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Der Graf von Moret

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II.
Ein vereitelter Handstreich

Die sämmtlichen Mitglieder des großen Rathes, der am 22. Februar in Compiègne abgehalten wurde, kamen getreulich Richelieu's Wunsche nach, über den Gegenstand der Verhandlung das tiefste Stillschweigen zu beobachten.

Uebrigens hatte der Cardinal auch solche Maßregeln getroffen, welche es sehr schwer gemacht haben würden, den Königinnen irgend welche Botschaft zukommen zu lassen, denn gleich nachdem der große Rath zu Ende war, wurden dessen sämmtliche Mitglieder zu einem solennen Diner Commandirt, zu welchem außer diesen Mitgliedern sonst Niemand geladen war, und nach der officiellen Abspeisung standen die Wagen bereit, um die Herren Gäste sammt und sonders nach Paris zu entführen.

In der That dachte aber keiner der hohen Räthe daran, der gefallenen Größe, welche sich Maria von Medicis nannte, eine Warnung zuzustecken, denn dies würde den Zorn des von heute an allmächtigen Richelieu herausgefordert haben, und die Königin-Mutter erschien zur Stunde so hilflos, daß ihre fernere Freundschaft nur als eine sicher drohende Gefahr gelten konnte.

Am 23. Februar trat der König, bereits vollkommen reisefertig angezogen, in das Antichambre der Königin Anna, welche noch fest schlief.

»Weckt sogleich die Königin, meine Gemahlin,« gebot er barschen Tones der im Vorgemache wachehaltenden Kammerfrau.

Diese eilte fort, um dem Befehle zu gehorchen. Nach fünf Minuten war sie zurück mit der Meldung, daß Ihre Majestät bereits im Ankleiden begriffen sei:

»Reisekleider, Reisekleider,« befahl der König, »ich warte hier hier und ich glaube, dies wird für die Königin ein hinlänglicher Grund sein, sich zu sputen.

Eine kleine halbe Stunde hierauf erschien Anna von Oesterreich im Vorgemache bei dem Könige, den sie erstaunt und fragend anblickte. Ludwig XIII. jedoch fand es nicht für angemessen Erklärungen zu geben, sondern bot ihr stumm seinen Arm und geleitete sie, ohne ein Wort zu sprechen, zum Wagen, der vor der großen Auffahrtstreppe des Schlosses bereitstand.

Dann war er ihr eigenhändig beim Einsteigen behilflich und bedeutete zweien ihrer Damen, ihr Gesellschaft zu leisten.

Er selbst bestieg hierauf eine zweite Carosse, die unmittelbar hinter derjenigen hielt, in welcher Anna von Oesterreich saß.

Diesen beiden Wagen, die alsbald die Straße nach Paris einschlugen, folgte noch ein Dutzend anderer, in deren einer auch Richelieu sich befand.

In demselben Augenblick, als der lange, von vier Schwadronen leichter Reiter escortirte Zug sich in Bewegung setzte, wurde Maria von Medicis, welche von Allem, was seit vierundzwanzig Stunden vorging, nicht die leiseste Ahnung hatte, von Bauthier, ihrem Leibarzte, geweckt.

Bauthier war soeben von einer Reise von Orleans, wo er mit Gaston im Auftrage von dessen Mutter conferirt hatte, zurückgekehrt.

Die ungewöhnlich frühe Stunde, in welcher er die Königin und den König mit so großem Gefolge Compiègne verlassen sah, weckte in ihm sogleich die Vermuthung, daß etwas Besonderes vorgegangen sein müsse. Aber tödtlich erschrak er, als er auf sein Befragen, in welchem Wagen Maria von Medicis sich befinde, die Antwort erhielt, daß die Königin-Mutter gar nicht dabei wäre.

Diese lächelte anfangs ungläubig, als ihr Bauthier seine Wahrnehmung mittheilte. »Laßt den Marschall d'Etrées es holen,« befahl sie endlich und richtete sich, von bangen Ahnungen gefoltert, im Bette auf, das sie aber nicht verließ.

Der Marschall d'Etrées, der bei der Abreise des Königs die Honneurs gemacht, erschien.

Kaum erblickte er Bauthier, der sich in eine Fensternische zurückgezogen hatte, als er auf denselben zutrat und ausrief: »Monsieur Bauthier, ich bin entzückt, Euch endlich zu treffen; wo steckt Ihr denn, meine Leute suchen Euch schon überall.

