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Die beiden Dianen

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Martin-Guerre schaute furchtsam umher, um zu sehen, ob Niemand horchte, und besonders ob ihn seine Frau nicht hören könnte. Dann dämpfte er die Stimme und sprach:

»Nun wohl, gnädiger Herr, ich verzeihe nicht nur dem armen Arnauld du Thill, sondern ich segne ihn sogar zu dieser Stunde. Welchen Dienst hat er mir geleistet! aus einer Tigerin hat er ein Lamm, aus einem Teufel einen Engel gemacht. Ich ernte die glücklichen Resultate seiner rohen Manieren, ohne daß ich sie mir vorzuwerfen habe. Allen geplagten Ehemännern (und ihre Zahl ist groß, wie man sagt), wünsche ich nur einen Sosie, einen so überzeugenden Sosie, wie der meinige war. Kurz, gnädiger Herr, es ist wahr, Arnauld du Thill hat mir viele Unannehmlichkeiten, viel Kummer bereitet; wird aber all dieses Ungemach nicht mehr als ausgeglichen sein, wenn er durch sein kräftiges System mein häusliches Glück und die Ruhe meiner letzten Tage zu sichern vermocht hat?«

»Das ist gewiß,« erwiderte lächelnd der junge Graf von Montgommery.

»Ich habe also Recht,« schloß Martin heiter, »wenn ich, obgleich insgeheim, Arnauld segne, da ich zu dieser Stunde die glücklichen Früchte seiner Wirksamkeit genieße. Ich habe, wie Ihr wißt, gnädiger Herr, einige Philosophie in meinem Charakter und ich nehme überall die gute Seite der Dinge. Man muß aber zugestehen, daß mir Arnauld in jeder Hinsicht mehr genützt, als geschadet hat. Er war in der Zwischenzeit der Mann meiner Frau, doch er hat sie mir sanfter als einen Maitag zurückgegeben. Er hat mir momentan meine Habe und meine Freunde gestohlen; doch ihm habe ich es zu danken, daß meine Habe vermehrt und meine Freundschaften befestigt zu mir zurückgekehrt sind. Er hat mich endlich harten Prüfungen, besonders in Noyon und Calais, unterworfen; doch mein gegenwärtiges Leben kommt mir darum nur um so angenehmer vor. Ich habe diesen guten Arnauld nur zu loben, und ich lobe ihn.«

»Das ist ein dankbares Herz,« sagte Gabriel.

»O!« rief Martin-Guerre, wieder seinen Ernst annehmend, »derjenige, welchen ich mit meiner ganzen Dankbarkeit, mit meiner ganzen Kindlichkeit verehren muß, ist nicht Arnauld du Thill, ein sehr unfreiwilliger Wohlthäter, sondern Ihr seid es, gnädiger Herr, dem ich in der That alle diese Güter, Vaterland, Vermögen, Freunde und Frau, schuldig bin!«

»Genug hierüber, sage ich Dir noch einmal, Martin!« sprach Gabriel. »Alles, was ich verlange, ist, daß Du diese Güter besitzest. Und Du besitzest sie, nicht wahr? Wiederhole es mir, Du bist glücklich?«

»Ich wiederhole es Euch, gnädiger Herr, glücklich, wie ich nie gewesen bin.«

»Das ist Alles, was ich wissen wollte. Und nun kann ich abreisen.«

»Wie! abreisen!« rief Martin. »Ihr gedenkt schon aufzubrechen, gnädiger Herr?

»Ja, Martin. Nichts hält mich hier zurück.«

»Verzeiht, das ist richtig, und wann brecht Ihr auf?«

»Schon diesen Abend.«

»Und Ihr habt mich nicht davon in Kenntnis gesetzt!« rief Martin-Guerre. »Und ich vergaß es? und ich schlief ein, ich Faulenzer! Doch wartet, wartet gnädiger Herr, das wird nicht lange dauern.«

»Was denn!« sagte Gabriel.

»Ei! meine Vorkehrungen zur Abreise!«

Er stand behende und geschäftig auf, lief nach der Thüre seines Hauses und rief:

»Bertrande! Bertrande!«

»Warum rufst Du Deiner Frau?« fragte Gabriel.

