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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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XXIII
Bei der Königin

Charny ging, das Herz voll von entgegengesetzten Gefühlen, vom König weg.

Aber das erste von diesen Gefühlen, das, welches aus die Oberfläche dieser stürmisch in seinem Gehirne rollenden Gedankenwogen stieg, war die tiefe Dankbarkeit, die er für das grenzenlose Vertrauen empfand, das der König ihm bezeigt hatte.

Dieses Vertrauen legte ihm in der That Pflichten auf, welche um so heiliger, als sein Gewissen entfernt nicht stumm war bei der Erinnerung an das Unrecht, das er gegen diesen würdigen König hatte, der im Augenblicke der Gefahr seine Hand auf seine Schulter als aus eine treue und redliche Stütze ausstreckte.

Je mehr auch Charny im Grunde seines Herzens sein Unrecht gegen seinen Herrn anerkannte, desto mehr war er bereit, sich für ihn zu opfern.

Und je mehr dieses Gefühl ehrfurchtsvoller Ergebenheit im Herzen des Grafen wuchs, desto mehr nahm das minder reine Gefühl ab, das er Tage, Monate, Jahre lang der Königin gewidmet hatte.

Darum hatte Charny, ein erstes Mal zurückgehalten durch eine unbestimmte Hoffnung, welche mitten unter Gefahren geboren ward, wie jene Blumen, die aus Abstürzen erblühen und mit ihren Wohlgerüchen die Abgründe erfüllen, – eine Hoffnung, die ihn instinktartig zu Andrée zurückgeführt, – nachdem diese Hoffnung verloren war. voll Eifer eine Sendung ergriffen, die ihn vom Hofe entfernte, wo er die doppelte Qual empfand, noch von der Frau geliebt zu werden, die er nicht mehr liebte, und noch nicht geliebt zu werden, – er glaubte es wenigstens – von der Frau, die er schon liebte.

Die Kälte benutzend, welche seit einigen Tagen in seinem Verhältnis, zur Königin eingetreten war, kehrte er nach seinem Zimmer zurück, entschlossen, ihr seine Abreise durch einen einfachen Brief anzukündigen, als er an seiner Thüre Weber fand, der aus ihn wartete.

Die Königin wollte ihn sprechen und wünschte ihn aus der Stelle zu sehen.

Es war nicht möglich, sich diesem Wunsche der Königin zu entziehen.

Die Wünsche der gekrönten Häupter sind Gebote.

Charny gab seinem Kammerdiener einige Befehle, beauftragte ihn, die Pferde an seinen Wagen anspannen zu lassen, und folgte dem Milchbruder der Königin auf dem Fuße.

Marie Antoinette war in einer geistigen Stimmung, welche ganz der von Charny entgegengesetzt; sie hatte sich ihrer Härte gegen den Grafen erinnert, und bei der gleichzeitigen Erinnerung an die aufopfernde Ergebenheit, die er in Versailles gezeigt, beim Anblick, – denn dieser Anblick war ihr stets gegenwärtig, – beim Anblick des quer über den Corridor vor ihrem Zimmer ausgestreckten, mit Blut bedeckten Bruders von Charny fühlte sie etwas wie einen Gewissensbiß, und sie gestand sich selbst, angenommen, Charny habe ihr nur Ergebenheit gezeigt, so habe sie ihm diese Ergebenheit schlecht belohnt.

Aber hatte sie nicht auch das Recht, von Charny etwas Anderes zu verlangen, als Ergebenheit.

Hatte Charny wirklich, wenn sie es wohl überlegte, gegen sie all das Unrecht, was sie ihm aufbürdete?

Mußte sie nicht aus Rechnung der brüderlichen Trauer jene Art von Gleichgültigkeit setzen, die er bei seiner Rückkehr von Versailles an den Tag gelegt? Ueberdies bestand diese Gleichgültigkeit nicht nur auf der Oberfläche, und, eine unruhige Liebende, hatte sie sich vielleicht zu sehr beeilt, Charny zu verurtheilen, als sie ihm die Sendung nach Turin angetragen, um ihn von Andrée zu entfernen, welche Sendung er ausgeschlagen? Ihre erste Bewegung, eine eifersüchtige, schlimme Bewegung, war gewesen, diese Weigerung werde veranlaßt durch die entstehende Liebe des Grafen für Andrée und durch seinen Wunsch, bei seiner Frau zu bleiben; und in der That, dieser, welche um sieben Uhr aus den Tuilerien abgegangen, war zwei Stunden später ihr Gatte bis in ihren Zufluchtsort in der Rue Coq-Héron gefolgt. Doch die Abwesenheit von Charny hatte nicht lange gedauert; auf den Schlag neun Uhr war er ins Schloß zurückgekehrt; dann, sobald er zurückgekehrt war hatte er die aus drei Zimmern bestehende Wohnung, welche man auf Befehl des Königs für ihn in Bereitschaft gesetzt, ausgeschlagen und sich mit der Mansarde begnügt, die für seinen Bedienten bezeichnet gewesen.

