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La San Felice

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Siebentes Capitel.
Michele‘s Gelübde

Die Nacht senkte sich langsam vom Himmel herab.

So lange Luisa hoffen konnte, in der Dämmerung etwas zu unterscheiden, blieb sie am Fenster stehen. Von Zeit zu Zeit richtete sie ihren Blick gegen Himmel, wie um Gott zu fragen, ob der, den sie vergebens auf der Erde suchte, vielleicht oben bei ihm sei.

Gegen acht Uhr glaubte sie in der Dunkelheit einen Mann zu erkennen, welcher den Gang und die Gestalt Michele's hatte.

Der Mann blieb an der Thür des Gartens stehen, ehe er aber noch Zeit hatte, anzupochen, rief Luisa:

»Michele!«

Und Michele antwortete:

»Schwesterchen!«

Bei dem Ton dieser ihn rufenden Stimme eilte Michele herbei und da das Fenster höchstens acht bis zehn Fuß hoch war, so kletterte er, die Mauerritzen zwischen den Steinen benutzend, in die Höhe, klammerte sich an den Balcon und schwang sich in das Innere des Speisesaales.

Auf den ersten Ton von Michele's Stimme, bei dem ersten Blick, den Luisa auf ihn warf, sah sie, daß sie kein Unglück zu fürchten hatte, in so hohem Grade strahlte das Antlitz des jungen Lazzarone von Frieden und Glück.

Was ihr dabei ganz besonders auffiel, war das seltsame Kostüm, welches ihr Milchbruder trug.

Es bestand zunächst aus einer Art Uhlanentschako mit einem Federstutz, welcher ursprünglich einem Tambourmajor gehört zu haben schien, und in einer kurzen, himmelblauen, auf der Brust und auf den Aermeln mit Goldstickereien bedeckten Jacke.

An seinem Halse hing, nur die linke Schulter bedeckend, ein rother Dolman mit nicht weniger kostbaren Stickereien als die der Jacke.

Graue, mit goldenen Treffen besetzte Beinkleider vervollständigten dieses Kostüm, welches noch furchtbarer durch den großen Säbel gemacht ward, den Michele der Freigebigkeit Salvatos verdankte und der, wie die Gerechtigkeit gegen seinen Herrn zu sagen verlangt, während der so eben verflossenen drei Tage nicht müßig geblieben war.

Dies war die Uniform, welche der Obergeneral, die Treue kennend, welche der Lazzarone gegen Salvato bewiesen, sich beeilt hatte, ihm zu schicken.

Michele hatte sie sofort angelegt und, ohne Salvato zu sagen, zu welchem Zwecke, diesen um einen einstündigen Urlaub gebeten, der ihm auch sofort bewilligt ward.

In einem Sprunge war er von der Vorhalle der Kathedrale zu Affunta geeilt, wo sein Erscheinen zu einer solchen Stunde und in einem solchen Kostüm nicht blos das Erstaunen des jungen Mädchens, sondern auch das des alten Basso Tomeo und seiner drei Söhne erweckt hatte, von welchen zwei in einem Winkel beschäftigt waren, sich die empfangenen Wunden zu verbinden.

Michele ging stracks auf den Kleiderschrank zu, nahm aus demselben den schönsten Anzug seiner Geliebten, rollte ihn unter dem Arm zusammen, versprach den nächstfolgenden Tag früh wiederzukommen und entfernte sich unter Harlekinsprüngen und unzusammenhängenden, verworrenen Reden, welche ihm ganz gewiß den Beinamen des Pazzo oder Narren erworben haben würden, wenn er sich dieses Prädicats nicht schon seit langer Zeit erfreut hätte.

Von der Marinella bis zur Margelina ist es weit, denn man muß, um von der einen zur andern zu gelangen, Neapel in seiner ganzen Breite durchschreiten.

Michele kannte aber alle Gäßchen und Durchgänge, die ihm einige Schritte Weges ersparen konnten, so genau, daß er blos eine Viertelstunde brauchte, um bis zu Luisa zu gelangen, und wir haben gesehen, daß er, um diesen Weg so viel als möglich abzukürzen, anstatt durch die Thür in das Haus zu gehen, zum Fenster hineingeklettert war.