»Damit sie mir sogleich packt und von mir Abschied nimmt, gnädiger Herr.«

»Das ist unnöthig, mein guter Martin, Du reisest nicht mit mir.«

»Wie! Ihr nehmt mich nicht mit, gnädiger Herr?«

»Nein, ich reise allein.«

»Um nicht mehr zurückzukommen?«

»Um wenigstens lange nicht mehr zurückzukommen.«

»Was habt Ihr mir denn vorzuwerfen?« fragte Martin-Guerre mit traurigem Tone.

»Nichts, Martin, Du bist der treuste und ergebenste Diener, den man finden kann.«

»Es ist aber doch natürlich, daß der Diener dem Herrn, daß der Stallmeister dem Cavalier folgt, und Ihr nehmt mich nicht mit!«

»Ich habe drei gute Gründe hierfür Martin.«

»Darf ich Euch fragen, welche?«

»Einmal wäre es grausam, Martin, Dich dem Glück, das Du so spät genießest und der Ruhe, die Du so wohl erworben hast, zu entreißen.«

»Oh! was das betrifft, gnädiger Herr, meine Pflicht ist es, Euch zu begleiten und Euch zu dienen bis zu meiner letzten Stunde, und ich würde, glaube ich, Euch zu Liebe das Paradies verlassen.«

»Ja, aber meine Sache ist es, diesen Eifer nicht zu mißbrauchen, für den ich Dir danke. Sodann erlaubt Dir der schmerzliche Unfall, dessen Opfer Du in Calais gewesen bist, nicht, mir so thätige Dienste zu leisten, wie in der Vergangenheit, mein armer Martin.«

»Es ist wahr, gnädiger Herr; ich kann weder mehr an Eurer Seite, kämpfen, noch mit Euch zu Pferde steigen. Aber in Paris, in Montgommery und selbst im Feld gibt es Vertrauensdienste, mit denen Ihr, wie ich hoffe, noch den armen Invaliden beauftragen könntet, welcher sich derselben aufs Beste entledigen würde.«

»Ich weiß es, Martin, und ich wäre auch vielleicht so selbstsüchtig, es anzunehmen, ohne einen dritten Grund.«

»Darf ich ihn kennen, gnädiger Herr?«

»Ja,« antwortete Gabriel mit einem schwermüthigen Ernst, »doch unter der Bedingung, daß Du nicht weiter forschen, Dich damit begnügen und von dem Verlangen, mir zur folgen, abstehen wirst.«

»Er ist also sehr ernst und sehr gebieterisch gnädiger Herr?«

»Es ist traurig und unwidersprechlich, Martin,« sagte Gabriel mit tiefer Stimme. »Bis jetzt ist mein Leben ganz Ehre gewesen, und hätte ich wollen meinen Namen öfter aussprechen lassen, so wäre es ganz Ruhm gewesen. Ich glaube in der That, Frankreich und dem König unermeßliche Dienste geleistet zu haben, und ich habe, um nicht einmal von Saint-Quentin und Calais zu reden, vielleicht reichlich und großmüthig meine Schuld an das Vaterland entrichtet.«

»Wer weiß das besser, als ich, gnädiger Herr?« rief Martin-Guerre.

»Ja, Martin, doch je mehr dieser erste Theil meines Daseins redlich und hochherzig gewesen sein wird, je mehr er im Lichte des hellen Tages leuchtet, desto mehr wird derjenige Theil, den ich noch zu erfüllen habe, furchtbar sein und das Geheimniß und die Finsternis suchen. Ich habe ohne Zweifel dieselbe Energie zu entwickeln, doch für eine Sache, die ich nicht zugestehen, für ein Ziel, das ich verbergen werde. Ich hatte bis jetzt im offenen Felde vor Gott und vor den Menschen, freudig einen Lohn zu gewinnen, ich habe nun in der Nacht und in der Herzensangst ein Verbrechen zu rächen. Ich schlug mich, ich muß strafen. Vom Soldaten Frankreichs werde ich der Henker Gottes.«

»Jesus!« rief Martin-Guerre die Hände faltend.