»Mich?«

»Ja Euch, und Ihre Majestät die Königin dort wird wohl verzeihen, daß ich vor Allem einen Befehl des Königs vollziehe.«

Mit diesen Worten wandte sich der Marschall d'Etrées nach Maria von Medicis, als wolle er der Form wegen ihre Zustimmung einholen.

»Dieser Befehl lautet?« frug die Königin-Mutter kurz und beklommen, nichts Gutes ahnend.

»Herrn Bauthier zu arretiren und in die Bastille abführen zu lassen.«

»Das werdet Ihr nicht thun, Herr d'Etrées,« rief zornig Maria von Medicis; »ich werde zu dem Könige nach Paris eilen und Erklärungen fordern.

»Die Reise von Euer Majestät nach Paris wird unmöglich sein!«

»Warum?«

»Weil ich mit meinem Kopfe dafür hafte, daß Ihr Compiègne ohne des Königs schriftliche Erlaubniß nicht verlaßt!« Maria von Medicis war wie vom Donner gerührt. Nach einer Weile rief sie:

»Wie, verstehe ich recht, ich wäre eine Gefangene, Eure Gefangene?«

»Ich habe diesen häßlichen Ausdruck nicht gebraucht, Majestät. Innerhalb des Schlosses und Parkes von Compiègne seid und bleibt Ihr vollkommen Herrin Eurer Schritte.«

Bauthier wollte inzwischen aus seinen Taschen einige Papiere rasch entfernen, indem er dieselben in die Ecke des Fenstergesimses schob. – d'Etrées gewahrte jedoch sein Vorhaben, nahm ihm die Briefe ab, ergriff seinen Arm und führte ihn ohne Umstände zur Thür hinaus. – »Ich bin verloren!« rief Bauthier unter der Thür nach der Königin-Mutter zurück, »Ihr seht mich niemals wieder.«

Bauthier hatte sich in seiner Ahnung nicht getäuscht. Er starb nachdem er zwei Jahre in der Bastille gesessen, nach kurzer Krankheit.

Vielleicht zum ersten Male in ihrem ganzen Leben fühlte sich Maria von Medicis hilf- und rathlos. Der Schlag kam in der That so unerwartet, daß sie zu träumen wähnte.

Nach Bauthier's Arretirung blieb sie noch durch mehrere Stunden im Bette; sie fühlte sich an Geist und Körper wie gelähmt. Endlich raffte sie allen ihren Muth zusammen; sie wollte den ganzen Umfang und das ganze Gewicht des Unglücks, das über sie hereingebrochen, klar erkennen.

Sie schellte nach ihren Dienerinnen, um sich ankleiden zu lassen.

Ihrem Rufe wurde unverzüglich Folge geleistet: aber statt ihrer bisherigen Dienerinnen traten zwei ihr unbekannte Gestalten in das Gemach.

Die Königin-Witwe, deren wildes, heißes Temperament erwachte, wies den ihr fremden Frauenspersonen mit wüthender Geberde die Thür, dann schellte sie abermals.

Zwei andere Dienerinnen, die ihr aber gleichfalls unbekannt waren, erschienen. – Auch diesen bedeutete sie, sich zu entfernen. Sie schellte zum dritten Male.

Ein drittes Paar ihr ganz fremder Gesichter trat ein.

»Marschall d'Etrées möge kommen!« rief die Königin unter Thränen, die ihr Wuth und Schmerz auspreßten.

Marschall erschien auch diesmal fast augenblicklich.

»Was soll die Komödie mit diesen fremden Visagen bedeutet, wo sind meine Leute?«

Der Marschall zuckte mit den Achseln und sagte in sehr ehrerbietigem Tone: »Befehl Seiner Majestät des Königs!«

»Laßt mir meinen Beichtvater holen!« gebot nun die Königin-Mutter.

Der Marschall verschwand. Fünf Minuten später trat ein Kapuzinermönch ein.

Maria von Medicis sah ihn erstaunt an und sagte: »Ich habe nach Pater Chanteloube gesendet und nicht nach Euch.«

Pater Chanteloube war aus dem vom Cardinal Berulle gestifteten »Predigerorden«, der sich in allen Intriguen wider Richelieu stets auf das Lebhafteste betheiligt hatte. Chanteloube gehörte bis vor etwa zehn Jahren dem Militärstande an und war auch durch einige Zeit Gouverneur von Chinon.

»Mein ehrwürdiger Bruder in Christo,« erwiderte der Kapuziner in größter Demuth, »ist verhindert und mein Oberer hat mich an seiner Statt hierher gesendet.

