Schiff ist bereit, und wenn Ihr nicht gekommen wäret, so würde ich ohne Euch abgegangen sein, denn der General Oliver Cromwell muß meine Rückkehr mit Ungeduld erwarten.«

»Ah, ah,« sagte d’Artagnan, »wir sind also an den General Oliver Cromwell abgesandt?«

»Habt Ihr keinen Brief für ihn?« fragte der junge Mann.

»Ich habe einen Brief, dessen doppelten Umschlag ich erst in London erbrechen sollte. Da Ihr mir aber sagt, an wen er adressiert ist, so halte ich es für unnöthig, bis dort zu warten.«

D’Artagnan zerriß den Umschlag des Briefes.

Er war in der That adressiert:

»An Herrn Oliver Cromwell, General der Truppen der englischen Nation.«

»Ah!« murmelte d’Artagnan, »ein sonderbarer Auftrag.«

»Wer ist dieser Oliver Cromwell?« fragte Porthos leise.

»Ein ehemaliger Bierbrauer,« antwortete d’Artagnan.

»Will etwa Mazarin eine Spekulation mit Bier machen, wie wir eine mit Stroh gemacht haben?« fragte Porthos.

»Vorwärts, meine Herren,« sprach Mordaunt ungeduldig, »gehen wir.«

»Oh, oh!« rief Porthos, »ohne Abendbrod? kann Herr Cromwell nicht ein wenig warten?«

»Ja, aber ich…« versetzte Mordaunt.

»Nun, Ihr?…« sagte Porthos.

»Ich habe Eile.«

»Oh, wenn es Euretwegen geschehen soll!« rief Porthos, »das geht mich nichts an, und ich werde mit Euerer Erlaubniß oder ohne dieselbe zu Nacht speisen.«

Der schwankende Blick des jungen Mannes entflammte sich und schien bereit, einen Blitz zu schleudern, aber er bezähmte sich.

»Mein Herr,« sprach d’Artagnan, »man muß hungrige Reisende entschuldigen. Ueberdies wird Euch unser Abendbrod nicht lange aufhalten, wir reiten rasch bis zu dem Gasthause. Geht zu Fuße nach dem Hafen, wir essen einen Bissen, und sind beinahe zu gleicher Zeit mit Euch dort.«

»Wie es Euch gefällt, meine Herren, wenn wir nur reisen,« versetzte Mordaunt.

»Das ist ein Glück,« murmelte Porthos.

»Der Name des Schiffes?« fragte d’Artagnan.

»Der Standard.«

»Gut, in einer halben Stunde sind wir am Bord.

Und Beide gaben ihren Pferden die Sporen und eilten nach dem Gasthofe zum »Wappen von England.«

»Was sagt Ihr zu diesem jungen Menschen?« fragte d’Artagnan während des scharfen Rittes.

»Ich sage, daß er mir nicht im Geringsten behagt,« erwiderte Porthos, »und daß ich das größte Gelüste in mir spürte, den Rath von Aramis zu befolgen.«

»Davor hütet Euch wohl, mein lieber Porthos; dieser Mensch ist ein Abgesandter des General Cromwell, und ich glaube, wir würden uns einen erbärmlichen Empfang bereiten, wenn wir dem General meldeten, wir hätten seinem Vertrauten den Hals umgedreht.«

»Gleichviel,« versetzte Porthos, »ich habe immer wahrgenommen, daß Aramis ein Mann von gutem Rathe ist.«

»Hört,« sprach d’Artagnan, »wenn unsere Botschaft beendigt ist…«

»Hernach?«

»Wenn er uns nach Frankreich zurückführt…«

»Nun?«

»Nun, wir werden sehen.«

Die zwei Freunde gelangten hiernach zu dem Gasthofe zum Wappen von England, wo sie mit großem Appetit zu Nacht speisten, und begaben sich dann ungesäumt nach dem Hafen.

Eine Brigg war bereit, unter Segel zu gehen, und auf dem Verdecke dieser Brigg erkannten sie Mordaunt, welcher ungeduldig auf und ab ging.