»Ich muß also allein sein für dieses finstere Werk, wobei ich selbst den Himmel bitte, meinen Arm und nicht meinen Willen zu gebrauchen, wobei ich gern ein blindes Werkzeug und nicht ein denkender Kopf sein möchte. Und da ich wünsche, da ich hoffe, daß meine furchtbare Pflicht nur die Hälfte meines Seins hinnimmt, wie soll ich daran denken, Dich damit zu verbinden, Martin?«

»Das ist richtig und ich begreife es, gnädiger Herr,« sagte der treue Diener, das Haupt neigend. »Ich danke Euch, daß Ihr mir diese Erklärung gegeben habt, obgleich sie mich betrübt, und ich füge mich, wie ich es Euch versprochen.«

»Und ich danke Dir meinerseits für Deine Botmäßigkeit,« sagte Gabriel, »Dein ergebenes Gemüth beweist sich hier dadurch, daß Du nicht die Bürde der Verantwortlichkeit, die mich niederdrückt, erschwerst.«

»Aber ich, gnädiger Herr,« versetzte Martin-Guerre, »vermag ich bei dieser Gelegenheit durchaus nichts, um Euch zu dienen?«

»Du kannst zu Gott beten, Martin, daß er mir nach meinem Wunsche die Initiative erspart, welche zu nehmen mich so große Anstrengung kostet. Du hast ein frommes Herz und ein ehrliches, reines Leben für Dich, mein Freund, und Dein Gebet kann mir hier mehr nützen, als Dein Arm.«

»Ich werde beten, gnädiger Herr, ich werde beten, und ich brauche Euch nicht zu sagen, mit welcher Inbrunst.«

»Nun lebe wohl, Martin,« sprach Gabriel, »ich muß Dich verlassen, um nach Paris zurückzukehren, um bereit und gegenwärtig an dem Tage zu sein, den zu bezeichnen es Gott gefallen wird. Mein ganzes Leben habe ich das Recht vertheidigt, für die Billigkeit gekämpft: der Herr erinnere sich dessen an dem äußersten Tage, von dem ich spreche; er lasse Gerechtigkeit seinem Diener widerfahren, wie ich sie dem meinigen habe widerfahren lassen.«

Und die Augen zum Himmel aufschlagend, wiederholte der hochherzige junge Mann:

»Gerechtigkeit! Gerechtigkeit!«

Wenn der junge Mann seit sechs Monaten die Augen offen hatte, war es gewöhnlich, um sie auf den Himmel zu heften, von dem er Gerechtigkeit forderte. Wenn er sie wieder schloß, war es stets, um das düstere Gefängniß des Châtelet in seinem noch düstereren Geiste zu sehen, der in ihm: Rache! Rache! rief.

Zehn Minuten nachher entriß er sich mit großer Mühe dem Lebewohl und den Thränen von Martin-Guerre und von Bertrande de Rolles, die dieser gerufen hatte.

»Gott befohlen, mein guter Martin, mein treuer Diener!« sprach er, während er beinahe mit Gewalt seine Hände von denen seines Stallmeisters losmachte, der sie ihm schluchzend küßte. »Ich muß scheiden, Gott befohlen, wir werden uns wiedersehen.«

»Lebt wohl, gnädiger Herr, und Gott beschütze Euch! oh, er beschütze Euch!«

Dies war Alles, was der arme Martin-Guerre sagen konnte.

Und er sah durch seine Thränen, wie sein Herr und Wohlthäter wieder zu Pferde stieg und sich in die Finsternis vertiefte, welche dichter zu werden anfing und ihm bald den düsteren Reiter entzog, wie sie ihm seit langer Zeit sein Leben entzogen hatte.

II.
Zwei Briefe

Nach diesem so schwierigen und so glücklich beendigten Prozeß verschwand Gabriel abermals auf mehrere Monate, und er führte wieder sein, irres, unentschiedenes, geheimnißvolles Leben. Man traf ihn wieder an zwanzig verschiedenen Orten. Nichtsdestoweniger entfernte er sich nie von der Umgegend von Paris oder vom Hof, indem er es im Schatten so einrichtete, daß er Alles sah, ohne gesehen zu werden.

 

Er beobachtete die Ereignisse, doch diese Ereignisse nahmen ihren Verlauf durchaus nicht nach seinem Wunsch.

Ganz einem einzigen Gedanken hingegeben, erblickte die Seele des jungen Mannes den Ausgang noch nicht, den seine Rache erwartete.

Die einzige wichtige Thatsache, welche in der politischen Welt während dieser paar Monate vorging, war der Frieden von Cateau-Cambrésis.

Eifersüchtig auf die Heldenthaten des Herzogs von Guise und die neuen Rechte, die sein Nebenbuhler sich täglich auf die Dankbarkeit der Nation und die Gunst des Gebieters erwarb, hatte der Connétable von Montmorency endlich diesen Frieden Heinrich II. durch den mächtigen Einfluß von Diana von Poitiers entrissen.

