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Der Graf von Moret

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Er langte also nach der Feder und schrieb. Latil, den Dolch über Boinzeval's Nacken gezückt, sah über seine Schultern und verglich genau die Vorlage mit der von Boinzeval ausgefertigten Abschrift.

Erst als dieser seinen Namen daruntergesetzt, steckte der Klopffechter den Dolch wieder in den Gurt, faltete beide Papiere zusammen und barg selbe in seiner Brusttasche.

Dann trat er mit seinem Gefangenen wieder vor die Thüre, ohne sich irgendwie um den Wirth zu bekümmern, der zitternd die Flucht auf den Dachboden ergriffen, als ein Blick nach außen ihn belehrt hatte, daß sein Haus von mehreren Garden des gefürchteten Cardinals umstellt sei.

»Alles in der Ordnung, Eminenz!« meldete Latil dem Cardinal.

»Dann glückliche Reise, Herr Boinzeval! daß Ihr mir aber ja keinen einzigen der Briefe je vergeßt, ich würde darüber sehr, sehr böse sein.«

Nach diesen Worten bestieg der Cardinal wieder sein Pferd. Boinzeval that desgleichen.

»Seht Euch sich einmal diesen Jungen an,« fuhr Richelieu fort und deutete dabei auf den kleinen Georges Gravé, der in der Nähe stand ; »dem werdet Ihr die Briefe geben und der wird selbe Euch auch wieder zurückbringen. Der Knabe ist von morgen an für Euch in Versailles bei den »drei Lilien« zu finden.«

Boinzeval verneigte sich ehrfurchtsvoll und begann dann die Straße von Fontainebleau weiter zu verfolgen.

Der Cardinal ließ ihn etwa dreißig Schritte weit sich entfernen, dann rief er ihm laut nach:

»He! Boinzeval, darf ich bitten noch auf ein Wort!«

Boinzeval wandte rasch sein Pferd um und sprengte an des Cardinals Seite. – Das fatale Papier, das er ausgestellt, zwang ihn von nun an, diesem mächtigen Manne gehorsam zu sein wie ein wohldressirter Hund.

»Aber« lieber Boinzeval,« sagte Richelieu, einen fast gutmüthigen Ton anschlagend, »wir hätten vielleicht schon heute unsere neuen Beziehungen einweihen können.«

»Wie meinen dies Ew. Eminenz?

»Nun, daß Ihr mir vielleicht schon heute einen Brief des Fräulein von Hautefort einhändigen würdet.«

Boinzeval starrte sprachlos den Cardinal vor Entsetzen an und stammelte:

»Ich bin ja heute gar nicht in Versailles gewesen!«

»Jedoch gestern, mein guter Boinzeval; nun, wie habt Ihr Euch heute amüsirt in Paris, nicht wahr, die Marion Délorme ist ein köstliches Mädchen?«

»Wie! Ew. Eminenz wüßten?«

»Daß Ihr ganz toll in sie verliebt seid —Haha! wenn das der König erführe!«

Boinzeval war nun völlig vernichtet. Ludwig XIII. pflegte wüthend zu werden, sobald ihm eine Liebschaft seiner männlichen Favoriten zu Gehör kam.

Wie wir seiner Zeit erfahren werden, hat Cinq-Mars seine Neigung für das weibliche-Geschlecht sogar auf dem Blutgerüste büßen müssen.

»Gnade, Eminenz!« hauchte Boinzeval.

»Von mir aus soll der König nichts erfahren,« versicherte rasch der Cardinal, »obgleich Ihr meine Nachsicht gar nicht verdienet. Warum wolltet Ihr mir den Brief verheimlichen, den Ihr gestern in Versailles bekamt?«

»Hier ist er,« sagte Boinzeval, öffnete sein Wamms und langte wiederholt tief in die Brusttasche.

»Ich habe ihn verloren,« schrie er entsetzt auf, als er das gesuchte Papier nicht vorfand.«

»Ist es vielleicht dieser?« sagte spöttisch der Cardinal und reichte ihm den Brief, den er heute Abends von Marion Délorme bekommen und Rossignols »schwarzem Cabinet« überliefert hatte.

Boinzeval langte hastig darnach und indem er ihn zu sich steckte sagte er:

»Ich gebe es auf Ew. Eminenz je mehr betrügen zu wollen, das wäre Blödsinn.«

Diese Worte .kamen Boinzeval aus vollem Herzen und er behielt auch späterhin die ihm von Richelieu ertheilte scharfe Lection in Erinnerung.

