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Der Pechvogel

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XV.
Die Kirchweih von Varenne

—–

Als Richard in die Wohnung der Rue Saint-Sabin zurückkam und Valentin wieder traf, verlangte er von seinem Freund keine Erklärung; er vermied es in Zukunft das Gespräch auf den alten Guichard und seine Enkelin kommen zu lassen; er erkünstelte in dieser Beziehung eine Gleichgültigkeit von der sich der Bijoutier vollständig täuschen ließ.

Am folgenden Sonntag fragte Valentin den Künstler ob er ihn nicht nach Varenne begleiten wolle, und als er zu gleicher Zeit wie sein Freund bei der Blonden eintraf, konnte dieser bemerken daß das Benehmen des Herrn der Möve sich in Bezug auf das junge Mädchen ganz bedeutend verändert hatte. Er gebrauchte gegen sie noch immer denselben ungezwungenen Ton den er gegenüber allen Frauenzimmern zur Schau trug, aber wenigstens enthielt er sich der unehrerbietigen Vertraulichkeiten die er sich schon in den ersten Tagen seines Zusammenseins mit der kleinen Fischerin erlaubt hatte.

Valentin glaubte seinen Freund gründlich curirt; er wünschte sich Glück dazu daß er Einfluß genug auf den Bildhauer gehabt habe um ihn von seinen Plänen abzubringen; zugleich empfand er eine geheime Freude über die er sich nicht genau Rechenschaft ertheilte, und die sich durch eine erhöhte freundschaftliche Gemüthlichkeit aussprach deren Ursache Richard wohl durchschaute. Die Leidenschaft des jungen Goldarbeiters machte, als sie von den Fesseln befreit war die er sich selbst auferlegen zu müssen für Pflicht gehalten hatte, rasche Fortschritte in seiner Seele. Dieß war leicht aus den Blicken zu ersehen womit er Huberte umfing wenn er bei ihr war, aus der Wonne womit er jedes ihrer Worte entgegennahm, aus seiner träumerischen Miene, aus der Schwermuth, die sich in seinem Gesicht abspiegelte wenn er nach Paris zurück kam. Gleichwohl schien es ihm als ob seit dem Opfer das er von seinem Kameraden verlangt hatte noch nicht Zeit genug verflossen sei um, wenn auch in ganz andern Absichten als Richard hatte, die Stelle in Anspruch zunehmen die dieser freiwillig erledigt ließ. Valentin schwieg über das was in seinem Herzen vorging; niemals war zwischen ihm und Huberte wieder so viel von Liebe und Vereinigung die Rede wie an dein Tag wo der Befehlshaber er Möve ihr Geplauder auf dem Fluß überrascht hatte.

Huberte behandelte die zwei jungen Leute so ziemlich gleich; sie widmete beiden dieselbe naive Freundschaft, dieselbe warme Herzlichkeit, dieselbe kindliche Zärtlichkeit; hätte man jedoch einen Unterschied ermitteln wollen, so war so viel augenscheinlich daß sie gegen Valentin in demselben Maß rückhaltender und kälter wurde als dieser sich enthusiastischer und dringlicher zeigte, und daß sie gegen Richard sich liebenswürdiger erwies seit dieser seine Ansprüche auf die Rechte guter Kameradschaft beschränkte. Wenn sie mit dem ersteren allein war, erschien sie gezwungen« verlegen, träumerisch« beinahe traurig; sie sprach wenig und lächelte kaum, sie schien das Ende dieser Besprechung unter vier Augen zu wünschen. Kam der zweite, so überließ sie sich ohne Zwang den Eingebungen ihrer natürlichen Fröhlichkeit.

Argwöhnisch wie alle aufrichtig verliebte Herzen, hatte Valentin diese Schattirung in den Sympathien des jungen Mädchens vielleicht bemerkt; vielleicht gesellte sich ein Zweifel an Hubertens Aufrichtigkeit zu den soeben von uns ausgeführten Gründen warum er der Enkelin des alten Fischers seine Liebe nicht erklärte.

So kam man bis zu den ersten Tagen des Septembers, d. h. bis zur Zeit wo die Kirchweihe von Varenne gefeiert werden sollte.

Dieses Fest war seit zwei Monaten die Hauptbeschäftigung des Herrn Batifol, diejenige die ihn verhinderte die ganze Bitterkeit der Erinnerungen zu empfinden welche sein trauriges Abenteuer bei ihm zurückgelassen haben mußte.

Ganze Haufen von Menschen erben die kleinen Leidenschaften welche die Einzelnen für sich besitzen; nur vervielfältigen sich diese Leidenschaften in Folge der gegenseitigen Aufmunterung die sie einander geben; statt auf dem Boden zu kriechen, wie dieß der Fall ist wenn der Raum ihnen mangelt, entwickeln sie ungescheut eine wahrhaft tropische Vegetation.