»Wodurch ist Pater Chanteloube – verhindert?« frug die Königin-Witwe in fieberhafter Aufregung.

»Er hat sieh in sein Kloster nach Rouen zurückgezogen.«

Maria von Medicis wußte genug – also auch ihren vertrauten Beichtvater hatte man ihr entzogen.

»Ich werde Euch rufen lassen, falls ich Euer bedürfen sollte.« sagte sie frostig zu dem Kapuziner, der sich nach einer höchst submissen Verbeugung zurückzog.

Hierauf schellte sie abermals nach den Dienerinnen, von welchen sie steh nunmehr ohne ein Wort zu verlieren, ankleiden ließ.

Zwei Tage später erschien in Compiègne der Staatsrath Herr Brienne de la Ville und bat bei der Königin-Mutter um Audienz. Er war im Auftrage des Cardinals gekommen, um der hohen Gefangenen den Antrag zu stellen, daß sie sich nach Moulins zurückziehen möge.

Herr Brienne de la Ville zog unverrichteter Dinge ab; es knüpften sich jedoch an seinen Besuch Unterhandlungen an, welche volle fünf Monate dauerten, aber ganz resultatlos blieben, denn Maria von Medicis wußte stets hundert neue Vorwände den ganz positiv formulirten Vorschlägen des Cardinals entgegenzustellen.

Richelieu machte nach und nach im Verlaufe dieser Unterhandlungen sehr viele und große Zugeständnisse, welche der Königin-Mutter ein äußerst angenehmes Loos bereitet haben würden, hätte ihr herrsch- und rachsüchtiger Charakter es über sich vermocht, auf jede Einmengung in Regierungsgeschäfte für immer zu entsagen. – Der erste Minister ließ ihr die schönsten königlichen Schlösser, eine große Civilliste, ja sogar das Gouvernement jener Provinz, wo sie sich bleibend niederlassen würde u.s.w. anbieten. – Alles umsonst, denn sie rechnete mit Zuversicht auf den prophezeiten baldigen Tod des Königs, einen Tod, den Gaston mit nicht geringerer Ungeduld in Orleans abwartete.

i Monsieur war aber in Orleans nicht ganz so unthätig, als es den Anschein hatte. Als die Gefangenschaft der Königin-Mutter etwa zwei Monate gedauert hatte und weder die Bittschriften noch die Drohbriefe, mit denen er sowohl den König als auch den Cardinal so reichlich versah, eine Wirkung hervorbrachten, ließ er im ganzen Lande offene Sendschreiben voll der bittersten und gehässigsten, zumeist gänzlich erfundenen Anklagen über die harte Behandlung seiner Mutter und die angeblichen Willküracte des Cardinals verbreiten.

 

Diese Sendschreiben waren für alle »Abgeneigten« oder »Abersionäre«, so hieß man, wie wir bereits einmal erwähnten, die Feinde des großen Cardinals, das Signal zur neuerlichen Empörung Etwa zweihundert Edelleute stellten sich Monsieur zur Verfügung, welcher nun ein zweites Anlehen Contrahirte und abermals Truppen anwerben ließ.

Richelieu und der König stellten sich sehr erschrocken über diese neue Bewegung, zogen aber in aller Stille eine kleine Armee zusammen, welche, in mehrere Corps abgetheilt, unter tüchtigen und bewährten Führern allmälig einen Kreis um Orleans zog. Der König schien Willens seinem Bruder am Ende Alles zu gewähren, denn jeder Bote nahm das Versprechen irgend einer neuen Concession mit sich retour und diese Concessionen erstreckten sich nicht blos auf Gaston, sondern auch alle, die sich ihm angeschlossen hatten. – Die Unterhandlungen standen für die Meuterer so günstig, daß es wirklich unklug gewesen wäre, dieselben durch ein unzeitiges Losschlagen zu vereiteln. – Der Cardinal wollte nur Zeit gewinnen, um die Cernirung von Orleans zu bewertstelligen und das ganze Volle Nest auszunehmen. Endlich und zwar noch zur rechten Zeit gingen den Empörern die Augen auf. Zwei Tage bevor jedes Entkommen unmöglich gewesen wäre, machte sich Gaston und sein Anhang bei Nacht und Nebel auf die Flucht. Mitten durch Burgund suchte er auf dem kürzesten Wege Lothringen zu erreichen. – Dies gelang ihm auch, denn die königlichen Truppen, welchen es ein Leichtes gewesen wäre, ihm den Weg zu verlegen, ließen ihn überall durchschlüpfen. So paßte es nämlich besser in Richelieu's geänderten Plan, der sich begnügte ihn bis an die Grenze verfolgen, oder richtiger gesagt bis dahin blos beobachten zu lassen.

