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Der Pechvogel

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Sie hoffte daß sie, wenn sie verheirathet wäre, wenn sie das Recht hätte sich Zerstreuungen zu gönnen die sie in einer falschen Stellung sich verweigern zu müssen glaubte, die nöthige Thatkraft finden würde um ihren Widerwillen zu überwinden und eine der Vergangenheit zugekehrte Sympathie zu vergessen, welche sie sich selbst nicht zu gestehen wagte.

Aber die Zeit war vorangeschritten; Richards flüchtige Neigung hatte sich abgekühlt; er sprach nicht mehr davon daß er den Banden welche ihn an das Opfer seiner Verführung knüpften die Weihe der Gesetzlichkeit geben wolle, und als das junge Mädchen ihn schüchtern an das zu erinnern wagte was für sie ein Anker des Heils geworden war, da antwortete er:

– Wir haben noch alle Zeit dazu.

Diese Antwort schlug Huberte vollends zu Boden; ihre von Reue und Sehnsucht um die Vergangenheit, von den Enttäuschungen der Gegenwart und von den Schrecknissen der Zukunft zerrissene Seele überstand alle Martern die sie nur heimsuchen konnten.

Sie war zu sanft und zugleich zu stolz um sich zu beklagen, und deßhalb weinte sie bloß; sie versenkte sich in ihren Schmerz dem keine Zerstreuung zu Theil wurde, denn, wie wir bereits gesehen haben, Richard ließ sie den Tag und den größten Theil der Nacht über allein.

Aber wenn diese Einsamkeit ihre Annehmlichkeit für betrübte Herzen hat, so ist sie auch voll von Gefahren.

Ihren Träumereien hingegeben, sah Huberte das Bild wieder bei dessen Erscheinung sie zusammengeschaudert war: sie gab sich dem einzigen Trost hin den sie in dieser Welt empfangen konnte, nämlich der Betrachtung dieses Bildes; sie erkühnte sich allmählig es bei seinem Namen zu rufen und der Schatten verkörperte sich; sie öffnete das Zimmer Valentins wieder, in welches sie seit ihrem Einzug in die Rue Saint-Sabin nicht zurückgekehrt war; es schien ihr als ob sie in diesem schmalen Stübchen freier athmen könnte als in der großen Werkstatt; ihr Kummer däuchte sie weniger bitter innerhalb der Mauern wo Valentin gelebt hatte; sie empfand eine wundersam liebliche Aufregung wenn sie die Gegenstände berührte die er berührt hatte; wenn sie auf dem Kissen weinte welches die Thränen des jungen Mannes eingesogen hatte, so entflossen ihren Augen weniger herbe und weniger brennende Thränen; sie verwandte einen ganzen Tag darauf die Trümmer der Statuette wieder zusammenzulöthen die er zerschlagen hatte, und dieser Tag verfloß ihr lieblich und rasch: sie fand eine unendliche Erleichterung in diesem Reliquiencultus der in der Religion der Erinnerungen eine so bedeutende Stelle einnimmt: aber sie wurde auch allmählig dahin geführt, daß sie eine Vergleichung mit demjenigen anstellte dessen Liebe sie nicht geahnt, und demjenigen dessen Neigung so unheilvoll für sie gewesen, und nun sagte sie sich, indem sie mit einem Ausdruck frommen Vorwurfes die Augen zum Himmel erhob:

– Mein Gott, warum dieser und nicht der Andere!

An diesem Tag begriff Huberte daß sie doppelt verloren wäre, wenn nicht irgend ein kräftiger Entschluß sie der Leidenschaft entriss die sich ihrem Herzen offenbarte.

Sie verließ das Zimmer Valentins, verschloß die Thüre und warf den Schlüssel in ein Höfchen, auf welches eine Glasthüre die im Zimmer des armen Bijoutier das Fenster vorstellte, sowie die breiten Fenster die der Werkstatt Licht gaben, sich öffneten.

Sie hatte bloß ein einziges Mittel um ehrsam zu bleiben, um diese Reinheit, diese Treue der Seele zu bewahren welche sie Richard trotz aller seiner Verschuldungen gegen sie widmen zu müssen glaubte, nämlich wenn sie sich über ihr Unglück betäubte.

Sie war entschlossen dieses Ziel um jeden Preis zu erreichen.

Sie erwartete Richard, ging nicht zu Bett bevor er heimgekehrt war, und meldete ihm daß sie ihn am folgenden Tag auf den Ball begleiten würde wohin er sie schon so lange gern gebracht hätte.