Die Mauern des neuen Dorfes waren kaum aus der Erde hervorgekommen, als bereits die Erbauer derselben die trügerischsten Hoffnungen auf seine Bedeutung faßten und einen neidischen Blick auf die benachbarten Dörfer warfen.

Wenn man sie hörte, so hätte die Regierung ihren Sorgen um die unfreundliche Haltung Europas entsagen und darauf bedacht sein müssen Varenne mit einer Kirche, mit einer Schule, einer Feuersprize, kurz mit allen möglichen Einrichtungen auszustatten, selbst den Feldschützen einbegriffen, Einrichtungen die sie ohne Widerrede Gemeinden gewährte die allerdings mehr Seelen zählten, aber bei weitem nicht für so merkwürdig gelten konnten, als dieser neue Mittelpunkt es vermöge der exceptionellen Auszeichnung jedes einzelnen Bewohners war.

Bald kam es so weit daß sie Saint-Maux den Besitz des Gemeindehauses streitig machten und alle Municipalehren für sich in Anspruch nahmen.

Wie zu erwarten stand, hatten diese ehrgeizigen Gelüste und die zahlreichen Klagen von denen sie begleitet waren durchaus keinen Erfolg; sie wurden in Masse zurückgewiesen, und darum suchten sich die Varenner im Detail schadlos zu halten.

Saint-Maux hatte eine Kirchweihe; die Häuser der Halbinsel wollten ebenfalls ihre Kirchweihe haben.

Herr Batifol hatte diesen Wunsch eingegeben und geschürt; er kannte den Preis und den Werth der Oeffentlichkeit; er nahm gerne Zuflucht zu ihr um den Verkauf seines noch übrigen Grundbesitzes zu fördern; bloß die bedeutenden Ausgaben womit sie verbunden war hatten ihn aufgehalten; er fand eine Möglichkeit dieß auf Kosten seiner Mitbürger zu thun, er nahm da keinen Anstand mehr, sondern stellte sich an die Spitze des Unternehmens.

Acht Tage nach Empfang der nothwendigen Ermächtigung verkündeten große gelbe Anschlagblätter den Bevölkerungen von Paris und der Bannmeile daß man den Liebhabern der Villegiatur ein prächtiges Landhaus für so viel wie nichts biete.

Dieß war eine Berechnung von Herrn Batifol; auf diese Art würde er um einen guten Preis etliche Meter seines Bodens los, die in einer Lotterie herausgelost werden sollte, wovon jede bei der Kirchweih erscheinende Person ein Billet zu empfangen hätte.

Von einem Landbaus war auf dem Sande des Herrn Batifol ganz und gar nichts vorhanden; so viel aber ist wahr daß der vom Glück Begünstigte alles Recht hatte ein solches zu bauen.

Der Anschlag hatte einen außerordentlichen Erfolg; alle östlichen Vorstädte strömten auf die Halbinsel der Marne; die Lotterie sollte nur einen einzigen Glücklichen machen, aber jeder hoffte derselbe zu sein, und diejenigen denen das Schicksal dieses Vorrecht verweigern würde, konnten sich mit dem Lanzenbrechen, dem Fischerstechen, dem Rennen nach Kürbissen und Enten, so wie Spielen aller Art, dem Ball und noch andern Vergnügungen trösten, womit Herr Batifol, der in Bezug auf die Liebhabereien des Publikums sehr wohl unterrichtet war, das Hauptstück seines Programms noch verlockender zu machen sich bestrebt hatte.

Von frühem Morgen an bot das Ufer einen ungewöhnlichen Anblick dar.

Einige hartnäckige Neugierige besprachen sich gruppenweise über die Vergnügungen die ihnen zu Theil werden sollten; die Meßkrämer gaben ihren ephemeren Gebäuden den letzten Hammerschlag, die Hunde, die von dieser ungewohnten Bewegung überrascht waren, bellten; die Kinder gingen mit lüsternen Gesichtern um die improvisirten Buden umher spazieren« die Wirthe ihrerseits blieben auch nicht unthätig. Wenn man von außen nicht auf den Umfang ihrer Vorbereitungen schließen durfte« so war es gleichwohl leicht sie nach dem schrecklichen Geruch von verbranntem Fett zu schätzen der die gewöhnlich so reine Atmosphäre des Thals auf fünfhundert Schritte in der Runde verpestete.

