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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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Siebzehntes bis zwanzigstes Bändchen


XCV

Charny

Das Zimmer war voll von Nationalgarden und Fremden, welche die Neugierde herbeigezogen hatte.



Die Königin wurde hierdurch in ihrer ersten Bewegung zurückgehalten: sie hatte Charny entgegeneilen, mit ihrem Taschentuche das Blut, mit dem er bedeckt war, abwischen und ihm einige von jenen tröstenden Worten sagen wollen, welche, vom Herzen ausgegangen, zum Herzen gelangen; doch sie konnte sich nur von ihrem Stuhle erheben, die Arme gegen ihn ausstrecken und murmeln:



»Olivier! . . . «



Er winkte, düster und ruhig, den anwesenden Fremden und sagte mit sanfter, aber fester Stimme:



»Verzeihen Sie, meine Herren, ich muß mit Ihren Majestäten sprechen.«



Die Nationalgarden versuchten es, zu antworten, sie seien im Gegentheil da, um es zu verhindern, daß der König mit irgend Jemand von außen verkehre. Charny preßte seine bleichen Lippen zusammen, faltete seine Stirne, öffnete seinen Ueberrock, der, indem er sich öffnete, ein Paar Pistolen sehen ließ, und wiederholte mit einer Stimme, welche vielleicht noch sanfter, als das erste Mal, aber darum nur um so drohender:



»Meine Herren, ich habe schon die Ehre gehabt, Ihnen zu sagen, ich müsse mit dem, König und mit der Königin allein sprechen.«



Und zu gleicher Zeit bedeutete er den Fremden durch ein Zeichen mit der Hand, sie sollen weggehen.



Bei dieser Stimme und bei dieser Macht, welche Charny, indem er sie über sich selbst übte, über die Andern übte, erlangten Herr, von Damas und die zwei Gardes du corps ihre ganze, einen Augenblick gesunkene Energie wieder, und Nationalgarden und Neugierige vor sich her treibend, räumten sie rasch das Zimmer.



Da begriff die Königin, von welchem Nutzen ein solcher Mann im Wagen des Königs gewesen wäre, hätte die Etiquette nicht gefordert, daß Frau von Tourzel statt seiner darin Platz nahm.



Charny schaute umher, um sich zu versichern, daß für den Augenblick nur treue Diener bei der Königin blieben, näherte sich ihr dann und sprach:



»Madame, hier bin ich. Ich habe siebenzig Husaren vor den, Thore der Stadt und glaube auf sie zählen zu können. Was befehlen Sie mir?«



»Ah! vor Allem,« sagte die Königin deutsch, »was ist Ihnen begegnet, mein armer Charny?«



Charny gab der Königin durch ein Zeichen zu verstehen, Maiden sei da, und er spreche Deutsch.



»Ach! ach!« fuhr die Königin in französischer Sprache fort, »da wir Sie nicht sahen, hielten wir Sie für todt.«



»Madame,« erwiderte Charny mit tiefer Schwermuth, »leider bin ich es noch nicht, der todt, es ist mein Bruder Isidor .,,«



Er konnte sich einer Thräne nicht erwehren.



»Aber,« murmelte er mit leiser Stimme, »die Reihe wird an mich kommen.«



»Charny, Charny!« sagte die Königin, »ich frage Sie, was Ihnen begegnet sei, und warum sie so verschwunden?«



Dann fügte sie leise deutsch bei:



»Olivier, Sie haben uns sehr gefehlt, mir besonders.«



Charny verbeugte sich und antwortete:



»Ich glaubte, mein Bruder habe Eure Majestät von der Ursache unterrichten müssen, weiche mich für den Augenblick von ihr entfernt.«



»Ja, ich weiß, Sie verfolgten diesen Menschen, diesen unglücklichen Drouet, und eine Zeit lang haben wir befürchtet, es sei Ihnen bei dieser Verfolgung Unglück widerfahren.«