»Vor allen Dingen, sagte Michele, indem er von dem Fenstersims in das Zimmer sprang, »er lebt, er befindet sich wohl, er ist nicht verwundet und er liebt Dich über alle Begriffe.«

Luisa stieß einen Freudenruf aus. Dann faßte sie, die Zärtlichkeit, welche sie für ihren Milchbruder hegte, mit der Freude mischend, welche die von ihm gebrachte gute Nachricht ihr bereitete, ihn in ihre Arme und drückte ihn an ihr Herz, indem sie murmelte:

»Michele! lieber Michele! Wie freue ich mich, Dich wiederzusehen!«

»Und Du kannst Dich auch darüber freuen, denn es fehlte nicht viel, so hättest Du mich nicht wiedergesehen. Ohne ihn wäre ich erschossen worden.«

»Ohne wen?« fragte Luisa, obschon sie recht wohl wußte, von wem Michele sprach.

»Nun, ihn!« sagte Michele. »Wen denn sonst? Hätte wohl irgend ein Anderer als Signor Salvato mich vom Tode retten können? Wer zum Teufel hätte sich denn um die Löcher gekümmert, welche sieben oder acht Kugeln in die Haut eines armen Lazzarone machen können? Er aber eilte sogleich herbei und sagte: »Das ist Michele! Er hat mir das Leben gerettet; ich verlange, daß er begnadigt werde!« Dann schloß er mich in die Arme, küßte mich vor allen Leuten und der Obergeneral machte mich zum Oberst, wodurch ich freilich dem Galgen bedeutend näher gekommen bin, meine liebe Luisa.«

Dann, als er sah, daß sie ihn hörte, ohne seine Worte zu verstehen, fuhr er fort:

»Aber um alles dies handelt es sich jetzt nicht. In dem Augenblick, wo ich erschossen werden sollte, that ich ein Gelübde, welches auch Dich mit betraf, Schwesterchen.«

»Mich?«

»Ja, Dich. Ich gelobte nämlich, wenn ich noch davonkäme – und ich versichere Dir, die Aussichten dazu waren durchaus nicht sonderlich – ich gelobte also, wenn ich mit dem Leben davonkäme, so sollte dieser Tag nicht vorübergehen, ohne daß ich mit Dir, Schwesterchen, mein Gebet zum heiligen Januarius verrichtete. Nun ist aber keine Zeit zu verlieren, und da man sich darüber wundern könnte, wenn man eine vornehme Dame wie Dich am Arm Micheles, des Narren, wenn er auch jetzt Oberst ist, in den Straßen von Neapel herumlaufen sähe, so bringe ich Dir ein Kostüm, in welchem man Dich nicht erkennen wird.

Und er ließ das Packet, welches Affuntas Kleider enthielt, zu Luisas Füße niederfallen.

Luisa verstand immer weniger, ihr Instinkt aber sagte ihr, daß diesem Allem für ihr hochklopfendes Herz eine Ueberraschung zu Grunde liege, die ihr Geist nicht errathen könne.

Vielleicht wollte sie auch in Micheles geheimnißvollen Vorschlag nicht weiter eindringen, weil sie fürchtete, ihn dann zurückweisen zu müssen.

»Wohlan,« sagte Luisa, »da Du ein Gelübde gethan hast, mein armer Michele, und Du diesem Gelübde das Leben zu verdanken glaubt, so muß es auch gehalten werden. Wolltest Du demselben untreu werden, so würde Dir dies Unglück bringen. Uebrigens schwöre ich Dir, daß ich nie in besserer Stimmung gewesen bin, zu beten, als gerade in diesem Augenblicke. Aber –« setzte sie schüchtern hinzu.

»Nun, aber?«

»Du erinnerst Dich doch, daß er mir gesagt hatte, das Fenster im Gäßchen eben so offen zu halten wie die Thüren, welche von diesem Fenster in sein Zimmer führen?«

»Und folglich,« sagte Michele, »steht das Fenster und die nach seinem Zimmer führende Thür auch wirklich offen.«

»Ja. Denke Dir, was er gedacht haben würde, wenn er sie verschlossen gefunden hätte.«

»Ja, das würde ihn freilich tief geschmerzt haben. Unglücklicherweise aber ist Signor Salvato, seitdem er wieder hergestellt ist, nicht mehr sein eigener Herr. Diese Nacht hat er die Wache bei dem Obergeneral und da er diesen Posten erst morgen Früh um elf Uhr verlassen darf, so können wir Fenster und Thüren schließen und dem heiligen Januarius das Gelübde lösen, welches ich ihm gethan.«

»Ja, gehen wir, seufzte Luisa, indem sie Affuntas Kleider in ihr Zimmer trug, während Michele die Thüren und Fenster zu schließen ging.

