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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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XXII
Wo sich der König mit Staatsangelegenheiten beschäftigt

Obgleich der König erst vierzehn Tage in den Tuilerien residirte, waren doch zwei von seinen Gelassen völlig eingerichtet.

Diese zwei Gelasse waren seine Schmiede und sein Cabinet.

Später und bei einer Veranlassung, welche auf das Geschick des unglücklichen Fürsten keinen geringeren Einfluß hatte, als dieses, werden wir den Leser in die königliche Schmiede einführen; für den Augenblick aber haben wir im Cabinet zu thun; treten wir also hinter Charny ein, welcher nun vor dem Schreibtische stand, an den sich der König gesetzt hat.

Dieser Schreibtisch ist beladen mit Karten, geographischen Werken, englischen Journalen und Papieren, unter denen man die von der Handschrift von Ludwig XVI. an der Vielfältigkeit der Zeilen erkennt, welche sie bedecken und weder oben, noch unten, noch am Rande Raum lassen.

Der Charakter offenbart sich in der kleinsten Einzelheit: der sparsame Ludwig XVI. ließ nicht nur nicht das geringste Stück weißes Papier verloren gehen, sondern unter seiner Hand bedeckte sich dieses Stück mit so vielen Buchstaben, als es materiell enthalten konnte.

Charny war in den drei bis vier Jahren, die er in vertrautem Umgang mit dem erhabenen Fürstenpaare lebte, zu sehr an alle diese Details gewöhnt, um die Bemerkungen zu machen, die wir hier bezeichnen. Darum wartete er, ohne daß sich sein Auge auf irgend einen Gegenstand heftete, ehrfurchtsvoll, bis der König das Wort an ihn richtete.

Aber da angelangt, wo er war, schien der König, trotz des zum Voraus angekündigten Vertrauens, in Verlegenheit zu sein, wie er in die Materie eingehen sollte.

Zuerst, und gleichsam um sich Muth zu geben, öffnete er eine Schublade seines Schreibtisches, und in dieser Schublade ein geheimes Fach, zog einige mit Umschlägen bedeckte Papiere heraus, legte sie auf den Tisch und drückte seine Hand darauf.

»Herr von Charny,« sagte er endlich, »ich habe Eines bemerkt . . .«

Er hielt inne und schaute Charny fest an, dieser aber wartete ehrerbietig, bis es dem König gefiele, fortzufahren.

»In der Nackt vom 5. auf den 6, October, als Sie zwischen der Garde der Königin und der meinigen zu wählen hatten, wiesen Sie Ihrem Bruder seinen Platz bei der Königin an und blieben bei mir.«

»Sire,« erwiederte Charny, »ich bin das Haupt der Familie, wie Eure Majestät das Haupt des Staates ist, ich hatte also das Recht, bei Ihnen zu sterben.«

»Das brachte mich auf den Gedanken,« fuhr Ludwig XVI. Fort, »wenn ich jene geheime, schwierige und gefährliche Sendung zu geben hätte, so könnte ich sie Ihrer Loyalität als Franzose, Ihrem Herzen als Freund anvertrauen.«

»Oh! Sire,« rief Charny, »so hoch mich der König erhebt, ich bin nicht so anmaßend, zu glauben, er könne aus mir etwas Anderes machen, als einen treuen und dankbaren Unterthan.«

»Herr von Charny, Sie sind ein ernster Mann, obgleich Sie kaum sechs und dreißig Jahre zählen; Sie machten nicht alle Ereignisse durch, die sich um uns her entrollt, ohne einen Schluß daraus gezogen zu haben  . . .Herr von Charny, was denken Sie von meiner Lage, und, wenn Sie mein erster Minister wären, welche Mittel würden Sie mir vorschlagen, um sie zu verbessern?«

»Sire,« antwortete Cbarny mit mehr Zögern als Verlegenheit, »ich bin ein Soldat  . . .ein Seemann . . .diese hohen socialen Fragen übersteigen das Maaß meines Verstandes.«

»Mein Herr,« sprach der König, indem er Charny die Hand mit einer Würde reichte, welche plötzlich gerade aus der Lage, in die er sich in diesem Augenblick versetzt hatte, hervorzuspringen schien, »Sie sind ein Mann, und ein anderer Mann, der Sie für seinen Freund hält, fragt Sie ganz einfach, Sie, ein redliches Herz einen gesunden Geist, einen loyalen Unterthan, was Sie an seiner Stelle thun würden.«

