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Der Pechvogel

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XII.
Orestes und Pylades

—–

Die Freundschaft zwischen den beiden Personen die wir soeben unsern Lesern vorgeführt, d. h. Zwischen dem Passagier und dem Capitän des Schiffes das Huberte nach Paris brachte, war wunderlich genug, daß wir einige Augenblicke dabei Verweilen können.

So gewissenhaft Richard Chullier das Commando des Kahnes verwaltetet, den wir ihn mit ächt väterlicher Anmaßung als die Gölette Möve bezeichnen hörten, so war doch dieses Commando nicht sein einziger Beruf; er war von Zeit zu Zeit, in verlorenen Augenblicken oder wenn er schlechterdings nicht mehr anders konnte, Bildhauer.

Nicht – als ob es ihm an Talent gefehlt hätte; im Gegentheil; die ersten Zeiten seines öffentlichen Auftretens hatten einen gewissen Glanz gehabt, wie wir sogleich erzählen werden.

Die Natur gefällt sich, vielleicht um den ganzen Werth der Ausnahmen besser fühlbar zu machen, zuweilen darin daß sie die Versprechungen und äußeren Zeichen von Genie mit freigebiger Band verschwendet. Zukünftige große Männer hat es stets im Ueberfluß gegeben, und wenn die wahren großen Männer so selten sind, so kommt dieß daher, weil diese gute Mutter zu den Fähigkeiten womit sie so wenig geizt sehr selten den Willen fügt der nothwendig wäre um die Embryone aus ihrer Hülle hervorzuziehen.

Die Vorsehung hatte Chullier sogar den Schein dieser Gabe verweigert; er besaß-Phantasie, Gefühl, Geschmack, ein gewisses schöpferisches Talent ; aber er war schlaff, skeptisch, gleichgültig gegen Alles was nicht eine unmittelbare Befriedigung seiner Sinne war; und, wie das so häufig geschieht, die Ereignisse des ersten Theils seines Lebens hatten dazu beigetragen diese Fehler zu entwickeln, während die belebenden Prüfungen des Leidens und Kampfes sie vielleicht vermindert hätten.

Aber alles schien dem jungen Mann zu lächeln bei seinem ersten Auftreten in der Welt der Kunst. Er hatte im Jahr 1822 eine Gruppe ausgestellt welche den gefesselten Prometheus auf einem Felsen, nebst dem Geier der seine Eingeweide zerfleischte, darstellte.

Der Erfolg war sehr groß; der Künstler erhielt eine Medaille erster Classe, und ein Engländer bezahlte ihm 30000 Franken für das Werk.

Es hätte ein anderes Hirn dazu gehört als dasjenige welches der Himmel Richard Chullier zu beschieden hatte, um solchen Zauberwonnen zu widerstehen. Gewiß daß er auf die Nachwelt übergehen würde, glaubte er nunmehr gegen die Zukunft vollkommen zu sein und begnügte sich damit die Guineen Englands zu verzehren.

Bei der königlichen Art und Weise wie der junge Künstler zu Werke ging, war dieß bald geschehen. Aber nach dem Tod seines Vaters erbte er ungefähr 80000 Franken und konnte sein Leben in Saus- und Braus nach vier weitere Jahre fortsetzen.

Es versteht sich von selbst daß während dieser vier Jahre das Bossirholz vollständig in Ruhe blieb.

Als der Bildhauer dem Ende seiner Wohlhabenheit entgegen sah, versuchte er es an einem Tag nicht sowohl der Besonnenheit als der Langweile wieder aufzunehmen, aber seine Hand war im Müßiggang plump geworden, sie hatte ihre Kraft und Gewandtheit verloren, und, was noch schlimmer war, diese so lang fortgesetzte Erstarrung des Gedankens hatte sein Hirn gelähmt; kurz und gut, er konnte nicht einen einzigen jener Blitze mehr erhaschen welche früher seinen Werken Bewegung und Leben gegeben hatten.

Richard warf sein Instrument ärgerlich weg, aber es kam ein Augenblick wo er es versuchen mußte abermals darnach zu greifen.

Dieß war derjenige wo er sich von allen und jeglichen Subsistenzmitteln entblößt sah.

Nach einem Jahr unbeständiger Arbeit die hundertmal unterbrochen und hundertmal auf die nämliche Weise wieder aufgenommen wurde, brachte er eine neue Statue zu Stande.

Sie wurde im Salon zurückgewiesen.

Richard schrieb diesen Unfall der Eifersucht zu die sein erstes Auftreten erregt habe und schrie über Ungerechtigkeit.

