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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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LXXVIII
Fliehen! stiehen! fliehen!

Von diesem Augenblick waren in der That die paar Stunden, welche Mirabeau noch lebte, nur ein Todeskampf.

Gilbert hielt nichtsdestoweniger das gegebene Versprechen und blieb bis zu seiner letzten Minute an sein Bett gefesselt.

So schmerzlich es sein mag, so ist es übrigens immer eine große Lehre für den Arzt und den Philosophen, das Schauspiel des letzten Kampfes zwischen der Materie und der Seele.

Je größer das Genie gewesen, desto interessanter ist es zu studiren, wie dieses Genie den Kampf gegen den Tod aushält, der es am Ende bändigen soll.

Dann fand die Seele des Doctors beim Anblick dieses verscheidenden großen Mannes noch eine andere Quelle düsterer Betrachtungen.

Warum starb Mirabeau, er, der Mann mit dem athletischen Temperamente, mit der herculischen Constitution?

Nicht, weil er die Hand ausgestreckt hatte, um diese Monarchie zu stützen und zu halten, welche dem Einsturze nahe war? Nicht, weil sich einen Augenblick an seinen Arm die Unglücksfrau gehängt hatte, die man Marie Antoinette nannte? Hatte ihm Cagliostro nicht etwas wie diesen Tod in Beziehung aus Mirabeau geweissagt, und diese zwei seltsamen Wesen, die er, das eine den Ruf, das andere die Gesundheit des großen Redners Frankreichs, der die Stütze der Monarchie geworden, tödtend getroffen hatte, waren sie nicht für ihn, Gilbert, ein Beweis, daß Alles, was ein Hinderniß bildete, wie die Bastille, vor diesem Manne oder vielmehr vor der Idee, die er vertrat, einstürzen mußte?

Während Gilbert in die tiefste Tiefe seiner peinlichen Gedanken versunken war, machte Mirabeau eine Bewegung und öffnete die Augen.

Er kehrte durch die Thüre des Schmerzes in das Leben zurück. Er versuchte es, zu sprechen; es war vergeblich. Doch weit entfernt, von diesem neuen Ungemache angegriffen zu sein, lächelte er, sobald er sich versichert hatte, daß seine Zunge stumm, und versuchte es, in seine Augen das Gefühl der Dankbarkeit übergehen zu lassen, das er für Gilbert und für diejenigen hegte, deren zarte Sorge ihn auf diesem letzten Wege, dessen Ziel der Tod war, begleitete.

Eine einzige Idee schien ihn indessen zu beschäftigen: Gilbert allein konnte sie errathen, und er errieth sie.

Der Kranke war nicht im Stande, die Dauer der Ohnmacht, aus welcher er so eben hervorgegangen, zu schätzen. Hatte sie eine Stunde, hatte sie einen Tag gedauert? Hatte während dieser Stunde oder während dieses Tages die Königin geschickt, um sich nach ihm zu erkundigen?

Man ließ das Verzeichniß heraufholen, das unten auflag, und in das Jeder, mochte er als Bote oder aus eigene Rechnung kommen, seinen Namen einschrieb.

Kein Name, der als zur königlichen Intimität gehörend bekannt war, deutete von dieser Seite eine verkleidete Theilnahme an.

Man ließ Teisch und Jean kommen und befragte sie; doch Niemand, weder ein Kammerdiener, noch ein Huissier, war erschienen.

Man sah nun, wie Mirabeau eine äußerste Anstrengung versuchte, eine von jenen Anstrengungen, wie sie der Sohn von Crösus machen mußte, als es ihm, da er seinen Vater vom Tode bedroht sah, gelang, die Bande, die seine Zunge fesselten, zu brechen und zu rufen: »Soldat, tödte Crösus nicht!«

Es glückte Mirabeau.

»Oh!« rief er, »sie wissen also nicht, daß sie verloren sind, wenn ich todt bin! Ich trage die Trauer der Monarchie mit mir fort, und aus meinem Grabe werden die Aufrührer die Fetzen davon unter sich theilen.«

Gilbert eilte aus den Kranken zu. Für einen geschickten Arzt ist Hoffnung vorhanden, so lange Leben vorhanden ist. Mußte er überdies nicht, und wäre es nur um diesem beredten Munde zu gestatten, noch ein paar Worte zusprechen, alle Mittel der Kunst anwenden?

Er nahm einen Löffel, goß darein von der grünlichen Flüssigkeit, von der er schon einmal Mirabeau ein Fläschchen gegeben hatte, ein paar Tropfen und hielt, ohne dies Mal den Trank mit Branntwein zu mischen, den Löffel an die Lippen des Kranken.

