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In der Dämmerstunde

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»Seitdem habe ich nur meiner Schwester gelebt. Schwester Rosa, wie ich sie stets nannte und nennen werde, war das einzige Glück meines Lebens, sie war mein Trost in Leid; kurz, mein einziger kostbarer Schatz. Ich lebte in diesem kleinen stillen Hause, wie in einem Paradiese, weil meine unschuldige, liebe und gute Schwester Rosa in meiner Nähe war. Nun kommt der Gemahl ihrer Wahl und entzieht sie mir. Ah, man muss fühlen, wie ich fühle, fürchten, wie ich fürchte, nur dann kann man beurteilen, was ich am Vorabende ihrer Verheiratung empfinde. Nachdem ich Ihnen dies nun Alles mitgeteilt, mein Herr, werden Sie sich vielleicht nicht mehr über meine Frage wundern. Sprechen Sie nun, wenn Sie wollen, ich habe nichts mehr hinzuzufügen.« Er seufzte bitterlich, ließ seinen Kopf auf die Brust sinken und die Hand, welche er Lomaque hingereicht hatte, fiel schlaff an seine Seite nieder.

Der Gutsverwalter war kein Mann des Zögerns, aber hier zögerte er doch; dann sagte er: »Nehmen wir an, dass Sie ihm Unrecht tun, würde das Zeugnis, welches ich abgeben könnte, wirklich stark genug sein. Ihre Annahme zu erschüttern, da sich der Verdacht gegen meinen Herren bei Ihnen nach und nach noch mehr befestigt hat? Nehmen wir an, mein Herr hätte wirklich – Lomaque zögerte – hätte wirklich seine kleinen Schwächen, das heißt, vergessen Sie nicht, ich stelle nur Hypothesen auf, und nehmen wir an, ich beobachtete dieselben und wäre geneigt, sie Ihnen mitzuteilen, welchen Zweck könnte das jetzt in den letzten Stunden vor der Hochzeit haben? Nun —«

Trudaine blickte plötzlich auf und sagte, »Sie haben Recht, Herr Lomaque, es ist zu spät, sich auf Andere zu verlassen, zu spät, um die Angelegenheit zu ändern. Meine Schwester hat gewählt und über den Gegenstand ihrer Wahl werden meine Lippen fortan schweigen. Die Zukunft mag Gott schützen. Was auch immer kommen mag, ich werde es männlich zu tragen wissen. Ich bitte Sie nun um Verzeihung! Herr Lomaque, denn ich fühle, ich hatte kein Recht zu fragen. Kommen Sie mit mir zu dem Hause zurück; ich werde Ihnen den Weg dahin zeigen.«

Lomaque’s Lippen öffneten sich zum Sprechen, allein er besann sich, verneigte sich und stand auf, um der Einladung zu folgen.

Trudaine legte den Weg schweigend zurück und der Verwalter folgte ihm in der Entfernung von einigen Schritten und flüsterte zu sich selbst: »Sein Vater war mein Erretter! – Hier bin ich nun? – Doch es ist zu spät zum Sprechen, zu spät zum Handeln, zu spät für jede Unternehmung in dieser Angelegenheit!« —

Nahe bei dem Hause begegneten sie dem alten Bedienten, welcher sagte, dass seine junge Herrin ihn eben nach den beiden Herren ausgeschickt habe, sie zum Kaffee zu holen, »und,« setzte er hinzu: »Fräulein Rosa hat den beiden Herren ihren Kaffee warm gestellt.« —

»Was?« sagte der Gutsverwalten »Fräulein Rosa hat sich die Mühe genommen, auch an mich zu denken?« Der alte Bediente blickte ihn verwundert an und selbst Trudaine blieb stehen, sah sich um und sagte: »Was ist denn da zu verwundern, meine Schwester ist stets aufmerksam auf die Bequemlichkeit und Genüsse Anderer.«

»Entschuldigen Sie mich, Herr Trudaine,« erwiderte Lomaque, »Sie haben ein ganz anderes Leben geführt als ich, sind nicht ein überall übersehener und vergessenen alter Mann, man hat Sie in der Welt aufmerksam behandelt, so ging es mir nicht! Es ist das erste Mal, dass eine junge feine Dame an mich denkt, dies erklärt wohl meine Überraschung!«

Trudaine machte keine weiteren Bemerkungen zu dieser Erklärung. Er wunderte sich nur ein Wenig, wunderte sich aber nach mehr, als er sah, wie Lomaque, als sie in das Zimmer traten, auf seine Schwester zu ging und sich für den aufgehobenen Kaffee bedankte, während Danville bei der Harfe beschäftigt war, ein Lied zu intonieren Rosa schien überrascht und hätte ihm beinahe ins Gesicht gelacht für feinen Dank, so natürlich fand sie das, was sie getan hatte. Madame Danville saß an ihrer Seite und berührte den Arm des Verwalters mit ihrem Fächer.