Anfangs hatte diese ganze Combination der armen Königin eine Combination geschienen, bei der ihre Eitelkeit und ihre Liebe Alles zu leiden hätten; doch die strengste Nachforschung hatte Charny nicht außerhalb des Palastes ertappen können, angenommen in Angelegenheiten seines Dienstes, und es war völlig erwiesen, in den Augen der Königin, wie in den Augen der anderen Bewohner des Palastes, daß seit seiner Rückkehr nach Paris und seinem Eintritt ins Schloß Charny kaum sein Zimmer verlassen hatte.

Es war andererseits auch erwiesen, daß seit ihrem Abgange aus dem Schlosse Andrée nicht wieder darin erschienen.

Hatten sich Andrée und Charny gesehen, so war es nur eine Stunde, an dem Tage, wo der Graf die Sendung nach Turin ausgeschlagen.

Allerdings hatte während dieser ganzen Periode Charny eben so wenig die Königin zu sehen gesucht; aber würde nicht, statt in dieser Fernhaltung ein Zeichen von Gleichgültigkeit zu erkennen, ein hellsehender Blick darin im Gegentheil einen Beweis von Liebe finden?

Hatte sich nicht Charny, verletzt durch den ungerechten Verdacht der Königin, nicht aus einem Uebermaß von Kälte, sondern aus einem Uebermaß von Liebe beiseit halten können?

Denn die Königin gab selbst zu, daß sie ungerecht und hart gegen Charny gewesen; ungerecht, daß sie ihm zum Vorwurf gemacht, er sei während jener erschrecklichen Nacht vom 5. auf den 6. October beim König geblieben, statt bei ihr zu bleiben, und er habe zwischen zwei Blicken für sie einen für Andrere gehabt; hart, daß sie nicht mit einem zärtlicheren Herzen den tiefen Schmerz getheilt, den Charny beim Anblick seines todten Bruders empfunden.

Es ist übrigens bei jeder tiefen und ächten Liebe so; gegenwärtig, erscheint das Wesen, das der Gegenstand derselben ist, in den Augen von dem Theile, welcher glaubt, er habe sich zu beklagen, mit allen Rauhheiten der Gegenwart. In dieser kurzen Distanz erscheinen alle Vorwürfe, die man ihm machen zu dürfen glaubt, begründet; Mängel des Charakters, Bizarrerien des Geistes, Vergessungen des Herzens, Alles erscheint wie durch ein Vergrößerungsglas; man begreift nicht, warum man so lange diese Liebesdefectuositäten nicht gesehen und sie so lange ertragen hat. Doch der Gegenstand dieser unheilvollen Erforschung entfernt sich freiwillig oder mit Gewalt; kaum ist er entfernt, so verschwinden diese Rauhheiten, welche von nahe verwundeten wie Dorne; die zu harten Umrisse verwischen sich; der zu strenge Realismus fällt unter dem poetischen Hauche der Entfernung und im liebkosenden Blicke der Erinnerung; Man richtet nicht mehr, man vergleicht, man kommt aus sich selbst zurück mit einer Strenge nach Maaßgabe der Nachsicht, die man für den Andern fühlt, von dem man anerkennt, man habe ihn schlecht geschätzt, und das Resultat von dieser ganzen Arbeit des Herzens ist, daß nach einer Abwesenheit von acht bis zehn Tagen die abwesende Person uns theurer und nothwendiger scheint, als je.

Wohl verstanden, wir setzen voraus, daß keine andere Liebe diese Abwesenheit benutzt, um im Herzen den Platz der ersten einzunehmen.

Dies war also die Gesinnung der-Königin in Beziehung auf Charny, als die Thüre sich öffnete und der Graf, der, wie wir gesehen, aus dem Cabinet des Königs kam, in der tadellosen Haltung eines Officiers im Dienste eintrat.