Boinzeval ritt nach diesen Worten ganz verwirrt und niedergeschlagen in der Richtung nach Fontainebleau weiter.«

Auch der Cardinal schickte sich an nach Paris zurückzukehren. – Er wandte sich zu Cavois und sagte:

»Laßt Ihr jetzt Eure Leute zu Zwei und Zwei zur Stadt zurückreiten und leistet uns Gesellschaft.«

Unter »uns« verstand Richelieu sich, Latil und den kleinen Gravé.

Es dürfte vielleicht befremden, daß der Cardinal gerade diesen Ort und die Zeit gewählt hatte, um Boinzeval für seinen Dienst zu »pressen«. – Die Erklärung liegt jedoch einfach darin, daß die Beziehungen Marion Délormes zu Richelieu damals noch ein tiefes Geheimniß waren, welches nicht so leicht preisgegeben werden durfte, weshalb Boinzeval auch im Unklaren bleiben mußte, auf welche Art ihm eigentlich der Brief des Fräuleins von Hautefort abhanden kam. Ferner konnte Boinzeval in der Nacht in einem kleinen Orte wie Villejuif ohne alles Aussehen bei Seite geschafft werden, falls seine Weigerung keinen anderen Ausweg übriggelassen hätte, endlich liebte der Cardinal bei allen solchen Gelegenheiten eine etwas dramatische Inscenesetzung mit obligatem Knalleffecte, eine Neigung, welche von dem Dichter Richelieu auf den ersten Minister Frankreichs übertragen worden war.

Richelieu befand sich auf dem Heimwege in einer weit besseren Laune als schon seit langer Zeit. Der gelungene Coup mit dem Liebesboten Seiner Majestät erheiterte ihn ebenso sehr, als er manche schwere Besorgnisse in ihm zerstreute; denn wie wir schon früher angedeutet haben, war der Briefwechsel zwischen dem Könige und Fräulein von Hautefort für ihn geradezu eine Existenzfrage geworden und es drängte die Zeit, weil die Gefangenschaft, in der Ludwig XIII. aus Gesundheitsrücksichten zu Fontainebleau gehalten wurde, füglich kaum mehr länger als einen Monat dauern konnte.

Als man das Palais Royal erreicht hatte, befahl Richelieu, daß Latil mit dem Savoyardenknaben in sein Arbeitszimmer eintrete.

Der Cardinal, der sich in einen Stuhl fallen gelassen, fixirte einige Sekunden scharf die Züge des kleinen Gravé, der ganz unbefangen und ehrlich ihm ins Gesicht blickte.

»Weißt Du, wie ich heiße, mein Sohn?« frug er dann den Knaben.

»O ja, Eminenz! Herr Latil hat es mir schon lange gesagt.«

»Weißt Du, wer ich bin?«

»Nun« der Cardinal, der mehr ist als der König.«

»Wie! das hat Dir auch Latil gesagt?«

»Nein« Eminenz!« erwiderte treuherzig das Kind, »das habe ich schon viel früher gewußt; alle Leute in Paris sagen es ja.«

Der Cardinal lächelte über die Einfalt des Kindes und fuhr fort:

»Du hast wohl deine Mutter sehr gerne?«

Thränen traten in die Augen des kleinen Gravé der mit bewegter Stimme ausrief:

»Ach ja und wie!«

»Dann würde es Dir wohl eine rechte Freude machen, wenn die arme Frau Geld, viel Geld bekäme, so daß sie keine Noth mehr leidet und daß sie nicht deine kleineren Brüder in die Welt hinaus stoßen muß wie Dich – nicht wahr?«

»Ein so großes Glück wage ich gar nicht zu denken, da müßte ja ein Wunder geschehen und der liebe Herrgott einen Engel vom Himmel senden!«

»Ich bin zwar kein Engel, mein liebes Kind!« rief der Cardinal, dem des Knaben Wesen immer besser gefiel, »ich bin zwar kein Engel, aber damit an Wunder auch in Zukunft glaubst, so werde ich für deine Mutter sorgen; nun, Bursche, wie viel glaubst Du wohl, daß die arme Frau brauchte, um reich, recht reich zu Sein?«

»Hundert Pistolen sind in unseren Bergen ein großes Vermögen!«

»Freilich ist das viel, sehr viel Geld!« schmunzelte Richelieu.

»O, auch mit fünfzig Pistolen wäre die Mutter reich; seit Herr Latil mir zwei geschenkt, weiß ich erst, was so ein Goldstück werth ist. Sie könnte um dieses Geld unsere baufällige Hütte ausbessern, sich eine schöne Wiese, ein Kartoffelfeld, eine Kuh, zwei Ziegen und einen Esel kaufen, und es müßten ihr noch bei alledem ein Dutzend Thaler übrigbleiben. O! ich hab das Alles schon im Kopfe ausgerechnet.«

»Latil wird Dich zu Herrn Charpentier führen, dem Du die genaue Adresse deiner Mutter sagst; ich lasse ihr zweihundert Pistolen senden.«

Der kleine Gravé sank dem Cardinal zu Füßen und küßte den Saum seines Kleides, er war sprachlos vor Entzücken.