»Sire,« erwiederte Charny, »in einer Lage, welche nicht minder ernst als es diese ist, hat mir die Königin eines Tags die Ehre erwiesen, mich um meinen Rath zu fragen; es war am Tage der Einnahme der Bastille: sie wollte gegen die hunderttausend bewaffneten und wie eine Hydra von Eisen und Feuer über die Boulevards und die Straßen des Faubourg Saint Antoine sich hinwälzenden Pariser ihre acht bis zehntausend fremden Soldaten schicken. Wäre ich der Königin weniger bekannt gewesen, hätte sie weniger Ergebenheit und Ehrfurcht in meinem Herzen gesehen, so würde mich meine Antwort ohne Zweifel mit ihr entzweit haben . . .Ach! Sire, muß ich heute nicht befürchten, daß, vom König befragt, meine zu offenherzige Antwort den König verletzt?«

»Was haben Sie der Königin geantwortet?«

»Da Eure Majestät nicht stark genug sei, um als Eroberer in Paris einzuziehen, so müsse sie als Vater einziehen.«

»Nun, mein Herr,« sprach der König, »ist das nicht der Rath, den ich befolgt habe?«

»Gewiß, Sire.«

»Nur fragt es sich, ob ich wohl daran gethan habe, ihn zu befolgen; denn sagen Sie selbst, bin ich diesmal als König oder als Gefangener eingezogen?«

»Sire, erlaubt mir der König mit aller Offenherzigkeit zu sprechen?«

»Thun Sie es, mein Herr; so bald ich Sie um Ihren Rath frage, frage ich Sie zugleich um Ihre Meinung.«

»Sire, ich habe das Mahl von Versailles mißbilligt; Sire, ich habe die Königin flehentlich gebeten, in Ihrer Abwesenheit nicht in’s Theater zu gehen; Sire, ich war in Verzweiflung, als Ihre Majestät die Cocarde der Nation mit Füßen trat, um die schwarze Cocarde, die Cocarde von Oesterreich, aufzustecken.«

»Herr von Charny, glauben Sie, dies sei die wahre Ursache der Ereignisse des 5. und 6. October gewesen?«

»Nein, Sire, aber es war wenigstens der Vorwand. Sire, nicht wahr, Sie sind nicht ungerecht gegen das Volk? das Volk ist gut, das Volk liebt Sie, das Volk ist royalisstisch; doch das Volk leidet, doch das Volk friert, doch das Volk hungert; es hat über sich, unter sich, neben sich schlimme Räthe, die es vorwärts treiben; es geht, es drängt, es wirft nieder, denn es kennt selbst seine Stärke nicht; einmal losgelassen, verbreitet, rollend, ist es eine Ueberschwemmung oder eine Feuersbrunst, es ersäuft oder verbrennt.«

»Wohl denn, Herr von Charny, nehmen Sie an, was sehr natürlich ist, ich wolle weder ersäuft, noch verbrannt werden, was muß ich thun?  . . .«

»Sire, Sie müssen der Ueberschwemmung keinen Vorwand geben, sich zu verbreiten, der Feuersbrunst keinen, sich zu entzünden  . . .Doch verzeihen Sie, Sire,« sagte Charny inne haltend, »ich vergesse, daß selbst auf einen Befehl des Königs  . . .«

»Sie wollen sagen, auf eine Bitte. Fahren Sie fort, Herr von Charny, fahren Sie fort, der König bittet Sie.«

»Sire, Sie haben dieses Volk von Paris gesehen, das so lange seiner Souverains beraubt, so hungerig, sie wiederzusehen; Sie haben es drohend, mordbrennerisch, mörderische in Versailles gesehen, oder Sie haben es wenigstens so zu sehen geglaubt, denn in Versailles war es nicht das Volk. Sie haben es gesehen, sage ich, in den Tuilerien, unter dem doppelten Balcon des Palastes, Sie, die Königin, die königliche Familie grüßend, in Ihre Gemächer eindringend mittelst seiner Deputationen, Deputationen von den Damen der Halle, Deputationen von der Bürgergarde, Deputationen von den Municipalitäten, und diejenigen, welche nicht das Glück hatten, Abgeordnete zu sein, in Ihre Gemächer einzudringen, Worte mit Ihnen zu wechseln, haben Sie an den Fenstern Ihres Speisesaales, durch welche die Mütter, süße Opfergaben! den erhabenen Tischgenossen die Küsse ihrer kleinen Kinder zusandten, sich zusammenschaaren sehen?«