Als er in das Zimmer trat, welches auf das Gäßchen ging, glaubte er einen Schatten zu sehen, der sich in dem dunkelsten Winkel des Zimmers zu verstecken suchte.

Da dies schlimme Absichten verrathen konnte, so ging Michele mit ausgebreiteten Armen darauf zu.

Der Schatten aber, welcher sah, daß er nicht entrinnen konnte, kam auf ihn zu und sagte:

»Ich bin es, Michele. Ich bin auf Signoras Befehl hier.«

Michele erkannte sofort Giovannina's Stimme und da die Sache durchaus nichts Unwahrscheinliches hatte, so kümmerte er sich weiter nicht darum, sondern begann blos die Fenster zu schließen.

»Aber,« fragte Giovannina, »wenn nun Signor Salvato kommt?«

»Er wird nicht kommen,« antwortete Michele.

»Ist ihm vielleicht ein Unglück zugestoßen?« fragte Giovannina in einem Tone, welcher mehr als gewöhnliches Interesse verrieth, und dessen Unklugheit sie auch selbst einsah, denn sie setzte beinahe unmittelbar darauf hinzu:

»In diesem Falle müßte man diese Nachricht Signora mit aller möglichen Schonung beibringen.«

»Signora,« entgegnete Michele, »weiß in dieser Beziehung bereits Alles, was sie zu wissen braucht, und obschon Signor Salvato kein Unglück zugestoßen ist, so kann er doch von da, wo er jetzt ist, nicht eher fort als morgen Früh.«

In diesem Augenblick hörte man Luisas Stimme, welche ihre Dienerin rief.

Giovannina begab sich nachdenklich und die Stirn runzelnd langsam nach dem Zimmer, von wo aus ihre Herrin sie rief, während Michele, an ihre Launen, die er vielleicht bemerkte, aber sich weiter nicht zu erklären suchte, gewöhnt, die Fenster und Thüren schloß, welche Luisa sich zwanzigmal vorgenommen nicht zu öffnen und die sie seit drei Tagen dennoch stets offen hielt.

Als Michele in den Speisesaal zurückkam, war Luisa mit ihrer Toilette fertig.

Er stieß einen Ruf des Erstaunens aus. Noch nie war sie ihm so schön erschienen wie in diesem Kostüm, welches sie trug, als ob es von jeher das ihrige gewesen wäre.

Giovannina ihrerseits betrachtete ihre Herrin mit einem seltsamen Ausdruck von Eifersucht. Sie verzieh ihr, daß sie in ihren Damenkleidern schön war, als Tochter des Volkes aber konnte sie ihr nicht verzeihen, daß sie auch in den Kleidern einer Tochter des Volkes reizend war.

Was Michele betraf, so bewunderte er Luisa auf richtig und naiv, und da er nicht errathen konnte, daß jeder seiner Lobprüche für das Herz der Dienerin ein Dolchstich war, so hörte er nicht auf in allen Tönen des Entzückens auszurufen:

 

»So schau' doch, Giovannina, wie schön sie ist!«

Und in der That umstrahlte eine Glorie nicht blos der Schönheit, sondern auch des Glückes Luisa's Stirn.

Nach so vielen Tagen der Angst und des Schmerzes gewann das so lange von ihr bekämpfte Gefühl die Oberhand. Zum ersten Male liebte sie Salvato ohne Hintergedanken, ohne Reue, beinahe ohne Selbstvorwurf.

Hatte sie nicht Alles, was sie gekonnt, gethan, um dieser Liebe zu entrinnen? War es nicht das Verhängniß selbst, welches sie an Neapel gefesselt und abgehalten hatte, ihrem Gemahl zu folgen?

Nun aber glaubt ein wahrhaft religiöses Herz, wie das Luisas war, nicht an das Verhängniß. Wenn es aber nicht das Verhängniß war, was sie zurückgehalten, so war es die Vorsehung, und wenn es die Vorsehung war, wie konnte sie dann das Glück fürchten, welches ihr auf diese Weise beschieden war?

Deshalb sagte sie auch zu ihrem Milchbruder in freudigem Tone:

»Ich warte, wie Du siehst, Michele. Ich bin bereit.«

Und mit diesen Worten ging sie voran auf den Perron hinunter.

Nun aber konnte Giovannina nicht umhin, Michele beim Arme zu ergreifen und festzuhalten.

»Wo geht Signora denn hin?« fragte sie.