Im Zorn zertrümmerte er seine Statue.

Es blieb ihm noch ein letztes Mittel zu versuchen übrig, nämlich für den Handel zu arbeiten, Uhrenzierrathen, Leuchter und dergleichen für Bronzehandlungen zu modellieren, aber diese Arbeit erfordert, wenn sie einträglich sein soll, einen ungeheuren Fleiß, da sie nur schlecht bezahlt ist. Seine Trägheit entsetzte sich davor und sein Hochmuth kam ihr zu Hilfe. Er erklärte sich selbst daß er nicht aus solche Art ein Talent bloßstellen dürfe welches von ganz Frankreich mit Beifall begrüßt worden; lieber wollte er bei gänzlichem Müßiggang in der äußersten Entbehrung vegetiren, so daß er nur dann aß wenn sein Glück aus dem Billard oder dem Domino es gütigst erlaubte; im Uebrigen war er sehr beliebt und ungemein geschätzt im Café, das er nur verließ um zu schlafen, und nachdem er seine Eigenliebe so begränzt hatte daß er sich mit den groben Genüssen begnügte die seine Stellung als unbegriffenes Genie ihm eintrug.

Um diese Zeit machte er seine Bekanntschaft mit Valentin.

Richard Chullier hatte abwechselnd und je nach den Verhältnissen seines Vermögens alle Stockwerke eines Hauses bewohnt, zuletzt aber sein Quartier unter dem Dache genommen.

Zu seinem Mansardennachbar hatte er einen armen Bijouteriearbeiter.

So oft der Bildhauer demselben auf der Treppe begenete, machte dieser Platz und trat ehrerbietig auf die Seite.

Dieses Zeichen einer Hochachtung an welche er nicht mehr gewöhnt war fiel Richard auf, und da er überdieß bemerkte daß der junge Mensch ihm mit einer sehr eigenthümlichen Neugierde nachschaute, so wurde er nothwendig dadurch gerührt und redete ihn zuerst an.

An der Bewegung welche sich jetzt aus dem Gesichte des Nachbars ausprägte, erkannte der Künstler daß er sich in Betreff des Gefühls der Bewunderung das er bei ihm vorausgesetzt nicht getäuscht hatte. Er ersuchte ihn mit aus sein Zimmer zu kommen, und da die maßlose Ungezwungenheit Richards der Schüchternheit des Arbeiters zu Hilfe kam, so war die Bekanntschaft bald geschlossen.

Valentin zählte zwanzig Jahre. Er war ein vom öffentlichen Mitleid erzogenes Findelkind, klein, schmächtig, schwächlich, beinahe kränklich, ersetzte aber diese physischen Unvollkommenheiten durch den Zauber seines Gesichtes, das zugleich offen und bescheiden, verständig und entschlossen war.

Auch sonst hatte die Natur ihn reichlich entschädigt, indem sie ihm eine Seele von ungewöhnlicher Schwungkraft und Höhe verlieh.

In einem Alter wo trügerische Lustbilder gewöhnlich den Anblick der Zukunft entziehen, hatte er eingesehen daß in seiner bescheidenen Sphäre die Arbeit das einzige Ziel war auf das er ausgehen durfte. Ein wahrer Latour d'Auvergne unter den Arbeitern, hatte er sich dieses Ziel vor Augen gesetzt, nicht in der Hoffnung sich zu bereichern, sondern um einer Pflicht zu gehorchen. Statt die seltenen Augenblicke der Muße die seine Werkstatt ihm ließ den Vergnügungen seines Alters zu widmen, verwandte er sie aus Ausbildung seines Verstandes, auf Bereicherung seiner Kenntnisse, aus Entwicklung dessen was seine Liebe zu allem Schönen, Großen und Edlen die Gott in ihn gelegt hatte befriedigen mußte.

Wie alle diejenigen die in die traurigen Wirklichkeiten des Handwerks nicht eingeweiht worden sind, trug er sich mit seltsamen Illusionen in Bezug auf die Kunst; er betrachtete sie als den erhabensten Ausdruck der Intelligenz; die Künstler waren für ihn Halbgötter, bestimmt die gewöhnlichen Menschenkinder in Verkehr mit den himmlischen Regionen zu bringen.

Als er erfuhr daß einer dieser Halbgötter zunächst neben ihm wohne und daß er sich mit einer eben so elenden Mansarde begnüge wie seine eigene war, daß er noch ärmer und entblößter sei als die arme Waise selbst, wurde er von einer schmerzlichen Rührung ergriffen, und der unglückliche Nachbar war der Gegenstand seiner beständigen Gedanken und seines innigen Mitgefühls.

