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Kandide oder Die beste aller Welten

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Kapitel 26
Kandide und Martin speisten mit sechs Ausländern. Wer diese Ausländer waren

Eines Tages, als sich Kandide mit Martinen und den Fremden, die mit ihm in eben dem Wirtshause logierten, zu Tische setzen wollte, packt' ihn ein Mensch mit einem Rußgesicht von hinten beim Arme und raunte ihm zu: Daß Sie sich ja reisefertig halten! Vergessen Sie's nicht.

Kandide dreht sich um und sieht Kakambo'n. Außer Kunegunden konnte kein Anblick für ihn überraschender und erfreulicher sein. Seine Freude artete fast in Wahnsinn aus. Mit der glühendsten Umarmung sagt' er zu ihm: Oh! sie ist also hier, meine Kunegunde! Wo ist sie denn, mein Bester, Einziger? Bring mich doch zu ihr. Laß mich doch mit ihr vor Freude sterben! Kunegunde ist hier nicht, sagte Kakambo; ist zu Konstantinopel.

„Jesus und Gott! zu Konstantinopel! Doch es tut nichts. Und war' sie in China, ich flöge hin! Mit zu Schiffe! mit!" und Kandide hatte Kakambo'n schon zur Haustür hinausgerissen. Vor Essen kann daraus nichts werden, sagte Kakambo. Weiter kann ich Ihnen jetzt nichts sagen. Nur noch soviel: ich bin Sklave, mein Herr wartet auf mich. Ich muß in den Speisesaal und ihn bedienen. Sein Sie ja mäuschenstill, essen Sie Ihr Abendbrot und machen Sie sich reisefertig.

Kandide war halb ein Raub der Freude, halb der Betrübnis; der Freude, der entzückendsten Freude, weil er bald sein Gundchen wiedersehn sollte und jetzt seinen treuen Sachwalter wiedergefunden hatte; der Betrübnis, daß er letztern als Sklave sähe. Sein Herz war in wildem Aufruhr, sein Kopf drehend und wirbelnd. Er setzte sich mit Martinen, der all' diesen Abenteuern ganz kaltblütig zuschaute, und sechs Fremden zu Tische, die bloß die Faschingszeit in Venedig zubringen wollten.

Wie sie fast abgespeist hatten, sagte Kakambo zu einem dieser sechs Fremden, dem er bisher eingeschenkt hatte: Sire, Ihre Majestät können reisen, wenn's Ihnen gefällig ist, das Schiff ist klar. Hierauf ging er hinaus. Ohn' ein Wort zu sagen, sahen die Gäste einander voller Erstaunen an, als ein zweiter Bedienter sich seinem Herrn näherte und ihm sagte: Die Kutsche von Ihro Majestät steht zu Padua und die Barke ist bestellt. Sein Herr gab ihm einen Wink, worauf er fortging.

Die Gäste machten noch größre Augen als vorhin, ihr Blick verriet immer mehr und mehr ihre steigende Verwundrung. Ein dritter Diener näherte sich einem dritten Fremden und sagte: Sire, folgen Sie meinem Rat und halten Sie sich nicht länger hier auf. Ich geh' und mache alles zurechte, Ihro Majestät. Sofort verschwand er.

Kandide und Martin hielten das ganze Ding nunmehr für einen Karnevalsspaß. Ein vierter Bedienter sagte: Ihro Majestät können reisen, wenn's Ihnen gefällig ist. Der fünfte Lakai sagte eben das dem fünften Herrn. Allein der sechste hub an in ganz anderm Ton mit dem sechsten Fremden zu reden, der neben Kandiden saß. Bei meiner armen Seele! Sire, sagte er, Ihro Majestät können so wenig mehr auf Borg kriegen wie ich und 's is leicht möglich, daß wir heut' alle beide in den Schuldturm wandern müssen. Das Gescheitste, ich seh', wo der Zimmermann das Loch gelassen. Gott steh' Ihnen bei.

Wie alle Bedienten hinaus waren, verharrten die sechs Fremden, Kandide und Martin im tiefsten Stillschweigen. Endlich brach's Kandide: Ein artger Fastnachtsspaß, meine Herren! Warum sind Sie aber grade alle gekrönte Häupter? Ich meinerseits muß Ihnen gestehn, ich bin kein König, so wenig wie mein Martin da.