»Sie geht, um dem heiligen Januarius dafür zu danken, daß er heute das Leben ihres Dieners gerettet hat,« antwortete der Lazzarone, indem er sich beeilte Luisa einzuholen, um ihr einen Arm zu bieten.

Von der Mergellina aus, wo kein Kampf stattgefunden, bot Neapel einen noch sehr ruhigen Anblick dar.

Die Chiaja war in ihrer ganzen Länge erleuchtet und französische Patrouillen durchfurchten die Menge, welche, hocherfreut, den Gefahren entronnen zu sein, welche drei Tage lang einen Theil der Bevölkerung erreicht und den übrigen bedroht, ihre Freude beim Anblick der republikanischen Uniform dadurch zu erkennen gab, daß sie die Tücher und Hüte schwenkte und rief:

»Er lebe die französische Republik! Es lebe die parthenopeische Republik!«

Und in der That, obschon die Republik in Neapel noch nicht proclamiert war, sondern es erst am folgenden Morgen werden sollte, so wußte doch bereits Jeder, daß dies die einzuführende Regierungsform sein würde.

Bei der Annäherung an die Toledostraße verdüsterte sich das Schauspiel ein wenig.

Hier begann die Reihe der niedergebrannten oder der Plünderung preisgegebenen Häuser.

Die ersten waren weiter nichts mehr als ein qualmender Trümmerhaufen, die andern ohne Thüren, ohne Fenster, ohne Läden mit ihren auf dem Pflaster aufgethürmten zerschlagenen Möbeln gaben einen Begriff von dem, was dieses Lazzaroniregiment gewesen, und besonders von dem, was es geworden wäre, wenn es noch einige Tage länger gedauert hätte.

An verschiedenen Punkten, wo man die Todten und die Verwundeten niedergelegt und wo auf den das Straßenpflaster bildenden Steinplatten große Blutflecken zu sehen waren, hielten mit Sand beladene Wagen, und mit Schaufeln versehene Männer warfen den Sand von den Wagen herab, während andere mit Rechen denselben gleichmäßig glatt strichen, wie in Spanien die Diener des Circus thun, wenn die Leichen der Stiere, der Pferde und zuweilen auch der Menschen aus der Arena hinweggeschafft werden.

Auf dem Platze des Mercatello ward das Schauspiel ein noch traurigeres. Vor dem cirkelrunden Platze am Jesuitencollegium hatte man eine Ambulanz errichtet, und während man Spottlieder auf die Königin sang, Feuerwerke abbrannte und Flintenschüsse in die Luft abfeuerte, riß man unter Wuthgeschrei eine unter dem Porticus stehende Statue Ferdinands des Ersten nieder und räumte die letzten Leichen hinweg.

Luisa wendete seufzend die Augen ab und ging vorüber.

Unter dem weißen Thore stand noch eine halb demolierte Barricade und gegenüber, an der Ecke der Strada San Pietro in Mazello, brannte ein Palast nieder und schleuderte, zusammenbrechend, Feuergarben gleich den Raketenbüscheln eines Kunstfeuerwerkes gegen Himmel.

Luisa schmiegte sich zitternd an Michele an. Und dennoch war ihre Angst mit einem Gefühl von freudigem Behagen gemischt, dessen Ursache sie sich selbst nicht zu erklären wußte.

So wie sie sich der alten Kirche näherte, ward ihr Schritt immer leichter und die Engel, welche den heiligen Januarius in den Himmel emporgetragen, schienen ihr ihre Schwingen geliehen zu haben, um sie die Stufen emporzutragen, welche von der Straße aus in das Innere des Tempels führen.

Michele geleitete Luisa in einen der dunkelsten Winkel des Gebäudes, stellte einen Stuhl vor sie hin und stellte einen zweiten neben den ersten; dann sagte er zu ihr:

»Bete; ich komme sogleich wieder.«

Mit diesen Worten eilte er aus der Kirche hinaus.

Er hatte Salvato Palmieri träumend an einer der Säulen gelehnt zu erkennen geglaubt. Er ging auf ihn zu. Es war wirklich Salvato.

»Kommen Sie mit mir, Herr Commandant,« sagte er zu ihm. »Ich habe Ihnen etwas zu zeigen, was, wie ich gewiß weiß, Ihnen Vergnügen machen wird.«

»Du weißt,« antwortete ihm Salvato, »daß ich meinen Posten nicht verlassen kann.«

»Das ist auch nicht nöthig.«

»Wie so?« fragte Salvato.