Der Bildhauer empfing diese Nachricht mit großer Befriedigung; die Entführung des Fischermädchens von Varenne und die begleitenden Umstände hatten in der Schifferwelt großen Lärm gemacht. Man hatte den Excommandanten der Möve gefragt warum er seine neue Geliebte nicht in die Gesellschaften der Schiffer der oberen Seine führe; man hatte schlechte Witze über seine Eifersucht gerissen, was jedoch ein ungerechter Vorwurf war, denn der Bildhauer machte viel lieber öffentlich Parade mit seiner Geliebten, als daß er sich in der einsamen Betrachtung eines Schatzes gefiel, und wäre dieser Schatz auch ein hübsches junges Mädchen gewesen.

Am folgenden Morgen war Huberte ausgegangen um die Tagesvorräthe einzukaufen, als sie an einer Straßenecke ganz plötzlich Mathias den Fährmann einherkommen sah.

Huberte bebte zusammen; der Anblick des Alten erinnerte sie lebhaft an ihren Großvater, sie eilte auf ihn zu.

Ader der Fährmann wandte den Kopf ab, als ob er das junge Mädchen nicht bemerkte, und ging seines Weges weiter.

So schmerzlich Huberte diese Verachtung fand, so ließ sie sich doch dadurch nicht aufhalten-; sie ergriff den Arm des Fährmanns und sagte:

– Ich bitte Euch, Mathias, gebt mir Nachricht von meinem Vater.

– Ob es ihm gut geht oder schlecht, das ist Dir gleichgültig, antwortete der Landmann, indem er sich von den Händen loszumachen suchte die ihn festhielten Du hast es deutlich genug bewiesen, scheint mir’s.

– O ich beschwöre Euch, Mathias, fuhr Huberte fort, antwortet mir: Ihr seid gut, Ihr seid menschenfreundlich; so arm Ihr gewesen sein möget, niemals hat ein noch Aermerer vor Euch vergebens die Hand ausgestreckt; verweigert das Almosen eines Wortes einem Mädchen nicht das Euch mit demüthigem und reuevollem Herzen darum bittet.

Der aus dem Gesicht des Mädchens ausgeprägte Kummer rührte den Alten sichtlich.

– Huberte! Huberte! versetzte er in sanfterem Tone, Du die Du die Perle unserer Halbinsel warst, wie konntest Du so schnell die Schande derselben werden?

Huberte beugte ihr Haupt unter diesem Vorwurf.

– Wenn einem Mädchen die Eltern in den Weg treten und sie sucht sich, ihnen zum trotz, mit demjenigen zu verbinden den sie liebt, so läßt sich das noch begreifen; aber wie konntest Du diesen liederlichen Kerl lieben, Huberte?

– Er will mich heirathen, Mathias.

Mathias zuckte die Achseln.

– Sorge dafür daß er sich sputet, sagte der Alte mit einer sehr ausgesprochenen Ironie: denn wenn er noch länger zögert, so wird er einen ganz willkommenen Vorwand haben die Heirath noch um sechs Monate zu verschieben.

– Und welchen?

– Deine Trauer, natürlich.

– Meine Trauer! Ach mein Gott, mein armer Vater, mein armer Vater!

– Zum Henker! Die Thränen die man um tugendhafte Weiber vergießt wenn sie gestorben sind, sind im Ganzen nichts als Wasser: aber diejenigen die man um ein Kind vergießt das so wie Du gehandelt hat, diese sind Blut, mußt Du wissen, Huberte.

– Ach mein Gent mein Gott!

– Er arbeitet noch und zwar mehr als je, aber man sieht recht wohl daß er nur noch mit einem einzigen Flügel schlägt; er richtet seine Geräthschaften noch immer um unsere Stadtherren zu ärgern, denen es nie gelingt die guten Plätze zu entdecken wo er sie anzubringen weiß; aber er thut das so mühsam, es wird ihm so sauer die Ruder zu führen, die sonst so leicht in seinen Händen lagen, daß man sogleich einsieht, er hat den Tod in den Armen. Siehst Du, wenn ich ihn auf dem Fluß bemerke, den Kopf aus die Brust gesenkt, so blaß und verstört als wäre es ein Leichnam der ein Schiff führe; wenn er mit niedergeschlagenen Augen, gleich als hätte er sich über Etwas zu schämen, an uns vorüberfährt, der arme, liebe Mann, siehst Du, dann kann ich meine Thränen nicht mehr zurückhalten, sonst würde mir der Schädel zerspringen wie eine allzu volle Tonne. Ach, ohne Herrn Valentin. . .