Jetzt nahm Kakambos Herr gravitätisch das Wort und sagte auf Italienisch: Ich bin nichts weniger als Fastnachtsnarr; ich heiße Achmet der Dritte; bin viele Jahre Großsultan gewesen; habe meinen Bruder entthront, und mein Neffe mich. Alle meine Wesire sind enthauptet worden, und ich bringe den Rest meines Lebens im alten Serail zu. Bisweilen erlaubt mir mein Neffe, Großsultan Machmud, gesundheitshalber herumzureisen. Diesmal hab' ich den Karnevalslustbarkeiten zu Venedig beigewohnt.

Ein junger Mann, neben Achmet sitzend, hub nach ihm an zu reden. Ich heiße Iwan, sagte er; bin der Kaiser aller Russen gewesen; ward schon in der Wiege entthront, mein Vater und Mutter eingekerkert, ich im Gefängnisse erzogen; manchmal steht mir's frei, herumzureisen; meine Wächter verlassen mich aber nie. Ich bin hieher gekommen, um dem Karneval beizuwohnen.

Und ich bin Karl Eduard, König von England, sagte der Dritte. Mein Vater trat mir seine Gerechtsame am Reiche ab. Ich suchte sie mit gewaffneter Hand zu verteidigen; man riß achthundert meiner Anhänger das Herz aus dem Leibe und schlug es ihnen um die Backen; mich warf man ins Gefängnis. Jetzt geh' ich nach Rom, meinen Vater zu besuchen, den König, der sowohl entthront ist wie ich, und meinen Großvater. Ich kam hieher, um dem Karneval beizuwohnen.

Nunmehr nahm der Vierte das Wort und sagte: Ich bin König der Polen, beraubt meines Erbreichs durch das Kriegsglück, das auch an meinem Vater seine Tücke übte, ich habe mich völlig der Vorsehung anheimgestellt, so wie Sultan Achmet, Zar Iwan und König Karl Eduard, denen Gott ein langes Leben verleihen wolle. Ich kam hieher, um dem Karneval beizuwohnen.

Auch ich bin König der Polen, hub der Fünfte an, verlor zweimal mein Reich, erhielt aber durch die Vorsehung einen andern Staat, worin ich mehr Gutes getan habe, als je alle Könige der Sarmaten an den Ufern der Weichsel haben tun können; auch ich stelle mich der Vorsehung anheim und bin hieher gekommen, dem Karneval beizuwohnen.

Jetzt war die Reihe zu reden an dem sechsten Monarchen. Meine Herren, sagte dieser, an Größe gleich' ich Ihnen nicht, dennoch aber bin ich, so gut wie ein andrer, König gewesen. Ich heiße Theodor und ward zum Könige in Korsika erwählt. Sonst nannte man mich Ihro Majestät und jetzt mit genauer Not mein Herr. Sonst ließ ich Münze schlagen, jetzt hab' ich keinen roten Heller; sonst hatt' ich zwei Staatssekretäre und jetzt nicht einmal einen Bedienten. Ich sah mich ehemals auf einem Throne, und zu London mußt' ich lang' im Kerker auf einem Bunde Stroh liegen. Mir ist bange, daß mich hier das nämliche Schicksal trifft, ob ich gleich wie Ihro Majestäten hierher gekommen bin, dem Karneval beizuwohnen.

Die fünf andern Könige hörten dieser Erzählung mit edlem Mitleide zu, und jeder gab dem Könige Theodor zwanzig Zechinen, um sich Kleider und Wäsche anzuschaffen, Kandide aber schenkte ihm einen Diamanten von zweitausend Zechinen.

Wer muß wohl dieser simple Partikülier sein, der imstande ist, hundertmal soviel wegzugeben als jeder von uns, und der es auch tut! sagten die fünf Könige zueinander.

In eben dem Augenblick, da man von der Tafel aufstand, kamen in eben dem Wirtshause vier durchlauchtige Herrschaften an, die das Kriegsglück gleichfalls um ihre Staaten gebracht hatte und die den Überrest des Karnevals zu Venedig zubringen wollten. Kandide, dem der Gedanke, seine traute Kunegunde aufzusuchen, die ganze Seele füllte, kümmerte sich um die Neuangekommnen nicht im geringsten.

Kapitel 27
Kandidens Reise nach Konstantinopel

Der treue Kakambo hatte es schon dahin gebracht, daß der türkische Schiffspatron, der den Sultan Achmet nach Konstantinopel führen sollte, Kandiden und Martinen mit an Bord nahm. Ehe selbige sich nach dem Schiff begaben, beugten sie sich tief zur Erde vor dem Schattenspielsmonarchen.