In seiner, immer so tief ehrfurchtsvollen, Haltung lag aber zugleich etwas so Eisiges, was die magnetischen Ausflüsse zurückzustoßen schien, welche bereit waren, aus dem Herzen der Königin hervorzustürzen, um im Herzen von Charny alle die süßen, zärtlichen oder schmerzlichen Erinnerungen aufzusuchen, die sich darin seit vier Jahren aufgehäuft, nach Maaßgabe, wie die abwechselnd langsame oder rasche Zeit aus der Gegenwart die Vergangenheit und aus der Zukunft die Gegenwart gemacht hatte.

Charny verbeugte sich und blieb beinahe auf der Schwelle.

Die Königin schaute umher, als wollte sie sich fragen, welche Ursache den jungen Mann am andern Ende des Gemaches zurückhalte, und als sie sich versichert hatte, der Wille von Charny sei die einzige Ursache seiner Entfernung, sagte sie:

»Treten Sie näher, Herr von Charny, wir sind allein.«

Charny näherte sich. Dann sprach er mit einer sanften, aber zugleich so festen Stimme, daß man unmöglich die geringste Bewegung darin erkennen konnte:

»Hier bin ich zu den Befehlen Eurer Majestät, Madame.«

»Graf,« versetzte die Königin mit ihrem liebevollsten Tone, »haben Sie nicht gehört, daß ich Ihnen sagte, wir seien allein?«

»Doch, Madame,« erwiederte Charny; »aber ich sehe nicht ein, in welcher Hinsicht diese Einsamkeit die Weise ändern kann, in der ein Unterthan mit seiner Fürstin zu sprechen hat.«

»Als ich Sie holen ließ, Graf, und von Weber hörte, Sie folgen ihm, glaubte ich, es wäre ein Freund, welcher käme, um mit einer Freundin zu reden.«

Ein bitteres Lächeln trat leicht aus den Lippen von Charny hervor.

»Ja, Graf,« sprach die Königin, »ich begreife dieses Lächeln, und ich weiß, was Sie sich innerlich sagen. Sie sagen sich, ich sei ungerecht in Versailles gewesen, und in Paris sei ich launenhaft.«

»Ungerechtigkeit oder Laune, Madame,« versetzte Charny, »Alles ist einer Frau erlaubt, um so viel mehr einer Königin.«

»Ei! mein Gott! mein Freund,« sprach Marie Antoinette mit allem Zauber, den sie in ihre Augen und ihre Stimme legen konnte, »Sie wissen wohl Eines: daß, – die Laune mag von der Frau oder von der Königin kommen, – die Königin Sie nicht als Rath, die Frau Sie nicht als Freund entbehren kann.«

Und sie reichte ihm ihre zarte, weiße Hand, welche, wenn auch ein wenig abgemagert, immer noch würdig war, als Modell für einen Bildhauer zu dienen.

 

Charny nahm diese königliche Hand und schickte sich, nachdem er sie ehrerbietig geküßt, an, sie wieder fallen zu lassen, als er fühlte, daß Marie Antoinette die seinige zurückhielt.

»Nun wohl, ja,« sprach die arme Frau, durch diese Worte aus die Bewegung antwortend, die er gemacht, »nun wohl, ja, ich bin ungerecht, mehr als ungerecht, ich bin grausam gewesen, mein lieber Graf! Sie haben in meinem Dienste einen Bruder verloren, den Sie mit väterlicher Zärtlichkeit liebten; dieser Bruder war für mich gestorben; ich mußte ihn mit Ihnen beweinen; in jenem Moment haben der Schrecken, der Zorn, die Eifersucht, – was wollen Sie, Charny, ich bin Weib! – die Thränen in meinen Augen zurückgehalten  . . . Als ich aber allein geblieben, während der zehn Tage, wo ich Sie nicht gesehen, habe ich Ihnen weinend meine Schuld bezahlt, und zum Beweise, schauen Sie mich an, mein Freund, ich weine noch,« fügte Marie Antoinette bei.

Und sie warf leicht ihren schönen Kopf zurück, damit Charny ihre wie Diamanten durchsichtigen Thränen in der Furche, welche der Schmerz in ihren Wangen zu graben anfing, herabrollen sehen könnte.

Ach! hätte Charny wissen können, welche Menge von Thränen denen, die vor ihm floßen, folgen sollte, er wäre ohne Zweifel, von einem ungeheuren Mitleid bewegt, vor der Königin auf die Kniee gefallen und hätte sie um Verzeihung gebeten für das Unrecht, das sie gegen ihn hatte.

Doch die Zukunft ist, durch die Erlaubniß des barmherzigen Gottes, in einen Schleier gehüllt, den keine Hand aufheben, kein Blick vor der Stunde durchdringen kann, und der schwarze Stoff, aus welchem das Geschick den von Marie Antoinette gemacht hatte, schien noch genug mit goldenen Stickereien geschmückt zu, sein, daß man nicht bemerkte, es sei ein Trauerstoff . . .