– Herr Valentin! Mathias, was sagt Ihr von Herrn Valentin?

– Ich sage daß Du, ohne die Tröstungen die er bei diesem braven Jungen findet, ihn schon lange los geworden wärest. Wahrlich, dieser da hat ein Herz von Gold; das ist kein falscher Arbeiter wie der andere.

– Herr Valentin ist in Varenne?

– Nein, natürlich nicht, aber er kommt drei- oder viermal in der Woche, und das belebt den armen Alten immer wieder ein wenig. Sie verschließen sich miteinander in dem Häuschen, und mein Weib hat sie eines Tags beim Vorübergehen an der Thüre alle beide laut schluchzen gehört. . . Ach Huberte, bei einiger Rechtschaffenheit bin ich überzeugt daß Du einen Mann gefunden hättest, ohne daß Deine Orangenblüthe in dem Winde hätte abfallen müssen der diese gottverfluchten Kähne zu uns hergeführt hat.

– Valentin! Er liebte mich also? Ach mein Gott! mein Gott! was sagt Ihr mir da, Mathias?

– Ob er Dich liebte oder nicht liebte, das ist jetzt ganz gleichgültig; ein guter Entschluß ist mehr werth als alle Klagen, denk jetzt nur an eine einzige Sache: wenn Du willst daß die Hand Deines Großvaters in seinen letzten Augenblicken auf Deinem Haupte ruhe, so mußt Du Dich beeilen, denn bald wird sie kalt sein.

– Mathias, Mathias, rief Huberte, deren Wangen sich mit einer plötzlichen Röthe übergossen, während ihre Augen funkelten; entweder kann ich bis morgen meinem Vater versprechen daß ich bald seiner Verzeihung würdig sein werde, oder ich sterbe vor ihm.

So sprechend lief das junge Mädchen nach der Rue Saint-Sabin zurück.

Richard schlief wie gewöhnlich bis tief in den Tag hinein; er erwachte an dem Lärm womit Huberte die Schlafzimmerthüre aufriß, und als er die Augen aufschlug, bemerkte er seine Geliebte, die zitternd und mit verstörtem Gesicht vor seinem Bette stand.

– Was hast Du? fragte er beinahe erschrocken.

– Richard, mein Großvater will sterben.

– Teufel! Teufel! Der arme Pechvogel, das wäre doch Schade; denn obschon wir bei unserem letzten Zusammentreffen nicht gerade mit einem Händedruck von einander geschieden sind, muß ich ihm doch die Gerechtigkeit widerfahren lassen daß er ein braver Mann war und tüchtig aus dem Wasser. Nun denn, fuhr der Bildhauer mit einer Gutmüthigkeit fort welche bei ihm die Rührung vertrat, wenn er krank ist, so kann er nicht fischen; wenn er nicht fischt, so kann es keine Thaler in seine Tasche regnen. Es roch in seiner Hütte weit mehr nach Fischen als nach Ueberfluß. Ich will die Anlage zu ein Paar Leuchter die man bei mir bestellte recht schnell fertig machen, dann kannst Du ihm ein bisschen Geld schicken, ohne daß er ahnt daß es von Dir kommt.

 

– Geld ist es nicht was ihm Noth thut, Richard.

– Ich weiß es wohl, es wäre besser wenn man ihm so zwanzig Jahre von seinen Schultern nehmen könnte; aber zum Henker, Du kannst nicht verlangen daß ich auch Wunder thun soll.

– Thu Deine Pflicht als rechtschaffener Mann, Richard, dann wird alles geschehen was möglich ist. Der Tod des Alten wird vielleicht hinausgeschoben, und jedenfalls wird auf uns beiden nicht die Gewissensqual lasten ihn verursacht zu haben.

– Ah bah! rief der Bildhauer mit einiger Aufwallung die einem schlechten Gewissen stets zu Gebote steht; willst Du jetzt alle Deine einfältigen Zierereien wegen des ehelichen Segens wieder anfangen?

– Richard, Du hast mir bei Deiner Ehre geschworen daß ich Dein Weib werden soll.

– Nun wohl, bist Du es denn nicht? Was können uns die vier lateinischen Worte helfen die man über unsere Köpfe hinbrummt?

– Sie geben mir das Recht an dem Bette niederzuknien in welchem mein einziger Verwandter in der Welt stirbt.

– Das ist eine Kinderei wozu ich die Hand zu reichen nicht einfältig genug bin; die Ehe ist das Todesröcheln der Liebe, und ich möchte Dich immer lieben; diesen Schwur will ich auch erfüllen; ich halte ihn fest, weil ich ein schlechter Kerl sein müßte wenn ich Dich verlassen wollte.