Sehn Sie, sagte Kandide unterwegs, da haben wir nun mit sechs abgesetzten Königen gespeist, und unter diesen sechs Königen war noch dazu einer, dem ich einen Zehrpfennig gegeben habe. Vielleicht gibt's noch weit mehr unglückliche Prinzen. Wie glücklich bin ich dagegen, ich habe ja nur hundert Hammel eingebüßt und fliege nun meiner Kunegund' in die Arme. Ich versichre Ihnen nochmals, lieber Martin, Panglos hatte recht: Es ist doch die beste Welt! Wollte Gott, seufzte Martin.

Allein, sagte Kandide, unser zu Venedig erlebtes Abenteuer hat wenig Wahrscheinliches. Hat man je gesehn oder gehört, daß sechs entthronte Könige in einem Wirtshause zusammen zur Nacht gespeist haben?

Das schlägt grade nicht mehr aus dem gewöhnlichen Gleis als die meisten Vorfälle, die uns begegnet sind, antwortete Martin. Daß Könige entthront werden, ist ein Erzwerkeltagsstückchen, und daß wir die Ehre gehabt haben, mit ihnen das Abendbrot zu nehmen, nun wahrlich, das ist eine solche Lumperei, daß ich nicht begreife, wie ein Schüler vom großen Panglos, ein wirklich philosophischer Kopf, davon was hermachen kann.

Kaum hatte Kandide den Fuß ins Schiff gesetzt, so stürzt' er auf seinen alten Diener, seinen Freund Kakambo zu und fiel ihm um den Hals. Nun, was macht meine Kunegunde? rief er. Ist sie noch immer das schöne Mädchen? Liebt sie mich noch immer? Oh, was macht sie? Du hast ihr unstreitig einen Palast zu Konstantinopel gekauft?

„Ach! 's hat sich was zu palasten, lieber Herr. „Die gute Kunegunde steht da am Rande des Mare di Marmara und scheuert Teller und Schüsseln; ist Sklavin von einem Prinzen, bei dem das Küchengerät herzlich dünn gesät ist. 's ist der alte Fürst Ragotsky, dem die osmanische Pforte täglich drei Taler in seiner Freistatt zufließen läßt. Alles schlimm genug, aber der hinkende Bote kömmt noch erst nach. Der Baroneß ihr niedliches Lärvchen ist ganz zum Kuckuck; sie ist, mit Respekt zu sagen, 'n wahrer Popanz geworden."

Mag's doch, sie sei Popanz oder schön, antwortete Kandide, so muß ich sie doch lieben; sie hat mein Wort, und ich bin ein teutscher Mann. Aber sag' mir, wie kann sie so zum Aschenbrödel herabgesunken sein? Du hast ihr doch fünf bis sechs Millionen gebracht? I ja doch! sagte Kakambo, hab' ich nicht dem Sefior Don Fernando d'Ibaraa y Figueora y Mascarenes y Lampourdos y Suza, Statthalter von Buenos Aires, zwei Millionen geben müssen, damit ich die Erlaubnis erhielt, Baroneß Gundchen mitnehmen zu dürfen? Und hat uns nicht all' das übrige ein Seeräuber redlich weggekapert? Und hat uns nicht eben dieser Seeräuber nach Capo Matapan, nach Milo, nach Nicaria, nach Samos, nach Aradh, nach den Dardanellen, nach Marmara, nach Scutari geschleppt? Kunegunde und die Alte dienen jetzt bei dem besagten Fürsten, und ich bin Sklave beim entthronten Sultan.

 

Welche unendliche Kette von entsetzlichen Unglücksfällen! sagte Kandide. Doch ich habe noch einige Diamanten, damit werd' ich Kunegunden leicht befreien können. Nur schade, daß sie so häßlich geworden ist! Hierauf wandte er sich zu Martinen und sagte: Wen halten Sie wohl für beklagenswürdiger, den Kaiser Achmet, Zar Iwan, König Karl Eduard oder mich? Um hierüber zu urteilen, müßt' ich einen Blick in Ihrer aller Herz tun können, sagte Martin. Ha! versetzte Kandide, wäre nur Panglos hier, der würde ohne diesen Blick uns dies gewiß lehren. Ich weiß nicht, was für eine Waage Ihr Panglos hätte zur Hand nehmen können, um die Unglücksfälle der Menschen und ihre Leiden genau gegeneinander abzuwägen, sagte Martin. Ich meinerseits kann weiter nichts für gewiß behaupten, als daß es auf dem Erdenrund Millionen Menschen gibt, die hundertmal bedauernswürdiger sind als König Karl Eduard, Zar Iwan und Sultan Achmet. Wohl möglich! erwiderte Kandide.