Der Vertrag wurde unterzeichnet am 3. April 1551. Obgleich im vollen Siege geschlossen, war er kaum für Frankreich vortheilhaft.

Es bewahrte die drei Bisthümer Metz, Toul und Verdun, mit ihren Grundgebieten. Es behielt Calais nur auf acht Jahre, und bezahlte achtmal hundert tausend Goldthaler an England, wenn der Platz nicht innerhalb dieses Zeitraums zurückgegeben war (doch dieser Schlüssel von Frankreich wurde nie zurückgegeben, und die achtmal hundert tausend Goldthaler wurden nie bezahlt). Endlich kehrte Frankreich in den Besitz von Saint-Quentin und von Ham zurück, und behielt in Piemont vorläufig Turin und Pignerol.

Doch Philipp II. bekam in voller Souveränität die befestigten Plätze Thionville, Marienburg, Hesdin. Er ließ Therouanne und Yvoy schleifen. Er ließ Bouillon dem Bischof von Lüttich, den Genuesern die Insel Corsica, Philibert von Savoyen den größten Theil von Savoyen und von dem unter Franz I. eroberten Piemont zurückgeben. Dann machte er seine Heirath mit Elisabeth, der Tochter des Königs, und die des Herzogs von Savoyen mit der Prinzessin Margarethe zur Bedingung. Dies waren für ihn so ungeheure Vortheile, daß ihn sein Sieg am Saint-Laurent-Tage keine größere hatte hoffen lassen.

Der Herzog von Guise eilte wüthend von der Armee herbei und beschuldigte laut und nicht ohne Grund Montmorency des Verraths und den König der Schwäche, weil dieser mit einem Federzug das zugegeben hatte, was die spanischen Waffen den Franzosen nach dreißig Jahren günstigen Erfolges nicht hätten entreißen können.

Doch das Uebel war geschehen, und die düstere Unzufriedenheit des Balafré vermochte nichts gut zu machen.

Gabriel freute sich nicht darüber. Seine Gerechtigkeit verfolgte den Menschen im König, und nicht den König in Frankreich. Er hätte sich gern mit seinem Vaterlande gerächt, aber nicht gegen dasselbe.

Doch er merkte sich in seinem Geiste den Groll, den der Herzog von Guise gefaßt haben mußte und auch wirklich gefaßt hatte, als er die erhabenen Anstrengungen seines Genies durch die dumpfen Ränke der Intrigue vereitelt sah.

Der Zorn eines fürstlichen Coriolan konnte bei Gelegenheit den Absichten von Gabriel dienlich sein.

Franz von Lothringen war übrigens bei Weitem nicht der einzige Unzufriedene des Königreichs.

Eines Tags begegnete Gabriel beim Pré-aux-Clercs dem Baron de la Renaudie, den er seit der Besprechung am Morgen in der Rue Saint-Jacques nicht mehr gesehen hatte.

Statt ihn zu vermeiden, wie er es that, so oft er ein bekanntes Gesicht vor sich sah, redete ihn Gabriel an.

Diese zwei Männer waren geschaffen, um sich zu verstehen: sie glichen sich durch mehr als eine Seite, besonders durch die Rechtschaffenheit und die Energie. Beide waren gleichmäßig für die Thätigkeit geboren und leidenschaftlich für die Gerechtigkeit.

Nachdem die ersten Begrüßungen ausgetauscht waren, sprach Renaudie entschlossen:

»Ich habe Meister Ambroise Paré gesehen, Ihr gehört zu den Unsrigen, nicht wahr?«

»Dem Herzen nach, ja, der That nach, nein,« antwortete Gabriel.

»Und wann werdet Ihr uns endlich der That nach uns offen angehören?« fragte la Renaudie.

»Ich werde nun nicht mehr die selbstsüchtige Sprache führen, die Euch vielleicht gegen mich entrüstet hat,« versetzte Gabriel. »Ich werde Euch im Gegentheil antworten: Ich will Euch gehören, wann Ihr meiner bedürft, und wann ich Eurer nicht mehr bedarf.«

»Das ist Großmuth,« versetzte la Renaudie. »Der Edelmann bewundert Euch, der Parteimann kann Euch nicht nachahmen. Wenn Ihr den Augenblick erwartet, wo wir aller unserer Freunde bedürfen werden, so wißt, daß dieser Augenblick gekommen ist.«

»Was geht denn vor?« fragte Gabriel.