– Richard, versetzte Huberte, indem sie vor ihrem Geliebten niederkniete und ihre Hände faltete, mir liegt so wenig an meiner eignen Person, daß ich, wenn es sich nur um mich selbst handelte, diesen Trost nicht mit einer Zudringlichkeit erkaufen würde; aber es handelt sich um meinen Großvater, um den Mann der meine Kindheit gepflegt hat, um einen armen Greis der so vielen Jammer, so manche Qualen ausgestanden. Richard, Richard! ich beschwöre Dich, stoße meine Bitte nicht zurück; nenne mich Weib vor Gott und vor den Menschen, wie Du es mir geschworen hast, dann will ich meinerseits Dir schwören daß dieser Titel keine schwere Last für Dich sein soll.

– Nein, hundertmal nein, ich werde Deinem launigen Begehren nicht nachgeben; unsere beiderseitige Freundschaft zu fesseln, das wäre das beste Mittel daß wir einander verabscheuen würden ehe ein Monat vergeht. Ich besonders, der ich nie eine Kette am Hals spüren konnte, ohne daß ich Lust empfand sie zu zerreißen; nein, nein, machen wir es wie die Turteltauben, Huberte, lieben wir uns so lange die Federn es aushalten, aber hüten wir uns nach dem Gesetz zu lieben. Ich für meinen Theil werde mich nie dazu verstehen.

– Auch dann nicht wenn es nicht bloß den alten Mann, sondern auch seine Enkelin das Leben kosten sollte? sagte Huberte, indem sie sich kalt, würdevoll, beinahe ruhig wieder aufrichtete.

– Ach was, bist Du ebenfalls krank? soll ich den Arzt holen, soll ich den Pfaffen rufen?

– Wollte Gott, ich wäre krank, erwiderte Huberte traurig, eine Krankheit würde mir vielleicht den letzten Gewissensbiß ersparen.

Richard antwortete mit einem lauten Lachen.

Es war ihm angenehm daß Huberte ihm einen Vorwand geliefert hatte die Unterhaltung auf einen scherzhaften Ton zurückzuführen der ihm besser als jeder andere zusagte, und mit dessen Hilfe er den Ernst der Lage wegpractiziren konnte. Er übertäubte sie mit seinen spizigsten Spöttereien, mit seinen possenhaftesten Späßen.

Das Mädchen schien ihn nicht mehr anzuhören.

Gleichwohl hatte der Ausdruck womit Huberte ihr Todeserlangen geäußert einen gewissen Eindruck auf den Künstler hervorgebracht; er besaß nur die negative Bosheit die den Egoisten eigenthümlich ist; er weigerte sich allerdings seine Freiheit dem Glück seiner Geliebten zu opfern, aber es würde ihn schwer betrübt haben wenn ihr ein Unglück widerfahren wäre: er that sich also Zwang an, er zeigte sich gut und freundlich gegen sie, und obschon das Mädchen sein Entgegenkommen nicht erwiderte, obschon sie seinen Antrag in Bezug auf ihren Großvater abgelehnt hatte, so verließ er doch den ganzen Tag die Werkstatt nicht und arbeitete emsig an seinen Candelabern.

Huberte blieb diesen ganzen Tag über düster und nachdenklich.

Aber Richard, der diese Schweigsamkeit ihrer Bangigkeit wegen der Krankheit Pechvogels zuschrieb, erschrack nicht mehr darüber, weil der Abend herankam, weil sein ungewohnter Fleiß ihn müde gemacht, und weil er das Bedürfniß empfand im Straßenwind alle die Traurigkeiten abzuschütteln welche dieser Tag mit sich gebracht hatte.

Nachdem er seine Anlage mit einem feuchten Leintuch umwickelt und seine Geräthschaften in Ordnung gebracht, sagte er mit einigem Zögern zu Huberte:

– Nun, gehen wir nicht auf den Ball?

– Nein, nein, ein andermal, antwortete sie, geh allein hin.

– Ich bestehe nicht darauf, weil ich selbst einsehe daß, wenn der arme Alte auf seinem Schragen leidet, dieß wohl nicht der geeignete Augenblick zum Springen ist, obwohl es ihm im Ganzen weder wohl noch wehe thut; aber wenn Du einmal nicht willst. . .

– Ich wiederhole Dirs, heute Abend nicht; geh Du nur; Adieu, Adieu, mein Lieber, sagte Huberte zu dem Künstler, der sich während dieser Unterhaltung zum Ausgehen rüstete.