»Es ist unglaublich,« sprach d’Artagnan, während sie die Barke an Bord des Standard führte, »es ist erstaunlich, wie sehr dieser junge Mann irgend Jemand gleicht, den ich gekannt habe, doch ich vermag nicht zu sagen, wem.«

Sie gelangten zu der Treppe und waren einen Augenblick nachher eingeschifft.

Aber das Einschiffen der Pferde dauerte etwas länger, als das der Menschen, und die Brigg konnte erst um acht Uhr Abends die Anker lichten.

 

Der junge Mann zitterte vor Ungeduld und befahl, die Masten mit Segeln zu bedecken.

Kreuzlahm von drei schlaflosen Nächten und einem ununterbrochenen Ritte von siebzig Lieues zog sich Porthos in die Kajüte zurück und schlief.

D’Artagnan überwand seinen Widerwillen gegen Mordaunt, ging mit ihm auf dem Verdecke auf und ab und gab hundert Geschichten zum Besten, um ihn zum Sprechen zu bringen.

– Mousqueton hatte die Seekrankheit.

XVIII
Der Schotte, treulos gegen Eid und Ehr, Gibt seinen König um einen Pfennig her

Und nun müssen unsere Leser den Standard ruhig, nicht gegen London, wohin d’Artagnan und Porthos zu gehen glaubten, sondern gegen Durham schwimmen lassen, wohin Briefe, welche Mordaunt während seines Aufenthaltes in Boulogne erhielt, diesen beschieden hatten, und uns in das royalistische Lager an der Tyne, unweit von der Stadt Newcastle, folgen.

Hier, zwischen zwei Flüssen, an der Grenze von Schottland, aber auf englischem Boden, breiten sich die Zelte eines kleinen Heeres aus. Es ist Mitternacht. Männer, die man an ihren nackten Beinen, an ihren kurzen Röcken, an ihren buntscheckigen Plaids und an der Feder, welche ihre Mütze ziert, als Hochländer erkennt, halten nachlässig Wache. Der Mond beleuchtet, durch dicke Wolken gleitend, bei jedem Zwischenräume, den er auf seinem Wege findet, die Musketen der Schildwachen und hebt kräftig die Mauern, Dächer und Thürme der Stadt hervor, die Karl I. den Truppen des Parlaments übergeben hat, gerade wie Oxford und Newors, welche Städte, in der Hoffnung auf einen Vergleich, noch an ihm hielten.

An einem der Enden, dieses Lagers, bei einem Ungeheuern Zelte, das voll von Officieren ist, die unter dem Vorsitze des alten Grafen von Lewen, ihres Anführers, berathschlagen, schläft ein Mensch in Reitertracht auf dem Rasen, die Hand an sein Schwert gelegt.

Fünfzig Schritte von da plaudert ein anderer Mensch, ebenfalls in Reitertracht, mit einer schottischen Wache, und obgleich ein Fremder, scheint er doch hinreichend an die englische Sprache gewöhnt, um die Antworten zu verstehen, die ihm der Andere im Patois der Grafschaft Perth gibt.

Als es ein Uhr des Morgens in der Stadt Newcastle schlug, erwachte der Schläfer, und nachdem er alle Geberden eines Menschen gemacht hatte, der die Augen nach tiefem Schlafe öffnet, schaute er aufmerksam um sich her, stand auf, da er sich allein sah, machte einen Umweg und ging an dem Reiter vorbei, der mit der Schildwache plauderte. Dieser hatte ohne Zweifel feine Fragen beendigt, denn nach einem Augenblick nahm er Abschied von der Wache und schlug, als ob es absichtslos geschehen wurde, denselben Weg ein, den wir den ersten Reiter haben gehen sehen.

Im Schatten eines an der Straße aufgeschlagenen Zeltes erwartete ihn der Andere.

»Nun, mein lieber Freund?« sagte er im reinsten Französisch, das je von Rouen bis Tours gesprochen worden ist.