»Dafür,« fuhr Richelieu fort, »mußt aber auch Du mir einen Dienst leisten. Latil wird Dich nach Versailles zum Wirthe »von den drei Lilien« bringen, sammt dem Ponny, den ich Dir schenke. Herr Grinel« so heißt der Wirth, ist ein Landsmann von Dir und mit Dir verwandt; mache kein dummes Gesicht, Junge, basta! ich sage Dir, er ist mit Dir verwandt ; er wird Dich im Hauswesen verwenden und Dir einen Lehrer halten, damit Du endlich lesen und schreiben lernst. Der Herr, den Du heute Nacht gesehen, wird öfters bei den »drei Lilien« einkehren und dann Dir immer einen Brief geben, und diesen Brief bringst Du jedes mal hierher, so schnell als nur dein Ponny zu laufen vermag. Kannst Du mich nicht selbst sprechen, so frägst Du um Herrn Rassignol oder Charpentier, und was man Dir dann sagt, thust Du. Verstanden, kleines Murmelthier?«

Der Savoyardenknabe nickte mit dem Kopfe.

»Aber,« begann Richelieu von Neuem, »Du mußt verschwiegen sein, darfst mit Niemanden sprechen über deine Briefträgerei. Es ist nicht wahrscheinlich, geschehen kann es aber immerhin, daß man Dich abfängt und Dich durch Versprechungen oder Drohungen wird zwingen wollen, zu sagen, von wem Du die Briefe bekommst und wohin Du sie trägst. Nun, was wirft Du thun, wenn man Dir einen großen Beutel mit Gold anbietet?«

»Ihn zurückweisen, weil es schändlich wäre, den zu verrathen, der meine Mutter reich gemacht hat.«

»Seht gut! Jedoch – wenn, wenn man Dir die Peitsche gibt?«

»So werde ich schreien, aber nicht sprechen,« entgegnete der Knabe mit der Festigkeit eines Mannes.

Mit einem höchst gnädigen Kopfnicken verabschiedete Richelieu den kleinen Gravé; dem Gascogner winkte er jedoch zu bleiben und sagte, als beide allein waren:

»Stephan! Mir scheint. Du hast eine werthvolle Perle in einer Kloake gefunden; von Rechtswegen gehört der Bursche Dir, willst Du ihn mir verkaufen?«

»Verkaufen? Nein, Eminenz, aber vertauschen.«

 

»Gegen wen?«

»Gegen den Marquis von Pisani.«

»Nimm ihn, ich bin dabei nur im Vortheile.«

»Ich darf mich also mit ihm schlagen?«

»Schlagen? Nein – aber tödten darfst Du ihn.«

»Ihn tödten, ohne mich mit ihm zu schlagen, wäre Mord, mein erster Mord.«

»Und ließ es der Marquis von Pisani nicht geschehen, daß man auf ein Haar Dich ermordete?«

Latils Züge verfinsterten und er murmelte: »Das ist wahr, es wäre nur Revanche.«

»Also revanchire Dich, Du Dummkopf.«

»Ich werde ihn in einem Rencontre überraschen, fassen. Niederstechen!« rief Latil purpurroth vor Zorn.

Zu seiner Ehre müssen wir hier hervorheben, daß er sich also ungeachtet seines ingrimmigen Hasses dennoch nicht mit der Idee eines Meuchelmordes zu befreunden vermochte.

»Hast Du denn eine neue Rechnung mit ihm auszugleichen?« frug der Cardinal.

»O ja, und was für eine!«

»Erzähle.«

»Schon seit zwei Wochen kam mir an Jacintha Manches sehr bedenklich vor. Der Dienst Euer Eminenz gestattet mir nur, an ganz bestimmten Tagen und zu bestimmten Stunden in der Rue Mouffetard meine Besuche zu machen. Die Schlange hatte also leichtes Spiel, um mich zu betrügen; ja und sie betrügt mich, seit wenigen Stunden bin ich dessen gewiß, denn kurz bevor ich nach Billejuif ritt, sah ich, wie sie sich auf der Gasse vom Marquis Pisani umarmen und von ihm ein prachtvolles Collier um den Hals hängen ließ. Par Dieu! Ich bin zum Hahnrei geworden schon vor der Hochzeit.«

Richelieu hörte dem eifersüchtigen Bräutigam sehr aufmerksam zu und sagte dann ruhig:

»Ich gebe Dir acht Tage Zeit, um dem Marquis von Pisani den Garaus zu machen; für diese Frist hast Du Urlaub.«

Latil verschwand. Vorerst hatte er den kleinen George an Herrn Grinel in Versailles zu übergeben. Von morgen an aber war das Leben des Marquis von Pisani keine halbe Pistole mehr werth.