Wenn er den Bildhauer blaß und hager, mit seinen blutunterlaufenen Augen, seinem verwilderten Bart und Haupthaar, so wie seinen schmutzigen Kleidern sah, so war er weit entfernt an diesen Brandmalen die Verheerungen der Faulheit und Liederlichkeit zu erkennen, sondern warf, wie dieß die Schwäche guter, naiven jugendlicher Seelen ist, die Hauptschuld auf den Egoismus und die Undankbarkeit seiner Zeitgenossen.

Als er zum ersten mal in das Zimmer des Künstlers trat, beim Anblick dieser Unordnung die noch schrecklicher war als das Elend welches sich in diesem Nest offenbarte,I rollten zwei große Thränen über Valentins Wangen hinab; er trat schweigend auf Richard zu, ergriff seine Hand und küßte sie, wie der Diener eines Königs gethan hätte, wenn er seinen Herrn in der Dürftigkeit und Verbrennung wiedergefunden.

Der junge Arbeiter hatte in diese bescheidene Geberde so viel Einfachheit und Größe gelegt, daß der Bildhauer, der über Alles lachte und nicht einmal an sich selbst glaubte, außer wenn er das Bedürfniß empfand vor seinen Nebenmenschen eine gewisse Rolle zu spielen, sich innig bewegt fühlte und nichts zu blaguiren wagte, wie er m seiner Künstlersprache gesagt haben würde.

Inzwischen bemerkte Valentin nach einigen Tagen vertrauter Beziehungen daß sein Götze thönerne Füße hatte; aber bereits hatte sich die Zuneigung eingestellt, und sein Herz lieferte ihm tausend Gründe um eine Verbindung zu rechtfertigen die seiner frühreifen Besonnenheit widerstrebte.

Er fragte sich ob die Vorsehung ihn nicht ausersehen habe um der Schwäche dieses Genies zu Hilfe zu kommen. Die Gemeinsamkeit politischer Ueberzeugungen, der ganz neue Zauber welchen Valentin in der Unterhaltung mit Richard fand, alles sprach zu Gunsten des letzteren. Der Arbeiter widmete sich mit Leib und Seele der Aufgabe dieser Besserung.

Sie war keineswegs leicht.

Es scheint daß der moralische Fall eben so gut seine Gesetze hat wie die Schwerkraft der Körper; seine Stärke und Schnelligkeit nimmt nach Maßgabe des schon vorher durchlaufenen Raumes zu. Ist man bei einem gewissen Grad des Sinkens angelangt, so ist nichts schwerer zu bewerkstelligen als eine noch so schwache rückgängige Bewegung oder ein noch so kurzer Haltpunkt.

 

Als die vertraulichen Mittheilungen der beiden Freunde gegen einander Valentin ermächtigten sich in Richards Leben einzumischen, versuchte er ihm einige Vorstellungen über seinen Müßiggang und sein ungeeignetes Benehmen zu machen; dieser aber, den einige Monate brüderlichen Zusammenlebens in eine behagliche Stimmung versetzt hatten, wagte was er dem sympathischen Mitleid des Arbeiters gegenüber nicht gewagt hatte: er verhöhnte den jungen Mann über hie Mentorsrolle die er sich anmaßen wolle.

Valentin versuchte jetzt dieses verhärtete Herz durch Zuvorkommenheiten, Sorgfalt und Zärtlichkeit zu erweichen.

Als geschickter Arbeiter in seinem Fach erhielt er einen hohen Lohn; er hatte einige Ersparnisse bei Seite gelegt; eines Tags als Richard sich in der tiefsten Entblößung befand, erbot er sich seine Kasse mit ihm zu theilen.

Der Bildhauer erröthete. In dem großen Schiffbruch hatte er einen Rest seines natürlichen Stolzes bewahrt. Er entlehnte ohne Scheu von seinen Trinkbrüdern, aber dieses Geld anzunehmen wovon jedes Stück eine Arbeitsstunde des armen Waisenjungen vertrat, ihn der Mittel zu berauben die ihm in Folge einer Krankheit oder Arbeitseinstellung jeden Tag unentbehrlich werden konnten, dieß widerstrebte Richard im höchsten Grad .