Herr Batifol in schwarzem Frack und weißer Halsbinde ging mit der ganzen Bedeutsamkeit eines Obergenerals ab und zu: er ertheilte seine Befehle in hochmüthigem und gebieterischem Tone, ließ die Besen für das Rennen aufstellen, die Oriflammen aufrichten, die Laubguirlanden aufhängen: aber er verschmähte es auch nicht, wie er sagte« selbst die Hand an den Teig zu legen und den Arbeitern bei Errichtung des Klettermastes zu helfen.

Bloß Pechvogel zeigte sich gänzlich unberührt von dieser allgemeinen Thätigkeit und Heiterkeit.

Was Huberte auch sagen mochte um ihn zur Theilnahme zu bestimmen, der Alte, der mit so innigem Behagen bei der Wiedereröffnung des Fischfanges mit seinem Hut die Honneurs machte, hatte sich hartnäckig geweigert seine Sonntagskleider anzulegen. Gleich jenen Legitimisten die noch lange nach der Throngelangung des August 1830 den König Ludwig Philipp fortwährend den Herzog von Orleans nannten, wollte Franz Guichard das neue Varenne nicht anerkennen, und wie die alten Herzoginnen der adeligen Vorstadt bei den Nationalfesten thaten, so war er entschlossen sich während des Festes von Varenne in seiner Wohnung zu verschließen.

– Und über was soll ich mich freuen? sagte er zur Blonden; etwa darüber daß alles in der Gegend so gründlich umgewühlt ist, daß ich die Orte nicht mehr zu erkennen vermag die ich mehr als fünfzig Jahre hindurch besucht hatte? Etwa darüber daß ich alltäglich die Bäume fällen sehe die meiner Erinnerung als Stützpunkte dienten, und daß ich an der leeren Stelle die sie hinterlassen einen Pariser herauswachsen sehen muß, der Dich«, mein Kind, morgen beschimpfen wird, wenn er dich nicht gestern beschimpft hat! Ueber was soll ich mich weiter freuen? Darüber daß diese Pariser den Platz eingenommen haben welchen die Edelleute leer gelassen? Darüber daß, wenn wir auch nicht mehr dieselben Privilegirten haben, doch dieselben Privilegien noch vorhanden sind? Darüber daß dieselbe Unverschämtheit, derselbe Stolz und Egoismus wozu früher der Degen den armen Leuten gegenüber ein Recht verlieh, heut zu Tage von dem Besitz eines Fünffrankenstückes ihre Berechtigung ableiten? Geh mir weg! Es steht Dir frei dich zu amüsiren, Blonde, da Du Deinen Sonntagsflitter angelegt hast, aber mir für meine Person sagt mein Herz viel zu wenig um mithalten zu wollen.

 

– Und ich wiederhole Euch, Großvater, daß Ihr Euch durchaus anziehen müßt; ich habe große und gewichtige Gründe darauf zu bestehen.

– Nun wohl, so sag sie mir, Deine Gründe.

– Seht, Großvater« antwortete Huberte, deren Gesicht sich mit einer leichten Röthe überzog, Herr Valentin und Herr Richard werden kommen. . .

– Und Du verlangst daß Dein Großvater sich schön mache um sie zu empfangen? Ich dachte, wenn Du schön seiest, so sei dieß Alles was Herr Valentin wünschen könne, und es scheint mir daß in dieser Beziehung nichts fehlen kann, denn Du hast zu Deinem Aufputz mehr Zeit gebraucht als ich zur Herrichtung von einem halb Dutzend Wurfgarne.

– Warum nennet Ihr gerade Herrn Valentin und nicht auch Herrn Richard? sagte Huberte, indem sie an einer Ecke ihrer Schürze drehte.

– Ha, ha, ich habe meine Gründe, Blonde, und ich bin überzeugt daß Du sie im Grunde gut findest, auch ohne sie zu kennen.

– Und dürfte man Eure Gründe erfahren, Großvater? meinte das junge Mädchen lächelnd.

– Sie bestehen darin daß Herr Valentin, obschon sein Handwerk wenig Aehnlichkeit mit dem unsern hat und er vielleicht etwas nur zu sehr den Herrn spielt, mir so viel Vertrauen einflößt, daß ich ruhig da hinaufgehen würde wenn ich vor meinem Abscheiden Deine Hand in die seinige gelegt hätte. Ich hin offen gewesen, Blonde, willst Du es auch sein? Sprich, gefällt er Dir, wie er mir gefällt?

– Großvater, Herr Valentin mißfällt mir nicht.

– Das ist schon etwas.

– Aber, fuhr Huberte lebhaft fort, wenn ich Euch die Wahrheit sagen soll: nun. . .

– Nun ja!

– Zuweilen befrage ich mich selbst; ich habe mich schon oft gefragt ab ich glücklich sein würde wenn ich Valentin zum Mann hätte, und bei diesem Gedanken ist mir ein Schauder gekommen, ich weiß selbst nicht warum, Großvater.