»Es ist mir in der That großes Unglück widerfahren; trotz aller meiner Anstrengungen konnte ich ihn nicht zeitig genug erreichen! Ein zurückkehrender Postillon sagte ihm, der Wagen Eurer Majestät, von dem er glaubte, er folge der Straße nach Verdun, habe den Weg nach Varennes genommen. Da warf er sich in den Wald von Argonne; ich that zwei Pistolenschüsse auf ihn: die Pistolen waren nicht geladen! Ich hatte mich in Sainte-Menehould im Pferde geirrt und das von Herrn Dandoins statt des meinigen genommen. Was wollen Sie, Madame, ein Verhängniß! Nichtsdestoweniger habe ich ihn im Walde verfolgt, doch ich kannte die Wege nicht; er kannte sie bis auf den geringsten Fußpfad; dann nahm die Finsterniß jeden Augenblick zu; so lange ich ihn sehen konnte, habe ich ihn mit dem Gesichte verfolgt, wie man einen Schatten verfolgt; so lange ich ihn hören konnte, habe ich ihn nach dem Geräusche verfolgt; doch das Geräusch erlosch, wie der Schatten verschwunden war, und ich fand mich allein, verloren mitten im Walde, verirrt in der Finsterniß  . . .  Oh! Madame, ich bin ein Mann, Sie kennen mich: in diesem Augenblicke hier  . . .  weine ich nicht!  . . .  doch mitten in jenem Walde, in jener Finsterniß, habe ich Thränen des Zorns vergossen, habe ich Wuthschreie ausgestoßen!«



Die Königin reichte ihm die Hand.



Charny verbeugte sich und berührte diese zitternde Hand mit dem Ende der Lippen.



»Aber Niemand hat mir geantwortet,« fuhr Charny fort: ich bin die ganze Nacht umhergeirrt, und bei Tagesanbruch befand ich mich beim Dorfe Gèves, auf der Straße von Varennes nach Dun  . . .  Hatten Sie das Glück gehabt, Drouet zu entkommen, wie er mir entkommen? das war möglich; dann hatten Sie Varennes passirt, und es war unnöthig, daß ich dahin ging. Hatte man Sie in Varennes angehalten? dann war ich allein, und meine Ergebenheit wurde unnütz. Ich beschloß also, meinen Weg nach Dun fortzusetzen. Ein wenig vor der Stadt traf ich Herrn Deslon und hundert Husaren. Herr Deslon war besorgt, doch er hatte keine Kunde; nur hatte er, mit verhängten Zügeln von Stenay her fliehend, Herrn von Bouillé und Herrn von Raigecourt vorüberreiten sehen. Warum hatten sie ihm nichts gesagt? Ohne Zweifel mißtrauten sie ihm; ich aber kannte Herrn Deslon als einen guten und loyalen Edelmann; ich errieth, daß Eure Majestät in Varennes angehalten worden war, daß die Herren von Bouillé und von Raigecourt die Flucht ergriffen hatten, und den General benachrichtigen wollten. Ich sagte Herrn Deslon Alles, ich beschwor ihn, mir mit seinen Husaren zu folgen, was er aus der Stelle that, wobei er indessen dreißig von seinen Leuten zurückließ, um die Brücke über die Maas zu bewachen. Eine Stunde nachher waren wir in Varennes; wir hatten vier Meilen in einer Stunde gemacht! ich wollte unmittelbar den Angriff beginnen, Alles niederwerfen, um bis zum König und zu Eurer Majestät zu gelangen: wir fanden Barricaden über Barricaden; es versuchen, sie zu übersteigen, wäre eine Tollheit gewesen. Da versuchte ich es, zu parlamentiren; es zeigte sich ein Nationalgarde-Posten, ich bat ihn um Erlaubniß, meine Husaren mit denen vereinigen zu dürfen, welche in der Stadt waren; diese Erlaubniß wurde mir verweigert: ich verlangte, die Befehle des Königs einholen zu dürfen, und da man ohne Zweifel im Begriffe war, mir dieses zweite Gesuch abzuschlagen, wie man das erste abgeschlagen hatte, so gab ich meinem Pferde die Sporen, setzte über die erste Barricade, dann über die zweite, . . Geleitet von den Geräuschen eilte ich im Galopp hierher, und ich kam auf den Platz in dem Augenblick, wo,, . Eure Majestät, sich zurückwerfend, den Balcon verließ. Und nun erwarte ich die Befehle Eurer Majestät,« schloß Charny.