»Man führt einen geheimen Streich gegen die Anhänger der Religion im Schilde. Man wird sich auf einmal aller Protestanten entledigen.«

»Welche Anzeichen lassen Euch dies vermuthen?«

»Man verbirgt sich kaum,« antwortete der Baron. »Antoine Minard, der Präsident vom Parlament, hat ganz laut in einer Rathsversammlung in Saint-Germain geäußert, man müsse einen guten Schlag thun, wenn man nicht in eine Art von Republik, wie die Schweizer Stände verfallen wolle.«

»Wie! er hat das Wort Republik ausgesprochen?« rief Gabriel ganz erstaunt. »Ohne, Zweifel übertrieb er nur die Gefahr, damit man das Gegenmittel übertreibe?«

»Nicht sehr,« versetzte la Renaudie die Stimme dampfend, »er hat sie, um die Wahrheit zu sagen, nicht sehr übertrieben. Wir haben uns auch ein wenig verändert, seit dem Tage unserer Zusammenkunft in der Stube von Calvin. Die Theorien von Ambroise Paré kämen uns heute nicht mehr so kühn vor, und Ihr seht überdies, daß man uns zu den äußersten Entschließungen antreibt.«

»Dann werde ich vielleicht früher zu den Eurigen gehören, als ich dachte,« sagte Gabriel lebhaft.

»Das gefällt mir!« rief la Renaudie.

»Nach welcher Seite muß ich meine Augen richten?« fragte Gabriel.

»Nach dem Parlament,« antwortete der Baron. »Dort wird sich der Kampf über die Frage entspinnen. Die evangelische Partei zählt darin eine furchtbare Minorität, Anne Dubourg, Henri Dufaur, Nicolas Duval, Eustache de la Porte und zwanzig Andere. Auf den Mercurialien,12 welche den Vollzug der Verfolgungen gegen die Ketzer fordern, antworten diese Parteigänger des Calvinismus damit, daß sie die Zusammenkunft des Generalconcils fordern, welches nach den Worten der Decrete von Constanz und Basel bei den Religionsangelegenheiten zu entscheiden hat. Sie haben das Recht für sich, deshalb wird man Gewalt gegen sie anwenden müssen.«

»Das genügt.«

»Bleibt in Paris, in Eurem Hotel, damit man Euch im Falle der Noth benachrichtigen kann,« sprach la Renaudie.

»Es kostet mich Mühe, doch ich werde bleiben, vorausgesetzt, daß Ihr mich nicht zu lange schmachten laßt,« erwiderte Gabriel, »Ihr habt, wie mir scheint, nun genug geschrieben und gesprochen, und man müßte ausführen und handeln.«

»Das ist auch meine Ansicht,« versetzte la Renaudie. »Haltet Euch bereit und seid ruhig.«

Sie trennten sich. Gabriel entfernte sich ganz nachdenkend.

Verirrte sich sein Gewissen nicht im Eifer der Rache? Was trieb ihn jetzt zum Bürgerkrieg an?

Doch da die Ereignisse nicht zu ihm kamen, so mußte er wohl zu ihnen gehen.

Noch an demselben Tag kehrte Gabriel in sein Hotel in der Rue des Jardins-Saint-Paul zurück.

Er fand hier nur seine treue Aloyse. Martin-Guerre war nicht mehr da, André war bei Frau von Castro geblieben; Jean und Babette Peuquoy hatten sich wieder nach Calais begeben, um von dort nach Saint-Quentin zurückzukehren, dessen Thore der Friede von Cateau-Cambrésis dem patriotischen Weber wieder öffnete.

Die Rückkehr des Herrn in sein verlassenes Haus war daher diesmal noch trauriger als gewöhnlich. Doch liebte ihn die mütterliche Amme nicht für Alle? Wir müssen darauf Verzicht leisten, die Freude der würdigen Frau zu beschreiben, als ihr Gabriel eröffnete, er werde nun ohne Zweifel einige Zeit bei ihr wohnen. Er würde in der verborgensten Zurückgezogenheit und in der völligsten Einsamkeit leben; doch er würde bleiben, und nur sehr selten ausgehen; Aloyse würde ihn sehen, ihn pflegen; sie hatte sich seit langer Zeit nicht mehr so glücklich gefühlt.