»Ja.« sprach der König, »ich habe Alles dies gesehen, und daher kommt mein Zögern. Ich frage mich: welches ist das wahre Volk, dasjenige, welches brennt und mordet, oder dasjenige, welches liebkost und zujauchzt?«

»Oh! das letzte, Sire, das letzte! Vertrauen Sie diesem und es wird Sie gegen das andere vertheidigen.«

»Graf, Sie wiederholen mir in einer Entfernung von zwei Stunden genau das, was mir diesen Morgen der Doctor Gilbert sagte.«

»Nun, Sire, warum geruhen Sie, da Sie sich bei einem so tiefen, so gelehrten, so ernsten Manne wie der Doctor Raths geholt haben, mich, einen armen Officier, um den meinigen zu fragen?«

»Ich will es Ihnen sagen, Herr von Charny,« erwiederte Ludwig XVI. »Weil ich glaube, daß ein großer Unterschied zwischen Ihnen und dem Doctor stattfindet. Sie sind dem König ergeben, und der Doctor ist nur dem Königthum ergeben.«

»Ich begreife nicht recht, Sire.«

»Ich meine, unter der Bedingung, daß das Königthum das Princip, unversehrt wäre, würde er gern den König, den Menschen, verlassen.«

»Dann spricht Eure Majestät die Wahrheit.« versetzte Charny,«dieser Unterschied findet zwischen uns statt: Sie sind zugleich für mich, Sire, der König und das Königthum. Unter diesem Titel bitte ich Sie also über mich zu verfügen.«

»Vor Allem will ich von Ihnen wissen, Herr von Charny, an wen Sie sich in diesem Augenblick der Ruhe, in welchem wir uns vielleicht zwischen zwei Stürmen befinden, wenden würden, um die Spuren des vergangenen Sturmes zu verwischen und den zukünftigen Sturm zu beschwören?«

»Wenn ich zugleich die Ehre und das Unglück hätte, König zu sein, Sire, so würde ich mich der Rufe erinnern, die meinen Wagen bei meiner Rückkehr von Versailles umgeben haben, und ich würde die rechte Hand Herrn von Lafayette und die linke Herrn von Mirabeau reichen.«

»Graf,« versetzte der König lebhaft, »wie können Sie mir das sagen, Sie, der Sie den Einen verabscheuen und den Andern verachten?«

»Sire, es handelt sich hier nicht um eine Sympathie, es handelt sich um das Heil des Königs und die Zukunft des Königreichs.«

»Gerade dies hat mir auch der Doctor Gilbert gesagt,« murmelte der König, wie mit sich selbst sprechend.

»Sire,« rief Charny, »ich bin glücklich, in meiner Meinung mit einem so erhabenen Manne, wie der Doctor Gilbert, zusammenzutreffen.«

 

»Sie glauben also, mein lieber Graf, aus der Verbindung dieser zwei Männer können die Ruhe der Nation und die Sicherheit des Königs hervorgehen?«

»Mit der Hilfe Gottes, Sire, würde ich viel von der Verbindung dieser zwei Männer hoffen.«

»Aber wenn ich mir diese Verbindung gefallen ließe, wenn ich zu diesem Vertrag einwilligte und, trotz meines Wunsches, trotz des ihrigen vielleicht, die ministerielle Combination, die sie verbinden soll, scheiterte, was denken Sie, daß ich thun müßte?«

»Ich glaube, daß es, wenn er alle von der Vorsehung in seine Hände gelegte Mittel erschöpft, wenn er alle durch seine Stellung ihm auferlegte Pflichten erfüllt hätte, Zeit wäre, daß der König an seine Sicherheit und die seiner Familie dächte.«

»Dann würden Sie mir vorschlagen, zu fliehen?«

»Ich würde Eurer Majestät vorschlagen, sich mit denjenigen von ihren Regimentern und ihren Edelleuten, auf welche sie zählen zu können glaubte, in eine Festung wie Metz, Straßburg oder Nancy zurückzuziehen.«

Das Gesicht des Königs strahlte.

