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Die beiden Dianen

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XIX.
Vorsichtsmaßregeln

Was Gabriel während dieser tödtlichen Stunden dachte, was er fühlte, weiß Gott allein. Denn nach Hause zurückkehrend, wollte er weder seinen Dienern noch sogar seiner Amme etwas sagen, und von diesem Augenblick begann für ihn das concentrirte, gewissermaßen stumme Leben, das wortkarge nur der Thätigkeit angehörende Leben, das er strenge seitdem fortsetzte, als hätte er in seinem Innern das Gelübde des Stillschweigens abgelegt.

Bewegte Hoffnungen, energische Entschließungen, Pläne der Liebe und der Rache, Alles was Gabriel in dieser Nacht des Erwartens fühlte, träumte und sich selbst schwur, Alles blieb ein Geheimniß zwischen dieser tiefen Seele und dem Herrn.

Erst um acht Uhr konnte er im Châtelet mit dem Ringe des Königs erscheinen, der alle Thüren nicht nur ihm, sondern auch seinem Vater öffnen sollte.

Bis um sechs Uhr Morgens blieb Gabriel allein in seinem Zimmer, ohne daß er Jemand empfangen wollte.

Um sechs Uhr ging er, gekleidet und ausgerüstet, wie für eine lange Reise hinab. Er hatte schon am Abend vorher von seiner Amme alles Geld verlangt, was sie zusammenbringen konnte.

Die Leute seines Hauses drängten sich um ihn und boten ihm ihre Dienste an. Die vier Freiwilligem die er von Calais mitgenommen hatte, stellten sich besonders zu seiner Verfügung. Doch er dankte ihnen herzlich, entließ sie und behielt nur den Pagen André und seine Amme Aloyse bei sich.

»Meine gute Aloyse,« sagte er zu der letzteren, »ich erwarte hier von Tag zu Tag zwei Gäste, zwei Freunde von Calais, Jean Peuquoy und seine Frau Babette. Es ist möglich, Aloyse, daß ich nicht hier bin, um sie zu empfangen. Doch auch in meiner Abwesenheit, besonders in meiner Abwesenheit nimm sie auf und behandle sie, als ob sie mein Bruder und meine Schwester wären. Babette kennt Dich dadurch, daß ich hundertmal von Dir gesprochen habe. Sie wird ein kindliches Zutrauen zu Dir haben, habe für sie, ich beschwöre Dich bei Deiner Liebe für mich, die Zärtlichkeit und Nachsicht einer Mutter.«

»Ich verspreche es Euch, gnädiger Herr,« erwiderte einfach die brave Amme, »und Ihr wißt, daß bei mir dieses einzige Wort genügt. Seid unbesorgt über Eure Gäste: es soll ihnen nichts für die Pflege des Leibes und der Seele fehlen.«

»Ich danke, Aloyse,« sagte Gabriel, indem er ihr die Hand reichte. »Nun zu Euch, André,« fuhr er fort, sich an den Pagen wendend, welchen ihm Frau von Castro gegeben hatte. »Ich habe gewisse letzte Aufträge zu ertheilen, die ich einer sichern Person übergeben will, und Ihr seid es, André, der sie erfüllen wird, Ihr, der Ihr für mich meinen treuen Martin-Guerre ersetzt.«

»Ich bin zu Euren Befehlen, gnädiger Herr,« sagte André.

»Hört wohl,« sprach Gabriel, »in einer Stunde verlasse ich dieses Haus allein. Komme ich bald zurück, so habt Ihr nichts zu thun, oder ich werde Euch vielmehr neue Befehle geben. Da es indessen möglich ist, daß ich nicht zurückkomme, daß ich wenigstens nicht heute, nicht morgen, daß ich lange nicht zurückkomme . . .«

Die Amme brach in Thränen aus und hob die Arme zum Himmel empor. André unterbrach seinen Herrn:

»Verzeiht, gnädiger Herr, Ihr sagt, es sei möglich, daß Ihr lange Zeit nicht mehr zurückkommt.«

»Ja, André.«

»Und ich begleite Euch nicht? Und ich werde Euch vielleicht lange nicht wiedersehen?« versetzte André, der bei dieser Kunde zugleich traurig und verlegen zu sein schien.