Valentin beruhigte seinen Freund, indem er den Vorschlag machte dieses Anlehen als Vorschuß für eine Statuette zu betrachten welche der Künstler ihm später machen sollte, und so bestimmte er ihn zur Annahme. Aber die Gewissensbisse Richards entflogen mit dem letzten Thaler des Geldes das er von seinem armen Kameraden empfangen hatte, und einen Monat später dachte er so wenig mehr an die Statuette als wenn niemals davon die Rede gewesen wäre.

Valentin überwand den Widerwillen den sein Zartgefühl empfand; und sprach selbst zuerst davon; Richard schämte sich ein wenig und sagte daß es ihm materiell unmöglich sei in einer Dachstube zu arbeiten.

Hier war es wo Valentin ihn erwartete.

Er fragte ihn ob es ihm etwa unangenehm wäre seine Wohnung zu verlassen, und als der Bildhauer dieß verneinte, führte er ihn einige Tage später in die Rue Saint-Sabin, wo er, ohne ihm etwas von seinen Plänen mitzuteilen, eine Wohnung für sie beide gemiethet und in Bereitschaft gesetzt hatte.

Diese Wohnung lag im Erdgeschloß und bestand aus zwei Schlafstübchen sowie einer Werkstatt.

Sie war einfach, aber sauber möblirt.

Mit einem beinahe weiblichen Zartgefühl hatte Valentin seinen Freund nicht zwingen wollen bei der Anschaffung der nöthigen Instrumente zum zweiten mal seine Gefälligkeit in Anspruch zu nehmen.

Alle Instrumente der Bildhauerkunst befanden sich an ihrem Platz; die Modellblöcke warteten auf ihre Anlagen, die Lehmklumpen lagen in einem Winkel der Werkstatt aufgehäuft.

Als Richard in dieses Zimmer trat und diesen neuen Beweis von der Liebe des Arbeiters empfing, da schmolz ihm das Herz trotz des Skepticismus den er affectirte, seine Augen feuchteten sich, er sank Valentin in die Arme und schloß ihn mit Rührung an seine Brust.

Schon am folgenden Morgen war er am Werk, und obschon seine alten Gewohnheiten, mit denen er keineswegs ganz gebrochen hatte, allzuoft seine Arbeit störten, so war doch nach Verfluß eines Monats die für Valentin bestimmte Statuette vollendet, und er traf Anstalten sie zum Gusse zu geben. Es war im September 1830. Die beiden jungen Leute hatten mit Wärme die Sache der Revolution ergriffen deren Grundsätze sie theilten.

Noch unter dem Einfluß der Julikämpfe hatte Richard eine Gruppe, modellirt, zwei Arbeiter darstellend welche die dreifarbige Fahne auf einer Barricade aufpflanzten.

Am Morgen des Tags wo er sein Werk vollenden sollte, wallte Richard beim Erwachen noch einen Blick auf dasselbe werfen: es war bisher gegenüber der Verbindungsthüre zwischen seinem Zimmer und der Werkstatt aufgestellt gewesen.

Er bemerkte es nicht aus dem Gestelle.

Zur selben Augenblick trat Valentin mit einem ziemlich schweren Sack unter dem Arme herein.

Er ging, ohne ein Wert zu sagen, auf das Bett seines Freundes zu, knüpfte seinen Sack auf und ließ den Regen Danaes in Zehnfrankenstücken auf diesen herabfallen.

Richard fragte ihn was dieß bedeuten solle.

– Dieß bedeutet, antwortete Valentin, daß ich nicht warten wollte bis Du mir Dein Erzbild schenken würdest, denn dann hätte ich nicht das Recht gehabt es wegzugeben. Ich habe Zeit auf meine Statuette zu warten; Du hast keine Minute zu verlieren wenn Du Dich endlich zu einem ehrenhaften Leben entschließen willst. Ich wünschte daher daß Dein erstes Werk Deiner Aussöhnung mit dem Handel gewidmet werden sollte, der allein Dich noch verhindern kann daß Du nicht wie ein Tagedieb an einer Straßenecke umkommst; ich habe Deine Gruppe um fünfhundert Franken verkauft.

– An einen Erzfabricanten?

– Ja!

– Um es vielleicht aus eine Standuhr zu stellen?

– Wahrscheinlich.

Eine der Hände Richards drückte die Hand seines Freundes; die andere unternahm jene dramatische Geberde welche ein Edelmann auf der Bühne macht wenn er seinen Wappenschild entehrt steht.

Diese Mimik verhinderte den Bildhauer nicht das schnöde Metall bis aus das letzte Fünffrankenstück zusammenzuraffen.