»Schweigen Sie doch, mein Sohn wird singen!« sagte sie.

Lomaque machte eine tiefe Verbeugung, zog sich in eine Ecke zurück und fing an, die Zeitung zu lesen. Wenn Madame Danville das Gesicht Lomaque’s beobachtet hätte, als er sie verließ, mochte sie wohl in ihrem aristokratischen Stolze stark gekränkt gewesen sein.—

Danville hatte den Gesang beendet und stand nun neben seiner Braut und flüsterte mit ihr; Madame Danville warf dann und wann ein Wort dazwischen; Trudaine saß und las in einem Briefe, welchen er aus seiner Tasche gezogen hatte, als Lomaque, der noch immer über den Zeitungen saß, einen Ausruf der Verwunderung hören ließ.

Aller Augen richteten sich auf ihn. »Was gibt es?« fragte Danville ungeduldig.

»Werde ich Sie vielleicht stören, wenn ich erkläre?« fragte Lomaque, zu der alten Dame gewendet.

»Sie haben uns schon gestört,« antwortete diese, »Was haben Sie also?«

»Es ist eine Stelle über eine Wissenschaft, die mir stets ein reges Interesse verursachte,« sagte Lomaque »und die noch besonders dazu geeignet ist, Jeden der hier Anwesenden zu interessieren « Und er las:

»Akademie der Wissenschaften zu Paris.

»Die unbesetzt gewesene Stelle eines Professors der Chemie ist zu unserer Freude einem Manne zu Teil geworden, dessen bescheidene Zurückgezogenheit daran Schuld ist, dass die Welt seine Verdienste noch nicht allgemeiner kennt. Den Mitgliedern der Akademie der Wissenschaften ist er indes schon lange als der Verbesserer der merkwürdigsten Erzeugnisse der Chemie vorteilhaft bekannt. Kein Mann ist mehr geeignet, alles Dasjenige zu erfüllen, was eine so hervorragende und bedeutende Stellung wie diese, erfordert als der ernannte Herr – Louis Trudaine.«

Bevor Lomaque beobachten konnte, welchen Eindruck die Zeitungsnachricht auf die Anwesenden hervorgebracht hatte, war Rosa ausgestanden und küsste ihren Bruder herzlich ab.

»Teurer Louis,« rief sie aus, »lass mich die Erste sein, die Dir zu diesem Posten gratuliert! Wie stolz und erfreut bin ich über diese Nachricht! Du nimmst doch die Professur an?«

Trudaine hatte den Brief, den er gerade las, schnell in seine Tasche gesteckt und indem er die Hand seiner Schwester in die seinige nahm sagte er: »Ich habe es mir noch nicht überlegt, Schwester Rosa, frage mich jetzt noch nicht danach.« Und eine plötzliche Traurigkeit zog über sein Gesicht, als er seine Schwester wieder zu ihrem Stuhl zurück geführt hatte.

»Bitte, ist eine Professor-stelle geeignet, gut davon zu leben, z.B. wie ein Edelmann?« fragte Madame Danville, ohne ein besonderes Interesse für diese Nachricht an den Tag zu legen.

»Gut nicht,« erwiderte ihr Sohn, sarkastisch lachend. »Ein solcher Professor muss arbeiten und sich nützlich zu machen suchen, welcher Edelmann gibt sich dazu her?«

»Charles,« rief die alte Dame verweisend aus.

»Bah!« antwortete ihr Sohn und drehte ihr den Rücken. »Doch genug von der Chemie! Da Sie einmal angefangen haben zu lesen, Lomaque, was gibt es denn Neues von Paris? Sind keine Nachrichten über die Revolution darin?«

Lomaque wendete das Zeitungsblatt um. »Schlechte, sehr schlechte Nachrichten sind darin! Man kann die Ruhe nicht wieder herstellen,« sagte er. »Necker, der Volksminister ist abgesetzt. An allen Ecken von Paris sind Plakate, welche die Volksversammlungen verbieten. Die Schweizergarde ist mit vier Stück Geschütz nach den Champs Elysées beordert. Mehr ist noch nicht bekannt, aber man fürchtet das Schlimmste. Der Bruch zwischen Aristokratie und Volk wird von Stunde zu Stunde größer.«

Nun hielt er an und legte die Zeitung nieder. Trudaine nahm das Blatt und überflog die eben gelesenen Sätze noch ein Mal.