– Bei diesem Gedanken ist Dir ein Schauder gekommen?

– Ja, seht, ich bin ihm sehr gut; wenn ich ihn sehe und besondere wenn ich ihn reden höre, wird es mir ganz wohl zu Muth. Nun wohl, trotz alle dem empfinde ich in seiner Nähe eine Traurigkeit die ich mir nicht zu erklären vermag; er ist so ernsthaft, so streng!

– Sag so tugendhaft.

–– Ueberdieß, Großvater . . . o darauf kann ich Euch schwören. . . hat Herr Valentin nie zu mir gesagt daß er mich liebe, und wir Verlieren unsere Zeit mit sehr unnützen Vermuthungen.

– Ja, ja, Du hast Recht, man muß an schönen Träumen nicht festhalten; aber sei ruhig, Blonde, Herr Valentin wird sich nicht schämen meine Hand zu drücken, wenn sie auch aus den Aermeln eines Arbeitskittels hervorkommen sollte. Was den Andern betrifft, so glaube ich nicht daß er das Recht hat den Heiligen zu spielen, denn er macht absichtlich große Theerflecken auf seine ganz neuen Wämser damit sie den Anschein gewinnen als seien sie auf dem Meere gewesen; also sei ganz ruhig, Blonde, und laß mich in Frieden.

Man höre was Franz Guichard, so lange die Sonne am Horizonte stand, Frieden nannte. Er saß entweder in der Kaminecke oder in seiner Thüre, mit verschlossenen Augen, in gänzlicher Unbeweglichkeit da, ohne zu schlafen, aber auch ohne das Geräusch um ihn her zu vernehmen, so sehr war er in seine Gedanken vertieft und von seinen Erinnerungen in Anspruch genommen.

Huberte wußte aus Erfahrung daß, wenn der Greis sich aus solche Art mitten unter die Bilder seiner Vergangenheit geflüchtet hatte, es schwer hielt ihn herauszureißen; sie bestand nicht daraus, sondern ging ans Ufer um die Ankunft der Schiffe zu erspähen.

Sie war träumerisch, das arme junge Mädchen; die wenigen Worte die ihr Vater gesprochen, hatten die Lage für sie aufgeklärt, wie ein Windstoß die Wollen am Himmel zerstreut. Dieser Himmel war jetzt rein, aber war er auch heiter? Huberte hatte sich mehr als einmal gefragt, und sie wußte sich selbst eben so wenig zu antworten als sie ihrem Vater zu antworten gewußt hatte. Oft hatte sie sich gefragt wen sie als Gatten verziehen wurde, Valentin oder Richard. Das Gewicht der Vernunft neigte zu Valentin hin, die Vergnügungssucht zog sie zu Richard.

Sie saß also stumm und schwermüthig am Ufer, wo sie ungefähr eine Stunde blieb. Aber ihr ganzes Gesicht erheiterte sich und sie sprang nach dem Hause mit dem Rus:

– Da kommen sie! da kommen sie! Pechvogel erwachte ans seiner Erstarrung und schritt sachte gegen das Ufer.

In der That zeigte sich die Möve, begleitet von sieben oder acht Kähnen die zum Rennen kamen, an dem Winkel welchen der Fluß unter der Gardeinsel macht.

Der Bildhauer hatte bei dieser Gelegenheit einen großen Luxus mit Schilden entwickelt, und seine Matrosen hatten ihre schönen neapolitanischen Costüme angezogen; die glänzenden Farben der Pavillone funkelten in der Sonne.

Zur großen Ueberraschung Hubertens trennte sich die Möve, statt wie es der Brauch war an der Fähre zu landen, von der kleinen Flottille, drehte und ankerte gegenüber dem Platz wo der Greis und seine Enkelin standen.

Der Befehlshaber der Möve stieg sogleich ans Lands er erschien strahlend vor Freude und Stolz unter der rothgefütterten Kapuze die er aus seiner Schulter trug, so strahlend daß man, trotz seiner erwiesenen Liebhaberei für die unschuldigen Triumphe seiner äußern Erscheinung, wohl eine andere Ursache für eine so offenkundige Befriedigung annehmen konnte.

Je näher dagegen die Gölette kam, um so mehr hatte Hubertens Gesicht sich verdüstert. Sie hatte vergebens mitten unter diesem buntscheckigen Gepränge die dunkle strenge Farbe der Kleider gesucht die Valentin gewöhnlich trug.

Als der Kahn seine kreisförmige Bewegung gemacht, hatte sie sich überzeugt daß der junge Arbeiter nicht bei seinen Freunden war.