»Oh! lieber Doctor,« sagte dieser lächelnd, »wollen Sie, daß der Lebenstrank auf mich wirke, so geben Sie mir den Löffel voll oder das ganze Fläschchen.«

»Wie so?« fragte Gilbert, indem er Mirabeau fest anschaute.

»Glauben Sie,« erwiderte dieser, »ich der vorzugsweise Mißbraucher von Allem, habe diesen Lebensschatz in den Händen gehabt, ohne Mißbrauch damit zu treiben? Nein, ich habe Ihren Trank zersetzen lassen, mein lieber Aesculap, und ich fand, daß er aus der Wurzel des indischen Hauses gezogen wird, und dann habe ich nicht nur tropfenweise, sondern Löffel voll, nicht nur um zu leben, sondern auch um zu träumen, zu mir genommen.

»Unglücklicher! Unglücklicher,« murmelte Gilbert,«ich vermuthete es wohl, daß ich Ihnen Gift eingoß.«

»Süßes Gift, Doctor, mit dessen Hilfe ich die letzten Stunden meines Daseins verdoppelt, vervierfacht, verhundertfacht habe, durch das ich mit zweiundvierzig Jahren sterbend das Leben eines Hundertjährigen gelebt haben werde, durch das ich endlich im Traume Alles besessen habe, was mir in Wirklichkeit entging: Stärke, Reichthum, Liebe. Oh! Doctor! Doctor! bereuen Sie nicht, wünschen Sie sich im Gegentheil Glück. Gott hatte mir nur das reelle Leben, ein trauriges, armseliges, entfärbtes, wenig bedauernswerthes Leben gegeben, ein Leben, das man immer ihm als ein wucherisches Anlehen zurückzugeben geneigt sein mußte; Doctor, ich weiß nicht, oh ich Gott für das Leben Dank sagen soll, aber ich weiß, daß ich Ihnen für Ihr Gift danken muß  . . .  Füllen Sie doch den Löffel, Doctor, und geben Sie ihn mir.«

Gilbert that, was Mirabeau verlangte, und reichte ihm den Trank, den er mit Wonne zu sich nahm.

Nachdem er sodann einige Secunden geschwiegen, sagte er, als ob beim Herannahen der Ewigkeit der Tod erlaubte, daß sich für ihn der Schleier der Zukunft lüfte:

»Ah! Doctor, glücklich sind diejenigen, welche in diesem Jahre 1791 sterben werden! Sie werden von der Revolution nur ihr glänzendes und heiteres Gesicht gesehen haben. Bis heute hat nie eine größere Revolution weniger Blut gekostet; das ist so, weil sie sich bis heute nur in den Geistern bewerkstelligt hat, während der Augenblick kommen muß, wo sie in den Thatsachen und in den Dingen vor sich gehen wird. Vielleicht glauben Sie, sie werden mich dort in den Tuilerien beklagen; keines Wegs. Mein Tod entbindet sie einer eingegangenen Verpflichtung. Mit mir mußten sie aus eine gewisse Art regieren; ich war ihnen keine Stütze mehr, ich war ihnen ein Hinderniß: sie entschuldigte sich über mich bei ihrem Bruder.»»Mirabeau glaubt, er rathe mir,«« schrieb sie ihm, »»und er bemerkt nicht, daß ich ihn nur durch Versprechungen hinhalte.«« Oh! darum hätte ich haben mögen, daß sie meine Geliebte und nicht meine Königin gewesen wäre. Welche schöne Rolle, Doctor, hat in der Geschichte derjenige zu spielen, der mit einer Hand die junge Freiheit stützt und mit der andern Hand die alte Monarchie, der Beide nöthigt, denselben Schritt nach demselben Ziele, dem Glücke des Volks und der Achtung vor dem Königthum, zugehen! Vielleicht war das möglich, vielleicht war es ein Traum; doch diesen Traum; ich habe die Ueberzeugung, ich allein konnte ihn verwirklichen. Was mich schmerzt, Doctor, ist nicht, daß ich sterbe, sondern daß ich unvollständig sterbe, daß ich ein Werk unternommen habe und einsehe, daß ich dieses Werk nicht zum Ziele fuhren kann. Wer wird meine Idee verherrlichen, wenn sie zur Mißgeburt gemacht, verstümmelt, enthauptet ist? Was man von mir wissen wird, Doctor, ist gerade das, was man nicht wissen müßte: es ist mein unregelmäßiges, tolles, umherschweifendes Leben; was man von mir lesen wird, sind meine Briefe an Sophie, die Erotika-Biblion, die preußische Monarchie, Pamphlete und obscöne Bücher. Was man mir vorwerfen wird, ist, daß ich mit dem Hofe einen Vertrag gemacht habe, und man wird mir dies vorwerfen, weil aus diesem Vertrage nicht hervorgegangen ist, was daraus hätte hervorgehen sollen; mein Werk wird nur ein ungestalter Fötus, ein Ungeheuer sein, dem der Kopf fehlt, und man wird mich, der ich mit zweiundvierzig Jahren sterbe, beurtheilen, als ob ich ein Menschenleben gelebt hätte, mich, der ich mitten in einem Sturme verschwinde, als ob ich, statt genöthigt, unablässig auf den Wellen, das heißt, auf einem Abgrunde zu gehen, auf einer großen, solid mit Gesetzen, Verordnungen und Vorschriften gepflasterten Straße gegangen wäre. Doctor, wem werde ich, nicht mein verschleudertes Vermögen, ich habe keine Kinder und es ist folglich nichts daran gelegen, sondern mein verleumdetes Andenken vermachen, mein Andenken, das eines Tags Frankreich, Europa, der Welt zur Ehre gereichen konnte?, . .