Als der Gascogner das Zimmer verlassen hatte, murmelte Richelieu vor sich:

»Hinter diesem Liebeshandel zwischen Pisani und Jacintha steckt wohl etwas Anderes. Kein Zweifel, nach Allem, was ich von den neuesten Intriguen meiner Feinde weiß, will man aus dem Grafen von Moret und Isabella so bald als möglich ein Pärchen machen. Wer mag nur verrathen haben, daß ich das Fräulein von Lautrec in Paris verborgen halte? Es dürfte Jemand aus meinem Hause selbst sein. Wehe dem Elenden! Doch zur Sache; es thut mir leid um das gute Kind, aber ich kann ihr den Schmerz nicht ersparen. Moret müßte nicht der Sohn Heinrichs W. Sein, wenn seine Leidenschaft für die Gräfin von Urbano noch länger als höchstens einige Wochen andauern sollte. Die Fargis läßt bereits alle Minen springen, um ihn zu erobern, und viel zu häufig läßt er sich seit vierzehn Tagen in Versailles sehen. Pisani ist der Fargis und Bassompierre's Werkzeug geworden. Ha! es sollte mich sehr freuen, wenn es Stephan gelänge, die Mißgeburt der Frau von Rambouillet zu durchlöchern wie eine alte Vogelscheuche; das hieße zwei Fliegen mit einem Schlage treffen.«

Wie wir sehen, hatte der Cardinal der Marquise die schnöde Zurückweisung des Antrages. welchen er ihr durch Pater Joseph vor einem Monate machen ließ, noch nicht vergeben. Vorläufig hoffte er sich an ihr zu rächen, indem er ihren Sohn der gefährlichen Degenklinge des routinirten Klopffechters preisgab.

Richelieu klingelte nach Charpentier.

»Ihr werdet Euch um neun Uhr Früh in die Rue Mouffetard zur Gräfin Urbano begeben,« rief er dem Eingetretenen zu, »und Euch von ihr alle Billetdoux, die sie bisher vom Grafen von Moret bekam, ausfolgen lassen.«

»Darf ich zugleich die Subvention mitnehmen, um welche die Frau Gräfin gestern ansprach?«

»Das Doppelte, das Doppelte, Charpentier. Wir müssen diese Dame bei besonders guter Laune erhalten, wenigstens noch für einige Zeit; dann kann sie meinetwegen nach Bouage oder wohin sie sonst will reisen.«

Charpentier wollte sich entfernen, als er sah, daß Richelieu sich in einige Schriften vertieft hatte, die vor ihm auf dem Tische lagen.

»Noch eins, Charpentier,« rief der Cardinal, »wenn sich unter diesen Briefen keiner befinden sollte, welcher der Gräfin gegenüber klar auf ein Eheversprechen hinweist, so sendet Cavois nach dem Chatelet um den Italiener Sirdoni; aber er soll wohl Acht geben, daß ihm dieser abgefeimte Schurke nicht etwa unterwegs entwischt.«

VIII.
Täuschungen

An demselben Morgen« an welchem Charpentier der Gräfin Urbano ihren Briefwechsel mit dem Grafen von Moret abzufordern hatte, trat Frau von Combalet unangemeldet in Richelieu's Arbeitszimmer.

Der Cardinal sah äußerst erstaunt von seiner Arbeit auf. Seine Wangen waren hochgeröthet, seine Stirnader angeschwollen und seine Augen funkelten.

Schau seit zwei Stunden hatte er in dem umfangreichen Mannuscripte, welches vor ihm lag, einzelne Worte und Stellen bald gestrichen. bald hinzugesetzt und letzteres mitunter in so ausgiebiger Weise, daß nicht weniger als volle fünf Quartblätter bereit lagen, um der so erbarmungslos censurirten Arbeit als Ergänzungen und Verbesserungen beigeklebt zu werden.

»Mirame,« jenes Trauerspiel« durch welches er den jungen Rulmt Corneilles zu verdunkeln und Anna von Oesterreich bloßzustellen, ja tödtlich zu verwunden gedachte, lag vor ihm. Obwohl die Aufführung von »Mirame« erst fünf Jahre später stattfand, eine Ausführung, welcher wir seiner Zeit beiwohnen werden, war die Durchsicht des Manuskriptes, welche Richelieu eben vornahm, nicht etwa die erste, sondern vielleicht schon die zehnte. Den Dichter Desmarets, dem die schwierige und kitzliche Aufgabe zufiel, nicht nur der Tragödie »Mirame« seinen Namen als Autor zu leihen, sondern auch den wirklichen Autor auf alle Fehler, die ihm unterlaufen waren, aufmerksam zu machen, dürfen wir durchaus nicht beneiden.