Richard, der seine Augen nicht von Huberte verwandte, hatte bereits die Enttäuschung bemerkt die sich auf dem Gesichte des jungen Mädchens ausdrückte. Er wandte sich zu seinen Matrosen und sagte leise zu ihnen:

– Achtung! Ihr müßt ganz gesittet thun wie Jungfräulein! Die Hängematten herunter! Heißt das, erst auf den Abend!

Challamel und Knirps antworteten mit einem Zeichen des Einverständnisses.

So auffallend die Traurigkeit war die sich der Blonden bemächtigt hatte, als sie die Abwesenheit Valentins bemerkt, so konnte dieselbe doch vor dem Schauspiel nicht Stand halten das Richard ihr gab, als er die in die Rasen des Ufers eingehauenen Stufen hinan stieg; sie lachte dem jungen Mann laut ins Gesicht, und Pechvogel seinerseits fand den angeblichen Capitän mit seiner rothen Mütze und seinen bloßen Beinen so drollig, daß er trotz seiner gewöhnlichen Ernsthaftigkeit seine Enkelin im Contrebaß accompagnirte.

Diese Heiterkeit würde jeden andern als den prächtigen Bootführer aus der Fassung gebracht haben: aus Richard machte sie keinen sichtlichen Eindruck. Er trat auf Huberte zu, gab ihr die Hand, drückte ihre Taille mit einem Ausdruck scherzhafter Galanterie und sagte dann zu Franz Guichard:

– Pechvogel, Ihr erblickt in mir den Abgeordneten der lustigen Brüder von der Seine.

– Ich hätte Sie eher für den Abgeordneten der Kirschenhändler gehalten, Sie sehen einem Gliedermännchen so gleich daß Sie die Spatzen verscheuchen könnten.

– Pechvogel, versetzte der Capitän der Möve so laut, daß man den Alten nicht mehr hörte, Ihr seid der älteste Mann am Flusse; Ihr seid der Nestor der Wasserbevölkerung mit welcher zu gehen wir uns zur Ehre schätzen; im Namen der in Varenne versammelten Kahnführer habe ich die Ehre Euch den Vorsitz bei dem brüderlichen Festmahl anzubieten zu welchem wir uns nach dem Rennen vereinigen werden.

– Das ist in der That große Ehre für mich, Herr Richard, antwortete Franz Guichard, aber ich kann sie nicht annehmen. Sie haben mein Kind gerettet, wir sind beinahe Kameraden, aber daraus folgt nicht daß ich der Freund Ihrer Freunde bin. Wir gehören allerdings demselben Element an, aber wir beuten es nicht auf dieselbe Art aus, Ihre Freunde und ich. Diese erschrecken den Fisch, ich aber schwimme ganz sachte heran um ihm Vertrauen einzuflößen. Meine ernste, kummervolle Miene würde die jungen Leute in ihrer Freude stören; diese ihrerseits wären im Stande meine Traurigkeit schmelzen zu machen, wie die Sonne im Frühling den Schnee aus unsern Ebenen schmelzen macht, und mir ist meine Traurigkeit eben so lieb wie Ihnen Ihre Heiterkeit.

– Ihr könnt es unmöglich ablehnen, ich habe Euch zum Präsidenten vorgeschlagen, und Ihr seid durch einstimmigen Zuruf angenommen worden. Und dann muß man einen Toast aus die Freiheit der Meere, auf die Emanzipation der Fische, auf die Demüthigung Englands ausbringen, und da ziemt es sich daß Ihr darauf antwortet.

Franz Guichard widerstand beharrlich, und der Befehlshaber der Möve sah sich genöthigt alle Schleusen seiner Beredtsamkeit zu öffnen. Er war überzeugend und einschmeichelnd, jetzt wurde er sogar pathetisch; er sprach von dem Dienst den er Huberte erwiesen hatte, und begründete darauf das Recht daß der Alte die einzige Bitte nicht abschlagen dürfe die er je an ihn gerichtet; er entwickelte eine so eigenthümliche Zähigkeit daß Pechvogel zuletzt den Wünschen des Bildhauers nachgab.

Nachdem beschlossen worden daß Huberte und er selbst dem Bankett anwohnen sollten, sagte Guichard:

– Herr Valentin wird doch auch dabei sein? Wie kommt es daß ich ihn nicht sehe?

– Vielleicht kommt er noch, ich weiß es nicht, versetzte der Capitän der Möve, indem er eine weit größere Verlegenheit zur Schau trug als er in Wahrheit empfand.

– Sollte er krank sein? fragte die Blonde mit einer Lebhaftigkeit die einen Blitz des Zornes in die Augen des jungen Mannes brachte.

– Oder ist ihm etwas zugestoßen? fügte Pechvogel hinzu, der sich seinerseits von seinem innigen Mitgefühl für den Bijoutier leiten ließ.