»Allerdings, das kann sein!« sprach Gabriel.

»Aber Frau von Castro,« sagte der Page, »hat mir vor meiner Abreise eine Botschaft, einen Brief anvertraut . . .«

»Und diesen Brief habt Ihr mir noch nicht übergeben, André?« sagte Gabriel rasch.

»Entschuldigt mich, gnädiger Herr,« erwiderte André, »ich sollte Euch diesen Brief nur übergeben, wenn ich Euch bei der Rückkehr aus dem Louvre sehr traurig oder sehr wüthend sehen würde. »Nur dann,« sagte Frau Diana, »gebt Herrn d’Ermès diesen Brief, der eine Kunde und einen Trost für ihn enthält.«

»Oh! gebt, gebt geschwinde,« rief Gabriel. »Rath und Erleichterung können, ich befürchte es, nicht zu geeigneterer Zeit für mich kommen.«

André zog aus seinem Wamms den sorgfältig eingewickelten Brief und übergab ihn seinem neuen Herrn. Gabriel entsiegelte ihn rasch und zog sich, um ihn zu lesen, in eine Fenstervertiefung zurück.

Der Brief enthielt folgende Worte:

»Freund, unter den Bangigkeiten und Träumen der letzten Nacht, welche mich vielleicht für immer von Euch trennen soll, ist der grausamste Gedanke, der mein Herz zerrissen, der:

»Es ist möglich, daß Ihr bei der großen, furchtbaren Pflicht, die Ihr so muthig zu erfüllen im Begriff seid, mit dem König in Berührung und Conflict gerathet. Es ist möglich, daß der unvorhergesehene Ausgang Eures Kampfes Euch nöthigt, ihn zu hassen, oder Euch antreibt, ihn zu bestrafen.

»Gabriel, ich weiß noch nicht, ob er mein Vater ist, aber ich weiß, daß er mich bis jetzt wie sein Kind geliebt hat. Nur die Voraussicht Eurer Rache allein macht mich in diesem Augenblick beben; der Vollzug Eurer Rache würde meinen Tod herbeiführen.

»Und dennoch wird mich die Pflicht meiner Geburt vielleicht zwingen, zu denken wie Ihr; vielleicht werde ich auch denjenigen, der mein Vater sein wird, gegen denjenigen, der mein Vater gewesen ist, zu rächen haben; gräßliche, verzweiflungsvolle Lage!

»Doch während der Zweifel und die Finsternis noch für mich über dieser furchtbaren Frage schweben, während ich noch nicht weiß, auf welche Seite sich meine Liebe und mein Haß wenden müssen, Gabriel, beschwöre ich Euch, und wenn Ihr mich geliebt habt, werdet Ihr mir gehorchen, Gabriel, ehret die Person des Königs.

»Noch urtheile ich, wenn nicht ohne Erschwerung, doch wenigstens ohne Leidenschaft, und ich fühle, wie mir scheint, daß es nicht den Menschen zukommt, die Menschen zu bestrafen, sondern Gott . . .

»Was also auch geschehen mag, Freund, nehmt nicht aus den Händen Gottes die Strafe, selbst um einen Verbrecher zu treffen.

»Ist derjenige, welchen ich meinen Vater genannt habe, schuldig, so ist er ein Mensch, er kann es sein, macht Euch nicht zu seinem Richter und noch weniger zu seinem Henker. Seid unbesorgt, Alles bezahlt sich beim Herrn, und der Herr wird Euch schrecklicher rächen, als Ihr es selbst thun könntet. Ueberlaßt Eure Rache ohne Furcht seiner Gerechtigkeit.

»Doch wenn Gott nicht aus Euch das unwillkürliche und gewissermaßen unselige Werkzeug dieser unbarmherzigen Gerechtigkeit macht; wenn er sich Eurer Hand nicht wider Euren Willen bedient; wenn Ihr den Schlag nicht führt, ohne zu sehen und zu wollen, Gabriel, verurtheilt Euch nicht selbst und vollstreckt nicht selbst den Spruch.

»Thut dies aus Liebe für mich, Freund. Gnade! es ist die letzte Bitte und der letzte Schrei, den ich an Euch richte.