Richelieu, der als Staatsmann die größten Sottisen über seine Regierungskunst stets mit lachendem Munde hinnahm, weil er hierin seiner Größe sich bewußt war und tausend Thaten für ihn sprachen, zeigte sich als Dichter ängstlich, kleinlich, reizbar, eifersüchtig, denn auf dem Felde der Poesie sah er sich von dem Talente eines Corneille und Balzac, ja sogar eines Racan und Voiture weit überflügelt. Und den großen Cardinal beherrschte eben die Schwäche, als Poet gleichfalls zu den ersten Größen seiner Zeit zählen zu wollen. Diese seine Leidenschaft verstieg sich sogar so weit, daß er einstens an Corneille das Verlangen stellte, ihm den »Eid« abzutreten, d. h. ihn unter Richelieus Namen aufführen zu lassen, was aber Corneille entschieden abschlug.

Von diesem Augenblicke an machte sich in Richelieus Benehmen gegen Corneille bald ein tiefer Haß, bald eine unwillkürliche Bewunderung dieses jugendlichen Genies geltend, und wir können kühn behaupten, daß, hätte Corneille wenigstens einen einzigen großen Mißerfolg als Dichter aufzuweisen gehabt, der Cardinal ihm wahrhaft Freund geworden wäre.

Von diesen wechselnden Gesinnungen gibt übrigens Corneille durch seine folgenden Verse selbst Zeugniß:

 
»Se plaigne qui voudra de ce grand Cardinal,
Ma Prose ni mes Verses n'en diront jamais rien,
Il m'a fait trop de bien pour en dire du mal,
Il m'a fait trop de mal pour en dire du bien.«
 

In freier Uebersetzung:

 
»Ueber ihn, den großen Cardinal beichwere sich wer will;
Nicht in Prosa, nicht in Versen sei er je mein Ziel.
Zu viel des Guten that er mir, um ihn anzuklagen,
Zu viel des Schlimmen that er mir, um ihm Gutes nachzusagen.«
 

Dem Cardinal war es offenbar unlieb, in seiner Arbeit gestört worden zu sein.

Er blickte etwas verdrießlich zu seiner Nichte auf. Der strenge Ausdruck in seinen Zügen milderte sich aber sogleich, als er in den Augen der Frau von Combalet Thränen erblickte.

Er stand von seinem Sitze auf, trat auf sie zu und indem er ihr freundlich die Hand zum Gruße reichte, sagte er mit besorgter Stimme:

»Du weinst, Du bist tief betrübt?«

Frau von Combalet warf sich an seine Brust und schluchzte:

»Jetzt ihr mir, Oheim! daß ich Dir ungehorsam bin, aber – ich kann nicht anders.«

»Ungehorsam, worin?«

»Ich vermag es nicht diesen Engel zu betrügen,« fuhr Frau von Combalet mit bewegter Stimme fort.

»Aber es ist ja doch zu Isabellas eigenem Besten.« erwiderte der Cardinal, einen salbungsvollen Ton anschlagend. »und ich sehe nicht ein, warum Du Bedenken trägst, das Deinige beizutragen, diesen Engel, wie Du Fräulein von Lautrec selbst immer nennst, von einer Liebe zu heilen, weiche ihr denn doch über kurz oder lang Unheil bringen müßte. Anton von Bourbon ist der echte Sohn seines Vaters. Zwei, drei Jahre höchstens würde er ihr ein guter, treuer Gatte sein, dann aber um so sicherer ihr Herz brechen, indem er sich aus einer Liaison in die andere stürzt. Wir, die wir in dieser Sache weiter sehen und namentlich ich, der ich jetzt bei Isabella von Lautrec Vaterstelle vertrete, müssen es also für unsere Pflicht ansehen, das gute Kind von dem Abgrunde zurückzuhalten in welchen sie eine Verehelichung mit dem Grafen von Moret unfehlbar über kurz oder lang stützen würde.«

»Und solltet Ihr, mein Oheim, wirklich dabei nur von väterlicher Fürsorge geleitet sein; sollte nicht auch ein Nebengedanke mit unterlaufen, verknüpft mit den seinen. Zahllosen Fäden Eurer Politik?« frag Frau von Combalet ernst und forschend.