In wenig Tagen befanden sie sich auf dem Kanäle des Schwarzen Meers. Das erste, was Kandide tat, war, daß er Kakambo'n sehr teuer loskaufte, hierauf warf er sich ohn' alles Säumen mit seinen beiden Gefährten in eine Galeere, um an den Ufern des Mare di Marmara seine Kunegunde aufsuchen zu gehn, so häßlich sie auch immerhin sein möchte.

Unter den Ruderknechten waren ein paar, die gar erbärmlich ruderten; auch sprach von Zeit zu Zeit der Levantefahrer mit seinem Ochsenziemer ihren nackten Schultern zu. Jeden Hieb fühlte Kandide doppelt; und er fuhr ihm durch Mark und Bein. Durch einen innern Zug angetrieben, naht' er sich ihnen und faßte sie schärfer in's Auge.

So verunstaltet auch ihre Gesichter waren, so glaubt' er doch einige bekannte Züge darin zu entdecken; Züge, die einige Ähnlichkeiten von Panglos und dem unglücklichen gejesuiteten Baron hatten, dem Bruder von Baroneß Kunegunde.

Diese Vorstellung machte ihn ganz niedergeschlagen, packte ihn heftig. Wahrlich, sagt' er zu Kakambo, nachdem er sie noch schärfer in's Auge gefaßt hatte, hätte ich nicht den Magister Panglos hängen sehn und hätt' ich nicht den Baron unglücklicherweise über den Haufen gestochen, so dächt' ich, das wären sie beide, die an diese Bank geschmiedet sind.

Bei dem Namen Baron und Panglos stießen die beiden Ruderknechte einen lauten Schrei aus, standen still und ließen ihre Ruder fallen. Sogleich rannte der Levantefahrer auf sie los und verdoppelte die Schläge mit dem Ochsenziemer. Halten Sie ein, lieber Herr, halten Sie ein! rief Kandide. Ich will Ihnen geben, was Sie haben wollen.

Heiliger Gott! das ist Kandide, schrie einer von den Ruderknechten. Wahrlich! das ist er, rief der andre. Träum' ich? Wach' ich? rief Kandide. Bin ich hier wirklich auf der Galeere? Ist das der Baron, den ich getötet? Ist das Magister Panglos, den ich habe hängen sehn?

Wohl sind wir's! Ja, wir sind's! antworteten sie alle beide. Wie! ist das der große Philosoph? fiel Martin ein. He! Herr Levantefahrer, sagte Kandide, wieviel Lösegeld fordern Sie für den Herrn Leopold Woldemar von Donnerstrunkshausen, einen der vornehmsten Barone des Heiligen Römischen Reichs, und für den Herrn Magister Panglos, den allergründlichsten Metaphysiker in ganz Teutschland. Baron, Metaphysiker, sagte der Levantefahrer. Hum! Müssen wohl ansehnliche Ämter in deinem Lande sein! Nu, weißt du was, du Christenhund? Da sollst du mir für die beiden Christenhunde von Sklaven fünfzigtausend Zechinen geben.

Die sollen Sie haben, mein Herr, sagte Kandide. Bringen Sie mich nur schnell wie der Blitz nach Konstantinopel, und ich zahl' Ihnen das Geld auf einem Brette. Doch nein, bringen Sie mich lieber zu Baroneß Kunegunde. Gleich bei Kandidens ersten Worten hatte der Patron das Schiff umgelegt und ließ nach der Stadt schneller zurudern, als ein Vogel die Lüfte durchschneidet.

Kandide warf sich bald dem Baron um den Hals, bald Panglosen: Wie ist das möglich, lieber Baron, daß ich Sie nicht getötet habe? und wie können Sie noch leben, trauter Panglos, da Sie sind gehängt worden? Und wodurch sind Sie beide auf türkische Galeeren gekommen? Ist denn wirklich meine liebe Schwester in der Türkei? sagte der Baron. Nicht anders! antwortete Kakambo. So hab' ich dich denn wieder, lieber trauter Kandide, schrie Panglos, und drückt' ihn fest an seine Brust. Kandide stellte ihnen Kakambo'n und Martinen vor. Sie umarmten sich insgesamt und sprachen alle mit einem Male.