Michele gab keine Antwort, sondern schritt voran, während Salvato ihm neugierig folgte.

Sie gingen in die Kathedrale hinein und bei dem Scheine der Lampe, die auf dem Chor brannte und die wenigen Andächtigen sichtbar machte, welche gekommen waren, um hier ihre nächtlichen Gebete zu verrichten, zeigte Michele auf eine junge Frau, welche mit der tiefen Sammlung liebender Seelen betete.

Salvato stutzte.

»Sehen Sie?« fragte Michele, mit dem Finger zeigend.

»Was denn?«, fragte Salvato.

»Diese Frau, die so andächtig betet.«

»Nun, und?«

»Nun, Herr Commandant, während ich an Ihrer Statt, und zwar gewissenhaft wachen werde, knien Sie dort neben jene junge Frau nieder. Ich weiß selbst nicht, was mich auf den Gedanken bringt, aber ich glaube, sie wird Ihnen gute Nachrichten von meinem Schwesterchen Luisa mittheilen.«

Salvato betrachtete Michele mit Erstaunen.

»Gehen Sie! Gehen Sie doch!«, sagte Michele, ihn vorwärts schiebend.

Salvato that, was Michele ihm sagte; ehe er aber niederknien konnte, drehte sich Luisa bei dem Geräusche seines Trittes, den sie erkannt, herum, und ein schwacher, halb durch die Majestät des geheiligten Ortes zurückgehaltener Schrei entrang sich der Brust der beiden Liebenden.

Bei diesem unaussprechliches Glück verrathenden Schrei, welcher Michele verkündete, daß Alles seinen Absichten gemäß gelungen war, war die Freude des Lazzarone so groß, daß er trotz der neuen Würde, womit er bekleidet war, trotz der Majestät des Ortes, welche Salvato und Luisa bewogen, ihren doppelten Liebesruf in einem Gebete erlöschen zu lassen, sobald er aus der Kirche hinaus war, eine Reihe von Harlekinssprüngen ausführte, die zu denen, welche er gemacht, als er Affunta verließ, ein würdiges Seitenstück bildeten.

Wenn man dieses Verfahren Micheles, welches den Zweck hatte, die beiden Liebenden einander zu nähern, unbekümmert darum, ob er, indem er sie glücklich machte, nicht zugleich das Glück eines Dritten erschütterte, vom Standpunkte unserer Moralität aus betrachtet, so wird man darin allerdings etwas Unüberlegtes und sogar Tadelnswerthes finden.

Die Moralität des neapolitanischen Volkes ist aber nicht so empfindlich wie die unsere, und wer Michele gesagt hätte, daß er eine zweifelhafte Handlung begangen, würde ihn in großes Erstaunen gesetzt haben, denn er war vielmehr überzeugt, daß er die schönste That seines Lebens vollführt.

Vielleicht hätte er geantwortet, daß er, indem er den beiden Liebenden eine erste Zusammenkunft in einer Kirche verschafft, eben dadurch, indem er sie genöthigt, sich innerhalb der Grenzen des strengsten Anstandes zu halten, das beseitigt habe, was das Alleinsein, die Isolierung, die Dunkelheit an jedem andern Orte Verlockendes und Gewagtes gehabt haben könnten.

Wir sind es aber der strengen Wahrheit schuldig, zu erklären, daß der wackere Junge daran nicht einmal gedacht hatte.

Achtes Capitel.
Der Schutzpatron von Neapel

Wir haben schon von der Wirkung gesprochen, welche die von Championnet ausgegangene Verkündigung des Wunders des heiligen Januarius für den nächsten Tag in Neapel hervorgerufen hatte.

Championnet war entschlossen Alles auf einen Wurf zu setzen. Wenn das Wunder nicht geschah, so gab es eine Empörung zu unterdrücken, geschah es dagegen, so war damit die Ruhe und folglich das Fundament der parthenopeichen Republik gewonnen.

Um diesen unermeßlichen Einfluß des heiligen Januarius auf das neapolitanische Volk zu erklären, wollen wir mit einigen kurzen Worten sagen, auf welche Verdienste dieser Einfluß sich gründet:

Der heilige Januarius ist nicht wie die andern Heiligen des Kalenders ein gewöhnlicher Allerweltsheiliger, der, wie der heilige Petrus und der heilige Paulus, in allen christlichen Kirchen angerufen wird. Nein, der heilige Januarius ist ein localer, patriotischer, neapolitanischer Heiliger.