Richelieu biß sieh leicht auf die Lippen und erwiderte:

»Ich bin es schon längst gewohnt und auch Frankreich schuldig, alle Interessen meiner Person und meiner Familie jenen des Staates unterzuordnen.«

»Also habe ich mich wirklich nicht getäuscht!« rief Frau von Combalet. »Eure Politik spielt die Hauptrolle bei der Intrigue, an der ich mich betheiligen soll. Oheim. ich beschwöre Euch. laßt mich aus dem Spiele!«

»Wohlan,« entgegnete Richelieu etwas mürrisch, wohlan, ich werde einer anderen Person den Ruhm und das Verdienst der Mitwirkung gönnen müssen. daß der Thron Frankreichs einem echten Enkel Heinrichs IV. Gesichert werde.«

»Ihr sprecht in Räthseln, Oheim!«

Der Cardinal trat auf seine Nichte zu, und indem er sie ganz nahe an sich zog, flüsterte er ihr in das Ohr:

»Du weißt um das Bekenntniß welches mir der König in Caillot abgelegt hat; Du weißt, daß Frankreich von ihm aus zweifachem Grunde ans keinen Thronerben rechnen kann, Du weißt, daß der Bastard Gaston sich die Krone aufs Haupt setzen würde. sobald Ludwig XIII das seinige zur ewigen Ruhe niederlegt. Soll, darf die Usurpation des schönsten Thrones der Erde eine legitime werden? Nein, tausendmal nein. Das Blut Heinrichs IV. allein ist würdig für den entwürdigten Zepter der »drei Lilien«, dieses Blut allein ist im Staude Frankreich groß zu machen und es auch groß zu erhalten. – Höre mich – Anton von Bourbon ist das Werkzeug der Vorsehung, um die unterbrochene, geschändete Legitimität wieder herzustellen. Zwei Verneinungen haben eine Bejahung. Die Sünde der Königin Maria von Medicis muß ausgeglichen werden durch einen Fehltritt der Königin Anna.«

»Ihr spielt ein großes, ein gewagtes Spiel. Oheim,« sagte Frau von Combalet. als der Cardinal innehielt »und Ihr glaubt. daß die Königin Anna je einwilligen würde.«

»Wenn Sie keinen Fehltritt thun will, nun,so wird sie in einem Irrthum befangen sein; errare humanum est – irren ist menschlich,« entgegnete kurz Richelieu.

»Und warum soll deshalb die arme Isabella unglücklich gemacht werden?« forschte Frau von Combalet weiter, hierzu bestimmt von dem wahrhaft edlen, reinen Interessee, das sie an dem Fräulein von Lautrec nahm.

Richelieu dachte eine Weile unschlüssig nach, ob er die Fragestellerin mit einer leeren Phrase abfertigen oder die Wahrheit sprechen solle. Er entschloß sich zu letzterer und sagte:

»Ich habe mich zuvor vielleicht etwas unrichtig ausgedrückt, als ich den Grafen von Moret schon zum Voraus mit aller Bestimmtheit der ehelichen Untreue beschuldigte; denn ich gebe jetzt die Möglichkeit zu, daß Isabella diesen Flattergeist dauernd auch in der Ehe an sich zu fesseln vermöchte. Diese Möglichkeit aber, der ich sogar eine große Wahrscheinlichkeit zuerkenne, ist es eben. welche mich zwingt, meinen für die Zukunft Frankreichs so hochwichtigen, Plan nicht der Gefahr auszusetzen, an moralisch en Bedenken scheitern zu sehen. und deshalb vermeide ich lieber ganz das Experiment einer Heirat zwischen dein Grafen von Moret und Isabella von Lautrec. Kann ich noch aufrichtiger sein, meine liebe Maria?«

»Ich danke Euch für diesen neuen und großen Beweis Eures Vertrauens,« erwiderte Frau von Combalet, »aber begreiflich werdet Ihr es finden, daß ich noch entschiedener als zuvor jetzt jede Zumuthung ablehne, meinem Engel Schmerz und Kummer zu bereiten. Dringend bitte ich Euch, mich so bald als möglich meiner Rolle als Ehrendame des Fräulein von Lautrec zu entheben.«

 

Der Cardinal schrieb einige Worte auf einen Zettel und schob denselben unter die Thür, die in die Wohnung der Marion· Délorme führte.

»Deine Nachfolgerin ist bereits ernannt.« sagte er dann zu seiner Nichte.

»Und wen habt Ihr dazu bestimmt?«

»Frau von Montagne wird Dich binnen zwei Stunden als Ehrendame des Fräulein von Lautrec abgelöst haben.«

»Wie,« rief Frau von Combalet ebenso erstaunt als indignirt »wie, Frau von Montagne, die Schwester einer Marion Délorme, hält Ihr für würdig. bei Isabella mich zu ersetzen?«

»Du meinst vielleicht, weil Frau von Montagne Liebhaber hat? – Parbleu! da könnte ich lange in Paris suchen, bis ich Eine ohne fände,« lachte Richelieu.