– Wie sonderbar Du dieß Adieu sagst! Fange mir nur jetzt Deine Dummheiten von heute früh nicht wieder an! Komm, sei doch vernünftig. Später, wenn noch einige Jahre etwas Blei in unsere Gehirne gegossen haben, nun wohl, dann will ich's nicht verschwören daß wir nicht noch den Weihwedel des Herrn Pfarrers zu Hilfe rufen.

– Ja, mein Lieber, ja ich werde vernünftig sein, Du sollst Dich nicht mehr über mich zu beklagen haben: sei ruhig, ich verspreche Dirs.

Mit diesen Worten bot Huberte dem Künstler ihre Stirne zum Kuß, und Richard, der über die empfangene Versicherung sehr erfreut schien, entwischte.

So bald er die Schwelle der Werkstatt überschritten hatte, sank Huberte von dem Stuhle auf welchem sie gesessen aus ihre Kniee nieder und brach in heiße Thränen aus.

Als sie sich wieder erhob, war die Nacht vollständig eingebrochen; Huberte ging auf Valentins Zimmer zu.

Erst als sie mit der Hand über die Thüre fuhr um den Schlüssel zu suchen, erinnerte sie sich daß sie denselben hinausgeworfen hatte.

Aber in diesem Augenblick schien es ihr als hörte sie flüchtige Tritte in diesem Zimmer.

Sie fragte wer da sei, man gab ihr keine Antwort.

In ihrer dermaligen Gemüthsverfassung konnte Huberte nicht leicht über etwas erschrecken; sie zündete ein Licht an um den Schlüssel zu suchen.

Dieses Zimmer war das einzige das einen Ausgang auf das bewußte Höfchen hatte; um dahin zu kommen, mußte sie die Werkstatt verlassen, den Hausgang seiner ganzen Länge nach durchschreiten und eine Thüre öffnen die von diesem Gang aus den Hof führte; alles das erforderte einige Minuten.

Als sie, die Hand vor das Licht haltend, in den Hof trat, war das Erste was ihr in die Augen fiel der Schlüssel dessen sie bedurfte; er glänzte mitten im dem Gras das zwischen den Pflastersteinen gewachsen war.

Sie ergriff ihn und ging rasch auf ihr Zimmer zurück, ohne zu bemerken daß der Concierge und seine Frau ihre Aufregung wohl gesehen, vor der Thüre stehen geblieben waren und beide mit gleich erstaunten Augen sie an gesehen hatten.

Endlich konnte sie in Valentins Zimmer gelangen.

Zu ihrer großen Ueberraschung war dieses Stübchen das sie leicht mit einem einzigen Blick überschaute leer, alle Möbel standen an ihrem Platz, nichts schien verändert zu sein; die Vorhänge hatten die Falten behalten welche sie ihnen in den ersten Tagen ihrer Sorgfalt gegeben, als die Herrichtung des von dem jungen Arbeiter bewohnten Stübchens ihr eine sehr liebe Zerstreuung gewesen war.

Gleichwohl hatte sie noch keinen Schritt vorwärts gethan als sie mit einem Angstschrei zwei Schritte zurückwich.

Sie hatte so eben auf dem Boden die Brüderschaftsgruppe bemerkt, deren Stücke sie mit großer Mühe gesammelt, und die sie mit so großer Sorgfalt aufs den Marmor gestellt hattet diese Gruppe war von Neuem in tausend Stücke zertrümmert.

Beim Nähertreten erkannte sie augenblicklich daß der Zufall allein dieß nicht bewirkt haben konnte; der Gyps war buchstäblich zu Staub zermalmt worden, gleich als hätte man ihn mit einem Schuhabsatz zerdrückt, gleich als hätte man verhindern wollen daß ihm zum zweiten mal Körper und Gestalt wieder gegeben werde.

– Ah, sagte sie, er ist hier; es ist also doch wahr, er weiß also ohne Zweifel was hier vorgeht; er hat uns heute früh vielleicht gehört. Gott sagt mir daß ich Schuldbeladene mich opfern muß, damit nicht Unschuldige für mein Verbrechen zu büßen haben.

Dann schritt sie mit fieberhafter Thätigkeit zu seltsamen Vorbereitungen.

Sie verstopfte sorgfältig alle Ausgänge, alle Spalten durch welche Luft ins Zimmer dringen konnte, versperrte das Kamin, verriegelte die Glasthüre des Hofes, legte eine große Menge Kohlen in einen Ofen und zündete sie an.