»Bah,« rief Madame Danville aus, »wenn die Schweizergarde ihre Geschütze auf das Volk feuert, so ist es tot und man hört nie wieder ein Wort darüber!«

»Ich glaube, Du irrst Dich Mutter,« sagte der Sohn.

»Es gibt mehr Volk in Paris, als wie die 158 Schweizergarde zusammenzuschießen vermag. Die Aristokraten mögen nur ihre stolzen Köpfe steif halten, denn man weiß eigentlich noch nicht, woher der Wind weht. Wer weiß, ob ich mich nicht in diesen Tagen vor dem König »Volk« so verbeuge, wie einst vor Louis XV.«

Er lachte als er geendet hatte und öffnete seine Schnupftabacksdose, um eine Priese zu nehmen; aber seine Mutter sprang ganz entrüstet von ihrem Sitze auf und sagte: »Ich kann Dich nicht hören! Du bringst mich in Verzweiflung mit Deinem Hohn! Wie kann mein Sohn, den ich erzogen habe und den ich liebe, eine solche Sprache führen? Ist das der Lohn dafür, dass ich gegen alle Regeln der Etiquette einen Tag vor der Hochzeit hier her gekommen bin? Doch jetzt breche ich auf, ich bleibe nicht hier! Die Hochzeit muss bei uns stattfinden, so gehört es sich, bei der Familie des Bräutigams! Du stehst mich nicht wieder, bis Du zur Kirche gehst. Justin, den Wagen! Lomaque, meine Kopfbedeckung! Dank für Ihre Gastfreundschaft! Fräulein, kleiden Sie sich morgen hübsch; Bedenken Sie, dass Sie die Braut meines Sohnes sind! Justin, Du Vagabund, wo ist mein Wagen? Du abscheulicher Dummkopf, wo ist die Kutsche? Ich will nach Ruoen zurück!« So tobte die Alte.

»Meine Mutter sieht gut aus, wenn sie in Wut kommt, Rosa, nicht wahr?« fragte Danville, und schnupfte ruhig weiter, während die alte Dame aus dem Zimmer segelte.

»Warum bist Du so erschrocken, meine Liebe?« fragte er und nahm ihre Hand. »Meine Mutter hat die schwache Seite, stolz zu sein; so lange man diese nicht verletzt, ist sie sanft wie eine Taube. Mache mir doch ein freundliches Gesicht, Rosa! Sende mich nicht diese Nacht so von Dir!« Dann bückte er sich und flüsterte seiner Braut Etwas zu, was ihr das Blut in die Wangen trieb.

»Ah, wie sie ihn liebt! Wie heiß sie ihn liebt,« sagte ihr Bruder, der sie von einer Ecke des Zimmers aus beobachtete, als er sah, wie ihre Augen glänzten, als Danville ihre Hand küsste

 

Lomaque hatte die Zornausbrüche der alten Frau ruhig mit angehört und die Szene zwischen Mutter und Sohn mit sarkastischem Lächeln begleitet.

Nachdem er sich erhoben, grüßte er Rosa mit einer Art Grazie, die seltsam zu seinem faltigen sarkastischen Gesicht passte, und reichte ihrem Bruder die Hand mit den Worten: »Als wir heute zusammen auf der Bank saßen, nahm ich Ihre Hand nicht an, jetzt biete ich Ihnen aber die meinige!« – Trudaine nahm sie schweigend, aber der alte Lomaque setzte hinzu: »In einigen Tagen werden Sie Ihre Ansicht über mich ändern!« Dann verneigte er sich noch einmal vor der Braut und ging hinaus. Nachdem Alle fort, und Bruder und Schwester allein waren, mochten beide wohl denken: »Dies ist die letzte Nacht, die wir unter einem Dach allein verleben!«

Rosa brach das Schweigen zuerst und sagte: »Ich bin recht besorgt, wie es dem armen Charles gehen wird, glaubst Du, dass seine Mutter ihm sehr böse sein wird?«

»Ich finde, dass seine Mutter Recht hat, mit seiner Unart und Rücksichtslosigkeit für sie, unzufrieden zu sein!« erwiderte der Bruder.