»Ah! ah!« sagte er, »und von allen den Generalen, die mir Beweise von Anhänglichkeit gegeben haben, sprechen Sie offenherzig, Charny, Sie, der Sie alle kennen, welchem würden Sie den gefährlichen Auftrag, seinen König zu entführen oder zu empfangen, anvertrauen?«

»Oh! Sire, Sire,« erwiederte Charny, »es ist eine schwere Verantwortlichkeit, den König bei einer solchen Wahl zu leiten  . . . Sire, ich erkenne meine Unwissenheit, meine Schwäche, meine Ohnmacht  . . .Sire, ich verwerfe mich  . . .«

»Nun wohl, ich will es Ihnen leicht machen. Die Wahl ist getroffen; zu diesem Manne will ich Sie schicken. Hier ist der Brief geschrieben, welchen Sie ihm zu überreichen beauftragt sein werden; der Name, den Sie mir angeben, wird also keinen Einfluß auf meine Entscheidung haben; nur wird er mir einen treuen Diener mehr bezeichnen, der ohne Zweifel auch Gelegenheit haben wird, seine Treue zu zeigen. Sprechen Sie, Herr von Charny, wenn Sie Ihren König dem Muthe, der Redlichkeit, dem Verstande eines Mannes anzuvertrauen hätten, welchen Mann würden Sie bezeichnen?«

»Sire,« antwortete Charny, »ich schwöre Eurer Majestät, nicht weil Bande der Freundschaft, ich möchte beinahe sagen, der Familie, mich mit ihm verbinden, aber es gibt in der Armee einen Mann, der bekannt ist durch die große Ergebenheit, die er für den König hegt, einen Mann, der als Gouverneur der Inseln unter dem Winde während des amerikanischen Krieges unsere Besitzungen der Antillen sehr wirksam beschützt und selbst den Engländern mehrere Inseln genommen hat, der seitdem mit verschiedenen wichtigen Commandos beauftragt war und zu dieser Stunde, glaube ich, General-Gouverneur der Stadt Metz ist; dieser Mann, Sire, ist der Marquis von Bouillé. – Als Vater würde ich ihm meinen Sohn, als Sohn würde ich ihm meinen Vater, als Unterthan würde ich ihm meinen König anvertrauen!«

So wenig demonstrativ Ludwig XVI. war, er folgte doch mit einer offenbaren Bangigkeit den Worten des Grafen, und man hätte können sein Gesicht immer mehr sich aufklären sehen, je mehr er die Person zu erkennen glaubte, welche Charny mit seinen Worten bezeichnete. Als der Graf endlich den Namen dieser Person aussprach, konnte er sich eines Freudenschreies nicht erwehren.

»Sehen Sie, sehen Sie, Graf,« sprach er, lesen Sie die Adresse dieses Briefes und sagen Sie, ob es nicht die Vorsehung selbst ist, die mir den Gedanken, mich an Sie zu wenden, eingegeben hat!«

Charny nahm den Brief aus den Händen des Königs und las folgende Aufschrift:

An Herrn François Claude Amour,

Marquis von Bouillé, General-Commandanten

der Stadt Metz.

Thränen der Freude und des Stolzes stiegen zu den Augenlidern von Charny empor.

»Sire,« rief er, »ich vermöchte Ihnen hiernach nur noch Eines zu sagen: ich bin bereit, für Eure Majestät zu sterben,«

»Und ich, mein Herr, ich sage Ihnen, daß ich nach dem, das vorgefallen ist, mich nicht mehr für berechtigt halte, Geheimnisse gegen Sie zu haben, weil, wenn die Stunde gekommen ist, Sie es sind, Sie allein, hören Sie wohl? dem ich meine Person, die der Königin und die meiner Kinder anvertrauen werde. Hören Sie mich also wohl an und vernehmen Sie, was man mir vorschlägt und was ich ausschlage.«

Charny verbeugte sich, tiefe Aufmerksamkeit bezeichnend.