Als die Grundlage der Pyramide welche sie aufgeführt sich zu bepurpurn anfing und nach allen Seiten hin knisternde Funken auswarf, schloß Huberte sich gegen die Werkstatt zu ab, wie sie sich gegen den Hof abgeschlossen, und nachdem sie diese letzte Barriere zwischen sich und dem Leben errichtet, da schwebte ein trauriges Lächeln auf ihren Lippen; sie glaubte sich jetzt berechtigt ihre letzten Gedanken demjenigen zu widmen dessen Liebe sie zu spät erkannt hatte.

Sie machte ihre armselige Toilette zurecht, glättete sorgfältig ihr glänzendes Haar vor dem Spiegel Valentins, dann legte sie sich aus das Bett des jungen Mannes.

Nachdem sie endlich ein ganzes Gebet, vielleicht ein Lebewohl für die Liebe gemurmelt, schloß sie die Augen und erwartete den Tod, welchen die giftigen Dünste die bereits das schmale Stübchen füllten ihr rasch bringen müßten.

XIX.
Ein neuer Beweis für die Thatsache daß die Gerechtigkeit nicht von dieser Welt ist

—–

Richard wunderte sich sehr daß er auswärts nicht Zerstreuungen fand auf welche zu rechnen eine lange Erfahrung ihm das Recht gegeben hatte.

Kaum war er im Ballsaal erschienen, als er ihn auch schon für abscheulich langweilig erklärte. Er fand daß die Lampen rauchten, daß sie einen grünlichen Schein gaben, daß das Klapphorn (welches damals die ganze Popularität der Neuheit besaß) die Ohren auf schreckliche Art zerriß; endlich erwiderte er mit Grimassen und höchst unparlamentarischen Complimenten die Neckereien mit welchen die Göttinnen des Orts einen so bedeutenden Mann wie der ehemalige Gebieter der Möve war heimzusuchen für ihre Pflicht hielten.

Er besaß Verstand genug um einzusehen daß erst wenn alles ihm so unangenehm erschien, dieß lediglich der üblen Laune die er mitgebracht zuzuschreiben hatte. Diese üble Laune wollte er durch einen Entrechat abschütteln. Er stellte sich in eine Quadrille, aber auch das gelang ihm nicht. Er ersann Figuren und Haltungen welche bereits den späteren Cancan andeuteten; aber sein Tanz war linkisch und albern, seine Beine bogen, seine Füße verwickelten sich in einander, ein wichtiger Gedanke lähmte ihn mitten in einem Pas dessen Ausführung leidlich angefangen war, und er blieb mit einem Bein in der Kluft in einer grotesken Haltung stehen, während seine Physiognomie einen ernsten und sorglichen Ausdruck angenommen hatte der gegen die Telegraphie seiner vier Glieder gar wunder ich abstach.

Er glaubte es müsse ihm gelingen die unbestimmte Bekümmerniß die ihn drängte und die er später Ahnung nannte zu beseitigen; er leerte Zug um Zug, ohne Athem zu schöpfen und unter allgemeiner Bewunderung, etwa ein Dutzend von den ungeheuern Gläsern die etwa einen halben Liter enthalten; der rauschende Beifall schmeichelte ihm, ohne daß er jedoch ein Gefühl der Unruhe überwinden konnte, und der Wein verwirrte sein Gehirn, ohne die Gedanken welche die gewöhnlich so ruhige und heitere Harmonie desselben zerstörten rosaroth zu färben; die Gedanken nahmen im Gegentheil einen immer düsteren Ton an.

Der Gläserklang schien ihm etwas von der Stimme Hubertens entlehnt zu haben und die Klagen und die Appellation an den Tod zu wiederholen womit das junge Mädchen am Morgen die Unterhaltung geschlossen hatte; wenn man glauben darf was er selbst später erzählte, so gewannen die blauen Flecken welche der blaue Wein auf dem Tischtuch hinterlassen hatte in seinen Augen die hochroth glänzende Farbe des Blutes.

 

Als Richard den Ball verlassen hatte, wurden diese Heimsuchungen noch gebieterischer; ohne es selbst zu wollen, beschleunigte er seinen Schritt.

Am Hause der Rue Saint-Sabin angelangt, bemerkte er mit einem gewissem Erstaunen daß weder der Concierge noch seine Frau in ihrer Loge waren; er pochte vor der Thüre seiner Wohnung, man gab ihm keine Antwort; sein Herz schnürte sich zusammen und mit einer heftigen Bewegung versuchte er die Thüre einzustoßen. Der Widerstand auf den er stieß gab ihm eine andere Idee ein; er ging nach dem Höfchen.