»Ach Louis,« sagte die Braut, »könnte ich Dich doch lehren, meinen Charles mit meinen Augen zu betrachten. Ich fühle, Du liebst ihn nicht.«

»Du wirst es mich lehren, Rosa, Du wirst es!« antwortete Louis Trudaine, dabei legte er seinen Arm um die Schwester und führte sie zu einem Stuhl, denn er sah, dass ihre Augen mit Tränen gefüllt waren.

»Meine nicht, süße Rosa,« setzte er hinzu. »Morgen ist Dein Hochzeitstag und Du sollst nicht mit vermeinten Augen Deinen Ehrentag feiern.« – Es wurde an die Tür geklopft und die Dienerin erschien, um sich noch Befehle für den bedeutungsvollen Tag zu holen. Es war eine sehr geeignete Unterbrechung, denn jetzt war das junge Mädchen reichlich beschäftigt mit dem Anordnen, und ihr Bruder zog sich nun auch in sein Studierzimmer zurück.

Er setzte sich recht gedrückten Herzens an sein Schreibpult und breitete den Brief der Akademie der Wissenschaften vor sich aus.

Nachdem er Alles noch einmal überlesen hatte, blieben seine Augen an einer Stelle haften, die lautete: »Während der ersten drei Jahre Ihrer Anstellung sind Sie jedoch verpflichtet, neun Monate in oder nahe bei Paris zu leben, um die Arbeiten des Laboratoriums nicht aus den Augen zu verlieren.«

Immer hatte er es sich gewünscht, seine Forschungen mit größeren Mitteln unterstützen zu können, jetzt war ihm durch dieses Anerbieten das ganze große pariser Laboratorium mit allen seinen Apparaten erschlossen und – er zögerte doch die Stelle anzunehmen, weil er gezwungen war, seiner Schwester, während neun Monate des Jahres, fern zu sein. – Und doch war er ihres Glückes und ihrer Ruhe so sehr unsicher, nach dem was er für ihren Verlobten fühlte.

Er zögerte noch fünf Minuten unentschlossen, ob er die Stellung annehmen oder ablehnen sollte. – Immer aber trat das leidenschaftliche Weib, die nun die Schwiegermutter seiner Schwester werden sollte, und der junge Mann, der ihr natürlicher Beschützer fortan sein würde, vor seine Augen. – Er nahm ein leeres Blatt Papier aus dem Tischkasten, tauchte die Feder ein und sagte: »Nein, ich nehme die Professur nicht an! Eingedenk der letzten Worte meiner Mutter will ich lieber meinen Lieblingsstudien diese schöne Aussicht versagen und nur meiner Schwester leben.« Er schrieb, siegelte den Brief und steckte ihn dann gleich in den Postbeutel, der in der Nähe des Tisches lag. Bei der letzten Handlung zögerte er indes doch ein wenig und er zog den Brief wieder heraus mit den Worten: »Guter Rat kommt über Nacht! Ich will mit der Absendung des Briefes doch bis morgen warten,« dann steckte er ihn in seine Tasche und verließ schnell das Laboratorium. «

Zweites Kapitel

Der Morgen kam und mit ihm der wichtige Tag, an welchem Rosa Trudaine und Charles Danville das Ehegelübde aussprechen sollten. Und es wurde ausgesprochen! – Rosa war nun das Weib Danville’s.

Der Tag war köstlich und Madame Danville, die Mutter, war zufrieden mit Allem, selbst die Braut hatte ihr gefallen; denn sie führte sie nach der Zeremonie in eine Ecke des Zimmers und sagte ihr: »Du bist ein gutes Mädchen, und hast meinem Sohn Ehre gemacht, ja, Du hast mir gefallen! Jetzt gehe aber und kleide Dich für die Reise um, und rechne so lange auf meine Zuneigung für Dich, wie Du Dich bemühst, meinen Sohn glücklich zu machen.«

Es war nämlich beschlossen, dass das junge Paar zunächst nach der Bretagne reisen, dort einige Wochen bleiben und dann auf dem Landsitz Danville’s, bei Lyon, Wohnung nehmen sollte. Das Abschiednehmen ging auch vorüber und nachdem der Wagen fort war und Trudaine ihm noch lange nachgeblickt hatte, ging er schnell seinem kleinen Hause zu.