»Glauben Sie mir, Madame,« sprach Charny, »ich bin sehr dankbar für diese Erinnerung, die sich an mich wendet, und für diesen Schmerz, der sich an meinen Bruder wendet; leider habe ich kaum die Zeit, Ihnen meine Dankbarkeit auszudrücken  . . .«

»Wie so, und was wollen Sie hiermit sagen?« fragte Marie Antoinette erstaunt.

»Ich will hiermit sagen, daß ich Paris in einer Stunde verlasse.«

»Sie verlassen Paris in einer Stunde?«

»Ja, Madame.«

»Oh! mein Gott! verlassen Sie uns wie die Andern?« rief die Königin. »Wandern Sie aus, Herr von Charny?«

»Ach!« erwiederte Charny, »Eure Majestät hat mir durch diese grausame Frage bewiesen, daß ich, allerdings ohne mein Wissen, viel Unrecht gegen sie gehabt habe.«

»Verzeihen Sie, mein Freund, Sie sagen mir, Sie reisen ab . . . Warum reisen Sie?«

»Um eine Sendung zu vollbringen, mit welcher mich der König zu beauftragen mir die Ehre erwiesen hat.«

»Und Sie verlassen Paris?« fragte die Königin mit Bangigkeit.

»Ich verlasse Paris, ja, Madame.«

»Auf wie lange?«

»Ich weiß es nicht.«

»Aber vor acht Tagen schlugen Sie eine Sendung aus, wie mir scheint?«

»Das ist wahr, Madame.«

»Warum, nachdem Sie vor acht Tagen eine Sendung ausgeschlagen, nehmen Sie heute eine an?«

»Weil in acht Tagen, Madame, viele Veränderungen in der Existenz eines Menschen und in Folge hiervon in seine Entschließungen eintreten können.«

Die Königin schien eine Anstrengung mit ihrem Willen und zugleich mit den verschiedenen Organen zu machen, welche diesem Willen unterthan und ihn zu übertragen betraut sind.

»Und Sie reisen allein?« fragte sie.

»Ja, Madame, allein.«

Marie Antoinette athmete.

Dann sank sie, wie gelähmt durch die Anstrengung, die sie gemacht, einen Moment auf sich selbst zusammen, schloß die Augen, strich mit ihrem Batisttaschentuch über ihre Stirne und fragte noch:

»Und wohin gehen Sie so?«

»Madame,« erwiederte Charny ehrerbietig, »der König, ich weiß es, hat keine Geheimnisse für Eure Majestät: die Königin frage ihren erhabenen Gemahl sowohl nach dem Zwecke meiner Reise, als nach dem Gegenstande meiner Sendung, und ich bezweifle nicht eine Secunde, daß er ihr Beides sagt.«

Marie Antoinette öffnete die Augen wieder und heftete einen erstaunten Blick auf Charny.

»Warum sollte ich mich aber an ihn wenden, da ich mich an Sie wenden kann?« sagte sie.

»Weil das Geheimnis, das ich in mir trage, das des Königs ist, Madame, und nicht das meinige.«

»Mein Herr,« versetzte Marie Antoinette mit einer gewissen Hoheit, »mir scheint, wenn es das Geheimniß des Königs ist, so ist es auch das der Königin.«

»Ich bezweifle es durchaus nicht, Madame,« erwiederte Charny, indem er sich verbeugte; »darum getraue ich mich auch Eure Majestät zu versichern, der König werde keine Schwierigkeit machen, es ihr anzuvertrauen.«

»Ist aber diese Sendung im Inneren von Frankreich oder nach dem Auslande?«

»Der König allein kann Eurer Majestät hierüber die Aufklärung geben, die sie verlangt.«

»Also,« sprach die Königin mit einem tiefen Schmerze, der für den Augenblick die Oberhand über die Gereiztheit gewann, welche in ihr die Zurückhaltung von Charny verursachte, »also Sie reisen, Sie entfernen sich von mir, Sie werden ohne Zweifel Gefahren preisgegeben sein, und ich werde weder wissen, wo Sie sind, noch welche Gefahren Sie lausen!«

»Madame, wo ich auch sein mag, Sie werden da, wo ich bin, darauf kann ich Ihnen einen Eid schwören, einen getreuen Unterthan, ein ergebenes Herz haben, und welchen Gefahren ich mich auch aussetze, sie werden mir süß sein, da ich mich ihnen für den Dienst der zwei Häupter aussetze, die ich am meisten aus der Welt verehre.«

Und der Graf verbeugte sich und schien, um sich zurückzuziehen, nur die Erlaubniß der Königin zu erwarten.