Die Königin drückte Charny abermals die Hand in ihren Händen.



Dann wandte sie sich gegen den immer in dieselbe starre Fühllosigkeit versunkenen König und fragte ihn:



»Sire, Sie haben gehört, was Ihr getreuer Diener, Herr von Charny, gesprochen hat?«



Der König antwortete nicht.



Da stand die Königin auf, ging zu ihm und sagte:



»Sire, es ist keine Zeit zu verlieren, und leider haben wir schon zu viel Zeit verloren. Hier ist Herr von Charny, der, wie er behauptet, über siebenzig Leute verfügt und um Ihre Befehle bittet.«



Der König schüttelte den Kopf.



»Sire, rief die Königin, »um des Himmels willen Ihre Befehle!«



Und Charny flehte mit dem Blicke, während die Königin mit der Stimme flehte.



»Meine Befehle?« wiederholte der König; »ich habe keine Befehle zu geben; ich bin Gefangener  . . .  Thun Sie Alles, was Sie thun zu können glauben.«



»Gut!« versetzte die Königin, »mehr verlangen wir nicht.«



Und sie zog Charny zurück und sprach zu ihm:



»Sie haben unumschränkte Vollmacht; thun Sie, wie der König gesagt hat, Alles, was Sie thun zu können glauben.«



Dann fügte sie leise bei:



»Handeln Sie aber rasch und mit Nachdruck, oder wir sind verloren!«



»Es ist gut, Madame,« erwiderte Charny; »gestatten Sie, daß ich mich einen Augenblick mit diesen Herrn bespreche, und was wir beschließen, wird auf der Stelle ausgeführt werden.«



In diesem Augenblick trat Herr von Choiseul ein.



Er hielt in der Hand einige in ein blutiges Taschentuch gewickelte Papiere.



Ohne etwas zu sagen, reichte er sie Charny.



Der Graf begriff, daß es die bei seinem Bruder gefundenen Papiere waren; er streckte die Hand aus, um die blutige Erbschaft in Empfang zu nehmen, zog das Taschentuch an seine Lippen und küßte es.



Die Königin konnte sich eines Schluchzens nicht erwehren.



Charny wandte sich aber nicht einmal um, steckte die Papiere in seine Brusttasche und sagte dann:



»Meine Herren, können Sie mich bei dem letzten Versuche, den ich machen will, unterstützen?«



»Wir sind bereit, unser Leben dabei zu opfern,« antworteten die jungen Leute.



»Glauben Sie für ein Dutzend treu gebliebener Männer stehen zu können?«



»Wir sind schon unserer, acht oder neun.«



»Wohl denn! ich kehre zu meinen siebenzig Husaren zurück; während ich die Barricaden von vorne angreife, machen Sie eine Diversion von hinten; von dieser Diversion begünstigt, forcire ich die Barricaden, und mit unseren vereinigten Truppen dringen wir bis hierher, und wir entführen den König.«



Statt jeder Antwort, reichten die jungen Leute dem Grafen die Hand.