Schon lag die Galeere, die mit Sturmwindsfittichen geflogen war, im Hafen. Man ließ einen Mauschel kommen, welcher Kandiden einen Diamanten, der hunderttausend Zechinen unter Brüdern wert war, für die Hälfte abschacherte. Will glaich verkrümmen af der Stell', gnädiger Herr, wo ich Sie kann geben ainen roten Heller mehr, sagte der Jude.

Sogleich bezahlte Kandide das Lösegeld für den Baron und für Panglos. Letzter warf sich seinem Befreier zu Füßen und badete sie mit Tränen. Erstrer sagte mit hochadligem Kopfnicken: Ehster Tage sollen Sie Ihren Vorschuß wiederhaben, Kandide. Auf Kavaliers Parol! Ist's aber wohl möglich, daß sich meine Schwester in der Türkei befindet?

Nicht nur möglich, sondern auch wirklich, sagte Kakambo. Sie scheurt jetzt einem siebenbürgischen Fürsten sein bißchen Zinn. Sogleich mußten zwei Juden kommen; Kandide verschleuderte wieder etliche Diamanten: sie setzten sich auf eine andre Galeere und eilten, Kunegunden zu erlösen.

Kapitel 28
Baron von Donnerstrunkshausen und Panglos erzählen, was ihnen bisher begegnet ist

Verzeihung, Ihro Wohlehrwürden, nochmals Verzeihung, daß ich Ihnen den Degen durch den Leib gejagt habe, sagte Kandide zum Baron.

Nichts mehr davon! antwortete dieser. Die Schuld war mein, muß ich gestehn; ich war ein wenig zu rasch. Doch Sie wollen wissen, was für ein Unglücksfall mich auf die Galeeren gebracht. Nun, so hören Sie. Wie der Bruder Apotheker aus unserm Kollegium meine Wunde geheilt hatte, die Sie tödlich glaubten, griff mich eine Partie Spanier an, führte mich fort nach Buenos-Aires, das meine Schwester eben verlassen hatte, und warf mich daselbst ins Gefängnis.

Ich bat um Erlaubnis, nach Rom zum Pater General gehn zu dürfen. Man fand's aber für gut, mich nach Konstantinopel zu schicken, um bei dem dortigen französischen Ambassadeur Kaplansstelle zu vertreten. Ich hatte noch nicht völlig acht Tage diese Bestallung gehabt, als mir des Abends ein ungemein wohlgebildeter junger Sultans-Page aufstieß. Erstaunlich schwül war's den ganzen Tag über gewesen, der junge Mann wollte sich baden, ich nahm die Gelegenheit wahr und badete mich mit. Ich wußte nicht, daß der Hals darauf stand, wenn ein Christ mit einem jungen Muselman zusammen in puris naturalibus betroffen wird. Ein Kadi, der mich vor sich bringen ließ, sagte mir dies, ließ mir hundert Stockprügel auf die Fußsohlen geben und verdammte mich – aus ungemeiner Milde – zu den Galeeren. Himmelschreiendere Ungerechtigkeit, glaub' ich, ist wohl nie begangen worden … Aber ich bitte Euch, Kandide, sagt mir, warum befindet sich meine Schwester in der Küche eines zu den Türken geflüchteten siebenbürgischen Fürsten?

Aber wie ist's möglich, trauter Panglos, rief Kandide, wie ist es möglich, daß ich Sie wiedersehe? Sonderbar muß es Ihnen freilich dünken, sagte Panglos, da Sie mich haben hängen sehn. Nach der Regel hätt' ich müssen verbrannt werden. Sie werden sich aber noch erinnern, daß es regnete, als gösse es mit Mulden, grad' als ich sollte geschmort werden. Dies Schlackerwetter ward so heftig, hielt so lang' an, daß man das Holz gar nicht zum Brennen bringen konnte. Da war also kein bess'rer Rat, als mich zu hängen. Ein Feldscher kaufte meinen Leichnam, nahm ihn mit nach Hause und hub ihn an zu sezieren. Er begann sogleich mit einem Kreuzschnitt vom Nabel an bis zum Schlüsselbein herauf. Erbärmlicher wie ich war wohl noch niemand gehängt worden. Der Vollstrecker der hochnotpeinlichen Halsgerichtsbarkeit bei der heiligen Inquisition, der Unterdiakonus war, verstand sich zwar perfekt darauf, Leute zu verbrennen, aber das Hängen war seine Sache gar nicht. Der Strick •war naß, glitschte also nicht, und er schlug einen ganz jämmerlichen Knoten.