Richard antwortete mit einem Augenzwinkern und einem Zungenschnalzen das für jeden Andern als für den alten Fischer etwas bedeutet haben würde; dann nahm er ihn bei Seite und sagte mit gedämpfter Stimme, aber doch laut genug damit Huberte, die er aufmerksam lauschen sah, ihn hören konnte:

– Zum Henker, Ihr begreift doch daß Freund Valentin, nachdem er der Freundschaft so manchen Sonntag gewidmet, doch auch einmal der Liebe einen widmen muß.

– Ich begreife Sie nicht.

– Das heißt auf gut Deutsch: Valentin hat seine Geliebte nach Samt-Elend spazieren geführt. Begreift Ihr mich jetzt, Papa Stirnrunzler, Ihr tugendhafter und phänomenaler Mann, der Ihr mir aber doch ausseht als ob Ihr zu Eurer Zeit auch Eure Lustsprünge gemacht hättet?

Pechvogel zuckte die Achseln, wie er zu thun pflegte wenn sein Freund in seiner exentrischen Laune war; aber Huberte wurde so weiß wie ihr Batisthäubchen.

Richard sah diese Blässe. Unter dem Vorwand etwas auf seinem Schiff zu holen, näherte er sich Knirps.

– Veranstaltet ein großes Alarmzeichen, sagte er zu ihm: es ist mir schlecht bekommen daß ich es auf den Abend verschieben wollte; in acht Tagen wäre es vielleicht nicht mehr Zeit gewesen. Um neun Uhr muß die Gölette vollständig geschmückt sein; ich kann ihrer bedürfen; überlaß dieß Geschäft nicht Challamel, hörst Du, Knirps? Er ist ein guter Kerl, aber sobald er nur eine einzige Flasche im Leibe hat, kann man weder auf seine Pünktlichkeit noch auf seine Verschwiegenheit mehr zählen. Wache über ihn; ich will die Kleine auf das Ankerlichten vorbereiten.

Richard wollte zu Huberte zurückgehen; sie war ins Haus ihres Großvaters gegangen.

Er folgte ihr dahin, und als er hineinkam, schien es ihm als ob das Mädchen hastig Thränen mit ihrem Taschentuch trocknete. In der That bemerkte er daß ihre Augen roth geweint waren.

Der Befehlshaber der Möve hatte tausend vortreffliche Gründe, um nicht den Anschein haben zu wollen als bemerke er den Kummer welchen die Abwesenheit Valentins dem jungen Mädchen verursachte; er suchte sie durch seine gewöhnlichen Possen, durch seine drolligsten Künstlerscherze zu zerstreuen, und als er aus den Lippen der Blonden wieder ein Lächeln entdeckte, begann er allmählig die leidenschaftliche Rolle wieder die er ausgegeben hatte; nur änderte er seine Tartik; während er der kleinen Fischerin von seiner Liebe vorredete, blieb er so ehrerbietig wie nur Valentin selbst ihr gegenüber hätte sein können.

Huberte war lange Zeit unruhig und träumerisch, dann aber begann sie auf einmal, als wäre sie von einem plötzlichen Entschluß beseelt worden, als hätte sie sich vorgenommen mit lästigen Ideen zu brechen und ein Sehnen zu ersticken das gegen ihren Willen fortwährend in ihrem Herzen auftauchte, allmählig wieder, wie gewöhnlich, mit Lachen, Spöttereien und Scherzen aller Art auf die glühenden Declamationen des Seemannes zu antworten; ja sie schien zuletzt Valentin ganz vergessen zu haben, sie zeigte sich so glücklich über die Anwesenheit des Bildhauers, sie bewies ihm so viel freundschaftliches Mitgefühl, daß er sich beinahe ärgerte als Knirps ihn den Wonnen seines Tête-à-Tête entriß.

 

Die Rennen sollten beginnen.

Unglücklicherweise für Richard gewann die Möve zwei Preise, und die Freude vor den Augen seiner Helden zu triumphieren, sie in den Jubel anstimmen zu sehen der seinen Sieg begrüßte, berauschte ihn dermaßen, daß er die Rolle vergaß die er sich auferlegt hatte.

Er hatte Herrn Batifol bemerkt, und er konnte der Versuchung nicht widerstehen einen guten Spaß, wie er meinte, mit ihm auszuführen.

Wenn er Unrecht hatte eine so gut eingeleitete Parthie nicht sogleich wieder aufzunehmen, so mußte er offenbar auch dadurch seinem Ziel näher kommen, daß er den Gegenstand aller Antipathien des Großvaters derjenigen die er verführen wollte verfolgte.