Die Königin stieß einen Seufzer aus, der einem unterdrückten Schluchzen glich, nahm ihren Hals in die Hand, als wollte sie ihren Thränen wieder in ihre Brust hinabsteigen helfen, und sagte dann:

»Es ist gut, mein Herr, gehen Sie.«

Charny verbeugte sich abermals und ging festen Schrittes nach der Thüre.

Doch in dem Augenblick, wo der Graf die Hand aus den Drücker legte, rief die Königin, die Arme gegen ihn ausstreckend:

»Charny!«

Der Graf bebte und wandte sich erbleichend um.

»Charny,« fuhr Marie Antoinette fort, »kommen Sie hierher!«

Er näherte sich schwankend.

»Kommen Sie hierher, näher,« fügte die Königin bei, »schauen Sie mir in’s Gesicht . . .Nicht wahr, Sie lieben mich nicht mehr?«

Charny fühlte einen ganzen Schauer seine Adern durchlaufen; er glaubte einen Augenblick in Ohnmacht zu sinken.

Es war dies das erste Mal, daß die hochmüthige Frau, die stolze Fürstin sich vor ihm beugte.

Unter allen andern Umständen, in jedem andern Moment wäre er vor Marie Antoinette aus die Kniee gefallen und hätte sie um Verzeihung gebeten: aber die Erinnerung an das, was zwischen ihm und dem König vorgegangen, hielt ihn aufrecht, und alle seine Kräfte zusammenfassend, erwiederte er:

»Madame, nach den Zeichen des Vertrauens und der Güte, mit denen mich der König überhäuft hat, wäre ich wahrhaftig ein Elender; wenn ich Eure Majestät nicht einzig und allein meiner Ergebenheit und meiner Ehrfurcht versichern würde.«

»Es ist gut, Graf,« sprach die Königin, »Sie sind drei, gehen Sie,«

Einen Augenblick war Charny von einem unwiderstehlichen Verlangen, der Königin zu Füßen zu stürzen, erfaßt, doch die unbesiegbare Redlichkeit, die in ihm wohnte, schlug, ohne sie zu vertilgen, die Reste dieser Liebe nieder, die er erloschen glaubte, während sie auf dem Punkte war, sich glühender als je wiederzubeleben.

Er eilte also aus dem Zimmer, eine Hand auf der Stirne, die andere aus seiner Brust, und Worte ohne Folge murmelnd, welche aber, so unzusammenhängend sie waren, wenn die Königin sie gehört hätte, in ein Lächeln des Triumphes die verzweifelten Thränen von Marie Antoinette verwandelt haben würden.

Die Königin folgte ihm mit den Augen, immer in der Hoffnung, er werde sich umwenden und zu ihr kommen.

Doch sie sah die Thüre sich vor ihm öffnen und sich hinter ihm schließen.

Doch sie hörte seine Tritte sich in den Vorzimmern und Corridors entfernen.

Fünf Minuten, nachdem er verschwunden und das Geräusch seiner Tritte erloschen war, schaute und horchte sie noch.

Plötzlich wurde ihre Aufmerksamkeit durch ein neues Geräusch erregt, welches aus dem Hofe kam.

Es war das eines Wagens.

Sie lief an’s Fenster und erkannte den Reisewagen von Charny, der durch den Schweizerhof fuhr und sich durch die Rue du Carousel entfernte.

Sie klingelte Weber.

Weber trat ein.

»Wenn ich nicht Gefangene im Schlosse wäre,« fragte sie, »und ich wollte nach der Rue Coq-Héron gehen, welchen Weg müßte ich nehmen?«

»Majestät,« erwiederte Weber, »Sie müßten durch das Thor des Schweizerhofes gehen und sich nach der Rue du Carousel wenden, sodann der Rue Saint-Honoré folgen, bis  . . .«

»Gut  . . .genug  . . .Er wird ihr Lebewohl sagen,« murmelte sie.

Und nachdem sie einen Augenblick ihre Stirne an die eiskalte Fensterscheibe angelehnt hatte, fuhr sie mit leiser Stimme, jedes Wort zwischen ihren zusammengepreßten Zähnen brechend, fort:

»Oh! ich muß doch wissen, woran ich mich zu halten habe!l«

Dann sprach sie laut:

»Weber, Du wirst nach der Rue Coq-Héron Nr. 9 zu der Frau Gräfin von Charny gehen und ihr sagen, ich wünsche sie heute Abend zu sprechen.«

»Verzeihen Sie,« entgegnete der Kammerdiener, »ich glaubte, Eure Majestät habe schon über ihren Abend zu Gunsten des Herrn Doctor Gilbert verfügt?«

»Ah! es ist wahr,« versetzte zögernd die Königin.