Valentin hatte, als er seine Batterien richtete, den Künstler wohl beurtheilt; dieser gewann Geschmack, nicht an der Arbeit, aber an diesem silbernen Thau; er war unfähig für die Leidenschaft geworden und hatte den Sinn für die Kunst verloren; kaum blieb ihm noch das Kauderwelsch derselben, während er im ersten Theil seiner Laufbahn so stolz die Spießbürger verachtet hatte; jetzt mußte er zählen wie diese; er hatte berechnet daß die Gesammtheit der aus der Arbeit entstehenden Widerwärtigkeiten bei weitem – nicht die Summe der Verdrießlichkeiten erreichte die er im Elend gefunden, und wenn das Bedürfniß ihn stachelte so entschloß er sich den Thon zu kneten.

Dieses Resultat war weit entfernt demjenigen zu gleichen das Valentin sich vorgesetzt hatte. Er hatte dem Himmel einen Stern, dem Ruhm einen Namen zurückzugeben geglaubt, und nun hatte er ganz einfach die Schaubuden der Fabrikanten um einige Motive vermehrt die etwas weniger gemein, etwas weniger unförmlich waren als ihre Nachbarn.

Dieß war ein Sturz aus großer Höhe herab.

Aber die Eigenliebe spielte mit den Gefühlen des Bijoutier eine so mittelmäßige Rolle, sein Herz war so rein von jeder persönlichen Nebenabsicht, daß seine Neigung zu Richard durch diese vollständige Enttäuschung nicht verringert wurde.

Die Wahrheiten altern nicht: die Vergleichung des Menschen mit dem Epheu der nicht ohne Stützpunkt leben kann, kommt aus früher Zeit und ist deßhalb nur um so triftiger. Ohne Familie, ohne irgend eine Art von Verbindung, vereinsamt inmitten der fünfzehnmal hunderttausend menschlichen Wesen die sich um ihn her regten, war Valentin mit dem Künstler dem er sich angeschlossen zuletzt ein Leib und eine Seele geworden. Er hatte zuletzt einige Vorzüge in ihm entdeckt die er in Wirklichkeit nicht besaß; er fand selbst an seinen Fehlern einiges Wohlgefallen.

Er war gegen seinen Freund zärtlich gewesen wie eine Mutter; er war nachsichtig wie eine solche, und in den drei Jahren die auf ihren Einzug in die Rue Saint-Sabin folgten, verläugnete sich seine beharrliche Sorgfalt für Richard niemals; er munterte ihn zur Arbeit auf, er nahm seine Interessen bei den Fabrikanten wahr, er richtete ihn in seinen häufigen Augenblicken niedergeschlagener Verzagtheit wieder auf, er schalt ihn sanft wegen seiner Faulheit oder seiner Narrheiten, er entschuldigte seine Launen, er verzieh seine Grillen, und Gott weiß wie zahlreich sie waren, und so unnütz auch alle seine Versuche sich bisher erwiesen hatten, hörte er doch niemals auf, die Seele seines Freundes zu höheren Zwecken hinzulenken als er verfolgte.

Es ist dieß weit mehr eine wirkliche Wahrheit als eine Redefigur; alles Große besitzt eine Ausstrahlung die sich aus seiner Umgebung abspiegelt. So groß auch der Unterschied war der in Beziehung auf Alter, Erziehung und Stellung zwischen Richard und Valentin stattfand, so unterlag dieser doch bis auf einen Punkt dem Einfluß seines Kameraden; seine Gewohnheiten waren zu tief eingewurzelt als daß er sie verändern konnte; er wurde nicht besser, sondern nur weniger schlecht; er zeigte sich zur Freundschaft und Dankbarkeit fähig; er brachte es zu einer aufrichtigen Liebe für Valentin; er würde unbarmherzig denjenigen getödtet haben der den jungen Arbeiter angegriffen hätte, er hätte sich in Stücke hauen lassen um ihn zu vertheidigen; dieß war schon etwas, noch mehr aber war es daß er während der ganzen Zeit ihrer Verbindung seine spöttischen Instincte, seine Neigung zu unverschämten Hänseleien dermaßen im Zaum zu halten wußte, daß er mit Valentin nie anders als im Tone ehrerbietiger Vertraulichkeit sprach.

XIII.
Die Statuette der Brüderschaft

—–

Der Wunsch den wir Herrn Batifol aussprechen hörten schien in Erfüllung gehen zu sollen.