Zu seiner großen Ueberraschung fand er die Thüre nach demselben offen. Als er eintrat, bemerkte er, von Valentins Zimmer kommend, ein helles Licht das einen röthlichen Rahmen an die Wand zeichnete die der Wohnung gegenüberstand; in diesem Rahmen sah er die Silhouette eines Mannes auf- und abgehen.

Eine wüthende Anwandlung von Zorn und Eifersucht drängte die unheimlichen Ahnungen zurück welche den Bildhauer bisher bewegt hatten; Hubertens Schweigen und die Anwesenheit eines Fremden in dem unbewohnten Zimmer erschienen ihm als sichere Zeichen von Verrath; die Idee der Rache folgte in seinem Herzen auf die unklare Angst die er empfand; er stürzte aus diejenigen zu die er als die Schuldigen betrachtete.

Beim Geräusch von Tritten aus dem Pflaster erschien der Mann auf der Schwelle. Richard erkannte Valentin.

– Du erwartetest mich nicht! rief der Liebhaber, Hubertens mit einer Art von wüthendem Aberwiz.

– Doch, ich erwartete Dich, antwortete Valentin, dessen vibrirende Stimme, trotz der Ruhe die er sichtlich erkünstelte, und gegen welche sein verstörtes Gesicht grell abstach, einen drohenden Ton angenommen hatte; ich erwartete Dich; da sieh Dein Werk.

Mit diesen Worten ergriff der junge Arbeiter seinen ehemaligen Freund am Arm und zog ihn in das Zimmer bis ans Bett.

Auf diesem lag Huberte, leblos; bleich, mit blassen Lippen, die Augen geschlossen und von einer leichten bläulichen Färbung eingefaßt.

– Großer Gott, rief Richard, man muß ihr zu Hilfe kommen.

Er suchte auf seine Geliebte loszustürzen, aber Valentins Hand, diese feine Hand, zart und schwach wie wenn sie einer Frau gehörte, schien jetzt eiserne Muskeln bekommen zu haben und verhinderte den Bildhauer an jeder Bewegung.

– Ha! sagte er mit tiefer Bitterkeit, glaubst Du denn ich hätte Deines Rathes bedurft um alles zu thun was zu ihrer Rettung menschenmöglich war?

– Aber einen Arzt wenigstens. Man muß einen Arzt rufen!

– Er wird sogleich kommen, aber es wird zu spät sein. Du hast sie gut umgebracht, das muß ich sagen; sie ist gründlich todt, Unglücklicher!

– Das ist nicht möglich! rief der Bildhauer, der eben so blaß wurde wie das junge Mädchen; nein, es ist nicht möglich; sieh, ihre Hand ist noch lau.

Er hatte seinen Arm ausgestreckt, und es war ihm gelungen ihre Hand zu berühren die todt vom Bette herabhing.

– Richard, rief Valentin, ich verbiete Dir dieß Mädchen zu berühren.

– Du verbietest mir's?

– Erinnerst Du Dich der Marneufer in jener Nacht als Du sie ihrem Vater raubtest? Du hast mich zurückgestoßen als ich ihr zu Hilfe kommen wollte: Du sagtest zu mir: sie ist meine Geliebte. Damals lebte sie; jetzt da sie todt ist, sage ich meinerseits zu Dir: sie gehört mir: ich verbiete Dir sie durch Berührung zu entweihen.

– Valentin, Valentin, erwiderte der Bildhauer mit einer gewaltsamen Anstrengung um seinen Zorn zu beherrschen, die Vernunft verläßt Dich, fasse Dich, Dein Kopf wird wirre.

– Der Tod hat sie jetzt von allen Leiden ihres Lebens befreit, er hat sie vom größten aller Schmerzen befreit, von dem Unglück Dir anzugehören.

– Valentin!

– Wage doch sie von Gott zurückzuverlangen vor welchem Du sie Dein Weib zu nennen Dich schämtest.

– Valentin, Du mißbrauchst meinen Kummer um mich zu beschimpfen; aber nimm Dich in Acht!

– Ha, die Wahrheit erscheint Dir als ein Schimpf; um so besser, das erleichtert meine Aufgabe, Richard. Weil ich den Kopf unter das Unglück gebeugt hatte das uns, d. h. sie und mich, getroffen, glaubtest Du, ich habe aufgehört sie zu lieben, an sie zu denken; Du glaubtest sie habe keinen Schutz, keine Stütze mehr, Du könnest ganz nach Belieben den niederträchtigen Schandbuben an ihr machen.