Der heilige Januarius gehört den ersten Jahrhunderten der Kirche an. Er predigte das Wort Christi zu Ende des dritten und zu Anfang des vierten Jahrhunderts und bekehrte Tausende von Heiden. Wie alle Bekehrer, zog er sich natürlich den Haß der Kaiser zu und starb im Jahre 305 den Märtyrertod.

Ueber diesen Märtyrertod müssen wir, um das Wunder der Flüssigwerdung des Blutes verständlich zu machen, hier einige nähere Einzelheiten erwähnen.

Der Vorrang, den der heilige Januarius vor allen andern Heiligen behauptet, ist nach der Meinung der Neapolitaner unbestreitbar. Allerdings haben die andern Heiligen bei ihren Lebzeiten und selbst nach ihrem Tode einige Wunder verrichtet, welche, nachdem sie von den Philosophen besprochen worden, in der Form einer sagenhaften halben Authenticität bis auf uns gekommen sind, während dagegen das Wunder des heiligen Januarius sich bis auf unsere Zeit fortgesetzt hat und sich zum größern Ruhme der Stadt Neapel und zur vollständigen Beschämung der Atheisten zweimal jährlich erneuert.

Vor Allem guter Bürger, liebt der heilige Januarius in der That und Wahrheit nur sein Vaterland und thut nur für dieses etwas. Wäre selbst die Welt von einer zweiten Sündflut bedroht, oder bräche sie um den unerschrockenen Mann des Horaz herum in Trümmer zusammen, so würde doch der heilige Januarius keinen Finger rühren, um sie zu retten.

Drohen dagegen die Regengüsse des Novembers die Ernten zu ersäufen, oder trocknet die Hitze der Augusttage die Cisternen seines geliebten Vaterlandes aus, so setzt der heilige Januarius Himmel und Erde in Bewegung, um im November Sonnenschein und im August Wasser zu erzwingen.

Hätte der heilige Januarius die Stadt Neapel nicht unter seinen ganz besondern Schutz genommen, so würde sie schon seit zehn Jahrhunderten nicht mehr existieren, oder wäre zu dem Range von Pozzuolo oder Baja herabgesunken.

Und in der That gibt es in der ganzen Welt keine Stadt, welche öfter von einer fremden Macht erobert und beherrscht worden ist. Dank der thätigen und ausdauernden Intervention ihres Schutzpatrons aber sind die Eroberer verschwunden und Neapel steht heute noch.

Die Normannen haben über Neapel regiert, der heilige Januarius aber hat sie verjagt.

Die Schwaben haben über Neapel regiert, aber der heilige Januarius hat sie verjagt.

Das Haus Anjou hat über Neapel regiert, aber der heilige Januarius hat es verjagt.

Die Aragonien haben ihrerseits den Thron von Neapel eingenommen, der heilige Januarius hat sie aber gezüchtigt.

Die Spanier haben Neapel tyrannisiert, aber der heilige Januarius hat sie geschlagen.

Die Franzosen haben Neapel eingenommen, der heilige Januarius aber hat sie wieder hinausgeführt.

Und als wir im Jahre 1836 diese Worte schrieben, setzten wir hinzu:

»Und wer weiß, was der heilige Januarius noch für sein Vaterland thun wird.«

Und in der That, von welcher Art auch die einheimische oder fremde, legitime oder angemaßte, liberale oder despotische Herrschaft sei, die auf diesem schönen Lande lastet, so lebt im innersten Herzen aller Neapolitaner der sie bis zum Stoicismus geduldig machende feste Glaube, daß alle Könige und alle Regierungen verschwinden und die Neapolitaner und der heilige Januarius das Einzige sein werden, was zuletzt in Neapel übrig bleibt.

Die Geschichte des heiligen Januarius beginnt mit der Geschichte von Neapel und wird wahrscheinlich auch nur mit ihr enden.

Die Familie des heiligen Januarius gehört natürlich dem höchsten Adel des Alterthums an. Das Volk, welches im Jahre 1647 seiner von einem Lazzarone befehligten Lazzaronirepublik den Titel einer aller durchlauchtigsten königlichen neapolitanischen Republik gab und im Jahr 1799 die Patrioten mit Steinwürfen verfolgte, weil sie gewagt hatten, das Prädicat »Excellenz« abzuschaffen, würde sich niemals dazu verstanden haben, sich einen Schutzheiligen von plebejischer Herkunft zu wählen. Der Lazzarone ist durch und durch aristokratisch, oder vielmehr er bedarf vor allen Dingen einer Aristokratie.