»Mein Freund, es ist keine Zeit zu verlieren, man muß den König benachrichtigen.«

»Was geht denn vor?«

»Es wäre zu lang, um es Euch zu sagen. Überdies werdet Ihr es sogleich hören. Hier gesprochen, kann das geringste Wort Alles verderben. Wir wollen Mylord von Winter aufsuchen.«

Und Beide wanderten nach dem entgegengesetzten Ende des Lagers. Da aber das Lager nicht mehr als eine Oberfläche von fünfhundert Quadratschritten bedeckte, so waren sie bald bei dem Zelte desjenigen, welchen sie suchten, angelangt.

»Schläft Euer Herr, Tomy?« fragte in englischer Sprache einer von den zwei Reitern den Diener, der in einer als Vorzimmer benützten ersten Abtheilung des Zeltes lag.

»Nein, Herr Graf,« antwortete der Lackei, »ich glaube nicht, es müßte denn erst seit ganz kurzer Zeit der Fall sein, denn er ist mehr als zwei Stunden, nachdem er den König verlassen, umhergegangen, und das Geräusch seiner Tritte hat vor kaum zehn Minuten aufgehört; übrigens könnt Ihr selbst sehen,« fügte er, den Vorhang aufhebend, bei.

Von Winter saß wirklich vor einer wie ein Fenster angebrachten Oeffnung, welche die Nachtluft eindringen ließ, und folgte schwermüthig mit den Augen dem, wie wir so eben sagten, unter schweren, schwarzen Wolken hineinziehenden Monde.

Die zwei Freunde näherten sich dem Lord, der den Kopf auf seine Hand gestützt den Himmel anschaute; er hörte sie nicht kommen und verharrte in derselben Haltung bis zu dem Augenblicke, wo er fühlte, daß eine Hand auf seine Schulter gelegt wurde.

Dann wandte er sich. um, erkannte Athos und Aramis und reichte ihnen die Hand.

»Habt Ihr bemerkt,« sagte er zu ihnen, »wie der Mond diesen Abend blutfarbig ist?«

»Nein,« erwiderte Athos, »er kam mir wie gewöhnlich vor.«

»Schaut ihn an,« versetzte Lord Winter.

»Ich gestehe Euch,« antwortete Aramis, »es geht mir wie dem Grafen de la Fère, ich sehe nichts Besonderes daran.«

»Graf,« sprach Athos, »in einer so precären Lage, wie die unsere ist, muß man die Erde prüfend betrachten, und nicht den Himmel. Habt Ihr unsere Schottländer beobachtet und seid Ihr derselben sicher?«

»Die Schottländer?« fragte Lord Winter; »welche Schottländer?«

»Die unseren, bei Gott! diejenigen, welchen der König sich anvertraut hat. Die Schotten des Grafen von Lewen.«

»Nein,« erwiderte von Winter, und er fügte dann bei: »Sagt mir, Ihr seht also nicht, wie ich, die röthliche Tinte, welche den Himmel bedeckt?«

»Ganz und gar nicht,« antworteten gleichzeitig Athos und Aramis.

»Sagt mir,« fuhr der Lord, stets mit demselben Gedanken beschäftigt, fort, »ist es nicht eine Sage in Frankreich, daß am Vorabend des Tages, an welchem er ermordet wurde, Heinrich IV., der mit Herrn von Bassompierre Schach spielte, Blutflecken auf dem Schachbrette sah?«

»Ja.« Mach Athos, »der Marschall hat es mir oftmals selbst erzählt.«

»So ist es,« murmelte von Winter, »und am andern Tage wurde Heinrich IV. ermordet.

»Aber in welchem Zusammenhang steht diese Vision von Heinrich IV. mit uns, Graf?« fragte Aramis.