Dann wandte sich dieser an die Königin und sprach zu ihr:



»Madame, in einer Stunde wird Eure Majestät frei sein oder ich bin todt.«



»Oh! Graf, Graf,« erwiderte die Königin, »sprechen Sie dieses Wort nicht aus, es thut zu wehe.«

 



Olivier verbeugte sich nur zur Bestätigung seines Versprechens, und ohne sich um einen neuen Lärmen, der auf der Straße hörbar wurde, um neue Geräusche, die in das Haus einzudringen schienen, zu bekümmern, ging er gerade auf die Thüre zu.



Doch in dem Moment, wo er die Hand an den Schlüssel legte, öffnete sich die Thüre und gewährte einer neuen Person Einlaß, die sich in die schon so verwickelte Intrigue dieses Drama mengen sollte.



Es war ein Mann von vierzig bis zwei und vierzig Jahren, mit finsterem, strengem Gesichte; sein weit zurückgeworfener Kragen, sein offener Rock, seine durch die Strapaze gerötheten Augen, seine bestaubten Kleider deuteten an, daß auch er, von einer heftigen Leidendenschaft angetrieben, einen gewaltigen Lauf gemacht hatte.



Er trug ein Paar Pistolen in seinem Gürtel und ein Säbel hing an seiner Seite.



Keuchend, beinahe ohne Stimme in dem Augenblick, wo er die Thüre öffnete, schien er erst beruhigt, als er den König und die Königin erkannte; ein Lächeln befriedigter Rache zog über sein Gesicht, und ohne sich um die Nebenpersonen zu bekümmern, welche die Tiefe den Zimmers einnahmen, streckte er von der Thüre, die er beinahe ganz mit seiner mächtigen Gestalt schloß, die Hand aus und sprach



»Im Namen der Nationalversammlung, Sie sind Alle meine Gefangenen.«



Mit einer Bewegung so rasch als der Gedanke, sprang Herr von Choiseul, eine Pistole in der Hand, vor und streckte den Arm ebenfalls aus, um die Hirnschale dem Ankommenden zu zerschmettern, der an Frechheit und Entschlossenheit Alles, was man bis daher gesehen, zu übertreffen schien.



Doch mit einer noch rascheren Bewegung hielt die Königin diese drohende Hand zurück, und sie sagte leise zu Herrn von Choiseul.



»Beschleunigen Sie nicht unser Verderben, mein Herr; Klugheit  . . .  mit Allem dem gewinnen wir Zeit, und Herr von Bouillé kann nicht mehr fern sein.«



»Ja, Sie haben Recht, Madame,« erwiderte Herr von Choiseul.



Und er steckte seine Pistole wieder in seine Brust.



Die Königin warf einen Blick ans Charny, denn sie war erstaunt, daß sie bei dieser neuen Gefahr ihn nicht hatte vorstürzen sehen, doch seltsamer Weise schien es, als wünschte Charny von dem so eben Angekommenen nicht gesehen zu werden, und, ohne Zweifel um seinen Blicken zu entgehen, hatte er sich in die dunkelste Ecke der Stube zurückgezogen.



Die Königin, die den Grafen kannte, dachte indessen, in dem Augenblick, wo es sein müßte, würde er zugleich aus diesem Schatten und aus diesem Geheimniß heraustreten.




XCVI

Ein Feind mehr

Die ganze Scene von Herrn von Choiseul, der den Mann bedrohte, welcher im Namen der Nationalversammlung sprach, war vorübergegangen, ohne daß dieser zu bemerken geschienen, er sei einer Todesgefahr entkommen.



Es nahm ihn wohl ein Gefühl in Anspruch, das eine ganz andere Macht auf sein Herz übte, als das Gefühl der Furcht; man konnte sich im Ausdrucke seines Gesichtes nicht täuschen; es war der des Jägers, der endlich in derselben Grube, wo sie seine Beute sind, den Löwen, die Löwin und die jungen Löwen, welche ihm sein einziges Kind verschlungen, zusammengeschaart sieht.



Bei dem Worte

Gefangene

, das Herrn von Choiseul vorstürzen gemacht hatte, war indessen der König ausgestanden.