Diana von Castro.«

Gabriel las diesen Brief zweimal; doch während dieses zweimaligen Lesens gewahrten André und die Amme auf seinem bleichen Antlitz kein anderes Zeichen, als das eines traurigen Lächelns, das bei ihn: beinahe zur Gewohnheit geworden war.

Als er den Brief wieder zusammengelegt und in seiner Brust verborgen hatte, blieb er einen Augenblick, den Kopf gebeugt, in ein nachdenkendes Stillschweigen versunken.

Dann erwachte er gleichsam aus diesem Traume und sprach laut:

»Es ist gut. Was ich Euch zu befehlen habe, besteht darum nicht minder, André, und wenn ich, wie ich Euch sagte, nicht bald hierher zurückkomme, ob Ihr etwas über mich erfahrt oder nicht von mir sprechen hört, was auch geschehen oder nicht geschehen mag, behaltet meine Worte und hört, was Ihr zu thun habt.«

»Ich höre, gnädiger Herr,« sagte André, »und ich werde Euch pünktlich gehorchen; denn ich liebe Euch und bin Euch treu ergeben.«

»Frau von Castro,« sprach Gabriel, »wird in einigen Tagen in Paris sein. Richtet es so ein, daß Ihr so bald als möglich von ihrer Rückkehr in Kenntnis gesetzt werdet.«

»Das ist leicht, gnädiger Herr.«

»Geht ihr sogar entgegen, wenn Ihr könnt, und übergebt ihr in meinem Austrage dieses versiegelte Päckchen. Nehmt Euch wohl in Acht, daß Ihr es nicht verliert, André, obgleich es nichts Kostbares für irgend Jemand enthält, einen Frauenschleier und nicht mehr. Gleichviel! Ihr werdet ihr selbst diesen Schleier übergeben und ihr sagen . . .«

»Was werde ich ihr sagen, gnädiger Herr,« fragte André, als er sah, daß sein Gebieter zögerte.

»Nein, sagt ihr nichts,« erwiderte Gabriel, »wenn nicht, sie sei frei und ich gebe ihr alle ihre Versprechen zurück, selbst das, dessen Pfand dieser Schleier ist.«

»Ist das Alles, gnädiger Herr?«

»Es ist Alles. Wenn man jedoch gar nicht mehr von mir hätte sprechen hören, André, und wenn Ihr Frau von Castro darüber ein wenig in Unruhe sehen würdet, könnt Ihr beifügen . . . Doch wozu? Fügt nichts bei, André; bittet sie, Euch in ihren Dienst zu nehmen, wenn Ihr wollt. Wollt Ihr nicht, so kommt wieder hierher und erwartet hier meine Rückkehr.«

»Nicht wahr, Ihr werdet sicherlich zurückkehren, gnädiger Herr?« fragte die Amme, Thränen in den Augen.

»Ihr sagtet, man würde vielleicht nicht mehr von Euch sprechen hören? . . .«

»Es wird wohl das Beste sein, gute Amme, wenn man nicht mehr von mir sprechen hört,« antwortete Gabriel. »Ja diesem Fall hoffe und erwarte mich.«

»Hoffen! wenn Ihr für Alle und selbst für Eure Amme verschwunden sein werdet? Oh! das ist sehr schwer,« erwiderte Aloyse.

»Aber wer sagt Dir, daß ich verschwinden werde?« entgegnete Gabriel. »Muß man nicht für Alles vorhersehen? Ich meinestheils, obgleich ich meine Vorsichtsmaßregeln treffe, hoffe Dich wahrhaftig bald mit dem ganzen Überschwang meines Herzens zu umarmen! Das ist das Wahrscheinlichste; denn die Vorsehung ist eine zärtliche Mutter für Jeden, der sie ansieht. Und habe ich nicht damit angefangen, daß ich André sagte, alle meine Aufträge wären wohl unnöthig und als nicht geschehen zu betrachten, in dem beinahe gewissen Fall, daß ich heute zurückkehren würde? . . .«

 

»Oh! Gott segne Euch für diese guten Worte« rief die alte Aloyse ganz erschüttert.

»Und Ihr habt uns keine andere Befehle zu geben für die Zeit dieser Abwesenheit, die Gott abkürzen möge?«

»Warte,« sprach Gabriel, den plötzlich eine Erinnerung zu berühren schien.