»Warum haben Sie sich auch so sehr beeilt, zu sterben?« versetzte traurig Gilbert.

»Ja,« sprach Mirabeau, »es gibt in der That Augenblicke, wo ich mich das, was Sie mich fragen, selbst frage. Doch hören Sie mich wohl an; ich vermochte nichts ohne sie, und sie hat nicht gewollt. Ich hatte mich wie ein Alberner verbindlich gemacht; ich hatte wie ein Dummkopf geschworen, immer jenen unsichtbaren Flügeln meines Gehirns unterthan, die das Herz fortreißen, während sie, sie nichts geschworen, zu nichts sich verbindlich gemacht hat  . . .  Somit steht also Alles aus das Beste, Doctor, und wenn Sie mir Eines versprechen wollen, so wird kein Bedauern die paar Stunden, die ich noch zu leben habe, trüben.«

»Mein Gott! was kann ich Ihnen versprechen?«

»Nun denn, versprechen Sie mir, Doctor, wenn mein Uebergang von diesem Leben in das andere zu schwer, zu schmerzlich wäre, und nicht allein von einem Arzte, sondern von einem Menschen, von einem Philosophen erbitte ich mir das, versprechen Sie mir, daß Sie mich dabei unterstützen werden?«

»Warum richten Sie ein solches Verlangen an mich?«

»Ah! ich will es Ihnen sagen: obschon ich fühle, daß der Tod da ist, fühle ich doch auch, daß noch viel Leben in mir bleibt. Ich sterbe nicht todt, lieber Doctor, ich sterbe lebendig, und der letzte Schritt wird hart zu machen sein.«

 

Der Doctor neigte sein Gesicht auf das von Mirabeau und sagte:

»Mein Freund, ich habe Ihnen versprochen, Sie nicht zu verlassen; wenn Gott – und ich hoffe, daß dies nicht der Fall ist, – Ihr Leben verurtheilt hat, so überlassen Sie im äußersten Augenblick meiner tiefen Zärtlichkeit für Sie die Sorge, das zu vollbringen, was ich zu thun haben werde! Ist der Tod da, so werde ich auch da sein.«

Man hätte glauben sollen, der Kranke habe nur aus dieses Versprechen warten wollen. Er murmelte: »Ich danke Ihnen,« und fiel mit dem Kopfe aus sein Kissen zurück.

Dies Mal, trotz der Hoffnung, welche ein Arzt bis auf den letzten Tropfen in den Geist des Kranken zu gießen verpflichtet ist, zweifelte Gilbert nicht mehr.

Die reichliche Dosis Haschisch, welche Mirabeau zu sich genommen, hatte für einen Augenblick, wie die Erschütterung der Voltaischen Säule, mit dem Worte, dem Spiele der Muskeln, das Leben des Geistes, wenn man so sagen darf, welches dasselbe begleitet, zurückgegeben. Doch als er zu sprechen aufhörte, sanken die Muskeln zusammen, dieses Leben des Geistes verschwand, und der Tod, der sich schon seit der letzten Krise auf seinem Gesichte offenbart hatte, erschien hier wieder tiefer als je ausgeprägt.

Drei Stunden lang blieb seine eiskalte Hand in den Händen des Doctor Gilbert; drei Stunden lang, das heißt von vier bis sieben Uhr, war der Todeskampf ruhig, so ruhig, daß man Jedermann einlassen konnte. Man hätte glauben sollen, er schlafe.