»Gefangene! Gefangene im Namen der Nationalversammlung! Was wollen Sie damit sagen? Ich verstehe Sie nicht.«



»Das ist doch ganz einfach und leicht zu verstehen,« erwiderte der Mann. »Trotz des Eides, den Sie geschworen, Frankreich nicht zu verlassen, sind Sie bei nächtlicher Weile, ein Verräther an Ihrem Worte, ein Verräther an der Nation, ein Verräther am Volke, entflohen; so daß die Nation zu den Waffen gerufen hat, so daß das Volk aufgestanden ist, und daß Volk und Nation Ihnen durch die Stimme von einem Ihrer letzten Unterthanen, welche, weil sie von unten kommt, darum nicht minder mächtig ist, sagen: »»Sire, im Namen des Volkes, im Namen der Nation, im Namen der Nationalversammlung sind Sie mein Gefangener.««



Im anstoßenden Zimmer erscholl ein Geräusch der Billigung, begleitet oder vielmehr gefolgt von wüthenden Bravos.



»Madame, Madame,« flüsterte Herr von Choiseul der Königin ins Ohr, »Sie werden nicht vergessen, daß Sie mich zurückgehalten haben, und daß Sie, ohne das Mitleid, das Sie mit diesem Menschen gehabt, eine solche Beleidigung nicht zu erdulden hätten.«



»Alles dies wird nichts sein, wenn wir uns rächen,« erwiderte leise die Königin.



»Ja,« versetzte Herr von Choiseul, »aber wenn wir uns nicht rächen?«



Die Königin gab einen dumpfen, schmerzlichen Seufzer von sich.



Doch die Hand von Charny streckte sich langsam über der Schulter von Herrn von Choiseul aus und berührte den Arm der Königin.



Marie Antoinette wandte sich lebhaft um.



»Lassen Sie diesen Mann sprechen und machen,« flüsterte der Graf; »ich nehme ihn aus mich.«



Ganz betäubt von dem neuen Schlage, den man ihm beigebracht, schaute der König mit Erstaunen den finstern Menschen an, der im Namen der Nationalversammlung, der Nation und des Volks eine so energische Sprache gegen ihn führte, und mit diesem Erstaunen vermischte sich eine gewisse Neugierde; denn es schien Ludwig XVI., obgleich er sich nicht erinnern konnte, wo er ihn gesehen, es sei nicht das erste Mal, daß er diesen Menschen sehe.



»Aber was wollen Sie denn von mir? reden Sie!« sagte er.



»Sire, ich will, daß weder Sie, noch die königliche Familie einen Schritt mehr gegen das Ausland machen,«



»Und Sie kommen ohne Zweifel mit Tausenden von Bewaffneten, um sich meinem Marsche zu widersetzen?« fragte der König, der in der Erörterung Größe gewann.



»Nein, Sire, ich bin allein, oder wir sind vielmehr zu zwei: der Adjutant des General Lafayette und ich, das heißt ein einfacher Bauer; nur hat die Nationalversammlung ein Decret erlassen; sie hat auf uns gezählt, daß es vollzogen werde, und es wird dies geschehen.«



»Geben Sie das Decret, daß ich es wenigstens sehe,« sprach der König.



»Ich habe es nicht, mein Gefährte hat es. Mein Gefährte ist von Herrn von Lafayette und der Nationalversammlung abgesandt, um die Befehle der Nation vollziehen zu lassen; ich bin von Herrn Bailly und besonders von mir selbst abgesandt, um diesen Gefährten zu überwachen und ihm eine Kugel vor den Kopf zu schießen, wenn er strauchelt.«



Die Königin, Herr von Choiseul, Herr von Damas und die anderen Anwesenden schauten sich mit Erstaunen an; sie hatten das Volk nie anders als unterdrückt oder wüthend, um Gnade bittend oder mordend gesehen; sie sahen es zum ersten Male ruhig, aufrecht, mit gekreuzten Armen, seine Stärke fühlend und im Namen seiner Rechte sprechend.