Und er setzte sich an den Tisch und schrieb folgenden Brief an Coligny:

»Herr Admiral,

»Ich werde mich in Eurer Religion unterrichten lassen und zählt mich von heute an zu den Eurigen.

»Mag mich der Glaube, Euer überzeugendes Wort oder irgend ein anderer Beweggrund zum Uebertritt bestimmen, ich weihe darum nicht minder ohne Rückkehr Eurer Sache, der der unterdrückten Religion, mein Herz, mein Leben und mein Schwert.

»Euer ergebenster Gefährte und guter Freund
Gabriel von Montgommery.«

»Komm ich nicht zurück, so übergeht auch dieses,« sprach Gabriel und reichte André den versiegelten Brief. »Und nun, meine Freunde, muß ich Euch Lebewohl sagen und gehen. Die Stunde schlägt.«

Eine halbe Stunde nachher klopfte Gabriel wirklich mit zitternder Hand an die Pforte des Châtelet.

XX.
Gefangen in geheimem Gewahrsam

Herr von Salvoison, der Gabriel bei seinem ersten Besuche empfangen hatte, war vor Kurzem gestorben und der gegenwärtige Gouverneur hieß Herr von Sazerac.

Zu diesem führte man den jungen Mann.

Die Angst preßte mit ihrer eisernen Hand dem armen Gabriel die Kehle so gewaltig zusammen, daß er kein Wort artikulieren konnte. Doch er überreichte stillschweigend dem Gouverneur den Ring, den ihm der König gegeben hatte.

Herr von Sazerac verbeugte sich ernst.

»Ich erwartete Euch, mein Herr,« sprach er zu Gabriel. »Ich habe vor einer Stunde den Befehl erhalten, der Euch betrifft. Ich muß bei dem Anblick dieses Rings allein und ohne andere Erklärungen von Euch zu verlangen, in Eure Hände den namenlosen Gefangenen übergeben, der seit vielen Jahren unter der Nummer 21 im Châtelet eingesperrt ist. Ist es das, mein Herr?«

»Ja, ja,« antwortete Gabriel, dem die Hoffnung die Stimme wieder gab. »Und dieser Befehl, Herr Gouverneur . . .«

»Ich bin bereit, ihn zu erfüllen.«

»Oh! oh! wahrhaftig?« rief Gabriel, der vom Scheitel bis zu den Zehen zitterte.

»Doch ohne Zweifel . . .« erwiderte Herr von Sazerac in einem Tone, in welchem ein Gleichgültiger eine Nuance von Traurigkeit und Bitterkeit hätte entdecken können.

Gabriel aber war zu sehr erschüttert und von seiner Freude ergriffen.

»Ah! es ist also wahr! rief er. Ich träume nicht. Meine Augen sind offen. Meine tollen Befürchtungen waren nur Träume. Ihr werdet mir den Gefangenen zurückgeben, mein Herr. Oh! Dank, mein Gott! Sire, Dank! Doch laufen wir geschwinde, ich flehe Euch an, mein Herr.«

Und er machte ein paar Schritte, als wollte er Herrn von Sazerac vorangehen. Doch seine Kräfte, so gestählt gegen das Leiden, verließen ihn vor der Freude. Er war gezwungen, einen Augenblick stille zu stehen. Sein Herz schlug so rasch und so stark, daß er ersticken zu müssen glaubte.

Die arme menschliche Natur vermochte so vielen auf einander gehäuften Erschütterungen nicht zu genügen.

Die beinahe unerwartete Verwirklichung so ferne liegender Hoffnungen, der Zweck eines ganzen Lebens, das Ziel übermenschlicher Anstrengungen plötzlich erreicht; die Dankbarkeit gegen diesen so redlichen König und den so gerechten Gott; die kindliche Liebe endlich befriedigt; eine andere noch glühendere Liebe endlich erleuchtet: so viele zu gleicher Zeit erregte Gefühle machten die Seele von Gabriel überströmen.

Doch was sich aus dieser unaussprechlichen Unruhe, aus diesem wahnsinnigen Glück vielleicht am mindesten verworren ausathmete, war gleichsam eine Hymne des Dankes für die Gnade an Heinrich II., von dem ihm diese ganze Trunkenheit zukam.