»Es ist nicht das erste Mal, Herr von Charny, wie Sie sich wohl denken können, daß mir die Idee kommt, mir und denjenigen, welche mich umgeben, einen Plan dem ähnlich auszuführen, von welchem wir gerade reden. In der Nacht vom 5. aus den 6. October dachte ich darauf, die Königin entweichen zu lassen; ein Wagen hätte sie nach Rambouillet gebracht, ich hätte sie zu Pferde eingeholt, und von dort aus würden wir leicht die Grenze erreicht haben, denn die Wachsamkeit, welche uns heute umgibt, war noch nicht thätig. Der Plan scheiterte, weil die Königin nicht ohne mich abreisen wollte und mich meinerseits schwören ließ, nicht ohne sie zu reisen.«

»Sire, ich war dabei, als dieser fromme Schwur zwischen dem König und der Königin, oder vielmehr zwischen dem Gatten und der Gattin ausgetauscht wurde.«

»Seitdem hat Herr von Breteuil Unterhandlungen mit mir eröffnet, – durch die Vermittelung des Grafen von Innisdal, und vor acht Tagen habe ich einen Brief von Solotburn erhalten.«

Der König hielt inne, und als er sah, daß der Graf stumm und unbeweglich blieb, sagte er;

»Sie antworten nicht, Graf?«

»Sire,« erwiederte Charny sich verbeugend, »ich weiß, daß Herr Baron v. Breteuil der Mann Oesterreichs ist, und ich befürchte, die gerechten Sympathien des Königs in Betreff der Königin seiner Gemahlin und des Kaiser Joseph II. seines Schwagers zu verletzen.«

Der König ergriff die Hand von Charny, neigte sich zu ihm und sagte leise:

»Befürchten Sie nichts, Graf, ich liebe Oesterreich ebenso wenig, als Sie es lieben.«

Die Hand von Charny bebte vor Erstaunen zwischen den Händen des Königs.

»Graf! Graf! wenn ein Mann von Ihrem Werthe sich hingeben, das heißt, sein Leben zum Opfer bringen will für einen andern Mann, der vor ihm nur den traurigen Vorzug hat, König zu sein, so muß er auch denjenigen kennen, für welchen er sich opfert. Graf, ich habe Ihnen gesagt und wiederhole Ihnen, ich liebe Oesterreich nichts ich liebe Maria Theresia nicht, welche uns in den siebenjährigen Krieg verwickelt hat, wobei wir zweimal hundert tausend Mann, zwei Millionen und siebenzehn hundert Meilen Terrain in America verloren haben: welche Frau von Pompadour, eine Prostituirte, ihre Cousine nannte; welche sich ihrer Töchter als diplomatische Agenten bediente; welche durch die Erzherzogin Caroline Neapel regierte; welche durch die Erzherzogin Marie Antoinette Frankreich zu regieren, gedachte.«

»Sire, Sire,« sagte Charny, »Eure Majestät vergißt, daß ich ein Fremder bin, ein einfacher Unterthan des Königs und der Königin von Frankreich!«

Und er unterstrich durch seinen Tonausdruck das Wort Königin, wie wir es mit der Feder unterstrichen haben.