Der Staub des Reisewagens war lange fortgewirbelt, als Herr Lomaque noch immer an dem Gitter vor dem Hause stand und dem Paar nachzusehen schien; Dann nickte er mit dem Kopfe, rieb eine Handfläche mit der andern und sagte traurig: »Armes Mädchen, armes Mädchen!« Aber er kehrte sich bei diesen Worten um, denn es kam Jemand aus dem Hause. Es war der Postbote mit einem Briefe in der Hand und dem Postbeutel unter dem Arm.

»Keine Neuigkeiten von Paris, Freund?« fragte Lomaque.

»Seht schlechte, Herr,« lautete die Antwort. »Desmoulins hat in dem Palais Royal zu dem Volke gesprochen. Man fürchtet einen Aufstand.«

»Nur einen Aufstand,« wiederholte Lomaque sarkastisch »Wie gutmütig die Regierung ist, dass sie nichts Schlimmeres fürchtet! Haben Sie Briefe?«

»Nein,« antwortete der Postbote, »keine für das Haus nur einen, den ich abzugeben habe, erhielt ich eben hier.«

Lomaque sah nach dem Briefe, den der Bote in der Hand hielt und las die Adresse, die an die Akademie der Wissenschaften zu Paris gerichtet war. —

»Ich bin neugierig ob er die Stelle annimmt, oder ablehnt?« sagte der Gutsverwalter, nickte dem Postboten zu und ging ins Haus.

An der Tür begegnete ihm Trudaine, welcher ihn fragte, ob er mit Madame Danville nach Lyon zurückzukehren gedachte

»Ja,« entgegnete Lomaque, »noch heute.«

»Würden Sie mir vielleicht in oder bei Lyon eine sogenannte Junggesellen-Wohnung mieten, Herr Lomaque?« fragte Trudaine.

Bevor der alte Mann Etwas entgegnen konnte, war Trudaine schnell in das Haus zurückgegangen.

»Ah, Herr Trudaine, jetzt weiß ich, woran ich bin, die Professur ist nicht angenommen! Er will in der Nähe seiner Schwester bleiben,« sagte Lomaque zu sich selbst, dann machte er eine Pause, biss sich in die Lippen und fuhr fort: »Der Himmel ist zwar heute am Hochzeitstage klar und heiter gewesen, aber die Wolken an dem Ehestandshimmel werden nicht ausbleiben; kann ich, so werde ich sorgfältig das Wetter beobachten.«