Kaum hatte aber Gaston und sein Anhang den Boden Frankreichs verlassen, als der König in einer Proclamation alle diejenigen, welche seinen Bruder auf der Flucht begleitet oder ihn dabei auch nur unterstützt hatten des Hochverrathes für schuldig erklärte.

Namentlich waren in dieser Proklamation aufgeführt: der Graf von Moret, die Herzöge von d'Elboeuf, von Bellegarde und von Roannes, die Präsidenten Le Coigneaux und Payen, die Herren Puy-Laurent, Pater Chanteloube, der aus seinem Kloster in Rouen nach Orleans entwichen war, und Pater Monsigot, Gaston's Secretär.

Als Monsieur Frankreich verlassen hatte, hörte die strenge Ueberwachung, welcher bisher Maria von Medicis in Compiègne unterworfen war, mit einem Male auf. – Marschall d'Etrées verließ eines schönen Morgens mit seiner gesammten Mannschaft, ohne allen Abschied, Compiègne und rückte in Paris ein.

Gleich einem Vogel, dessen Käfig plötzlich geöffnet wird, zögerte die Königin-Witwe nicht lange, von der ihr gestatteten Freiheit Gebrauch zu machen. Aber wohin sich wenden? – Ein geheimer Bote aus Lothringen hatte sie benachrichtigt, daß Monsieur von dort aus baldigst irgend eine Diversion – nach Burgund versuchen werde und es zu deren Maskirung sehr vortheilhaft wäre, im nördlichen Frankreich irgend eine Bewegung oder doch wenigstens eine ernstliche Drohung auszuführen.

Dieser geheime Bote war niemand Anderer als der Graf von Moret.

»Ihr habt viel gewagt!« begann Maria von Medicis, als der Bote seinen Brief überreicht und sie denselben durchgesehen hatte, »Ihr habt viel gewagt, obwohl Eure Maske als vlämischer Handelsmann so vortrefflich gewählt ist, daß ich selbst Euch nicht zu erkennen vermochte. – Worin besteht der Plan, den Ihr mir mündlich mittheilen sollt?«

»Kennt Ihr La. Capelle, jene kleine Festung in der Picardie an der Grenze von Flandern?«

»Ich habe dieses Städtchen berührt, als ich meiner unglücklichen Tochter Henriette auf ihrer Brautfahrt nach England das Geleite bis zur See gab.«

»Seit vierzehn Tagen ist der Commandant dieser Festung der junge Marquis von Vardes.«

»Wie, der junge Marquis von Vardes, Euer Stiefvater?« lachte die Königin-Witwe.

»Ja, Majestät, mein ehrwürdiger Stiefvater ist es,« entgegnete ebenfalls lachend der Graf von Moret.

»Um wie viel ist er älter als Ihr?«

»Um ein Bedeutendes, Majestät, um volle fünf Jahre!« erwiderte der Graf von Moret mit carikirtem Ernste.

Die Gräfin Moret, ehemalige Maitresse Heinrichs IV. und Mutter unseres Helden, hatte vor zwei Jahren mit den kargen Ueberresten ihrer einst wirklich sehr großen Reize den jungen Marquis de Vard es so zu entzücken vermocht, daß er ihr Herz und Hand anbot, obwohl seine Braut ein gutes Vierteljahrhundert älter war als er. – Die böse Welt behauptete zwar, daß der junge, eben so hübsche als arme Marquis de Vardes eigentlich weit mehr nach dem namhaften Vermögen der Gräfin von Moret als deren Person Verlangen getragen, letztere aber, da Person und Sache nun einmal nicht von einander zu trennen waren, in Gottesnamen mit in den Kauf genommen habe.

»Worin besteht der Plan, den Ihr hinsichtlich La Capelle hegt?« begann Maria von Medicis von Neuem.