»In keinem, meine Herren, und ich bin in der That ein Thor, daß ich Euch mit solchen Dingen unterhalte, während Euere Erscheinung in meinem Zelte zu dieser Stunde mir ankündigt, daß Ihr irgend eine wichtige Neuigkeit zu überbringen habt.«

»Ja, Mylord,« versetzte Athos, »ich wünschte den König zu sprechen.«

»Den König? Er schläft.«

»Ich habe ihm Dinge von großem Belang mitzuteilen.«

»Läßt sich die Sache nicht auf morgen verschieben?«

»Er muß es sogleich erfahren, und vielleicht ist es bereits zu spät«

»Gehen wir hinein, meine Herren.«

Das Zelt von Lord Winter war neben dem königlichen; eine Art von Corridor führte von dem-einen in das andere. Dieser Corridor wurde nicht von einem Soldaten, sondern von einem vertrauten Diener von Karl I. bewacht.

»Diese Herren gehören zu mir,« sprach der Lord.

Der Lackei verbeugte sich und ließ sie vorübergehen.

Auf einem Feldbette liegend, ein schwarzes Wamms auf dem Leibe, seine langen Stiefeln an den Beinen, den Gürtel los, den Hut neben sich, war König Karl wirklich, einem unwiderstehlichen Bedürfniß nachgebend, eingeschlafen. Die drei Männer schritten vorwärts, Athos, welcher vorausging, betrachtete einen Augenblick stillschweigend das edle, so bleiche Antlitz, umrahmt von langen schwarzen Haaren, welche der Schweiß eines unruhigen Schlummers an seine Schläfe klebte, und marmorartig durchzogen von dicken blauen Adern, die unter seinen müden Augen von Thränen aufgeschwollen zu sein schienen.

Athos stieß einen tiefen Seufzer aus; dieser Seufzer erweckte den König, einen so leichten Schlaf schlief er.

Er schlug die Augen auf.

»Ah!« sagte er, sich auf den Ellenbogen erhebend,

»Ihr seid es, Graf de la Fère?«

»Ja, Sire,« antwortete Athos.

»Ihr wacht, während ich schlafe, und Ihr bringt mir irgend eine Neuigkeit?«

»Ach! Sire,« erwiderte Athos, »Euere Majestät hat richtig errathen.«

»Dann ist die Nachricht schlecht,« sprach der König schwermüthig lächelnd.

»Ja, Sire.«

»Gleichviel, der Bote ist willkommen, und Ihr könnt nicht bei mir erscheinen, ohne mir stets Vergnügen zu machen, Ihr, dessen Ergebenheit weder Vaterland, noch Unglück kennt, Ihr, der Ihr mir von Henriette geschickt seid … was auch die Nachricht sein mag, die Ihr mir überbringt, sprecht unumwunden.«

»Sire, Herr Cromwell ist in dieser Nacht in Newcastle eingetroffen.«

Ah!« rief der König, »um mich zu bekämpfen.«

»Nein, um Euch zu kaufen.«

»Was sagt Ihr?«

»Ich sage, daß man dem schottischen Heere viermal hunderttausend Pfund Sterling schuldig ist.«

»An rückständigem Solde, ja. ich weiß es. Seit beinahe einem Jahre schlagen sich meine braven und getreuen Schotten für die Ehre.«

Athos lächelte.

»Wohl, Sire, obgleich die Ehre etwas Schönes ist, so sind sie doch müde geworden, sich für dieselbe zu schlagen, und haben Euch in dieser Nacht für zweimal hunderttausend Pfund Sterling verkauft, das heißt für die Hälfte von dem, was man ihnen schuldig war.«

»Unmöglich!« rief der König; »die Schotten verkaufen ihren König nicht um zweimal hunderttausend Pfund Sterling!«

»Die Juden haben ihren Gott um dreißig Silberlinge verkauft.«

»Und wer ist der Judas, der diesen schändlichen Handel gemacht hat?«

»Der Graf von Lewen.«

»Wißt Ihr es gewiß?«

»Ich habe es mit meinen eigenen Ohren gehört.«

Der König Hieß einen tiefen Seufzer aus, als ob sein Herz brechen wollte, und ließ sein Haupt in seine Hände fallen.