In Folge der Scene die wir im vorhergehenden Kapitel erzählten, war Varenne der Hafen geworden wo das Schiff von Richard Chullier gewöhnlich anlegte, und Valentin, welchen der Bildhauer früher nur mit einiger Mühe zur Theilnahme an seinen nautischen Heldenthaten vermocht hatte, war der bleibende Passagier der Möve geworden.

Eines Sonntags Morgens, ungefähr einen Monat nach dem ersten Zusammentreffen der beiden jungen Leute mit Huberte, ging Valentin bleich und aufgeregt in dem mit beinahe mönchischer Bescheidenheit möblirten Zimmer das er in der gemeinschaftlichen Wohnung inne hatte auf und ab.

Wie alle Leute die weder von Gewissensbissen noch von Ehrgeiz noch von Leidenschaften gequält werden, hatte Valentin eine außerordentlich ruhige und heitere Physiognomie. Die Schwermuth die sich jetzt darin abspiegelte war um so augenfälliger, je ungewöhnlicher sie war.

Er blieb lange Zeit, mit dem Ellenbogen aufs Kamin gestemmt, gegenüber der berühmten Statuette seines Freundes stehen, welche die einzige Zierde desselben bildete; er betrachtete diese Statuette, welche die Brüderschaft vorstellte, mit zärtlicher Rührung, gleich als hätte sie die Macht gehabt ihn zu der glücklicheren Zeit zurückzuführen wo sie modelliert worden war.

Endlich schien er einen Entschluß zu fassen: er stieß einen Seufzer aus, fuhr mit der Hand über seine Stirne, die trotz seiner Jugend sich bereits zu enthaaren anfing, und trat in die Werkstatt.

Im vollen Contrast gegen seinen Freund war der Bildhauer sehr heiter und schien seine Freude auch nicht verbergen zu wollen; er sang mit einer weit mehr starken als harmonischen Stimme die Barcarole der Möve.

Diese Heiterkeit hatte, wie auch die Wahl des Liedes worin sie sich aussprach, ihre Vorwände auf drei Stühlen ausgelegt, in Gestalt von drei neapolitanischen Matrosencostümen die funkelneu prangten.

Die Schiffsleute der Möve waren, wie dieß noch heutigen Tages beim Kahnfahren vorkommt, wackere Arbeiter die am Sonntag aus Liebhaberei Matrosen wurden und sich zur Befriedigung dieser sportsmännischen Neigung an einen andern vom Himmel mehr begünstigten Liebhaber anschlossen, welchem seine Mittel den Ankauf des Hauptinstruments zu ihrem Vergnügen gestattet hatten.

Sie trugen mit ihren Armen bei wie jener mit seinem Kahn; sie überließen ihm das Privilegium sich auf die Bank des Steuerruders zu setzen; sie gestatteten ihm das Recht sie Seehunde, Seewölfe zu nennen und ihnen noch andere im Wörterbuch des Salzwassers gebräuchliche Namen zu geben. Dagegen konnte derjenige der sich den Capitänstitel beilegte bei dieser echt brüderlichen Association nichts Geringeres thun als daß er die Luxus- und Phantasieausgaben auf sich nahm.

Nun hatte das Reich der Phantasie für Richard Chullier keine Grenzen.

Er hatte seine Schiffer nacheinander in alle Seecostüme gesteckt die er sich verschaffen konnte; aber seit einiger Zeit quälte ihn die Idee einer neuen Veränderung, die nach seinem Dafürhalten in dem Hafen von Bercy und auf der ganzen Marnefahrt eine wunderbare Wirkung hervor ringen mußte.

Marnefahrt nennt man die Promenade, wenn man durch den Kanal von Samt-Mein in diesen Fluß einführt und bis zu seiner Mündung in die Seine hinabsegelt, wobei man an Varenne vorüberkommt.

Richard hatte, auf der einen Seite von Jener Faulheit, auf der andern von seinem Wunsche gequält, einige Zeit geschwankt, aber einige Tage vorher hatte dieser Wunsch einen neuen Impuls zu erhalten geschienen: er hatte eine ganze Woche lang unablässig gearbeitet; die Gypsfigürchen befanden, sich in den Händen des Fabrikanten, und der Bildhauer seinerseits war in den Besitz dreier prächtiger neapolitanischer Matrosencostüme getreten.

 

Nichts fehlte daran: weder die Sandalen noch die scharlachrothen Mützen; weder die Hosen mit den langen rothen und weißen Streifen welche das Bein halb nackt lassen sollten, noch die Kappenmäntel mit ihren Verzierungen die so buntscheckig waren wie die Harlekinsjacken.