»Ihr sollt Euch unverzüglich von hier aus dahin begeben. Dort seid Ihr außer dem Bereiche der Macht des Cardinals. Sobald dies verlautet, werden seine Feinde neuen Muth fassen, sich um Euch schaaren. Die nur einige Schritte entfernte Grenze von Flandern ermöglicht, mit der spanischen Regierung in Brüssel im steten Verkehre zu sein. Man wird Euch von dort aus Geld, Waffen, Munition und Söldner senden. In einem Monate habt Ihr eine Armee beisammen. An ein und demselben Tage beginnt Ihr dann von La Capelle und wir von Lothringen aus den Marsch nach Paris. Der Herzog von Savoyen und unsere Alliierten in Italien rühren sich von Neuem, Spanien zieht im Süden eine beträchtliche Armee zusammen, im Orlenas'schen und in der Provence entbrennt ein Ausstand und wir wollen sehen, ob der Cardinal dann so viele Truppen aus der Erde zu stampfen vermag, um nach zehn Richtungen hin auf einmal zu operiren.

»Vortrefflich, vortrefflich!« rief Maria von Medicis mit Tigerblicken, »und der König, dieser ungerathene Sohn, muß abdanken und Richelieu, dieses Ungeheuer, dieses Scheusal, wird für seine Verbrechen auf dem Schaffote büßen!« Auch der Graf von Moret verzog drohend seine Miene bei der Erinnerung an den Cardinal. Noch immer hatte er keine Spur von Isabella von Lautrec aufzufinden vermocht. Auch seine jetzige gefährliche Mission hatte er nur in Folge einer in Straßburg erhaltenen Andeutung, daß seine Braut in Rheims verborgen sein dürfte, übernommen, aber diese Fährte war eine falsche wie bisher alle übrigen.

»Gedenkt Ihr selbst das Weitere in La Capelle zu veranlassen,« fuhr die Königin-Witwe nach einer längeren Pause fort, »denn ohne eines guten Empfanges dort vollkommen sicher zu sein, darf ich Compiègne nicht verlassen. Wer bürgt mir, daß der Cardinal nicht dann davon Nutzen ziehen, mich einer neuen und noch härteren Haft unterwerfen würde, wenn Euer Stiefvater unschlüssig wäre oder gar den Verräther spielte.«

»Ihr habt keines von beiden zu befürchten, Majestät, es handelt sich blos, daß Ihr diese zwei Briefe, einer ist an de Vardes, der andere an meine Mama, durch einen verläßlichen Boten vorerst bestellen laßt. Ich schwört darauf, daß Ihr ohne Zögern von La Capelle die besten Nachrichten empfangt. – Ich selbst muß schleunigst nach Lothringen zurück.«

Letzteres wäre bei Moret zwar nicht so eilig gewesen, aber da er Isabella nicht gefunden, hatte er wenig Interesse daran, seine abenteuerliche und gefährliche Rolle weiter zu spielen, sowie ihn denn überhaupt nur der Haß gegen den Cardinal zum Bundesgenossen der Königin-Witwe und des Monsieur gemacht. Im Herzen verachtete er eigentlich Beide gründlichst und hier und da empfand er sogar Gewissensbisse, daß er, ein Sohn Heinrichs IV., sich so weit vergessen konnte, mit den Feinden Frankreichs gemeinschaftliches Spiel zu treiben.

»An einem verläßlichen Boten solls nicht fehlen,« sagte Maria von Medicis, »der Cabalero de Lerida, welcher vor drei Wochen Brüssel verließ, um hier zu meiner Disposition zu sein, wird die Briefe besorgen.«

»De Lerida?« wiederholte der Graf von Moret sich besinnend, »ein auffallend hübscher junger Mann von etwa zwanzig Jahren, ein famoser Fechter, der den Grafen von Urbano im Duell zusammenstach und den der Sterbende dann zu seinem Universalerben einsetzte? Diese Sache hat in ganz Frankreich Aufsehen erregt.

»Was ist denn aus der Gräfin von Urbano geworden? Ihr standet ja in näherer Beziehung zu ihr?«

»Die Arme!« rief Moret seufzend, »mein Gewissen spricht mich nicht ganz frei von der Schuld ihres Todes.«

»Wie, sie lebt nicht mehr!«

»Vierzehn Tage nachdem ich mit ihr auf eine so brüske Weise gebrochen, hat sie bei Havre de Grace den Tod in den Wellen gesucht.«

»Ihr seid ja ein wahrer Herzensbrecher, der echte Sohn Eures Vaters,« lächelte höhnisch die Königin-Mutter.

»Ein absichtlicher Mord, Majestät, lastet nicht auf meinem Gewissen,« bemerkte rasch der Graf von Moret mit auffallender Betonung.