Frau von Combalet zog sich sehr verstimmt nach flüchtigem Abschiedsgruße zurück.

Gleich darauf trat Cavois mit der Meldung ein. Daß er den Italiener Sirdoni aus dem Gefängnisse entlehnt habe und derselbe wohlbewacht im Vorhause warte.

»Laßt ihn eintreten.«

»Allein, ohne Bewachung, Eminenz?

»Keine Furcht. lieber Cavois; mit diesem Schurken getraue ich mir schon noch ohne fremde Hilfe fertig zu werden; übrigens sendet Rossignol hierher, der muß ohnehin dabei sein; es schlägt ja in sein Geschäft.«

Sirdoni, ein kleines, abgemagertes Männchen. Bereits ziemlich bejahrt, wurde von Cavois in das Zimmer geschoben. Zu seinem fast gänzlich kahlen Schädel contrastirte auffallend sein über die ganze Brust reichender dichter, aber schneeweißer Bart, welchen seit der sechs Jahre, die er bereits im Kerker verbrachte, noch keine Schere berührt hatte. List und Schlauheit sprachen aus seinen markirten Zügen und sein graues Auge suchte rasch und lauernd im ganzen Gemache umher. Seine Kleidung war zwar ziemlich stark abgetragen, aber reinlich gehalten.

»Es ist schon lange her, daß wir uns nicht gesehen,« begann der Cardinal.

»Drei Jahre und einige Tage darüber, seit der Buckingham – Affaire, Eminenz!« entgegnete im demüthigsten Tone der Italiener.

»Seid Ihr noch immer Großmeister in Eurer Kunst?«

»Uebung macht den Meister. Eminenz! Und wenn ich etwas aus der Uebung kam , so ist es nicht meine Schuld,« erwiderte Sirdoni im obigen Tone.

»Ich habe Euch doch monatlich eine gewisse Quantität Papier bewilligt , damit Eure Hand nicht an Fertigkeit verliere,« rief Richelieu.

»Ach , Eminenz! zwecklose Schreibübungen. wie ich selbe im Gefängnisse mit Eurer gütigen Erlaubniß zum Zeitvertreibe anstelle, haben kein Interesse für mich; ich möchte Arbeit, wirkliche Arbeit haben!«

»O, daß Ihr gerne und mit Erfolg arbeitet,« sagte der Cardinal, »davon liegen Beweise vor. Die königlichen Cassen wissen von Euren falschen Zahlungsaufträgen manche schöne Geschichte zu erzählen. Wäre ich nicht. würde Signor Sirdoni vor sechs Jahren auf dem Grevéplatze gerädert worden sein ohne Gnade und Erbarmen. Statt dessen sitzt Ihr weich und warm in leidlicher Haft und ich hoffe. daß Ihr Euch es dort noch recht bequem machen werdet.«

Der Fälscher spitzte die Ohren.

»Ich werde,« fuhr der Cardinal fort« »wenn ich sehe, daß Ihr von Eurer Kunst nichts eingebüßt habt. Euch im Chatelet ein eigenes schönes, lichtes und geräumiges Zimmer geben lassen statt des engen Loches, in welchem Ihr jetzt zu Dreien sitzt. Alle Annehmlichkeiten die mit Eurer Haft verträglich sind, sollen Euch gestattet sein, und die Mittel zur Bestreitung werdet Ihr Euch reichlich verdienen, hört Ihr, verdienen. – Euer Verdienst wird sich monatlich auf dreihundert Pistolen und auch noch mehr belaufen.«

Sirdonis Augen funkelten vor Begierde.

»Für jede Zeile. die Ihr in meinem Austrage zu meiner Zufriedenheit nachmacht,bekommt Ihr einen ganzen Thaler, also sechs Livres Seid Ihr zufrieden?«

Vor lauter Entzücken wußte der Italiener nicht anders zu antworten , als daß er einen jähen Ausruf ausstieß und die Hände über der Brust faltete.

»Kennt Ihr Herrn Rossignols? begann nach einer Weile Richelieu, auf den Genannten, der inzwischen eingetreten war, deutend , »nun – der wird Euch von Zeit zu Zeit besuchen und dem habt Ihr Folge zu leisten in All' und Jedem wie mir selbst.«

Sirdoni verbeugte sich zum Zeichen des Gehorsams.