»Ah! die Schotten!« rief er, »die Schotten, die ich meine Treuen nannte! die Schotten, denen ich mich anvertraute, während ich nach Oxford fliehen konnte! die Schotten, meine Landsleute! die Schotten, meine Brüder! Seid Ihr Euerer Sache auch gewiß, mein Herr?«

»Hinter dem Zelte des Grafen von Lewen, dessen Leinwand ich aufhob, scheinbar im Schlafe liegend, habe ich Alles gesehen, Alles gehört.«

»Und wann soll dieser abscheuliche Handel vollzogen werden?«

»Heute, diesen Morgen. Es ist daher, wie Euere Majestät sieht, keine Zeit zu verlieren.«

»Warum handeln, da Ihr sagt, ich sei verkauft?«

»Um über die Tyne zu setzen, um Schottland zu erreichen, um zu Lord Montrose zu gelangen, der Euch nicht verkaufen wird.«

»Und was soll ich in Schottland thun? Einen Parteigängerkrieg anfangen? Ein solcher Krieg ist eines Königs unwürdig.«

»Das Beispiel von Robert Bruce spricht Euch frei, Sire.«

»Nein! nein! ich kämpfe schon zu lange; haben sie mich verkauft, so mögen sie mich ausliefern, und die ewige Schmach ihres Verrathes falle auf sie zurück.«

»Sire,« sprach Athos, »vielleicht soll ein König so handeln, nicht aber ein Gatte und Vater. Ich bin im Namen Euerer Gemahlin und Euerer Tochter gekommen, und im Namen Euerer Gemahlin und Euerer Tochter und der zwei anderen Kinder, welche Ihr noch in London hat, sage ich Euch: Lebt, Sire, Gott will es.«

Der König stand auf, zog seinen Gürtel fest, schnallte seinen Degen um und trocknete mit einem Taschentuche seine von Schweiß befeuchtete Stirne ab.

»Nun,« sagte er, »was ist zu thun?«

»Sire, habt Ihr beim ganzen Heere ein Regiment, auf das Ihr Euch verlassen könnt?«

»Winter, baut Ihr auf die Treue des Eurigen?« fragte der König.

»Sire, es sind nur Menschen, und die Menschen sind sehr schwach oder sehr bösartig geworden. Ich glaube an ihre Treue, aber ich stehe nicht dafür; ich würde ihnen mein Leben anvertrauen, aber ich zögere, ihnen das Euerer Majestät anzuvertrauen.«

»Wohl!« sprach Athos, »in Ermangelung eines Regiments sind wir drei ergebene Männer, und das genügt. Euere Majestät steige zu Pferde, begebe sich in unsere Mitte, wir setzen über die Tyne, erreichen Schottland und sind gerettet.«

»Ist das auch Euere Meinung, Winter?« fragte der König.

»Ja, Sire.«

»Und die Euerige, Herr d’Herblay?«

»Ja, Sire.«

»Es geschehe also, wie Ihr wollt. Gebt Befehl, Winter.«

Der Lord entfernte sich; der König kleidete sich mittlerweile vollends an. Die ersten Strahlen, des Tages begannen durch die Oeffnungen des Zeltes zu dringen, als Lord Winter zurückkehrte.

»Alles ist bereit,« meldete er.

»Und wir?« fragte Athos.

»Grimaud und Blaisois harren Euerer mit den gesattelten Pferden.«

»Dann wollen wir keinen Augenblick verlieren,« sprach Athos.

»Laßt uns gehen,« versetzte der König.

»Sire,« sagte Aramis, »benachrichtigt Euere Majestät nicht ihre Freunde?«

»Meine Freunde!« erwiderte Karl I. traurig den Kopf schüttelnd, »ich habe noch Euch drei … einen Freund von zwanzig Jahren, der mich nie vergessen hat, zwei Freunde von acht Tagen, die ich nie vergessen werde. Kommt, meine Herren, kommt.«

 

Der König verließ das Zelt und fand sein Pferd wirklich bereit. Es war ein isabellfarbiges Roß, das er seit drei Jahren ritt und ungemein liebte.