Und Gabriel wiederholte in seinem erkenntlichen Herzen den Schwur, sein Leben diesem rechtschaffenen König und seinen Kindern zu weihen. Wie hatte er nur eine Minute an diesem großen und vortrefflichen Fürsten zweifeln können?

Endlich schüttelte Gabriel diese Extase ab und sprach zu dem Gouverneur des Châtelet der mit ihm stehen geblieben war:

»Verzeiht, mein Herr, verzeiht diese Schwäche, die Mich einen Augenblick wie vernichtet hat. Seht, die Freude ist zuweilen so schwer zu tragen!«

»Oh! entschuldigt Euch nicht, mein Herr, ich beschwöre Euch!« erwiderte mit einer tiefen Stimme der Gouverneur.

Diesmal betroffen durch den Ton, schlug Gabriel die Augen zu Herrn von Sazerac auf.

Es ließ sich keine wohlwollendere, offenen, ehrlichere Physiognomie finden. Alles bezeichnete bei diesem Gefängniß Gouverneur die Aufrichtigkeit und die Güte.

Seltsame Erscheinung! Das Gefühl, das sich in diesem Augenblick auf dem Antlitz des redlichen Mannes ausprägte, während er die überströmende Freude von Gabriel betrachtete, war ein inniges Mitleid.

Gabriel gewahrte diesen seltsamen Ausdruck und erbleichte plötzlich, von einer finsteren Ahnung ergriffen.

Doch seine Natur war so beschaffen, daß diese unbestimmte Furcht, unversehens in sein Glück eindringend, seinem muthigen Geiste nur die Federkraft zurückgab, und seine hohe Gestalt aufrichtend sprach Gabriel zum Gouverneur:

»Auf, mein Herr, gehen wir. Ich bin nun bereit und stark.«

Einen Diener voran, der eine Fackel trug, stiegen der Vicomte d’Ermès und Herr von Sazerac in die Kerker hinab.

Gabriel fand bei jedem Schritt die finsteren Erinnerungen wieder, er erkannte wieder bei den Biegungen der Gänge und Treppen die düsteren Mauern, die er schon gesehen, und er erinnerte sich der düsteren Eindrücke, welche er hier einst, ohne es sich erklären zu können, empfunden hatte.

Als man zu der eisernen Thüre des Kerkers gelangte, wo er mit einem seltsamen Zusammenschnüren des Herzens, den abgezehrten, stummen Gefangenen besucht hatte, zögerte er keine Secunde und blieb kurz stehen.

»Hier ist es,« sagte er mit gepreßter Brust.

Doch Herr von Sazerac schüttelte traurig den Kopf und erwiderte:

»Nein, hier ist es noch nicht.«

»Wie! hier noch nicht!« rief Gabriel, »wollt meiner spotten, mein Herr?«

»Oh! mein Herr!« entgegnete der Gouverneur im Tone sanften Vorwurfes.

Kalter Schweiß befeuchtete die Stirne von Gabriel.

»Verzeiht! Verzeiht!« sagte er, »Doch was bedeuten diese Worte? Oh! sprecht, sprecht geschwinde.«

»Seit gestern Abend, mein Herr, ich habe den schmerzlichen Auftrag, Euch davon in Kenntnis zu setzen, mußte der in diesem Kerker in geheimem Gewahrsam eingeschlossene Gefangene noch ein Stockwerk tiefer hinabgebracht werden.«

»Ah!« machte Gabriel ganz verwirrt, »und warum dies?«

»Man hat ihm erklärt, wie Ihr, glaube ich, wißt, mein Herr, wenn er nur mit irgend Jemand zu sprechen versuchte, wenn er den geringsten Schrei ausstoße, den geringsten Namen stammelte, sollte er auch aufgefordert werden, so würde man ihn auf der Stelle in einen andern noch tieferen, noch furchtbareren, noch tödtlicheren Kerker bringen, als der seinige.«

»Ich weiß dies,« murmelte Gabriel so leise, daß es der Gouverneur nicht hörte.