«Ich habe es Ihnen gesagt, Graf,« fuhr der König fort, »Sie sind ein Freund, und ich kann um so offenherziger mit Ihnen reden, als das Vorurtheil, das ich gegen die Königin hatte, zu dieser Stunde völlig aus meinem Geiste verschwunden ist. Aber gegen meinen Willen habe ich eine Frau aus diesem dem Hause Frankreich zweimal feindlich gesinnten Hause empfangen, – feindlich als Lothringen, feindlich als Oesterreich; wider meinen Willen habe ich an meinen Hof jenen Abbé von Vermond, den Lehrer der Königin dem Anscheine nach, den Spion von Maria Theresia in Wirklichkeit, kommen sehen, – diesen Menschen, den ich zwei bis dreimal des Tages mit dem Ellenbogen stieß, dergestalt war er beauftragt, sich zwischen meine Beine zu stecken, und an den ich im Verlaufe von neunzehn Jahren nicht ein einziges Wort richtete; gegen meinen Willen habe ich nach einem zehnjährigen Kampfe Herrn von Breteuil mit dem Departement meines Hauses und dem Gouvernement von Paris beauftragt: gegen meinen Willen habe ich zu meinem ersten Minister den Erzbischof von Toulouse, einen Atheisten, ernannt; gegen meinen Willen endlich habe ich Oesterreich die Millionen bezahlt, die es Holland auspressen wollte. Heute noch, zu dieser Stunde, wo ich mit Ihnen spreche, wer räth, als Nachfolger der todten Maria Theresia, der Königin, wer lenkt sie? Ihr Bruder Joseph II., welcher glücklicher Weise stirbt. Durch wen räth er ihr? Sie wissen es so gut als ich: durch das Organ ebendieses Abbé von Vermond, des Baron von Breteuil und des Gesandten von Oesterreich, Mercy d’Argenteau. Hinter diesem Greise ist ein anderer Greis verborgen, Kaunitz, der siebenzigjährige Minister des hundertjährigen Oesterreich. Diese zwei Alten lenken die Königin von Frankreich durch Mademoiselle Bertin, ihre Putzmacherin, und durch Herrn Leonard, ihren Friseur, denen sie Pensionen bezahlen; und wohin lenken sie sie? Zur Allianz mit Oesterreich! mit Oesterreich, das immer unheilbringend für Frankreich gewesen – als Freund und als Feind, Oesterreich! das einst katholische und devote Oesterreich, das heute abschwört und sich zur Hälfte philosophisch macht unter Joseph II.; das unkluge Oesterreich, das gegen sich sein eigenes Schwert, Ungarn, wendet; das unvorsichtige Oesterreich, das sich durch die belgischen Priester den schönsten Theil seiner Krone, die Niederlande, nehmen läßt: das abhängige Oesterreich, das den Rücken Europa zuwendet, welches es nie aus dem Blicke verlieren sollte, und gegen die Türken, unsere Verbündeten, seine besten Truppen zum Vortheil von Rußland gebraucht. Nein, nein, nein, Herr von Charny, ich hasse Oesterreich, und Oesterreich hassend konnte ich mich ihm nicht anvertrauen.«

»Sire, Sire,« versetzte Charny, »solche vertrauliche Eröffnungen sind sehr ehrenvoll, zugleich aber auch sehr gefährlich für denjenigen, welchem man sie macht! Sire, wenn Sie eines Tags bereuen würden, sie mir gemacht zu haben!«

»Oh! ich befürchte das nicht, und zum Beweise diene, daß ich vollende.«

»Sire, Eure Majestät hat mir befohlen, zu hören, ich höre.«

»Dieser Vorschlag zur Flucht ist nicht der einzige, der mir gemacht worden. Kennen Sie Herrn von Favras?«

»Den Marquis von Favras, den ehemaligen Kapitän im Regiment Belzunce, den ehemaligen Lieutenant bei der Garde von Monsieur? ja, Sire.«

»Das ist er,« sprach der König, indem er einen besondern Nachdruck aus die letzte Qualification legte, »den ehemaligen Lieutenant bei der Garde von Monsieur, Was denken Sie von ihm?«

»Es ist ein braver Soldat, ein wackerer Edelmann; ruinirt zum Unglück, was ihn unruhig macht und zu einer Menge von gefährlichen Versuchen, von wahnsinnigen Projecten antreibt, aber ein Mann von Ehre, Sire, der ohne einen Schritt zurückzuweichen, ohne eine Klage auszustoßen, sterben wird, um das gegebene Wort zu halten. – ein Mann, dem Eure Majestät sich für einen Handstreich anzuvertrauen Recht hätte, der aber, wie ich befürchte, als Haupt eines Unternehmens nichts taugen würde,«

»Das Haupt des Unternehmens ist auch nicht er,« sagte der König mit einer gewissen Bitterkeit; »es ist Monsieur  . . .ja, es ist Monsieur, der Geld macht; es Monsieur, der Alles vorbereitet; es ist Monsieur, der, bis zum Ende sich aufopfernd, bleibt, wenn ich abgereist sein werde, reise ich wirklich mit Favras ab.«

Charny machte eine Bewegung.