Maria von Medicis« welche diese Anspielung auf das gewaltsame Ende Heinrichs IV. gar wohl begriff, kniff die Lippen übereinander und sagte dann sehr frostig:

»Ich danke Euch nochmals für Eure wichtige Botschaft Ich will nicht länger Eure Rückreise verzögern.« Eine verabschiedende Handbewegung begleitete die letzten Worte.

Der Graf von Moret machte gleichfalls eine etwas steife Verbeugung und ging.

»Wenn ichs gewiß wüßte« daß dieses Weib wirklich mitschuldig ist an dem Tode meines Vaters, ich würde hier auf dieser Stelle noch umkehren, um sie zu ermorden.«

Eine Stunde später, und zwar gegen zehn Uhr Morgens des 17. Juli 1631, ritt der Cabalero de Lerida mit einem Gefolge von sechs wohl bewaffneten Dienern auf der Straße nach Ostende, um die zwei Briefe, die Graf Moret überbracht, in La Capelle abzugeben. – Eine halbe, Stunde außerhalb Compiegne verminderte sich jedoch die Escorte um einen Mann, der auf der Straße nach Paris dahinsprengte, und daselbst mit Hilfe von viermal gewechselten Pferden auch noch vor Abends eintraf.

Am dritten Tage nach dem Aufbruche von Compiegne treffen wir den Cabalero vor den Thoren von La Capelle. Seine Escorte war seit einigen Stunden wieder vollzählig.

Cabalero de Lerida fertigte von dort noch an demselben Tage einen Boten mit der Antwort des jungen Marquis de Vardes ab, der sich, seine Garnison und La Capelle der Königin-Mutter unbedingt zur Verfügung stellte.

In St. Quentin hielt jedoch dieser Bote eine mehrstündige Rast. – Es erwarteten ihn dort zwei Herren, die bereits Tags zuvor von Paris angekommen waren. Einer derselben ist der uns wohlbekannte Herr Rossignol, des Cardinals Dechiffreur, der andere ein alter Cavalier von höchst martialischem Aussehen.

Rossiguol öffnete mit geschickter, in derlei Dingen wohl erfahrenen Hand den Brief des jungen Marquis de Vardes an die Königin-Mutter. – Als er Abschrift genommen hatte, reichte er ihn dem alten Cavalier zur Einsicht.

»Verzeiht, Herr Rossignol,« rief der Cavalier mit vom Zorn erstickter Stimme, »verzeiht, daß ich Euch und dem Cardinal bisher keinen Glauben schenkte; mein Sohn, ein Marquis de Vardes, sollte ein so ehrloser Verräther sein! Und doch, doch ist es so,« fuhr der alte Mann in verzweiflungsvollem Tone fort und raufte sich Kopf-und Barthaar, »aber warte, Bube, Dir soll dein schändliches Spiel verdorben werden,«

»Wann reist Ihr ab, Marquis?« frug Rossignol, indem er wieder den Brief so kunstfertig zuschloß, daß das schärfste Auge eine Verletzung des Siegels nicht ahnen konnte.

»Noch in dieser Stunde, denn Maria von Medicis wird keine Minute zögern, Compiègne zu verlassen« sobald sie dieses verfluchte Schreiben erhält, welches den Namen der de Vardes für immer brandmarkt.«

»Nicht so schwarzseherisch, mein lieber Marquis,« besänftigte Rossignol den alten Mann, dessen Augen sich mit Thränen des Schmerzes und der tiefsten Entrüstung zu füllen begannen; »handelt nach dem Plane des Cardinals und die Ehrlosigkeit des Sohnes wird durch die Ehrenhaftigkeit des Vaters vor dem Könige und der Welt ausgeglichen sein«

»O« sie sollen mich kennen lernen, er der Schandbube und seine Metze!« schrie der alte Marquis de Vardes und stürzte fort.

Folgenden Tags und zwar spät Abends traf der betrübte Vater in La Capelle ein.

Mit der Oertlichkeit wohl vertraut, schritt er geradeweges auf eine Taverne zu, wo sich die sämmtlichen Officiere der Garnison zu versammeln pflegten. Auch der Commandant, sein Sohn, hatte sich bis zehn Uhr dort aufgehalten. Um diese Stunde mußte aber der junge Marquis längstens wieder zu Hause bei seiner alten Gemahlin sein, wollte er nicht eine ganznächtige Gardinenpredigt heraufbeschwören, denn die Gräfin von Moret war außerordentlich eifersüchtig wie alle bejahrten Frauenzimmer, welche in ihrer einstigen Jugend dazu selbst hinlänglichen und wohlbegründeten Anlaß gaben.