»Was befiehlt Eure Majestät?»

»Bestelle den Doctor ab und ersuche ihn, morgen früh zu kommen.«

Und leise sprach sie:

»Ja, so ist es gut, morgen früh die Politik. Ueberdies könnte die Unterredung, die ich mit Frau von Charny heute Abend zu pflegen gedenke, einigen Einfluß auf die Entschließung haben, die ich fassen werde!«

Und mit der Hand winkend entließ sie Weber.

XXIV
Düsterer Horizont

Die Königin täuschte sich. Charny ging nicht zur Gräfin.

Er begab sich aus die königliche Post, um Postpferde an seinen Wagen spannen zu lassen.

Nur, während man anspannte, trat er beim Postmeister ein, verlangte Feder, Tinte und Papier und schrieb einen Brief an die Gräfin, welchen er dem Bedienten, der seine Pferde zurückführte, zu ihr zu tragen befahl.

Halb aus einem an der Ecke des Kamins im Salon stehenden Canapé liegend, war die Gräfin, die ein Guécidon vor sich hatte, beschäftigt, diesen Brief zu lesen, als Weber nach dem Privilegium der Leute, welche im Auftrage des Königs oder der Königin kamen, ohne vorhergehende Meldung bei ihr eingeführt wurde.

»Herr Weber,« sagte die Kammerfrau, die Thüre öffnend.

Die Gräfin faltete rasch den Brief zusammen, den sie in ihrer Hand hielt, und drückte ihn an ihre Brust, als ob der Kammerdiener der Königin gekommen wäre, um ihn ihr zu nehmen.

Weber entledigte sich seines Auftrages deutsch. Es war immer ein großes Vergnügen für den wackern Mann, die Sprache seiner Heimath zu sprechen, und man weiß, daß Andrée, die das Deutsche in ihrer Jugend gelernt hatte, durch den vertrauten Umgang, in dem sie zehn Jahre mit der Königin gelebt, so weit gekommen war, daß sie das Deutsche wie ihre Muttersprache sprach.

Eine der Ursachen, welche Weber den Abgang von Andrée und ihre Trennung von der Königin hatten besonders bedauern lassen, war diese Gelegenheit, seine Sprache zu sprechen, die der würdige Deutsche hierdurch verlor, gewesen.

Er drang auch sehr lebhaft darauf, – ohne Zweifel in der Hoffnung, aus der Zusammenkunst werde eine Annäherung hervorgehen, – daß unter keinem Vorwande Andrée bei dem Rendezvous, das man ihr gab, fehle, und wiederholte mehrere Male, es sei von der Königin eine Zusammenkunst, die sie mit dem Doctor Gilbert haben sollte, abbestellt worden, damit sie Herrin ihres Abends sei.

Andrée antwortete einfach, sie werde den Befehlen Ihrer Majestät Folge leisten.

Als Weber abgegangen war, blieb Andrée einen Moment unbeweglich und mit geschlossenen Augen, wie eine Person, welche aus ihrem Geiste jeden dem, welcher sie beschäftigt, fremden Gedanken verjagen will, und erst, nachdem es ihr gelungen, wohl in sich selbst zurückzukehren, nahm sie ihren Brief wieder und fuhr fort, denselben zu lesen.

Als sie den Brief gelesen hatte, küßte sie ihn zärtlich und verbarg ihn an ihrem Herzen.

Dann sprach sie mit einem Lächeln voll Traurigkeit:

»Gott beschirme Dich, theure Seele meines Lebens. Ich weiß nicht, wo Du bist, aber Gott weiß es, und meine Gebete wissen, wo Gott ist!«

Hiernach, obgleich es ihr unmöglich war, zu errathen, aus welcher Ursache die Königin nach ihr verlangte, erwartete sie ohne Ungeduld, wie ohne Furcht den Augenblick, sich in die Tuilerien zu begeben.

 

Nicht dasselbe war bei der Königin der Fall. Gewisser Maßen eine Gefangene im Schlosse, schweifte sie, um ihre Ungeduld abzunützen, vom Pavillon der Flora zum Pavillon Marsan hin und her.