Dieß war die Art zu raisonniren welche der Gebieter der Möve für die richtige hielt.

Herr Batifol hatte bei der Feierlichkeit des Tags, in eigner Person auftreten zu müssen geglaubt; er hatte sich zu einem Kahnrennen einschreiben lassen, womit die nautischen Vergnügungen des Festes enden sollten.

Er hatte einen Kampfhabit angezogen der vielleicht weniger reizend, aber sicher eben so originell war wie der Aufzug der Matrosen von der Möve; er trug, mit Hinzufügung des von den modernen Sitten verlangten Ueberwurfes, das Costüm eines antiken Streiters.

Sein schwächlicher Torso, sein gekrümmter Rücken, seine knochigen Beine, seine schiefen Kniee machten den seltsamsten Eindruck unter diesem baumwollenen Ueberwurf der sich in tausend Falten um seinen Leib drehte. Gleichwohl war der Tag für Herrn Batifol so schön gewesen, daß es ihm gar nicht einfiel das spöttische Gelächter das sich um ihn her erhob aus seine eigene Rechnung zu schreiben, und daß er sogar daran dachte seine Arme, die bloß waren, nach Athletenart mit Oel einreiben zu lassen.

Endlich wurde das Signal zur Abfahrt gegeben. Herr Batifol krümmte sich schwitzend und keuchend auf seinen Rudern, er geberdete sich wie ein Galeerensklave; er hatte einen Vorsprung vor seinen Nebenbuhlern, und alle diese Anstrengungen schienen ihren Lohn empfangen zu müssen.

Auf einmal sah er an seiner Seite das spöttische Gesicht des Bildhauers zum Vorschein kommen, der auf einem sehr leichten Kahn neben dem schweren Schiff des unglücklichen Faconmachers herruderte, und ihn mit den ironischsten Aufmunterungen überschüttete.

– Mein Herr, rief Herr Batifol, was Sie da thun, ist den Statuten zuwider.

Aber der Bildhauer schien ihn nicht zu hören; er kläffte mit jener eigenthümlichen Fistelstimme wie man sie nur bei den Pariser Gamins findet:

– Fahr immer zu, Männchen, Du wirst gewiß den Hasen sangen, Du hast ihn schont und andere Scherze die nicht gerade sehr geistreich waren, aber Herrn Batifol um so mehr erbitterten, weil die am Ufer stehenden Schiffer ihren Kameraden mit wahnsinnigem Beifallsgeschrei aufmunterten.

Eine Minute lang empfand Herr Batifol ein maßloses Verlangen einen tüchtigen Ruderschlag gegen das schwache Schiffchen seines Gegners zu führen; er ließ sich davon durch nichts Geringeres als durch die Erinnerung an die Muskelkraft Richards abhalten, die er schon einmal auf eine so unangenehme Art erprobt hatte. Verzweiflung bemächtigte sich seiner, er zog seinen Kahn aus dem Gewühl der andern Schiffe und ruderte ans Land zurück, indem er sich fragte ob der Himmel ihm nicht einmal Gelegenheit gegen würde sich an diesem elenden Bildhauer zu rächen.

Sein Wunsch schien erhört werden zu sein.

Herr Batifol hatte sich unter eines der Zelte geflüchtet welches die Wirthe auf dem Ufer zum Nutz und Frommen ihrer Kunden aufgeschlagen hatten; in diesem Augenblick hatte die Menge sie verlassen um dem Wettkampf zuzusehen; die Zelte waren so ziemlich verödet.

Gleichwohl saßen an einem Tisch, in der Nähe, desjenigen an welchem der Fabrikant Platz genommen, zwei Schiffsleute und plauderten bei einer Flasche.

Einer von ihnen, der Herrn Batifol entgegensah, war ihm unbekannt; der andere, der dem Faconmacher den Rücken drehte, trug das sehr merkwürdige Costüm der Schiffsleute der Möve.

In seine Gedanken versunken, schenkte Herr Batifol im Anfang ihrem Gespräch sehr wenig Beachtung. Ader als er mehrere Male den Namen Richard aussprechen hörte, spitzte er sein Ohr wie ein Jagdpferd wenn das Horn erschallt.

Er hörte Folgendes:

– Ei wie! sagte der erste der Matrosen, indem er vergebens das Glas aufzurichten suchte das der zweite umgestürzt hielt, Du Challamel, Du unser alter Immerdurstig, hängst das Maul vor einem Glase Wein?

– Ja, antwortete dieser, dessen schwere Zunge und stammelnde Aussprache von einer etwas verspäteten Nüchternheit zeugte; morgen so viel Du willst, da soll die Schnappsbottlerei offen sein; aber heute Respect vor einem Matrosen welcher der Sklave seiner Pflicht ist!