Ludwig XVI. begriff auch sehr rasch, daß nichts von einem Manne von diesem Schlage zu hoffen war, und da es ihn drängte, mit ihm ein Ende zu machen, so fragte er:



»Nun, wo ist Ihr Gefährte?«



»Hier, hinter mir,« antwortete der Mann.



Und er machte bei diesen Worten einen Schritt vorwärts und entblößte dadurch die Thüre, durch deren Oeffnung man einen jungen Mann in der Uniform eines Ordonnanzofficiers, an ein Fenster angelehnt, sehen konnte.



Er war auch in der größten Unordnung; nur war seine Unordnung, statt die der Stärke zu sein, die der Niedergeschlagenheit.



Sein Gesicht rieselte von Thränen und er hielt in der Hand ein Papier.



Es war Herr von Romeuf, das heißt der junge Adjutant von Herrn von Lafayette, mit dem wir, unser Leser erinnert sich ohne Zweifel, zur Zeit der Ankunft von Herrn Louis von Bouillé in Paris Bekanntschaft gemacht haben.



Herr von Romeuf war, wie man aus dem Gespräche entnehmen konnte, das er in jenem Augenblick mit dem jungen Royalisten hatte, Patriot, und zwar aufrichtiger Patriot; doch, während der Dictatur von Herrn von Lafayette in dm Tuilerien, besonders beauftragt, die Königin zu überwachen und sie bei ihren Ausgängen zu begleiten, hatte er in seinen Beziehungen zu ihr mit so viel ehrfurchtsvoller Zartheit zu Werke zu gehen gewußt, daß ihm die Königin wiederholt ihre Dankbarkeit ausgedrückt.



Als sie ihn erblickte, rief sie auch schmerzlich erstaunt:



»Oh! mein Herr, Sie sind es?«



Dann fügte sie mit jenem peinlichen Seufzen der Frau, die eine Macht fallen sieht, welche sie für unbesiegbar gehalten, bei:



»Oh! ich hätte das nie geglaubt!«



»Gut!« murmelte lächelnd der zweite Bote, »es scheint, ich habe wohl daran gethan, daß ich gekommen bin.«



Herr von Romeuf trat langsam, mit niedergeschlagenen Augen und seinen Beschluß in der Hand haltend herbei.



Ungeduldig, ließ ihm aber der König keine Zeit, diesen Beschluß zu überreichen: er trat ihm rasch einen Schritt entgegen und riß ihm das Papier aus den Händen.



Dann, nachdem er es gelesen, sprach er:



»Es gibt keinen König mehr in Frankreich!«



Der Mann, der Herrn von Romeuf begleitete, lächelte, als hätte er sagen wollen: »Ich weiß es wohl!«



Bei diesen Worten des Königs machte die Königin gegen ihn eine Bewegung, um ihn zu befragen.



»Hören Sie, Madame,« sprach der König. »Das ist das Decret, welches die Nationalversammlung zu erlassen gewagt hat.«



Und er las mit einer vor Entrüstung zitternden Stimme folgende Zeilen:



»Die Nationalversammlung befiehlt, daß der Minister des Innern auf der Stelle Couriere an die Departements abfertige, mit dem Befehle an alle öffentliche Beamte, Nationalgarden und Linientruppen des Reichs, jede aus dem Königreiche sich entfernende Person zu verhaften oder verhaften zu lassen, sowie auch jeden Abgang von Effecten, Waffen, Munition, klingender Münze in Gold oder Silber, von Pferden und Wagen zu verhindern; und falls die Couriere den König, einige Individuen von der königlichen Familie, oder diejenigen, welche zu ihrer Entführung hätten beitragen können, einholen würden, sollen die genannten öffentlichen Beamten, Nationalgarden und Linientruppen gehalten sein, alle mögliche Maßregeln zu ergreifen, um die Entführung aufzuhalten, die betreffenden Personen zu verhindern, ihre Reise fortzusetzen, und sofort dem gesetzgebenden Körper Bericht zu erstatten.«