Gabriel beneidete mit einem traurigen Lächeln dieses Glück einer liebenden Seele. Ah! er konnte es nicht mehr theilen. Sein Leben war für ihn fortan nur ein gräßliches Räthsel, dessen Lösung er zugleich fürchtete und wünschte.

In diesen Befürchtungen und in dieser Ungeduld vergingen seine Tage verdrießlich und unruhig einen Monat und mehr.

Nach dem Versprechen, das er seiner Amme geleistet, verließ er das Hotel beinahe nie; nur am Abend schweifte er zuweilen um das Châtelet her und wenn er zurückkam, schloß er sich Stunden lang in der Gruft ein, wohin unbekannte Todtengräber nächtlicher Weile und verstohlen den Leichnam seines Vater gebracht hatten.

Gabriel fand ein finsteres Vergnügen daran, so zu dem Tage der Verletzung zurückzukehren und seinen Muth mit seinem Zorn zu unterhalten.

Wenn er die schwarzen Mauern des Châtelet sah, wenn er besonders das marmorne Grab wiedersah, wo die Leiden eines so edlen Lebens geendigt hatten, trat der furchtbare Morgen, an dem er seinem ermordeten Vater die Augen geschlossen, mit allen seinen Schauern wieder vor ihn.

Dann zogen sich seine Fäuste krampfhaft zusammen, dann sträubten sich seine Haare, dann schwoll seine Brust an, und er ging aus dieser gräßlichen Beschauung mit einem ganz neuen Hasse hervor.

In solchen Augenblicken beklagte es Gabriel, daß er seine Rache in das Schlepptau der Ereignisse gestellt hatte; das Warten wurde ihm unerträglich.

Während er so ungeduldig wartete, waren die Mörder siegreich und freudig! Dieser König thronte friedlich in seinem Louvre! Dieser Connétable bereicherte sich durch das Elend des Volkes! Diese Diana von Poitiers berauschte sich in ihren schändlichen Liebschaften!

Dies konnte nicht so fortdauern! Schlief der Blitz Gottes, zitterten die Unterdrückten in ihrem Schmerz, so würde Gabriel ohne Gott und ohne die Menschen handeln, oder er würde vielmehr das Werkzeug sowohl der göttlichen Gerechtigkeit, als des menschlichen Hasses werden.

Hiebei fuhr er mit einer unwiderstehlichen Bewegung nach dem Griffe seines Schwertes; er machte einen Schritt um hinaus zueilen.

Doch sein erschrockenes Gewissen erinnerte ihn dann wieder an den Brief von Diana von Castro, geschrieben von Calais, worin ihn seine Vielgeliebte anflehte, nicht mit eigener Hand zu strafen und, wenn er nicht ein unwillkürliches Werkzeug würde, nicht zu schlagen, und wären es auch Schuldige.

Gabriel las diesen rührenden Brief abermals, und ließ sein Schwert wieder in die Scheide fallen.

Entrüstet über seine Gewissensbisse, entschloß er sich doch, zu warten.

Gabriel gehörte in der That zu denjenigen, welche handeln, und nicht zu denjenigen, welche anführen. Seine Thatkraft war bewunderungswürdig, wenn er ein Heer, eine Partei, oder nur einen großen Mann bei sich hatte. Doch weder seinem Rang, noch seiner Natur nach war er im Stande, allein außerordentliche Dinge auszuführen, nicht einmal im Guten, und noch viel weniger im Verbrechen. Er war weder als ein mächtiger Fürst, noch als ein mächtiges Genie geboren. Das Vermögen und der Wille der Initiative fehlten ihm gänzlich.

An der Seite von Coligny und vom Herzog von Guise hatte er Staunen erregende Thaten vollbracht. Doch nun, wie er Martin-Guerre zu verstehen gegeben, war seine Aufgabe eine ganz andere geworden: statt den Feind zu bekämpfen, hatte er seinen König zu bestrafen. Und diesmal stand Niemand an seiner Seite, um ihn bei dem furchtbaren Werk zu unterstützen.

Er zählte nichtsdestoweniger immer noch auf dieselben Menschen, die ihm schon ihre Macht geliehen hatten, auf Coligny, den Protestanten, auf den Herzog von Guise, den Ehrgeizigen.