Kurz, ich hatte noch Leben, beim Kreuzschnitt schrie ich so laut auf, daß der Feldscher rücklings zu Boden stürzte und sich einbildete, er hätte den Teufel seziert. Halbtot vor Schrecken rannt' er Hals über Kopf zur Stubentür hinaus, und Hals über Kopf stürzt' er auch die Treppe hinunter.

Die Frau kam über das Gepolter aus dem benachbarten Kabinett herzugerannt, sah mich mit dem Kreuzschnitt über den Tisch ausgestreckt liegen. Es kam sie noch ärgers Grauen an als ihren Mann, sie rannte volles Rennens nach der Treppe, fiel selbige herunter und auf ihre liebe Ehehälfte.

Als sie sich wieder erholt hatten, hört' ich die Frau zum Manne sagen: Wie hast du dir's denn können einfallen lassen, Papachen, einen Ketzer zu sezieren? Weißt ja wohl, daß dergleichen Kerls immer den Teufel im Leibe haben. Will nur hurtig hinlaufen und einen Priester holen, damit der ihn austreibt.

Bei diesen Worten lief mir's ganz kalt übern Nacken, ich glaubte, die Inquisition hätte mich schon wieder beim Schopf, raffte daher den wenigen Überrest meiner Kräfte zusammen und schrie: Um aller Heiligen willen, erbarmt Euch mein. Endlich bekam der portugiesische Barbier wieder Herz, ging herauf, flickte meine Haut wieder zusammen; seine Frau ließ es auch an keiner Pfleg' und Wartung mangeln, so daß ich nach vierzehn Tagen wieder auf den Beinen war.

Der Barbier tat sich nach einem Dienst für mich um und brachte mich als Lakai bei einem Malteserritter an, der nach Venedig ging. Da ich aber von diesem meinem Herrn keine Zahlung erlangen konnte, so begab ich mich bei einem Venezianer Kaufmann in Dienst, welcher nach Konstantinopel reiste.

Eines Tages kam ich auf den Einfall, in eine Moschee zu gehn; es befand sich niemand weiter darin als ein alter Iman und eine junge Andächtige; ein gar niedliches Dingelchen, das ihr Paternoster hersagte. Ihr liebreizender Busen war ganz unverhüllt. Ein schöner Strauß von Tulpen, Rosen, Anemonen, Ranunkeln, Hyazinthen und Bergschlüsselblumen steckte zwischen den warmwallenden Marmorhügeln, die so stark hüpften, daß sie den Strauß auf die Erde fallen ließen. Ich flog hinzu, hob ihn auf und steckte ihn wieder vor mit einer sehr ehrfurchtsvollen Geschäftigkeit und Zärtlichkeit.

Beim Anordnen der Blumen bracht' ich so lange zu, daß der Iman in Harnisch geriet und um Hilfe rief, weil er sahe, daß ich ein Christ war. Man führte mich vor den Kadi, der mir hundert Schläge mit dünnen Röhrchen auf die Fußsohlen geben ließ. Ich ward grad' auf eben die Galeere und grad' auf eben die Bank geschmiedet, worauf sich der Herr Baron befand.

Auf der nämlichen Galeere waren vier junge Marseiller, fünf neapolitanische Priester und zwei Mönche aus Korfu, die uns versicherten, dergleichen wären Alltagsgeschichtchen. Der Herr Baron behauptete stets, ihm wäre weit größeres Unrecht widerfahren wie mir; ich aber behauptete, es sei weit erlaubter, einem jungen Frauenzimmer einen Strauß wieder vor den Busen zu stecken, als sich in puris naturalibus mit einem Sultans-Pagen allein zu befinden. Wir disputierten beständig und empfingen richtig alle Tage unsere dreißig Karbatschenstreiche, als Sie durch die Verknüpfung der Begebenheiten in dieser Welt auf unsre Galeere kamen und uns loskauften.

„Nun, liebster Panglos, blieben Sie noch immer bei Ihrem Satze, wie Sie gehängt, seziert, zerprügelt, Ruderknecht geworden waren? Hielten Sie noch immer diese Welt für die beste?" Noch immer! häng' ich fest an meiner ersten Meinung, sagte Panglos, denn mit einem Wort, ich bin Philosoph, und der läßt sein System nie fahren, überdies konnte Leibniz gar nicht unrecht haben, und zudem gibt's nichts Vortrefflicheres auf der Welt als die vorherbestimmte Harmonie wie auch Lehre vom Raum und von dem Unteilbaren der Natur.

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