 

Die Familie des heiligen Januarius stammt in gerader Linie von der Familie der Januari in Rom, welche hinwiederum vom Janus abzustammen behaupteten.

Ihre ersten Jahre sind dunkel. Erst im Jahre 304, unter dem Pontificat des heiligen Marcelin, wird er zum Bischof des von dem Papst eben erst creirten Bisthums Benevento ernannt.

Welch' ein seltsames Geschick ruht auf diesem Bisthum Benevento, welches mit dem heiligen Januarius beginnt und mit Herrn von Talleyrand endet.

Die letzte Verfolgung, welche die Christen getroffen, hatte unter den Kaisern Diocletian und Maximian stattgefunden. Sie datierte von zwei Jahren, das heißt vom Jahre 302, und war eine der schrecklichsten gewesen. Siebzehntausend Märtyrer vergossen für die neue Religion ihr Blut.

Auf die Kaiser Diocletian und Maximian folgten die Kaiser Constantin und Galerius, unter welchen die Christen einen Augenblick aufathmeten.

Unter der Zahl der Gefangenen, welche unter den vorhergegangenen Regierungen in den Gefängnissen von Cumä zusammengepfercht wurden, befand sich Sofius, Diaconus von Misena, und Proculus, Diaconus von Pozzuolo.

Während der ganzen Zeit, welche die Verfolgung von 302 gedauert, hatte der heilige Januarius niemals verfehlt, ihnen mit Gefahr seines Lebens den Beistand und Trost seines Wortes zu bringen.

Vorläufig freigelassen, hielten die christlichen Gefangenen, welche nun alle Verfolgung überstanden zu haben glaubten, in der Kirche von Pozzuolo einen Dankgottesdienst, bei welchem der heilige Januarius, von Sofius und Proculus unterstützt, fungierte, als plötzlich eine Trompete schmetterte und ein geharnischter Herold in die Kirche hereingeritten kam, um laut ein altes Decret von Diocletian zu verlesen, welches die neuen Cäsaren wieder in Kraft setzten.

Dieses merkwürdige Decret, mag es nun echt oder apokryph sein, befindet sich noch jetzt in dem Archiv des Erzbisthums. Wir können es daher unsern Lesern eben so mittheilen, wie wir ihnen schon einige andere nicht ganz uninteressante historische Documente vorgelegt haben.

Es lautet:

»Diocletian, dreimal groß, immer gerecht, ewiger Kaiser, entbietet allen Proconsuln des römischen Reiches seinen Gruß.

»Da ein Gerücht, welches uns sehr mißfallen hat, nämlich, daß die Ketzerei Derer, die sich Christen nennen, eine Ketzerei, die zu den ruchlosesten gehört, wieder Macht und Ausbreitung gewinnt, daß die sogenannten Christen jenen von einer, ich weiß nicht was für einer Jüdin geborenen Jesus als Gott verehren und den großen Apollo, Merkur, Herkules, ja selbst Jupiter durch Schimpfreden und Verwünschungen beleidigen, während sie denselben Christus anbeten, den die Juden als Zauberer an ein Kreuz genagelt, zu unsern göttlichen Ohren gekommen ist:

»So befehlen wir hiermit, daß alle Christen, Männer und Frauen, in allen Städten und Gegenden, dafern sie sich weigern, unsern Göttern zu opfern und ihren Glauben abzuschwören, den grausamsten Martern unterworfen werden. Zeigen sie sich dagegen gehorsam, so wollen wir geruhen, ihnen Verzeihung zu gewähren. Im entgegengesetzten Falle fordern wir, daß sie mit der Schärfe des Schwertes und mit dem härtesten Tod (pessima morte) gestraft werden.

»Wisset endlich, daß, wenn Ihr unsere göttlichen Befehle verabsäumt, wir Euch selbst mit denselben Strafen belegen werden, womit wir die Schuldigen bedrohen.«

Im weiteren Verlauf unserer Geschichte werden wir, als Seitenstück hierzu, ein oder zwei Dekrete des Königs Ferdinand anzuführen haben. Man kann sie dann mit dem Diocletians vergleichen und man wird sehen, daß sie mit einander große Aehnlichkeit haben, nur sind die des römischen Kaisers in einem besseren Styl abgefaßt.

Wie man sich leicht denken kann, unterwarfen sich weder der heilige Januarius noch die beiden Diaconen diesem Decret.