Zweiter Theil

~~~~~~~~~~~

Erstes Kapitel

Fünf Jahre sind seitdem vorüber gegangen, dass Herr Lomaque vor dem Hochzeitshaus seine Betrachtungen anstellte. Große Veränderungen waren in der Welt vorgegangen, die größten an dem politischen Himmel Frankreichs.

Was vor fünf Jahren nur ein Ausstand war, war nun zur Revolution herangewachsen, die mächtig Throne, Ansehen und Reichtümer erschüttert hatte. Der Resident jener Zeit hieß Schrecken; sein blutigstes Kleid trug er im Jahre 1794.

Herr Lomaque war auch nicht mehr Gutsverwalter, sondern er war öffentlicher Beamter geworden und saß eben in seinem Dienstzimmer. Es war gerade wieder so ein prächtiger Sommerabend als damals an den Ufern der Seine. Die Fenster des Zimmers standen offen und der Abendwind wehte sanft in das Zimmer. Jedoch Lomaque atmete so schwer, als drücke die Mittags-schwüle auf ihn, sein Gesicht blickte zuweilen ängstlich durch das Fenster auf die Straße.

Die Zeit war zwar ernst genug, eines Mannes Gesicht traurig zu machen. Denn wer konnte in jener Schreckenszeit wohl sicher sein, dass ihm nicht jeder neue Morgen Verrat, Gefangenschaft, Tod bringen würde? Doch Lomaque hatte andere Sorgen. Vor ihm auf dem alten Schreibtische lagen große Stöße Papier; eben hatte er einige Bogen aufgenommen und gelesen, was er las führte seine Gedanken nach dem Landhaus an dem Ufer der Seine zurück.

Schneller als Jedermann es erwartet, hatten sich die politischen Verhältnisse umgestaltet, aber noch schneller waren die Veränderungen für die Privatverhältnisse unserer Bekannten aus dem ersten Teile dieser Erzählung umgestaltet worden. Der Gemahl Rosa’s bemühte sich nicht lange, seiner jungen Frau seinen wahren Charakter zu verbergen. Erst wurde er rücksichtslosen dann vernachlässigte er sie, dann folgten kleine Beleidigungen, die schließlich in Grobheiten übergingen. Die Arme wäre ohne ihres Bruders selbstverleugnende Liebe sicher elend und hilflos geworden.

Als die öffentliche Sicherheit gefährdet war, fand Danville noch andere Beschäftigungen, als sein junges Weib zu quälen, denn er fürchtete, dass er durch die Ansichten seiner Mutter den Revolutionsmännern in die Hände fallen würde. Die alte Dame war ihren Ansichten treu geblieben und durch alle Schrecken der Tage war sie überzeugt, dass die Zeit des alten Regiments wiederkehren würde.

Jahre gingen so vorüber und Danville sah besorgt in die Zukunft. Es war dies eine Zeit, wo der Bruder den Bruder fürchtete. Da man Danville als ränkevoll kannte, so war er als verdächtig bezeichnet; er hätte dies zwar nur den unbedachten und hochmütigen Äußerungen seiner Mutter zuschreiben sollen, allein er glaubte, dass Lomaque es sei, der ihn verdächtigte, und der Gutsverwalter wurde entlassen.

In früheren Zeiten würde ein solches Opfer des Zornes ruiniert gewesen sein, jetzt aber nahm die Commune freudig die entlassenen Diener der großen Herren in ihren Dienst. Lomaque war arm, verschwiegen, nicht zu gewissenhaft, ein sehr guter Patriot, besaß Ehrgeiz und den Heldenmut der Katze; mit diesen Eigenschaften ausgerüstet, ging er nach Paris und hatte auch das Glück, bald einen Posten bei der geheimen Polizei zu finden. Inzwischen mäßigte sich der Ärger und der Zorn Danville’s und er beschloss, seinen alten Verwalter zurückzurufen; allein es war zu spät. Lomaque war nun schon in der Lage, dass er seines Herrn Misstrauen damit vergelten konnte, dessen Haupt unter die Guillotine zu bringen. Danville erhielt anonyme Briefe, welche ihn warnten, keine Zeit zu verlieren, um seinen Patriotismus an den Tag zu legen; ferner möge er seiner unvorsichtigen Mutter Schweigen gebieten, wenn sie nicht ihr Leben verlieren wollte.

Danville wusste sehr gut, dass es zu seiner eigenen Rettung, wie für die seiner Mutter, nur den einzigen Weg gebe, sie aus Frankreich zu schicken.

Wahrscheinlich hätte die Alte ihr Leben eher zehn Mal hingegeben, als auszuwandern, aber ihren Sohn liebte sie doch viel zu sehr, als dass sie den Mut gehabt hätte, ihn auch in Gefahr zu bringen und sie beschloss auf seinen Vorschlag, zu emigrieren, einzugehen; allein sie wollte wissen, was ihr Sohn nun über sich beschlossen habe.

Er zeigte ihr einen Brief, aus welchem sie ersah, dass er Robespierre seine Dienste anbot, um sich als Patriot zu dokumentieren Dies genügte der alten Frau und sie reiste nun getröstet, über Marseille in Begleitung einer Dienerin ins Ausland.