Monsieur half ihr eine Stunde hinbringen. Monsieur war in’s Schloß gekommen, um zu erfahren, wie Favras vom König ausgenommen worden.

Die Königin, welche die Ursache der Reise von Charny nicht kannte und sich diesen Weg der Rettung bewahren wollte, ließ sich für den König viel tiefer ein, als er sich selbst eingelassen hatte, und sagte Monsieur, er möge nur fortfahren, und im gegebenen Augenblick nehme sie Alles auf sich.

Monsieur seinerseits war heiter und voll Vertrauen. Das Anlehen, welches er mit dem genuesischen Banquier, den wir einen Augenblick in seinem Landhause Bellevue gesehen, negocirte, war gelungen, und am Abend vorher hatte ihm Favras die zwei Millionen überbracht, von denen Monsieur Favras nicht hatte bewegen können, mehr anzunehmen, als hundert Louis d’or, die er durchaus brauchte, um die Ergebenheit von zwei Burschen anzufeuchten, auf welche Favras, wie er ihm geschworen, zählen konnte, und die ihn bei der königlichen Entführung unterstützen sollten.

Favras hat Monsieur über diese zwei Menschen näher unterrichten wollen; doch immer vorsichtig, hatte es Monsieur nicht nur ausgeschlagen, sie zu sehen, sondern auch, ihre Namen kennen zu lernen.

Monsieur wurde dafür angesehen, als wüßte er nichts von dem, was um ihn her vorging. Monsieur gab Favras Geld, weil Favras einst bei seiner Person angestellt gewesen war; aber Monsieur wußte nicht und wollte nicht wissen, was Favras mit diesem Gelde machte.

Uebrigens, wie wir schon gesagt haben, im Falle der Abreise des Königs blieb Monsieur. Monsieur hatte den Anschein, als wäre er dem Komplotte ganz fremd. Monsieur schrie, daß ihn seine Familie verlassen; und da Monsieur das Mittel gefunden hatte, sich sehr populär zu machen, so würde äußerst wahrscheinlich, – das Königthum war noch bei den meisten Franzosen eingewurzelt, – so würde äußerst wahrscheinlich, wie Ludwig XVI. zu Charny gesagt hatte, Monsieur zum Regenten ernannt.

Scheiterte die Entführung, so wußte Monsieur von Nichts, oder Monsieur folgte vielmehr mit den fünfzehn bis achtzehnmal hunderttausend Franken baarem Geld, die ihm blieben, nach Turin dem Grafen d’Artois und den Herren Prinzen von Condé.

Als Monsieur weggegangen war, verbrauchte die Königin eine andere Stunde bei Frau von Lamballe. Bis zum Tod ergeben, – man hat es bei Gelegenheit gesehen, – war indessen die arme Prinzessin immer nur der Nothbehelf von Marie Antoinette gewesen, welche sie nach und nach verlassen hatte, um ihre unbeständige Gunst auf Andrée und auf die Damen Polignac zu übertragen. Doch die Königin kannte sie; sie brauchte nur einen Schritt ihrer wahren Freundin entgegen zu machen, und diese machte den übrigen Weg mit offenen Armen und offenem Herzen.

In den Tuilerien und seit der Rückkehr von Versailles bewohnte die Prinzessin von Lamballe den Pavillon de Flore, wo sie den wahren Salon von Marie Antoinette hielt, wie es Frau von Polignac in Trianon that. So oft die Königin einen großen Schmerz oder eine große Unruhe hatte, ging sie zu Frau von Lamballe, – ein Beweis, daß sie sich hier geliebt fühlte. Dann ohne daß sie etwas zu sagen nöthig hatte, ohne nur die sanfte junge Frau zur Vertrauten ihres Schmerzes oder ihrer Unruhe zu machen, legte sie ihren Kopf aus diese lebendige Statue der Freundschaft, und die Thränen, welche den Augen der Königin entströmen, vermischten sich bald mit denen, welche aus den Augen der Prinzessin floßen.

O arme Märtyrin! wer wird es wagen, in der Dunkelheit der Alcoven zu suchen, ob die Quelle dieser Freundschaft rein oder verbrecherisch war, wenn die unerbittliche, erschreckliche Geschichte, mit den Füßen in Deinem Blute, ihm sagen wird, um welchen Preis Du sie bezahlt hast?

Dann nahm das Mittagsmahl eine weitere Stunde hin. Man speiste in Familie mit Madame Elisabeth, Frau von Lamballe und den Kindern.

Beim Mahle waren die zwei erhabenen Tischgenossen sehr in sich gekehrt. Jedes von ihnen hatte ein Geheimniß vor dem Andern:

Die Königin die Sache Favras;

Der König die Sache Bouillé.