Der heilige Januarius fuhr fort die Messe zu lesen und die beiden Diaconen, ihm zu assistieren, so daß sie eines schönen Morgens alle drei bei Ausübung ihres Amtes festgenommen wurden.

Wir brauchen nicht erst zu sagen, daß Diejenigen, welche der Messe beiwohnten, ebenfalls festgenommen wurden, und noch weniger brauchen wir zu erwähnen, daß die Gefangenen sich durch die Drohungen des Proconsuls, welcher Timotheus hieß, nicht einschüchtern ließen, sondern standhaft bei ihrem Bekenntniß blieben.

In dem Augenblick, wo der heilige Januarius festgenommen ward, bat eine alte Frau, die ihn schon als einen Heiligen betrachtete, ihn, ihr einige Reliquien zu schenken. Der heilige Januarius gab ihr die beiden Phiolen, womit er soeben das Wunder des heiligen Sacraments vollzogen, und sagte zu ihr:

»Nimm diese beiden Phiolen, meine Schwester, und sammle darin mein Blut.«

»Aber ich bin gelähmt,« sagte die alte Frau, »und kann keinen Fuß vor den andern setzen.«

»Trinke den übriggebliebenen Wein und das Wasser aus diesen Fläschchen und Du wirst gehen können,« entgegnete der fromme Mann.

Er war es, auf den der Proconsul es ganz besonders abgesehen hatte, weil er es war, den der Herr ganz besonders in seinen Schutz nahm.

Man begann damit, daß man ihn in einen glühenden Ofen warf. Das Feuer erlosch aber und die glühenden Kohlen, welche den Fußboden bedeckten, verwandelten sich in einen Haufen duftender Blumen.

Nun verurtheilte man ihn, in den Circus geworfen und von Löwen zerrissen zu werden.

An dem hierzu festgesetzten Tage drängte sich eine ungeheure Menschenmenge in das Amphitheater. Man war aus allen Gegenden der Provinz herbeigeeilt, denn das Amphitheater von Pozzuolo war eben so wie das von Capua – aus welchem, wie man sich erinnert, Spartacus entsprang – eines der schönsten Campaniens.

Es war übrigens dasselbe, dessen Trümmer heute noch stehen und in welchem zweihundertunddreißig Jahre früher der göttliche Kaiser Nero dem Tiridates, erstem König von Armenien, ein Fest gegeben hatte. Letzterer war durch Corbulon, welcher für Tigranes kämpfte, aus seinem Reich vertrieben worden und kam nun, um den Sohn des Domitius und der Agrippina zu bitten, ihm wieder zu seiner Krone zu verhelfen.

Es war Alles vorbereitet, um den Barbaren in Erstaunen und Verwunderung zu setzen. Die gewaltigsten Thiere, die geschicktesten Gladiatoren hatten aber vor ihm gekämpft, ohne daß dies Eindruck auf ihn zu machen schien.

Nero fragte ihn, was er von diesen Kämpfern denke, deren übermenschliche Anstrengungen den ganzen Circus zu lautem Beifall hingerissen, und Tiridates erhob, ohne ein Wort zu entgegnen, sich lächelnd, schleuderte seinen Wurfspieß in den Circus und durchbohrte zwei Stiere mit einem einzigen Wurf.

Seit dem Tage, wo Tiridates diesen Beweis seiner riesigen Körperkraft gegeben, hatte der Circus noch nie wieder eine so große Anzahl von Zuschauern gesehen.

Kaum hatte der Proconsul auf seinem Throne Platz genommen und kaum hatten die Lictoren sich um ihn herum gruppiert, so wurden die drei Heiligen der Thür gegenüber gestellt, zu welcher die Thiere hereingelassen werden sollten.

Auf einen Wink von Timotheus öffnete sich diese Thür und die wilden Bestien kamen in die Arena hereingeschnaubt.

Bei ihrem Anblicke klatschten dreißigtausend Zuschauer vor Freuden in die Hände.

Die ihrerseits verwunderten Thiere antworteten durch ein drohendes Gebrüll, welches alle Stimmen übertäubte und jeden Beifallslärm zum Schweigen brachte.

Gereizt durch das Geschrei der Menge, verzehrt durch den Hunger, zu welchem ihre Hüter sie seit drei Tagen verurtheilt, angelockt durch den Geruch des Menschenfleisches, womit man sie am Festtagen gefüttert, begannen die Löwen ihre Mähnen zu schütteln, die Tiger hin und her zu springen und die Hyänen sich den Rachen zu lecken.

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