»Schon einmal,« fuhr Herr von Sazerac fort, »hatte es der Gefangene gewagt, diesem Befehl entgegenzuhandeln, und damals warf man ihn in diesen grausamen Kerker hier, wo Ihr ihn, wie es scheint, gesehen habt. Man hat mir gesagt, Ihr seid zur Zeit von der Verurtheilung zum Stillschweigen, der er lebendig unterworfen wurde, unterrichtet worden.«

»Ja der That, in der That,« sagte Gabriel mit einer furchtbaren Ungeduld. »Nun, mein Herr?«

»Nun« fuhr Herr von Sazerac mit peinlichem Ausdruck fort, »gestern Abend, kurz vor dem Schluß der äußeren Thore, erschien im Châtelet ein Mann, ein mächtiger Mann, dessen Namen ich verschweigen muß.«

»Gleichviel, sprecht!«

»Dieser Mann sagte der Gouverneur, befahl, ihn nach Numero 21. zu führen. Ich begleitete ihn allein er sprach den Gefangenen an, ohne Anfangs eine Antwort zu erhalten, und ich hoffte, der Greis würde aus dieser Prüfung hervorgehen; denn eine halbe Stunde lang beobachtete er bei allem Drangen und Herausfordern ein hartnäckiges Stillschweigen.«

Gabriel stieß einen tiefen Seufzer aus und schlug die Augen zum Himmel auf, doch ohne ein Wort zu sprechen, um die düstere Erzählung des Gouverneur nicht zu unterbrechen.

»Unglücklicher Weise,« fuhr dieser fort, »setzte sich der Gefangene auf ein letztes Wort, das man ihm in’s Ohr flüstert plötzlich auf, Thränen stürzten aus seinen steinernen Augen, und er sprach, mein Herr! Man hat mich bevollmächtig, Euch dies Alles mitzutheilen, damit Ihr eher auf meine Zeugschaft als Edelmann glaubt, wenn ich beifüge:: »Der Gefangene hat gesprochen!« Ich gebe Euch leider bei meiner Ehre die Versicherung, daß ich es selbst gehört habe.«

»Und dann!« fragte Gabriel mit bebender Stimme.

»Und dann,« sagte Herr von Sazerac, »wurde ich auf der Stelle aufgefordert, trotz meiner Vorstellungen und Bitten, die barbarische Pflicht zu erfüllen, die mir meine Stelle auferlegt, einer höheren Autorität zu gehorchen, welche, wenn ich mich geweigert hätte, schnell gelehrigere Diener gefunden haben würde, und den Gefangenen durch seinen stummen Wächter in den unter diesem liegen den Kerker versetzen zu lassen.«

»In den Kerker unter diesem!« rief Gabriel. »Ah! laufen wir geschwinde! denn ich bringe ihm die Befreiung.«

Der Gouverneur schüttelte traurig den Kopf; doch Gabriel sah diese Gebärde nicht; er stieß schon mit seinen Füßen auf die schlüpfrigem verfallenen Stufen der steinernen Treppe, welche in den tiefsten Abgrund des finsteren Gefängnisses führte.

Herr von Sazerac nahm die Fackel aus den Händen des Dieners, den er mit einem Zeichen entließ. Er schob sein Sacktuch auf seinen Mund und folgte Gabriel hinab.

Bei jedem Schritt, den man hinabstieg, wurde die Luft kärglicher und erstickender.

Als man die unterste Stufe der Treppe erreichte, vermochte die keuchende Brust kaum zu athmen, und man fühlte, daß die einzigen Geschöpfe, welche ein paar Minuten in dieser Atmosphäre des Todes leben könnten, unreine Thiere wären, die man voll Abscheu unter seinen Füßen zertrat.

Doch Gabriel dachte an nichts von Allem dem. Er nahm aus den zitternden Händen des Gouverneur den verrosteten Schlüssel, den dieser ihm reichte, öffnete die schwere, wurmstichige Thüre und stürzte in den Kerker.

Beim Scheine der Fackel konnte man in einer Ecke auf verfaultem Stroh einen Körper ausgestreckt sehen.

Gabriel warf sich auf diesen Körper, zog an ihm, schüttelte ihn und schrie:

»Mein Vater!«

Herr von Sazerac zitterte vor Schrecken bei diesem Schrei.

Die Arme und der Kopf des Greises fielen träge unter der Bewegung zurück, die ihnen Gabriel verlieh.

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