Doch gegen acht Uhr fühlte Gilbert die eiskalte Hand des Kranken in seinen Händen schauern; dieses Schauern war so heftig, daß er sich nicht darin täuschen konnte.

»Ab!« sprach er. »der wahre Todeskampf beginnt.«

Und es hatte sich in der That die Stirne des Sterbenden mit Schweiß bedeckt; sein Auge hatte sich wieder geöffnet und einen Blitz geschlendert.

Er machte eine Bewegung, welche andeutete, daß er trinken wolle.

Man beeilte sich sogleich, ihm Wasser, Wein, Orangeade zu bieten.

Das war es nicht, was er wollte.

Er befahl durch einen Wink, ihm eine Feder, Tinte und Papier zu bringen.

Man gehorchte, sowohl um ihm zu gehorchen, als damit nicht ein Gedanke dieses großen Genies, nicht einmal die des Deliriums verloren gehen.

Er nahm die Feder und schrieb mit fester Hand die zwei Worte: »Schlafen, sterben.«

Das waren die zwei Worte von Hamlet.

Gilbert gab sich den Anschein, als verstünde er nicht.

Mirabeau ließ die Feder los, packte seine Brust mit vollen Händen, als wollte er sie zerbrechen, gab ein paar unarticulirte Schreie von sich, nahm wieder die Feder, machte eine übermenschliche Anstrengung, um dem Schmerz zu gebieten, sich einen Augenblick zu enthalten, und schrieb. »Die Schmerzen sind stechend, unerträglich geworden. Darf man einen Freund vielleicht Tage lang auf dem Rade lassen, während man ihm die Folter mit ein paar Tropfen Opium ersparen kann?«

Aber der Doctor zögerte. Ja, in äußersten Augen- blick würde er, wie er Mirabeau gesagt hatte, im Angesichte des Todes da sein, doch um den Tod zu bekämpfen, nicht um ihn zu unterstützen.

Die Schmerzen wurden immer heftiger; der Sterbende strengte sich an, rang die Hände, biß in sein Kopfkissen.

Endlich brachen sie die Bande der Lähmung.

»Ob! die Aerzte, die Aerzte!« rief er plötzlich. »Sind Sie nicht mein Arzt und mein Freund, Gilbert? Haben Sie mir nicht versprochen, nur die Schmerzen eines solchen Todes zu ersparen? Soll ich das Bedauern mit mir nehmen, daß ich Ihnen mein Vertrauen geschenkt? Gilbert, ich appellire an Ihre Freundschaft! ich appellire an Ihre Ehre.«

Und mit einem Seufzer, einem Stöhnen, einem Schmerzensschrei sank er wieder auf sein Kissen zurück.

Gilbert stieß auch einen Seufzer aus, reichte Mirabeau die Hand und sprach:

»Es ist gut, mein Freund, man wird Ihnen geben, was Sie verlangen.«

Und er nahm eine Feder und schrieb eine Verordnung, welche nichts Anderes war als eine starke Dosis Brustsyrup25 in destillirtem Wasser.

Doch kaum hatte er das letzte Wort geschrieben, als sich Mirabeau in seinem Bette aufsetzte, die Hand ausstreckte und die Feder verlangte.

Gilbert gab sie ihm schleunigst.

Da klammerte sich seine vom Tode zusammengezogene Hand an das Papier an, und er schrieb mit einer kaum lesbaren Schrift: »Fliehen! fliehen! fliehen!«

Fliehen! fliehen! fliehen!


Er wollte unterzeichnen, doch er war kaum im Stande, die vier ersten Buchstaben seines Namens zu schreiben, und er streckte abermals die Hand gegen Gilbert aus und murmelte:

»Für sie!«

Dann sank er ohne Bewegung, ohne Blick, ohne Hauch aus sein Kissen zurück.

Er war todt.

Gilbert näherte sich dem Bette, schaute ihn an, fühlte ihm den Puls, legte ihm die Hand aus das Herz, wandte sich sodann gegen die Zuschauer dieser erhabenen Scene um und sprach:

»Meine Herren, Mirabeau leidet nicht mehr.«

Und er drückte zum letzten Mal seine Lippen aus die Stirne des Todten, nahm das Papier, dessen Bestimmung er allein kannte, faltete es gewissenhaft zusammen, steckte es in seine Brusttasche und ging rasch weg, denn er dachte, er habe nicht das Recht, nur einen Augenblick länger, als die Zeit, die man brauchte, um von der Chaussée-d’Autin nach den Tuilerien zu gehen, die Ermahnung des erhabenen Todten zu behalten.