»Nun! was haben Sie, Graf?« fuhr der König fort. »Das ist nicht die Partei von Oesterreich, das ist die Partei der Prinzen, der Emigranten, des Adels.«

»Sire, entschuldigen Sie mich; ich habe es Ihnen gesagt, ich zweifle weder an der Redlichkeit, noch am Muthe von Herrn von Favras; an welchen Ort Herr von Favras Euer Majestät zu führen verspricht, er wird sie führen, oder in ihrer Vertheidigung unter Weges sterben. Aber warum reist Monsieur nicht mit Eurer Majestät ab? warum bleibt Monsieur?«

»Aus Ergebenheit, und dann auch vielleicht, – für den Fall, daß das Bedürfniß, den König abzusetzen und einen Regenten zu ernennen, sich fühlbar machen würde, – damit das Volk, müde, unnütz einem Regenten nachgelaufen zu sein, seinen Regenten nicht zu fern zu suchen hätte.«

»Sire,« rief Charny, »Eure Majestät sagt mir erschreckliche Dinge.«

»Ich sage, was die ganze Welt weiß, mein lieber Graf, was Ihr Bruder mir gestern schreibt; im letzten Rothe der Prinzen in Turin ist nämlich davon die Rede gewesen, mich abzusetzen und einen Regenten zu ernennen; in demselben Rathe hat Herr von Condé, mein Vetter, den Vorschlag gemacht, gegen Lyon zu marschiren, was auch dem König widerfahren möchte. Sie sehen also, daß ich Favras eben so wenig annehmen kann, als Breteuil, Oesterreich oder die Prinzen. Dies, mein lieber Graf, habe ich Niemand, als Ihnen gesagt, und dies sage ich Ihnen, damit Sie, da Niemand, nicht einmal die Königin, sei es aus Zufall, sei es absichtlich, – Ludwig XVI. betonte besonders die von uns unterstrichenen Worte, – damit Sie, da Niemand, nicht einmal die Königin Ihnen ein Vertrauen bewiesen hat, wie das, welches ich Ihnen zeige, auch Niemand so ergeben seien, wie mir.«

 

»Sire,« fragte Charny, indem er sich vorbeugte, »soll das Geheimniß meiner Reise vor Jedermann bewahrt werden?«

»Gleichviel, mein lieber Graf, ob man weiß, daß Sie reisen, wenn man nur nicht weiß, in welcher Absicht Sie reisen.«

»Und der Zweck soll Herrn von Bouillé allein enthüllt werden?«

»Herrn von Bouillé allein, und auch ihm nur, nachdem Sie sich seiner Gesinnung wohl versichert haben. Der Brief, den ich Ihnen für den Gouverneur übergebe, ist ein einfacher Einführungsbrief. Sie kennen meine Lage meine Befürchtungen, meine Hoffnungen besser als die Königin, meine Frau, besser als Herr Necker, mein Minister, besser als Herr Gilbert, mein Rath, Handeln Sie dem gemäß, ich lege den Faden und die Schere in Ihre Hände, entrollen Sie oder schneiden Sie ab.«

Hierauf übergab er dem Grafen einen offenen Brief und fügte bei:

»Lesen Sie.«

Der Graf nahm den Brief und las:

Palast der Tuilerien den 29. October.

»Ich hoffe, mein Herr, Sie sind fortwährend mit Ihrer Stellung als Gouverneur von Metz zufrieden. Der Herr Graf von Charny, Lieutenant meiner Garde, der durch diese Stadt reist, wird Sie fragen, ob es in Ihren Wünschen liege, daß ich etwas Anderes für Sie thue; ich würde in diesem Falle die Gelegenheit ergreifen, Ihnen angenehm zu sein, wie ich diese ergreife, Ihnen die Versicherung meiner Hochachtung zu wiederholen.

»Ludwig.«

»Und nun,« sagte der König, »gehen Sie; Sie haben Vollmacht in Betreff der Herrn von Bouillé zu machenden Versprechungen, wenn Sie glauben, es sei nöthig, ihm Versprechungen zu machen; verbinden Sie mich aber nur in dem Maße von dem, was ich halten kann.«

Und er reichte ihm zum zweiten Male die Hand.

Charny küßte diese Hand mit einer Gemüthserschütterung, die ihn neuer Betheuerungen überhob, und er entfernte sich aus dem Cabinet und ließ den König überzeugt zurück; Ludwig XVI. hatte sich auch in der That durch sein Vertrauen das Herz des Grafen besser erworben, als er es durch alle Reichthümer und alle Gunstbezeugungen, über die er in den Tagen seiner Allmacht verfügt, hätte thun können.

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