Der des Capitäns hatte in Gemäßheit seines Grades einen leichten Goldpassepoil. Er konnte sich nicht satt daran sehen: er legte ihn über seine Schultern; er wiegte sich um die flatternden Aermel mit aller Grazie spielen zu lassen deren sie fähig wären; er probirte wie die herabgelassene Kapuze seinem Gesicht anstehe; er legte sie wieder nieder und nahm sie von Neuem.

Beim Anblick dieser Vorbereitungen runzelte Valentin seine Brauen und wurde noch blässer als er es bereits war.

Richard war zu sehr mit feinen schönen Kleidern beschäftigt um dem was auf dem Gesichte seines Freundes vorging auch nur die mindeste Achtung zu schenken.

– Ah, sagte er, als er ihn bemerkte, hättest Du Dich ins Passassagierbuch der Möve eintragen lassen, so würde ihr heute zu ihrem Glanze nichts fehlen. Was sagst Du zu diesem Anzuge, he? Werden wir uns hübsch ausnehmen?

– Ich, antwortete Valentin, sage daß diese Kleider bei der Heimkehr von der Courtille weit besser am Platze wären als aus den Bänken Deines Boots.

– Ei was, willst Du etwa meinen Matrosen Moral predigen? Hast Du Kummers Es bleiben mir noch sechzig Franken.

– Nein, Du weißt daß die Maskeraden überhaupt nicht meine Sache sind. Und dürfte man vielleicht erfahren für wen Du alle diese Kosten aufwendest?

– Valentin blickte bei diesen Worten Richard so starr an, daß dieser sich einer leichten Verlegenheit nicht erwehren konnte.

– Für wen? für wen! Tausend Stückpforten! Bloß um die Großmäuler von der Doris zu ärgern die ihre Mastwächter in ihren schlechten Kitteln von rothem Barchet so lange paradieren ließen; um den Spießbürgern Respect einzuflößen und dann. . .

– Nein, antwortete Valentin fest; ich kenne Dich zu gut um glauben zu können daß Du Dich bloß um dieser einzigen Hoffnung willen zu einer achttägigen Arbeit entschlossen habest.

– Nun wohl, wenn ich Dir's gestehen soll, ich habe auch noch eine andere Absicht.

– Welche?

– Ich rechne aus die verführende Macht dieser Uniform um Etwas zu finden was mir schon lange fehlt.

– Und was fehlt Dir denn?

– Ein Schiffsjunge bei Gott! Jedes Schiff, so unbedeutend auch sein Sarter sein mag, hat den seinigen. Bei den Fischern ist es sogar Ordonnanz und dann hat es allen möglichen Vortheil; es ist bequem im Privatleben und recht angenehm beim Schiffen; das holt den Tabak, das schenkt den Mastwächtern Wein ein, das singt einem die Grillen aus dem Kopf. Ich muß durchaus einen haben: nur darf der meinige keine Gassendirne sein wie Clara auf der D o r i s, und eben so wenig eine Maritorne wie Carabine auf der Wasserhexe.

– Und für wen bestimmst Du dieses Amt?

– Bei Gott! ich weiß nicht warum ich es Dir verbergen sollte; für die Kleine da unten, sagte Richard mit affectirter Leichtigkeit und Gleichgültigkeit.

– Für die Enkelin des Fischers von Varennes für Huberte?

– Findest Du nicht daß sie allerliebst sein wird? Sie ist geschmeidig wie eine Oberbramstange, sie handhabt das Ruder wie ein alter Meerwolf, sie macht Dir eine Splissung flinker als irgend einer aus der obern Seine; und bei alledem ist sie artig, einnehmend, fröhlich wie ein Zeisig. So wahr ich ein Schiffsmann bin, ich könnte lange suchen bis ich ein anderes so passendes Geschöpfchen fände.

– Aber, versetzte Valentin, dessen Stimme versagte, dessen Hand zitterte an der Stuhllehne auf die er sie gelegt hatte, aber bevor Du ihr einen solchen Vorschlag machst, mußt Du Dich versichert haben daß sie eine Neigung zu Dir empfindet. . . daß sie Dich liebt oder wenigstens lieben könnte.

– Du kennst mich gut genug, versetzte der Bildhauer mit einem Erröthen, um zu wissen daß Geckenhaftigkeit nicht meine Schwäche ist; ich bin nicht einfältig genug so zu handeln wenn ich mich nicht vollkommen dazu ermächtigt glauben dürfte.

Valentin blieb einige Augenblicke stumm: der Athem ging ihm aus; es war als sollte er ersticken, und seine Hand, die er fortwährend auf einer Stuhllehne hielt, zitterte nervös.