 

Der alte Marquis hatte es daher so eingerichtet, daß er die Taberne erst gegen zehn und ein halb Uhr betrat.

Er wurde dort eben so freundlich als achtungsvoll empfangen. In der französischen Armee bekleidete er den Rang eines Obersten, welche Charge in jener Zeit weit höher stand als heut zu Tage, denn darunter verstand man den Chef eines kleinen, mit Geschützen und Reiterei im Verhältnisse vollkommen ausgerüsteten Armeeeorps.

Der alte Marquis merkte gar bald aus den Gesprächen der Officiere, daß selbe von dem von seinem Sohne beabsichtigten Verrathe noch keine Ahnung besaßen. Der junge – de Vardes hatte nämlich nach einer weiteren Berathschlagung mit seiner Gemahlin beschlossen, die Fahne der, Meuterei erst dann aufzustecken, sobald die Königin-Mutter in La Capelle ihren Einzug hielt, damit das Imponirende der Majestät die etwa Schwankenden verblüffe und zur Ueberlegung und Gegenwehr denselben keine Zeit verbleibe.

Diese Wahrnehmung erleichterte sehr das Gemüth des alten de Vardes. Er zog aus seiner Tasche die königliche Ordonnanz, welcher zufolge er für einige Zeit seinen beurlaubten Sohn als Commandant von La Capelle abzulösen habe.

Dieser Vorwand war so wenig auffällig, daß keinem der Anwesenden der mindeste Argwohn bekam, es könne sich mit dieser Beurlaubung am Ende anders verhalten.

Hierauf ersuchte der Marquis, ihn sogleich mit den drei Officieren, welche heute Nacht im Dienste standen und deshalb abwesend waren, bekannt zu machen. Der Vice-Commandant von La Capelle, ein Herr de Lionel, rechnete es sich zur Ehre und zum Vergnügen an, mit dem alten de Vardes die Runde zu machen und ihn den drei Officieren der Reihe nach, als Interims-Commandanten der Festung vorzustellen.

Nachdem dies geschehen, verfügte sich der alte Marquis schnurstracks nach der Wohnung seines Sohnes, der soeben zu Bette gehen wollte und über diesen ganz unvermutheten Besuch höchlichst erstaunt war. Sein Erstaunen verwandelte sich aber gar bald in Entsetzen, als der Herr Papa ihn und seine Gemahlin für arretirt erklärte.

Der ungerathene Sohn dachte einen Augenblick daran, den Sachverhalt umzukehren, d.h. seinen Vater arretiren zu lassen, aber als er von dessen Besuch in der Taverne erfuhr, und die königliche Ordonnanz erblickte, ergab er sich in sein Schicksal.

Der junge Marquis und seine Gemahlin mußten sich krank stellen und die drei erprobten Diener, die der alte de Vardes mit sich gebracht, bezogen vor ihren Zimmern die Wache und hielten von dieser Stunde an jeden Verkehr nach außen ab.

Der Schein war auf diese Art vollkommen gewahrt. – In ganz La Capelle wußte Niemand als die drei Mitglieder der de Vardes'schen Familie und die mitgebrachten Diener, was es mit der so plötzlichen Doppelerkrankung eigentlich für ein Bewandtniß hatte.

In derselben Nacht, als der junge Marquis de Vardes und die alte Gräfin von Moret ganz geräuschlos unschädlich gemacht worden, verließ Maria von Medicis in aller Stille Compiègne. Alle größeren Ortschaften wurden ängstlich vermieden, denn sie befürchtete, daß königliche Truppen ihr nachsehen oder den Weg verlegen könnten.

Diese Befürchtungen waren aber gänzlich grundlos, denn Richelieu wünschte schon seit ein paar Monaten, daß sie aus Compiègne fliehen und irgend einen gefährlichen Handstreich wagen möge.

Die zwei Briefe, die der Cabalero de Lerida ihm zur Einsicht nach Paris gesendet hatte, sie waren auch die Ursache, warum wir Rossignol und den alten de Vardes in St. Quentin trafen, entzückten daher den Cardinal.

An 24. Juli 1630 morgens gegen sechs Uhr langte die Königin-Mutter vor La Capelle an.

La Capelle bestand damals aus einem starken Fort, das sowohl die Umgegend als auch die Stadt beherrschte. Letztere war verhältnißmäßig nur schwach befestigt, da eben die Stärke des Platzes in dem fast uneinnehmbaren Fort bestand.