Einige Secunden, nachdem der Doctor Gilbert das Sterbezimmer verlassen hatte, erhob sich ein gewaltiges Geschrei auf der Straße: schon fing das Gerücht vom Tode von Mirabeau an sich zu verbreiten.

Bald trat ein Bildbauer ein: er war von Gilbert geschickt, um der Nachwelt das Bild des großen Redners in dem Augenblick, wo er in seinem Kampfe gegen den Tod unterlegen, zu bewahren.

Ein paar Minuten Ewigkeit hatten schon dieser Maske die Heiterkeit verliehen, welche eine mächtige Seele, wenn sie den Körper verläßt, auf die Physiognomie, die sie belebt hat, wiederscheint.

Mirabeau ist nicht todt, Mirabeau scheint einen Schlaf voll von Leben und lachenden Träumen zu schlafen.

LXXIX
Das Leichenbegängniß

Der Schmerz war unermeßlich, allgemein; in einem Augenblicke verbreitete er sich vom Mittelpunkte zum Umkreise, von der Rue de la Chaussée-d’Antin zu den Barrièren von Paris.

Es war halb neun Uhr Morgens.

Das Volk stieß ein ungeheures Geschrei aus: dann beauftragte es sich selbst, die Trauer zu decretiren.

Es lies nach den Theatern, zerriß ihre Zettel und schloß ihre Thüren.

Ein Ball fand cm demselben Abend in einem Hotel der Rue de la Chaussée-d’Antin statt; es stürmte das Hotel, zerstreute die Tänzer und zerbrach die musikalischen Instrumente.

Der Nationalversammlung wurde der Verlust, den sie erlitten, durch ihren Präsidenten angezeigt.

Sogleich bestieg Barère die Tribüne und verlangte, daß die Nationalversammlung im Protokoll dieses unglücklichen Tages das Zeugniß des Bedauerns, das sie dem Verluste dieses großen Mannes widme, niederlege und drang daraus, daß alle Mitglieder der Nationalversammlung eingeladen werden sollen, seinem Leichenbegängnisse beizuwohnen.

Am andern Tage, am 3. April, erschien der Director des Departement von Paris vor der Nationalversammlung, verlangte und erhielt, daß die Saint-Geneviève-Kirche als Pantheon, geweiht dem Begräbnisse großer Männer, errichtet, und daß Mirabeau zuerst darin begraben werde.

Bezeichnen wir hier dieses herrliche Decret der Nationalversammlung. Es ist gut, daß man in diesen Büchern, welche die Staatsmänner für frivol halten, weil sie das Unrecht haben, die Geschichte unter einer etwas weniger schwerfälligen Form als die, welche die Geschichtschreiber anwenden, zu lehren, es ist gut, sagen wir, daß man so oft als möglich und gleichviel wo, wenn es nur im Bereiche der Augen ist, diese Decrete findet, welche um so größer, als sie unwillkürlich der Berwunderung und der Dankbarkeit eines Volkes entrissen worden sind.

Es folgt hier das Decret in seiner ganzen Reinheit.

Die Nationalversammlung beschließt:

Art. I.

Das neue Sainte-Geneviève-Gebäude wird zur Aufnahme der Asche der großen Männer, von der Epoche der französischen Freiheit an, bestimmt sein.

Art. II

Der gesetzgebende Körper allein wird entscheiden, welchen Männern diese Ehre zuerkannt werden soll.

Art. III.

Honoré Riquetti Mirabeau wird dieser Ehre würdig erachtet.

Art. IV.

Die Legislatur kann in Zukunft diese Ehre nicht einem ihrer aus ihrem Kreise gestorbenen Mitglieder zuerkennen; sie kann nur durch die folgende Legislatur zuerkannt werden.

V.

Die Ausnahmen, welche in Beziehung, aus einige vor der Revolution gestorbene große Männer gestattet werden dürften, können nur durch den gesetzgebenden Körper gemacht werden.

Art. VI.

Das Directorium des Departement von Paris wird beauftragt, das Sainte-Geneviève-Gebäude rasch in den Stand zu setzen, seine Bestimmung zu erfüllen, und wird über dem Giebel die Worte eingraben lassen.

Den großen Männern das dankbare

Vaterland.

Art. VII.

Bis die neue Sainte-Geneviève-Kirche vollendet ist, wird der Leib von Riquetti Mirabeau neben der Asche von Descartes in der Gruft der Sainte-Geneviève-Kirche niedergelegt.

Das Pantheon ist seitdem der Gegenstand verschiedener Decrete gewesen; wir fuhren sie ohne Commentare neben einander oder vielmehr hinter einander an.