Das Thier wieherte vor Vergnügen, als es ihn sah.

»Ah!« sprach der König, »ich war ungerecht: hier ist, wenn auch nicht ein Freund, doch ein Wesen, das mich liebt. Du wirst mir treu sein, nicht wahr Arthus?«

Und als hätte das Pferd diese Worte verstanden, näherte er seine rauchenden Nüstern dem Gesichte des Königs, hob seine Lippen auf und zeigte voll Freude feine weißen Zähne.

»Ja, ja,« sprach der König, das schöne Thier mit der Hand streichelnd; »ja, es ist gut, Arthus, ich bin zufrieden mit dir.«

Und mit der Behendigkeit, die aus dem König einen der besten Reiter Europa’s machte, schwang sich Karl in den Sattel und sagte, sich gegen Athos, Aramis und den Grafen von Winter umdrehend:

»Nun, meine Herren, ich erwarte Euch.«

Aber Athos blieb unbeweglich, seine Hand und seine Augen nach einer schwarzen Linie gerichtet, welche dem Tyneflusse folgte und sich doppelt so lang als das Lager ausstreckte.

»Was für eine Linie ist dies?« sprach Athos, dem die letzte Dunkelheit der Nacht, kämpfend mit den ersten Strahlen des Tages, nicht gut zu unterscheiden gestattete. »Was bedeutet diese Linie? Ich habe sie gestern nicht gesehen.«

»Ohne Zweifel ist es der Nebel, der vom Flusse aufsteigt,« erwiderte der König.

»Sire, es ist etwas Gedrängteres, als ein Dunst.«

»In der That, es gleicht einer röthlichen Barriere,« versetzte Winter.

»Es ist der Feind, der von Newcastle aufzieht und uns umschließt,« rief Athos.

»Der Feind!« sprach der König.

»Ja, der Feind. Es ist zu spät. Schaut! dort unter jenem Sonnenstrahls auf der Seite der Stadt, seht Ihr die eisernen Rippen glänzen?«

So nannte man die Kürassiere, aus welchen Cromwell seine Leibwachen gemacht hatte.

»Ah!« sprach der König, »wir werden erfahren, ob es wahr ist, daß mich die Schotten verrathen.«

»Was wollt Ihr thun, Sire?« rief Athos.

»Ihnen Befehl zum Angriff geben und diese elenden Rebellen mit ihnen niedermachen.«

Und der König gab seinem Pferde die Sporen und jagte auf das Zelt des Grafen von Lewen zu.

»Folgen wir ihm,« sprach Athos.

»Vorwärts!« rief Aramis.

Sollte der König verwundet sein?« fragte der Graf von Winter. »Ich sehe Blutflecken auf dem Boden.« Und er sprengte den zwei Freunden nach. Athos hielt ihn zurück.

»Sammelt Euer Regiment,« sagte er; »ich sehe, daß wir desselben sogleich bedürfen werden.«

Der Lord wandte sein Pferd um, und die zwei Freunde setzten ihren Weg fort. In zwei Sekunden hatte der König das Zelt des Grafen von Lewen, des Obergenerals der schottischen Armee, erreicht. Er sprang zu Boden und trat ein.

Der General befand sich mitten unter den vornehmsten Häuptlingen.

»Der König!« riefen sie ausstehend und sich anschauend.

Karl stand wirklich vor ihnen, den Hut auf dem Kopfe, die Stirne gefaltet und mit seiner Reitpeitsche an seine Stiefeln klopfend.

»Ja,« sprach er, »der König, der Rechenschaft von Euch über das fordert, was vorgeht.«

»Was geht denn vor, Sire?« fragte der Graf von Lewen.