– Richard, sagte er endlich, hast Du wohl überlegt was Du da unternehmen willst?

– Nun ja, erwiderte der Capitän der Möve, Du beginnst ein moralisches Kreuzfeuer auf Steuerbord und Backbord, aber siehst Du, mit der Moral geht es mir wie einem andern mit dem Spinat, ich freue mich sehr daß ich sie nicht liebe, denn wenn ich sie liebte, würde ich sie essen, und ich kann sie nicht ertragen. Wenn Du also Moral preisgeben willst, so mache ich mich aus die Beine.

– Nein, Du sollst nicht gehen.

– Nun so sage selbst, wäre sie denn so sehr zu beklagen wenn sie sich auf meiner Fregatte anwerben ließe? Ich liebe diese Kleine in allem Ernst.

– Nein Du liebst sie nicht; wenn Du sie liebtest, so würde es Dir nicht einfallen als ersten Beweis ihrer Gegenliebe das Opfer ihrer weiblichen Würde zu verlangen; wenn Du sie liebtest, so würdest Du sie respectiren, und bei dem Gedanken sie auf den Standpunct der Geschöpfe zu erniedrigen von denen Du eben sprachest, würde Dein Herz voll Entrüstung sich erheben.

– Kurz und gut, sie gefällt mir, versetzte der Bildhauer in einem mürrischen, beinahe drohenden Ton-.

– Ja, und weil sie Dir gefällt, mußt Du sie zu Grunde richten.

– Sie zu Grunde richten! Sollte man nicht meinen es handle sich um die Königin der Marquesasinseln?

– Bist Du es wirklich der so spricht, Richard? Du den ich so oft seinen Platz im Proletariat als ein Recht in Anspruch nehmen hörte? Wenn ein vornehmer Schlingel ein Mädchen vom Volk verführt, so ist es vollkommen logisch, er treibt weiter nichts als sein Handwerk. Aber wir, dürfen wir unsere Schwestern in Armuth und Verlassenheit antasten? Pfui! das wäre eine Ruchlosigkeit.

– Demnach wären also die Schiffsleute der Möve für gewöhnlich und für immer zu den Herzoginnen verurtheilt! Nein danke schön, sie haben an diesen genug.

– Richard! Richard! Mach Dich doch nicht schlimmer als Du in Wirklichkeit bist. In Folge eines providentiellen Zufalls hast Du Huberte vor Schande gerettet, und nun wolltest Du die Schlechtigkeit an welcher Du einen Andern verhindert hast, gegen welche ich Dich eifern hörte, und die Du vor meinen Augen bestraftest, selbst begehen? Ich glaube Dir’s nicht, Richard.

– Ei, versetzte der Bildhauer, dessen Mißtrauen rege wurde, indem er seinen Freund fest ansah, gleich als wollte er in seiner Seele lesen, ich habe noch nie gesehen daß Du Dich so lebhaft für ein Frauenzimmer interessirtest.

– Wie, Richard? antwortete Valentin, indem er seine Aufregung gut genug beherrschte um ruhig zu erscheinen, kannst Du Dich wirklich darüber verwundern wenn ich mich für diejenigen interessire die leiden?

– Nein, versetzte der Bildhauer, wie wenn er zu sich selbst spräche, nein, Du bist nicht derjenige der einen Freund hintergehen wollte. Ueberdieß kenne ich Dich, Du bist geblendet: Dein Rückenschild ist gegen den kleinen Schlingel mit dem Köcher garantiert, ich habe nie erfahren daß Du eine Geliebte hättest.

– Und Du wirst es auch nie erfahren.

– Schwöre mir das, fügte der Gebieter der Möve hinzu, gleich als bedürfte er dieses Eides um einen letzten Argwohn zu verscheuchen der ihm gekommen war.

– Ich schwöre dieß, antwortete Valentin mit einer gewissen Feierlichkeit und wie wenn er in der Seele seines Freundes gelesen hätte.

Richard schien sich m großer Aufregung zu befinden.

Die Lebhaftigkeit, die fröhliche Gemüthsart und die naive Anmuth Hubertens hatten den Bildhauer eben so sehr verführt wie ihre Schönheit. Seit einem Monat schwelgte er in dem Gedanken sie zu gleicher Zeit zur Souveränin seines Herzens und zu seinem Schiffsjungen zu machen, und so groß auch Valentins Einfluß auf ihn sein mochte, so konnte er sich doch nicht entschließen so lachenden Aussichten zu entsagen.

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