Decret vom 20. Februar 1796.26

Ordonnanz vom 12. December 1821.27

 

Ordonnanz vom 28. August 1830.28

Decret vom 8. December 1851.29

Am andern Tage um vier Uhr Nachmittags, verließ die ganze Nationalversammlung den Saal der Reitbahn, um sich nach dem Hotel von Mirabeau zu begeben; sie wurde hier erwartet vom Director des Departement, von allen Ministern und von mehr als hunderttausend Personen. Doch von diesen hunderttausend Personen war nicht eine einzige speciell im Auftrage der Königin gekommen.

Der Zug setzte sich in Bewegung.

Lafayette ritt an der Spitze als General-Commandant der Nationalgarden des Königreichs.

Dann kam der Präsident der Nationalversammlung Tronchet, königlich umgeben von zwölf Huissiers von der Kette.

Dann folgten die Minister.

Dann, die Nationalversammlung, ohne Unterschied der Partei. Sieyès gab den Arm Charles von Lameth.

Dann, nach der Nationalversammlung, der Club der Jacobiner als eine zweite Nationalversammlung; er hatte sich durch einen ohne Zweifel mehr prunkhaften als wahren Schmerz bemerkbar gemacht; er hatte acht Tage Trauer beschlossen, und Robespierre, der zu arm, um Geld für einen Frack auszugeben, hatte einen entlehnt, wie er es schon bei der Trauer um Franklin gethan.

Dann die ganze Bevölkerung von Paris, in zwei Linien von Nationalgarden eingeschlossen, die sich auf mehr als dreißigtausend Mann beliefen.

Eine Trauermusik, bei der man zum ersten Male zwei bis dahin unbekannte Instrumente, den Trombone und den Tamtam, hörte, bezeichnete dieser ungeheuren Menge den Schritt.

Erst um acht Uhr kam man zu Saint-Eustache.

Die Leichenrede wurde von Cerutti gesprochen; beim letzten Worte feuerten zehntausend Mann der Nationalgarde, die sich in der Kirche befanden, mit einem Schusse ihre Flinten ab. Die Nationalversammlung, welche auf dieses Feuern nicht gefaßt war, gab einen gewaltigen Schrei von sich. Die Erschütterung war so heftig gewesen, daß nicht eine Scheibe unversehrt blieb. Man hätte einen Augenblick glauben können, das Gewölbe stürze ein, und die Kirche werde dem Sarge als Grab dienen. Man setzte sich mit Fackeln wieder in Bewegung; die Finsterniß war herabgestiegen und hatte sich nicht nur der Straßen, durch welche man zog, sondern auch der Herzen bemächtigt.

Der Tod von Mirabeau war in der That eine politische Finsterniß. Wußte man, da Mirabeau todt war, welchen Weg man betreten sollte? Der geschickte Bändiger war nicht mehr da, um die ungestümen Renner zu lenken, welche man den Ehrgeiz und den Haß nennt. Man fühlte, daß er etwas mit sich genommen, was fortan der Nationalversammlung fehlen würde: den mitten im Kriege wachenden Genius des Friedens, die unter der Heftigkeit des Geistes verborgene Herzensgüte. Alle Welt hatte bei diesem Tode verloren; die Royalisten hatten keinen Stachel, die Revolutionäre keinen Zügel mehr. Fortan würde der Wagen rascher rollen, und der Abhang war noch lang. Wer konnte sagen, wohin man rollte, und ob es gegen den Triumph oder gegen den Abgrund war?

Man erreichte das Pantheon erst um Mitternacht.

Ein einziger Mensch hatte beim Zuge gefehlt, Pétion.

Warum war Pétion weggeblieben? Er sagte es selbst am andern Tage denjenigen von seinen Freunden, welche ihm seine Abwesenheit zum Vorwurf machten.

Et behauptete, den Plan einer contrerevolutionären Verschwörung, geschrieben von der Hand von Mirabeau, gelesen zu haben.

Drei Jahre nachher, an einem düstern Herbsttage, nicht mehr im Saale der Reitbahn, sondern im Saale der Tuilerien, als der Convent, nachdem er den König getödtet, nachdem er die Königin getödtet, nachdem er die Girondisten getödtet, nachdem er die Cordeliers getödtet, nachdem er die Jacobiner getödtet, nachdem er die Montaguards getödtet, nachdem er sich selbst getödtet, nichts Lebendiges mehr zu tödten hatte, fing er an die Todten zu tödten. Da erklärte er mit wilder Freude, er habe sich in dem Urtheile, das er über Mirabeau gefällt, getäuscht, und in seinen Augen könne das Genie die Corruption nicht verzeihbar machen.