– Seiner Pflicht?

– Ja, seiner Pflicht. Der Befehlshaber der Möve beehrt mich mit seinem Vertrauen und ich will dieses Vertrauens würdig bleiben.

– Noch ein Glas, dann bekommst Du nur noch mehr Herz und eine um so geschmeidigere Hand.

– Meine Hand wird geschmeidig genug sein, um diesen Gänserich von Valentin zu rupfen; ich hasse diesen dummen Kerl der Wasser in seinen Wein gießt, als ob die Wirthe uns nicht diese Mühe ersparten.

– Valentin, den Busenfreund des alten Guichard!

– Ach ja wohl, Busenfreund! und Challamel machte eine bedeutsame und sehr energische Geberde.

– Was ist denn vorgefallen?

– Still! sagte Challamel mit einer Grimasse welche Verschwiegenheit bedeutete, still! aber Dir kann ichs schon sagen, denn Du bist ein Freund und gießest kein Wasser in Deinen Wein wie dieser Gendarm von Valentin. Wir haben einen Streich eingefädelt, siehst Du, in dessen Folge Richard als König der lustigen Kumpane ausgerufen werden soll, so daß der Busenfreund vor Zorn und Neid platzen wird.

– Erzähl mir doch das.

Da muß ich Dir vor allen Dingen sagen daß dieser Dachshund und unser Capitän auf ein und dasselbe Schiff Jagd machten, eine feine, famös zugeschnittene Corvette, weich wie Unschlitt und mit Klüsen im blauen Sammt, sieh so groß! die Tochter Pechvogels, Du kennst sie. Valentin wollte den Capitän ausstechen und heute Abend wirft der Capitän seinen Enterhaken in die Corvette.

–Bah!

– Ja, aber das Spaßhafteste an der Sache ist die Art und Weise wie der Capitän es angegriffen hat und seinen Nebenbuhler heute von Varenne fern zu halten.

– Laß hören.

– Denke Dir, heute früh hatte Valentin sich auf der Möve mit eingeschifft um hierher zu kommen. Zwischen der rothen Mühle und den Mühlen von Gravelle thut dieser Hauptspitzbube von Knirps, wie er mit dem Capitän verabredet hatte, einen falschen Ruderschlag; das Schiff neigt sich, wir werfen uns alle auf die gleiche Seite, und natürlich liegen wir alle Viere in der Suppe. Du begreifst daß wir und Valentin ebenfalls uns so wenig um einander bekümmerten als ein Bärbchen um eine Schleie. Wir beschäftigten uns also die Möve wieder aufzurichten und die Ruder wieder zu fischen, als auf einmal Knirps ruft: Aber wo ist denn der Capitän? Valentin sucht mit den Augen, wir thun als ob wir ebenfalls suchten, kein Capitän mehr: er war in der Schüssel geblieben; Valentin stürzte sich ins Wasser, wir ebenfalls. Er tauchte unter, wir thun als ob wir ebenfalls untertauchten; d. h. wenn wir ihn auf der Oberfläche zurückkommen sahen, so tunkten wir den Kopf ein Bisschen unter. Endlich nach halbstündigen Anstrengungen müssen wir auf die Rettung unseres unglücklichen Capitäns verzichten. Wir klagen mörderisch über Frost, denn wir wußten daß das Ufer an diesem Orte ganz verlassen ist und Niemand kommen würde: wir berathen uns. Endlich wird beschlossen daß Valentin, der sich in seiner Verzweiflung beinahe die Haare ausraufte, so daß ich ihm zwanzigmal unter die Nase gelacht hätte, wenn es nicht so ernsthaft gewesen wäre, nach Bercy gehen, seine Erklärung abgeben und Schiffe holen sollte um den Leichnam seines armen Freundes wieder aufzufinden, während wir, die wir uns über Kälte beklagten, das Schiff an seinen Platz zurückführen sollten. Er macht sich unter beständigem Gewinsel davon;. aber kaum hat er seine Absätze gedreht, so kommt der Capitän wieder zum Vorschein; dieser satanische Richard war untergetaucht, unter einem Floß hindurch geschwommen und hatte während der ganzen Scene seinen Kopf unter dem Knüppelholz verborgen gehalten. Wir schiffen uns wieder ein, rudern mit der Pagaje tüchtig daraus los, vertauschen unsere Kleider gegen diejenigen die wir der Mannschaft der Doris anvertraut hatten, und so wird dieser Einfaltspinsel von Valentin, nachdem er den ganzen Tag in der Seine herumgesucht, heute Abend in der Rue Saint- Sabin sein Zuckerwasser mit seinen Thränen vermischen, während wir mit dem Jungferchen von Varenne das Weite suchen.

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