Ein Bürgerkrieg für die Vertheidigung der religiösen Wahrheit, eine Empörung für den Triumph der Usurpation eines großen Genies, dies waren die geheimen Hoffnungen von Gabriel. Der Tod oder die Thronentsetzung von Heinrich II., seine Bestrafung, in allen Fällen, ging aus der einen oder der anderen dieser Gährungen hervor. Gabriel würde sich dabei im zweiten Rang wie ein Mann vom ersten zeigen. Er würde den Schwur halten, den er dem König selbst geleistet, er würde den Meineidigen bis in seinen Kinder und Kindeskinder verfolgen.

Entgingen ihm diese zwei Chancen, so hätte Gabriel, gewohnt, im Gefolge zu erscheinen, nur Gott walten zu lassen.

 

Doch diese zwei Chancen schienen ihm Anfangs nicht entgehen zu sollen. Eines Tags, am 13. Juni, erhielt Gabriel beinahe zu gleicher Zeit zwei Briefe. Der erste wurde ihm gegen fünf Uhr Nachmittags durch einen geheimnißvollen Mann gebracht, der ihn nur ihm selbst übergeben wollte und ihn auch erst übergab, nachdem er die Züge seines Gesichts mit den Anzeigen eines genauen Signalements verglichen hatte.

Dieser Brief war in folgenden Worten abgefaßt:

»Freund und Bruder,

»die Stunde ist gekommen, die Verfolger haben die Maske abgenommen. Gott sei gelobt! das Märtyrerthum führt zum Sieg.

»Sucht noch diesen Abend um neun Uhr auf der Place Maubert eine braune Thüre bei Nr. 11.

»Ihr thut an diese Thüre drei durch einen regelmäßigen Zwischenraum abgesonderte Schläge. Ein Mann wird Euch öffnen und zu Euch sagen: »Tretet nicht ein, Ihr würdet nicht hell sehen.« Ihr antwortet ihm: »Ich bringe mein Licht mit mir.« Der Mann wird Euch zu einer Treppe von siebzehn Stufen führen, die Ihr in der Dunkelheit hinaufsteigt. Oben wird Euch ein zweiter Akolyte anreden und zu Euch sagen: »Was verlangt Ihr?« Antwortet: »Was gerecht ist.« Man wird Euch sodann in ein anderes Zimmer führen, wo Euch einer das Losungswort »Genf« in das Ohr sagt. »Ihr werdet ihm mit dem Feldgeschrei: »Ruhm« antworten. Sogleich wird man Euch unter diejenigen geleiten, welche Eurer heute bedürfen.

»Diesen Abend, Freund und Bruder. Verbrennt das Billet. Verschwiegenheit und Muth.«

»L. R.«

Gabriel ließ sich eine angezündete Lampe bringen, verbrannte vor dem Boten den Brief und sprach als Antwort nur:

»Ich werde kommen.«

Der Mann grüßte und entfernte sich.

»Ah!« sagte Gabriel zu sich selbst, »endlich sind die Evangelischen müde!«

Gegen, acht Uhr, als er noch über diese Berufung von la Renaudie nachdachte, führte Aloyse einen Pagen mit dem Wappen von Lothringen zu ihm.

Der Page war der Ueberbringer eines folgendermaßen abgefaßten Briefes:

»Mein Herr und theurer Gefährte,

»Ich bin seit sechs Wochen wieder in Paris von der Armee zurück, wo ich nichts mehr zu thun hatte.

»Man versichert mich, Ihr müßt auch seit einiger Zeit zu Hause sein. Wie kommt es, daß ich Euch noch nicht gesehen? Solltet Ihr mich in diesen Zeiten der Undankbarkeit und des Vergessens auch vergessen haben? Nein, ich kenne Euch, das ist etwas Unmögliches.

»Komm also, ich werde Euch, wenn Ihr wollt, morgen früh um 10 Uhr, in meiner Wohnung in den Tournelles erwarten.

»Kommt, und wäre es nur, um uns gegenseitig über das zu trösten, was sie aus unsern Siegen gemacht haben. »Euer wohlgewogener Freund

»Franz von Lothringen.«

»Ich werde kommen,« sprach abermals Gabriel einfach zu dem Pagen.

Und als der Knabe sich entfernt hatte, dachte er:

»Ah! der Ehrgeizige ist auch erwacht!«

Durch eine doppelte Hoffnung gewiegt, begab er sich eine Viertelstunde nachher auf den Weg nach der Place Maubert.

12Besondere Versammlungen des französischen Parlaments.
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