Als die Wagen der Königin-Mutter sich dem Thore der Stadt nahten, rief die heute bedeutend verstärkter Wache in's Gewehr und präsentirte unter klingendem Spiel.

Maria von Medicis, über diese Aufmerksamkeit sehr erfreut, dankte höchst huldvoll aus ihrem Wagen heraus, es befremdete sie aber etwas, daß der Festungscommandant nicht sogleich selbst erschien.

Kaum hatte auch das gesammte Gefolge der Königin-Mutter das Thor passirt, als sich dasselbe schloß.

Auf dem Marktplatze, den der ziemlich lange Zug alsbald erreichte, standen zwei Compagnien Musketiere und eine Schwadron Reiter in vollster Parade.

Kaum zeigte sich der Wagen mit Ihrer Majestät, als auch hier das Gewehr präsentirt, die Trommel gerührt und die Fahne gesenkt wurde, genau so wie es beim Erscheinen des Königs selbst zu geschehen hatte.

Die Königin-Mutter steckte abermals den Kopf zum Wagenfenster hinaus, um zu danken. Aber mit einem Ausrufe des Schreckens fiel sie in die Kissen des Wagens zurück, als sie statt des jungen de Vardes dessen Vater als Commandanten der aufgestellten Truppen gewahrte. Sie wußte, daß der alte Marquis ein unerschütterlicher Cardinalist sei; seine Anwesenheit hier und noch dazu an der Spitze der Truppe konnte mithin nur Schlimmes bedeuten.

Der alte de Vardes ritt zum Wagenschlage und nachdem er dreimal salutirt, senkte er seinen Degen und frug in streng reglementmäßigem Tone um die Befehle Ihrer Majestät der Königin-Mutter.

Maria von Medicis biß sich auf die Lippen und sann eine Weile nach, dann sagte sie:

»Und wo ist Euer Sohn, der Commandant von La-Capelle?«

»Mein theurer Sohn,« erwiderte der alte Marquis ruhig, »ist seit heute Nacht plötzlich erkrankt und ich vertrete bis auf Weiteres seine Stelle.«

Die Königin-Mutter begriff, daß der beabsichtigte Handstreich, sich La Capelles zu bemächtigen, total mißlungen sei, es frug sich nur noch, war sie selbst wieder eine Gefangene oder nicht? —

»Es thut mir leid,« begann Maria von Medicis, im gentilsten Tone, »daß Euer Sohn verhindert ist hierher zu kommen, denn ich – ich berühre La Capelle nur auf der Durchreise und möchte es, wenn von Eurer Seite, Herr Marquis, keine Hindernisse in dem Wege stehen, noch in dieser Stunde verlassen.«

»Eure Majestät,« erwiderte der alte de Vardes trocken, »werden die Thore von La Capelle offen finden; die Unsicherheit jedoch, welche in der Umgegend herrscht, zwingt mich, Euch diese Schwadron Reiter als Geleite anzubieten.«

»Und welche Route meint Ihr, daß ich einschlagen soll?« frug lauernd die Königin-Mutter.

Majestät« « entgegnete der Marquis, »zu meiner größten Betrübniß bin ich nicht in der Lage, diese Schwadron für lange Zeit zu entbehren; ich dächte also, daß, da die Grenze von Flandern so ganz in der Nähe ist —«

»Gut, gut,« unterbrach ihn hastig und froh aufathmend Maria von Medicis, »laßt mich also bis zur Grenze geleiten, ich habe ohnehin schon lange einen Besuch in Brüssel vor.«

»Ganz wie Euere Majestät befiehlt,« sagte der alte Marquis, salutirte neuerdings dreimal und ließ dann die mehr erwähnte Schwadron zur Hälfte vorne und zur Hälfte rückwärts des Wagenzuges der Königin-Mutter ausschwenken.

Bei der nahen Grenze angelangt, salutirte der Schwardronscommandant höchst ehrerbietig vor der Mutter seines Königs und ließ den ganzen Wagenzug an sich vorbeidefiliren.

Maria von Medicis weinte bittere Thränen des Schmerzes und der ingrimmigsten Wuth, als sie den Boden Flanderns unter sich wußte. – Also auch der feine und so hoffnungsreiche Plan, sich La Capelles durch einen Handstreich zu bemächtigen, war vereitelt, sie selbst eine arme Verbannte geworden.

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