Es wurde ein neues Decret erlassen, das Mirabeau vom Pantheon ausschloß. Es kam ein Huissier, verlas aus der Schwelle des Tempels das Decret, welches Mirabeau unwürdig erklärte, das Grab von Voltaire, Rousseau, Descantes zu theilen, und forderte den Hüter der Kirche aus, ihm den Leichnam zu übergeben.

So rief eine Stimme furchtbarer als die, welche im Thale Josaphat ertönt haben soll, vor der Stunde:

»Pantheon, gib deine Todten zurück!«

Das Pantheon gehorchte; der Leichnam von Mirabeau wurde dem Huissier übergeben, der, wie er selbst sagte, den genannten Sarg an den gewöhnlichen Ort der Begräbnisse bringen und hier bestatten ließ.

Der gewöhnliche Ort der Begräbnisse war aber Clamart, der Friedhof der Hingerichteten.

Und, ohne Zweifel, um die Strafe, die ihn selbst im Tode aussuchen sollte, noch erschrecklicher zu machen, wurde der Sarg nächtlicher Weile und ohne Gefolge, ohne irgend ein Anzeichen des Begräbnißortes, ohne Krenz, ohne Stein, ohne Inschrift beerdigt.

Nur führte später ein alter Todtengräber, befragt von einem von jenen Geistern, welche begierig sind, das zu erfahren, was die Andern nicht wissen, eines Abends einen Mann durch den trostlosen Gottesacker, blieb in der Mitte desselben stehen, stieß mit dem Fuße auf den Boden und sagte:

»Hier ist es.«

Dann, als der Neugierige weiter in den Todtengräber drang, um Gewißheit zu erhalten, wiederholte dieser:

»Hier ist es, ich stehe dafür, denn ich habe ihn in sein Grab versenken helfen und wäre beinahe selbst nachgerollt, so schwer war sein verfluchter bleierner Sarg.«

Dieser Mann war Nodier. Eines Tags führte er mich auch nach Clamart, stieß mit dem Fuße auf denselben Ort und sagte zu mir:

»Hier ist es.«

Es sind aber nun mehr als fünfzig Jahre, daß die Generationen, die sich gefolgt, über dieses unbekannte Grab von Mirabeau hinschreiten. Ist das nicht eine hinreichend lange Sühne für ein bestreitbares Verbrechen, welches viel mehr das der Feinde von Mirabeau, als das von Mirabeau selbst war, und wird es nicht Zeit sein, bei der ersten Gelegenheit diese unreine Erde, in der er ruht, zu durchwühlen, bis man den bleiernen Sarg findet, der so schwer in den Armen des Todtengräbers lastete, und an dem man den Geächteten des Pantheon erkennen wird?

Vielleicht verdient Mirabeau das Pantheon nicht, doch sicherlich ruhen Viele in christlicher Erde und werden Viele darin ruhen, welche das Hochgericht mehr als er verdienen.

Frankreich! zwischen dem Hochgerichte und dem Pantheon ein Grab für Mirabeau! mit seinem Namen statt jeder Grabschrift, mit seiner Büste statt jeder Verzierung, mit der Zukunft statt jedes Richters!