»Meine Herren,« sprach der König, der sich vom Zorn fortreißen ließ, »der General Cromwell ist diese Nacht in Newcastle angekommen; Ihr wußtet es und ich bin davon benachrichtigt; der Feind zieht aus der Stadt und Versperrt uns den Uebergang über die Tyne; Euere Wachen mußten diese Bewegung sehen, und ich bin davon in Kenntniß gesetzt; Ihr habt mich durch einen schändlichen Vertrag um zweimal hunderttausend Pfund Sterling an das Parlament verkauft, aber dieser Vertrag ist mir wenigstens bekannt. Das geht vor, meine Herren, antwortet und rechtfertigt Euch, denn ich klage Euch an.«

»Sire,« stammelte der Graf von Lewen, »Sire, Euere Majestät wird durch einen falschen Bericht getäuscht worden sein.«

»Ich habe mit meinen eigenen Augen das feindliche Heer zwischen mir und Schottland sich ausbreiten sehen,« versetzte Karl, »und ich kann beinahe sagen: ich habe mit meinen eigenen Ohren gehört, wie die Bedingungen des Vertrags berathen wurden.«

Die schottischen Häuptlinge schauten sich ebenfalls die Stirne faltend an.

»Sire,« murmelte der Graf von Lewen, gebeugt unter dem Gewichte der Schande, »Sire, wir sind bereit, Euch jeden Beweis zu geben.«

»Ich verlange nur einen einzigen,« sprach der König. »Stellt das Heer in Schlachtordnung auf, und wir marschieren dem Feinde entgegen.«

»Das kann nicht sein, Sire,« erwiderte der Graf.

»Wie! es kann nicht sein! Und warum kann es nicht sein?« rief Karl I.

»Euere Majestät weiß wohl, daß Waffenstillstand zwischen uns und dem englischen Heere stattfindet,« antwortete der Graf.

«Wenn Waffenstillstand stattfindet, so hat ihn das englische Heer dadurch gebrochen, daß es die Stadt gegen die Uebereinkunft verließ; ich aber sage Euch, Ihr müßt Euch mit mir durch dieses Heer schlagen und nach Schottland zurückkehren, und wenn Ihr es nicht thut, nun so wählt zwischen den zwei Namen, die den Menschen der Verachtung und dem Fluche der andern Menschen überantworten: entweder seid Ihr Feige oder Ihr seid Verräther.«

Die Augen der Schottländer flammten, aber sie gingen, wie dies so oft bei solchen Gelegenheiten geschieht, von der äußersten Scham zu der äußersten Frechheit über und zwei Clans-Häuptlinge schritten von zwei Seiten auf den König zu.

»Nun wohl, ja,« sagten sie, »wir haben versprochen, Schottland und England von demjenigen zu befreien, der seit fünfundzwanzig Jahren das Blut und das Gold von Schottland und England trinkt. Wir haben es versprochen und halfen unser Versprechen. König Karl Stuart, Ihr seid unser Gefangener.«

Und Beide streckten zu gleicher Zeit die Hand aus, um den König zu ergreifen, aber ehe die Spitze ihrer Finger seine Person berührten, stürzten Beide, der eine todt, der andere ohnmächtig, nieder.

Athos hatte den Einen mit der Kolben seiner Pistole zu Boden geschlagen, Aramis hatte dem Andern den Degen durch den Leib gerannt.

Als sodann der Graf von Lewen und die andern Häuptlinge erschrocken vor dieser unerwarteten Hilfe, die demjenigen, welchen sie bereits für ihren Gefangenen hielten, vom Himmel zuzufallen schien, zurückwichen, zogen Athos und Aramis den König aus dem meuterischen Zelte, in das sie sich so unkluger Weise gewagt hatten, und alle Drei schwangen sich auf die Pferde, welche die Lackeien bereithielten, und ritten im Galopp nach dem königlichen Zelte zurück.

Im Vorüberreiten gewahrten sie den Grafen von Winter, der an der Spitze seines Regimentes herbeieilte. Der König gab ihm ein Zeichen, sie zu begleiten.

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