»Merkt Euch aber Eines,« begann der Cardinal von Neuem und trat auf den Fälscher zu, den er mit seinen durchbohrenden Blicken anstarrte. »Merkt Euch aber Eines, falls Ihr zu irgend Jemand von Eurer »Arbeit« plaudert. Wird eine gewisse Scene aus dem Grevéplatze mit Euch nachträglich aufgeführt, so wahr mir ein Gott helfe!«

Auf einen Wink Richelieus wurde der Fälscher hierzu abgeführt.

»Habt Ihr mit Charpentier die Briefe des Grafen von Moret durchgesehen?« frag der Cardinal seinen Dechiffreur, als beide allein waren.

Rossignol reichte dem Cardinal ein Packet Briefe indem er sagte:

»Ein Heiratsversprechen ist darunter nicht zu finden.«

»Nun so werden wir eines besorgen.«

»Taugt vielleicht dieser Entwurf, Eminenz?«

Richelieu durchs-lag das ihm dargereichte Concept, nickte zustimmend und indem er den Entwurf Rossignol wieder einhändigte, sagte er:

»Sehr gut. Fahren Sie gleich nach dem Chatelet; Sirdoni soll es in der Schrift Moret's abschreiben; ich zweifle nicht, daß er dessen Züge leicht treffen wird. Die Nachahmung des Gekritzels der Hautefort und des Königs dürfte ihm schon mehr Mühe kosten. – Sind die Siegel fertig?«

»Ja, Eminenz, alle drei; sie sind aus das Beste gelungen.«

»Wenn nur das Ganze ebenso gelingt. « brummte Richelieu vor sich hin.

»Frau von Montagne!« meldete Cavois, als Rossignol abgetreten war.

»Frau von Montagne war, wie wir schon wissen, die Schwester der Marion Délorme, und in den ersten Tagen, als Graf von Moret im verflossenen Jahre in Paris ankam, dessen Geliebte gewesen. Die dritte Schwester, Frau von Maugiron, hatte des beteiligen Marquis von Pisani Eifersucht erweckt und Souscarières würde ohne Latil's damals schlecht gelohnte Ehrlichkeit höchst wahrscheinlich an dem gewaltsamen frühzeitigen Tode Antons von Bourbon ganz unbewußt Schuld getragen haben.

Was dir äußere Erscheinung der Frau von Montagne betraf, so durfte man selbe weder imponirend noch bezaubernd, sondern höchstens pikant, jedenfalls aber einladend nennen, denn sie gehörte zu jenen Damen, deren üppige und frische Formen die Sinne reizen und deren Augen dem Beschauer dieser Reize zuzurufen scheinen: »Mein Herr« wenn Sie gerade Zeit und Lust haben, mir den Hof zu machen, so bitte ich sich gar nicht zu geniren.«

Hierdurch wollen wir aber der Frau von Montagne noch keineswegs etwas Uebles nachgesagt haben, z. B. daß sie etwa als ein Gemeingut anzusehen gewesen sei, obwohl sie stets einen Liebhaber hatte; aber dies war in Paris damals ebenso gut Mode wie heutzutage.

Auch Frau von Montagne wußte von den Beziehungen ihrer Schwester Marion Délorme zu dem Cardinal nichts Näheres, obwohl sie davon mehr ahnen mochte als die übrige Welt. Sogar die geheime Verbindung zwischen dem Palais Richelieu und der Wohnung ihrer Schwester war ihr unbekannt.

Es ist daher ganz erklärlich, daß Frau von Montagne der von einer dritten, ihr ganz fremden Hand geschriebenen Einladung, sogleich beim Cardinal zu erscheinen, mit ebenso viel Neugierde als Beklommenheit Folge leistete, in welch' letzterer Beziehung wir beifügen müssen, daß Frau von Montagne sich bewußt war, vor einiger Zeit ein paar unüberlegte Witze über Richelieu und seine Nichte in einer Gesellschaft zum Besten gegeben zu haben.

Ob der sonst allwissende Cardinal hiervon Kenntniß erhalten oder nicht, ist uns unbekannt. Gewiß ist es nur, daß er Frau von Montagne sehr freundlich empfing, sie zu einem Stuhle geleitete und dadurch ihre ersten und größten Besorgnisse gründlich zerstreute.

Richelieu, der immer ein kleines Vergnügen daran empfand, sich an der Verlegenheit Anderer zu weiden, fixierte Frau von Montagne eine gute Weile, bevor er zu sprechen begann:

»Würde Frau von Montagne wohl Zeit und Lust haben, mir einen sehr wichtigen Dienst zu leisten?«

»Ich stehe zu Befehl, Ew. Eminenz.«

»Ich befürchte aber, daß die baldige Rückkunft des Herrn von Montagne dabei ein Hinderniß sein dürfte«

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