25Der Brustsyrup wird aus den Köpfen des weißen Mohns bereitet.
26(Der Titel I. dieses Decrets bestimmt die Kirche von Saint-Denis zum Begräbniß der Kaiser.) Titel II. Art. VII. Die Saint-Geneviève-Kirche wird vollendet und dem Gottesdienste, gemäß der Absicht des Stifters, unter der Anrufung der heiligen Geneviève, der Partronin von Paris, zurückgegeben werden. Art. VIII. Sie wird die Bestimmung, die ihr die constituirende Versammlung gegeben, behalten und geweiht sein dem Begräbnisse der Großwürdenträger des Reichs und der Krone, der Senatoren, der Großofficiere der Ehrenlegion und, kraft unserer speciellen Beschlüsse, der Bürger, welche in der Laufbahn der Waffen, oder der Administration, oder der Wissenschaften dem Vaterlande ausgezeichnete Dienste geleistet haben; ihre Leiber sollen, einbalsamirt, in der Kirche begraben werden. Art. IX. Die im Museum der französischen Monumente aufbewahrten Grabmäler sollen in diese Kirche versetzt und hier nach der Ordnung von Jahrhunderten aufgestellt werden. Art. X. Das erzbischöfliche Kapitel von Notre-Dame wird, vermehrt durch sechs Mitglieder, beauftragt sein, den Gottesdienst der Sainte-Geneviève-Kirche zu versehen. Mit der Obhut über diese Kirche wird speciell ein unter den Domherrn gewählter Erzpriester betraut werden. Art. XI. Es wird hier feierlicher Gottesdienst gehalten werden, am 3. Januar, dem Feste der heiligen Geneviève, am 15. August, dem Feste des heiligen Napoleon und dem Jahrestage des Abschlusses des Concordats, am Aller-Seelen-Tage und am ersten Sonntag des December, als am Jahrestage der Krönung und der Schlacht von Austerlitz, und so oft Beerdigungen im Vollzuge gegenwärtigen Decrets stattfinden werden. Jede andere religiöse Function kann in genannter Kirche nur kraft unseres Gutheißens geübt werden. Unterz,: Napoleon.
27»Ludwig von Gottes Gnaden, König von Frankreich und Navarra. »Allen denjenigen, welchen Gegenwärtiges zu Gesicht kommt, unsern Gruß. »Die Kirche, welche unser Großvater Ludwig XV. unter Anrufung der heiligen Geneviève zu bauen angefangen, ist glücklich vollendet, und wenn sie noch nicht alle Ornamente erhalten hat, die ihre Herrlichkeit krönen sollen, so ist sie doch in einem Zustande, der den Gottesdienst darin zu feiern gestattet. Darum, und um nicht länger die Erfüllung der Intentionen ihres Stifters zu verzögern und seinen und unseren Absichten gemäß den Cultus der Patronin wiederherzustellen, deren Beistand unsere gute Stadt Paris in allen ihren Nöthen anzuflehen pflegte; »Haben wir verordnet und verordnen wir, auf den Bericht unseres Ministers des Innern und nach Anhörung unseres Geheimraths, wie folgt: Art. 1. »Die von Ludwig XV. zu Ehren der heiligen Geneviève, der Patronin von Paris, gestiftete neue Kirche wird unverzüglich der Uebung des Gottesdienstes unter der Anrufung dieser Heiligen geweiht sein. Sie ist zu diesem Ende zur Verfügung des Erzbischofs von Parts gestellt, der darin den Gottesdienst durch Geistliche, welche er zu bezeichnen hat, wird versehen lassen. Art. 2. »Es wird später über den regelmäßigen und beständigen Dienst, der gehalten werden soll, sowie über die Natur des Dienstes festgestellt und verordnet werden. Unterz.: Ludwig.
28»In Betracht, daß es der nationalen Gerechtigkeit und der Ehre Frankreichs angemessen ist, daß die großen Männer, welche sich um das Vaterland, zu seiner Ehre und seinem Ruhme beitragend, wohl verdient gemacht haben, nach ihrem Tode ein glänzendes Zeugniß der öffentlichen Hochachtung und Dankbarkeit empfangen; »In Betracht, daß um dieses Ziel zu erreichen, den Gesetzen, welche dem Pantheon diese Bestimmung angewiesen haben, wieder Kraft gegeben werden muß; »Haben wir verordnet und verordnen wir, wie folgt: Art. l. »Das Pantheon wird seiner ursprünglichen und gesetzlichen Bestimmung zurückgegeben werden. Die Inschrift: Den großen Männern das dankbare Vaterland wird an seinem Giebel wiederhergestellt werden. Die Ueberreste der großen Männer, die sich um das Vaterland wohl verdient gemacht haben, sollen darin niedergelegt werden. Art, 2. »Es werden Maßregeln getroffen werden, um zu bestimmen, unter welchen Bedingungen und in welcher Form dieses Zeugniß der nationalen Dankbarkeit im Namen des Vaterlands zuerkannt werden soll. Eine Commission wird unmittelbar beauftragt werden, einen Gesetzesentwurf zu diesem Ende vorzubereiten. Unterz,: Louis Philipp.«
29»Der Präsident der Republik, u.s.w. »Decretirt: Art, l. »Die alte Saint-Geneviève-Kirche wird dem Gottesdienste, gemäß der Intention ihres Stifters, unter der Anrufung der heiligen Geneviève, der Patronin von Paris, zurückgegeben. Es werden später Maßregeln getroffen werden, um die beständige Uebung des katholischen Cultus in dieser Kirche zu regeln. Art. 2. »Die Ordonnanz vom 26. August 1830 ist aufgehoben. Art. 3. »Der Minister des öffentlichen Unterrichts und des Cultus und der Minister der öffentlichen Arbeiten sind mit dem Vollzuge gegenwärtigen Decrets beauftragt.« »Unterz.: Louis Napoleon.«
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