Die Königin hatte mit einer Art von Erstarrung zugehört; als aber der König geendet, schüttelte sie den Kopf, als wollte sie ihre Lebensgeister wieder zu erlangen suchen, streckte dann die Hand aus, um das verhängnißvolle Decret auch in Empfang zu nehmen, und sagte:



»Geben Sie  . . .  Das ist unmöglich!«



Während dieser Zeit beruhigte der Gefährte von Herrn von Romeuf durch ein Lächeln die Nationalgarden und die Patrioten von Varennes.



Das Wort

unmöglich

, von der Königin ausgesprochen, hatte sie beunruhigt, obgleich sie von einem Ende zum andern den Inhalt des Decrets gehört.



»Oh! lesen Sie, wenn Sie noch zweifeln,« sagte der König mit Bitterkeit; lesen Sie, das ist geschrieben und unterzeichnet vom Präsidenten der Nationalversammlung.«



»Und welcher Mensch hat es gewagt, ein solches Decret zu schreiben und zu unterzeichnen?«



»Ein Adeliger, Madame,« antwortete der König; »der Herr Marquis von Beauharnais.«



Ist es nicht etwas Seltsames, was zum Beweise für die geheimnißvollen Verkettungen der Vergangenheit mit der Zukunft dient, daß das Decret, welches aus ihrer Flucht Ludwig XVI., die Königin und die königliche Familie aufhielt, einen Namen an sich trug, der, bis dahin dunkel, auf eine glänzende Weise in der Geschichte des Anfangs vom 19ten Jahrhundert hervortreten sollte?



Die Königin nahm das Decret und las es, die Stirne gefaltet, die Lippen zusammengepreßt.



Dann nahm es der König wieder aus ihren Händen, um es abermals zu lesen, und nachdem er es zum zweiten Male gelesen, warf er es auf das Bett, wo unempfindlich für diese Erörterung, welche über ihr Loos entschied, der Dauphin und Madame Royale schliefen.



Doch bei diesem Anblick vermochte die Königin nicht länger an sich zu halten, sie stürzte gleichsam brüllend hinzu, ergriff das Papier, zerknitterte es in ihren Händen, warf es fern vom Bette und rief:



»Oh! mein Herr, nehmen Sie sich doch in Acht! ich will nicht, daß dieses Papier meine Kinder beflecke.«



Ein ungeheures Geschrei erhob sich im anstoßenden Zimmer. Die Nationalgarden machten eine Bewegung, um in das Zimmer einzudringen, in dem die erhabenen Flüchtlinge waren.



Dem Adjutanten des General Lafayette entschlüpfte ein Schreckensausruf.



Sein Gefährte stieß einen Wuthschrei aus.



»Ah!« brummte der Letztere zwischen den Zähnen, »man insultirt die Nationalversammlung, man insultirt die Nation, man insultirt das Volk! es ist gut!«



Und er wandte sich gegen diese Menschen um, welche, schon zum Streite angereizt, das erste Zimmer, bewaffnet mit Flinten, Säbeln und Sensen, füllten, und rief:

 



»Herbei, Bürger!«



Diese machten, um in das Zimmer einzudringen, eine zweite Bewegung, welche nur die Vervollständigung der ersten war, und Gott weiß, was aus dem Zusammenstoß der zwei Zornanfälle entspringen sollte, als Charny, der nur am Anfang der Scene die von uns erwähnten paar Worte gesprochen und seit dieser Zeit sich abseits gehalten hatte, vorstürzte, diesen unbekannten Nationalgarde in dem Augenblick, wo er die Hand an das Heft seines Säbels legte, beim Arme ergriff und ihm zurief:



»Ein Wort mit mi

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