Ganz das Gegentheil vom König, der sein Heil lieber Allem, selbst der Revolution zu verdanken haben wollte, als dem Auslande, zog die Königin das Ausland Allem vor.

Uebrigens muß man sagen, das, was wir Franzosen das Ausland nennen, war für die Königin die Familie. Wie hätte sie dieses Volk, das ihre Soldaten tödtete, diese Weiber, die sie in den Höfen von Versailles beschimpft hatten, diese Männer, welche sie in ihren Gemächern ermorden wollten, diese Menge, die sie die Oesterreicherin nannte, in die Wagschale legen können mit den Königen, von denen sie Hilfe forderte, mit Joseph II., ihrem Bruder, mit Ferdinand I., ihrem Schwager, mit Karl IV., ihrem Geschwisterkinde durch den König, mit dem er näher verwandt war, als selbst der König mit den Orleans und den Condé.

Die Königin sah also in dieser Flucht, die sie vorbereitete, das Verbrechen nicht, dessen sie seitdem bezichtigt wurde; sie sah im Gegentheil darin das einzige Mittel, die königliche Würde zu behaupten, und in der Rückkehr mit bewaffneter Hand, auf welche sie hoffte, die einzige Sühnung von der Höhe der Beleidigungen, die ihr widerfahren waren.

Wir haben das Herz des Königs entblößt gezeigt. Er mißtraute den Königen und den Prinzen. Er gehörte entfernt nicht der Königin an, wie Viele geglaubt haben, obgleich er Deutscher durch seine Mutter war; doch die Deutschen betrachten die Oesterreicher nicht als Deutsche.

Nein, der König gehörte den Priestern,

Er bestätigte alle Decrete gegen die Könige, gegen die Prinzen, gegen die Emigranten. Er setzte sein Veto auf das Decret gegen die Priester.

Für die Priester wagte er den 20. Juni, unterstützte er den 10. August, erduldete er den 21. Januar.

Der Papst, der keinen Heiligen aus ihm machen konnte, machte auch einen Märtyrer aus ihm.

Gegen ihre Gewohnheit blieb die Königin an diesem Tage wenig bei ihren Kindern. Sie fühlte wohl, daß sie, da ihr Herz nicht ganz dem König gehörte, zu dieser Stunde nicht das Recht aus Liebkosungen der Kinder hatte. Das Herz der Frau, dieses geheimnißvolle Eingeweide, das die Leidenschaft ausbrütet und die Reue auskriechen macht, kennt allein diese seltsamen Widersprüche.

Die Königin zog sich frühzeitig in ihre Wohnung zurück und schloß sich ein. Sie sagte, sie habe zu schreiben, und stellte Weber als Wache vor ihre Thüre.

Der König bemerkte übrigens wenig von diesem Rückzug, denn er war in seinem Geiste mit den allerdings geringeren, aber doch ernsten Ereignissen beschäftigt, von denen er, durch den Polizeilieutenant so eben in Kenntniß gesetzt, Paris bedroht wußte.

Diese Ereignisse bezeichnen wir hier mit zwei Worten.

Die Nationalversammlung hatte sich, wie wir gesehen, als vom König unzertrennlich erklärt, und sobald der König sich in Paris befand, war sie ihm dahin nachgefolgt.

Bis der für sie bestimmte Saal der Manage zu ihrer Aufnahme bereit war, hatte sie zum Orte ihrer Sitzungen den Saal des erzbischöflichen Palastes gewählt.

Hier hatte sie durch ein Decret den Titel König von Frankreich und Navarra in den König der Franzosen verwandelt.

Sie hatte die königlichen Formeln: »Nach unserem vollen Wissen und unserer Machtvollkommenheit . . .« geächtet, und an ihre Stelle die: »Ludwig durch die Gnade Gottes und das constitutionelle Staatsgesetz« decretirt.

Was bewies, daß die Nationalversammlung, wie alle parlamentarische Versammlungen, deren Tochter oder deren Ahn sie ist, sich oft mit nichtswürdigen Dingen beschäftigte, während sie sich mit sehr ernsten Dingen hätte beschäftigen sollen.

Sie hätte sich zum Beispiel mit der Nahrung von Paris, das buchstäblich Hungers starb, beschäftigen sollen.

Die Rückkehr von Versailles und die Uebersiedelung des Bäckers, der Bäckerin und des Bäckerjungen in die Tuilerien, hatten nicht die erwartete Wirkung hervorgebracht.

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