– Valentin, rief der Bildhauer brüllend vor Wuth, meine Geduld ist zu Ende, nimm Dich in Acht, nimm Dich in Acht!

– Die meinige hat zwei Monate gewährt, die Deinige wird wohl noch einige Sekunden halten. Ja seit zwei Monaten war ich da – er deutete aus das benachbarte Haus dessen düstere Masse man durch die Thüre hindurch kannte – ich sprach niemals mit ihr, aber von Zeit zu Zeit bemerkte ich sie und las auf ihrem Gesicht den Kummer den Du ihr verursachtest. Ich theilte die Bangigkeiten und Qualen womit Du sie martertest. Mit jedem Tag sah ich sie blässer und magerer werden. . . mit jedem Tag sah ich sie nach dem Grabe zu wanken das Du unter ihren Füßen grubst. . . und dennoch wartete ich, ich sagte zu mir selbst: Nein, ein Mensch empört sich gegen die Menschen die ihn unterdrücken, gegen die Feinde die ihn auf dem Boden halten, aber man mordet nicht ein armes Geschöpf dessen ganzes Vergehen darin bestand daß es einen liebte; man mordet es nicht, besonders wenn man geschworen hat es glücklich zu machen. Richard wird Mitleid mit ihr haben . . . Da sieh jetzt wie Du Mitleid mit ihr hattest. . .

– Konnt ich mir denn einbilden daß sie so verrückt sein würde. . .

– Um den Tod einem Leben voll Schande vorzuziehen? Nein, in Wahrheit, Richard, Du konntest das nicht denken; Du hast Recht, aber ich, ich, der ich die ganze Ehrenhaftigkeit dieses armen Kindes geahnt hatte, ich hätte früher kommen und ihr sagen sollen: Verlassen Sie so bald als möglich den Elenden der Sie getäuscht hat; trösten Sie sich und richten Sie Ihr Haupt wieder empor; hier ist die Hand eines rechtschaffenen Mannes um Ihre Hand zu stützen.

Nach dieser Phrase schien Valentin die Anwesenheit Richards ganz vergessen zu haben: er fuhr zu sich selbst redend fort:

– Ach es ist wahr, es ist vollkommen wahr! Wenn ich so gehandelt hätte, so wäre sie nicht gestorben; wir könnten ihre Stimme noch hören. . . Mein Gott! mein Gott! wie leide ich!

Und im wilden Drang seines Schmerzes stürzte er sich auf den Leichnam des jungen Mädchens, nahm ihn in seine Arme, benetzte sein Gesicht mit Thränen und stieß dazwischen hinein verzweiflungsvolle Verwünschungen aus.

So verhärtet Richard, so demüthigend die Rolle war die er in dieser Scene spielte, so brachte sie doch einen tiefen Eindruck auf ihn hervor; zwei große Thränen rollten über seine Wangen hinab.

Auf einmal erhob sich Valentin.

– Hast Du es begriffen, Richard, rief er, daß ich nur noch einen einzigen Gedanken habe, den Gedanken sie zu rächen?

– Es sei, versetzte der Bildhauer; morgen werde ich Dir zur Verfügung stehen.

– Morgen?. . . Was sprichst Du von morgen?« . . . Morgen? Unsinniger!. . . Weiß ich ob ich morgen noch leben werde? Ob Gott sich morgen die Mühe nehmen wird die Sonne die sie nicht mehr sehen soll zu schicken, um die Erde zu beleuchten? nein, nicht morgen muß es sein, sondern sogleich!

– Und wo sollen wir uns denn schlagen, Du Narr?

– Hier, vor ihrem Leichnam.

– Warum nicht gar? Ich werde nie in einen solchen Kampf willigen.

– Du wirst Dich schlagen, weil ich Dich dazu zwingen werde.

– Und wie denn?

– Indem ich Dir wiederhole daß Du ein Feigling bist.

– Ein Feigling!

– Und wenn das nicht genügt, so werde ich Dir ins Gesicht spucken.

– Tausend Millionen Donnerwetter, wirst Du aufhören? rief der Bildhauer, indem er Valentin, der näher getreten war, so heftig zurückstieß daß dieser auf das Bett fiel.

– Ja, ein Feigling! wiederholte der Arbeiter, Du mißbrauchst den Umstand daß unsere Kräfte ungleich sind und daß ich keine Waffen besitze; das wundert mich nicht. Hast Du Dir nicht schon einmal aus meiner Liebe und Verehrung für Huberte einen Wall gemacht? Feigling! Feigling! Feigling!

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