Die Absendung dieses Briefes nach Paris war eigentlich nur ein Art der Großprahlerei Danville’s und es traf ihn wie ein Donnerschlag als die Antwort eintraf, er werde in Folge seines Anerbietens nach Paris gerufen, um seinen Dienst unter der gegenwärtigen Regierung anzutreten. Da galt es nun zu gehorchen, denn es war kein anderer Ausweg mehr möglich. Er ging also nach der Hauptstadt und nahm seine Frau mit sich an den Hauptherd der Gefahren.

Mit Louis Trudaine war er in offener Feindschaft und je mehr jener sich um seine Schwester beunruhigte, je mehr belustigte Danville sich. Treu seiner Liebe und Freundschaft, folgte ihr aber auch ihr Bruder nach Paris. Die Tage der Schreckenszeit halfen denn aber auch den Geschwistern wieder zur Vereinigung. Danville trat seinen neuen Posten sehr ängstlich an, umso mehr da er bald erfuhr, dass es eine Beamtenstelle der geheimen Polizei sei, wo auch Lomaque als Chef-Agent angestellt war. Robespierre kannte seine Leute, er wusste, Danville hatte Geld und Platzkenntnisse, und so musste er sich sehr nützlich machen können, wenn er wirklich ein so guter Patriot war, wie er zu sein vorgab. Außerdem wurden gewöhnlich entlassene Privatbeamte im Dienste der Regierung über ihre ehemaligen Prinzipale gesetzt, denn wer konnte sie wohl besser kontrollieren, als die, welche Gelegenheit gehabt hatten, die Schwächen ihrer Brotherren zu studieren? —

Immer dunkler und trüber wurde das Gesicht Lomaque’s, den wir vor seinem Schreibpulte in der Amtsstube verließen, als er über die fünf vergangenen Jahre nachdachte.—

Der benachbarte Kirchturm zeigte die siebente Abendstunde an und entriss ihn seinem Nachdenken. Er ordnete die Papiere vor sich, blickte dann nach der Tür, als erwarte er, dass Jemand eintrete; da aber alles still bliebe nahm er dasselbe Papier noch einmal in die Hand, welches er vorhin schon so lange geblickt hatte. Die wenigen Zeilen waren in Ziffern geschrieben und lauteten:

 

»Sie sind benachrichtigt, dass Ihr Oberaufseher Danville die Erlaubnis erhielt, in Lyon einige Geschäfte zu ordnen und dass er erst in ein oder zwei Tagen zurückerwartet wird. Während seiner Abwesenheit beschleunigen Sie die Angelegenheit Trudaine’s und halten Sie sich in Bereitschaft, zu handeln. Jetzt lassen Sie Alles, bis Sie wieder Etwas von mir gehört hoben. Sollten Sie etwas Besonderes über Danville wissen, so senden Sie es mir in meine Wohnung. Ihren Original-Brief habe ich verbrannt.« —

Hier endigte die Schrift. Lomaque steckte das Papier in seine Tasche und seufzte. Das war ein seltenes Zeichen bei ihm.

Plötzlich hörte er Jemand an der Tür und es erschienen acht bis zehn Mann von der »Neuen französischen Inquisition«, die sich längs der Mauer aufstellten.

Lomaque winkte Zweien von ihnen und sagte: »Picard, und Magloire setzen Sie sich an das Schreibpult. Ich bedarf Ihrer, wenn die Anderen abgefertigt sein werden.« Dann händigte er den anderen Männern Pakete, Briefe und verschiedene Papiere ein, die diese schweigend nahmen und sich dann empfahlen. Uneingeweihte hätten vielleicht angenommen, dass es Rechnungen seien, die zum Einkassieren übergeben wurden. Wer konnte auch glauben, dass diese Stückchen Papier Arrest-Befehle, Denunziationen, Todeswarnungen und ähnliche schreckliche Dinge enthielten?

»Nun,« sagte Lomaque, indem er sich zu den zwei Männern wandte, »haben Sie die bewussten Notizen erhalten?« die Männer bejahten »Sie, Picard, sind mit Trudaine’s Privatangelegenheiten betraut. Lesen Sie zuerst.«

Picard zog ein Blatt aus seiner Tasche und las: »Einzelnes über Louis Trudaine, verdächtigt durch den öffentlichen Beamten Danville der Feindschaft der heiligen Sache der Freiheit und der Verachtung der Volkssouveränität. 1. Die verdächtigte Person ist nun überwacht und ihre Handlungen werden aufgezeichnet Louis Trudaine ist zwei Mal in der Nacht gesehen worden, wie er von seinem eigenen Hause nach einem Hause in der Rue der Cléry ging. In der ersten Nacht hatte er Geld bei sich, in der zweiten Papiere. – Er kehrte stets ohne das Mitgebrachte nach Hause zurück. Diese Handlungen sind von einem Manne beobachtet worden, der im Haushalte Trudaine’s angestellt ist, ein Diener aus der Zeit der Tyrannen. Wir können uns dieses Menschen bedienen, die Handlungen Trudaine’s zu überwachen, denn er ist ein guter Patriot. 2. Das Haus in der Rue de Cléry ist zahlreich bewohnt, die Bewohner sind jedoch nicht genug kontrolliert Man kann die Personen, welche Trudaine besucht, nicht so leicht ermitteln, wenn man nicht einer Arrest-Befehl zur Seite hat. 3. Ein solcher Befehl schüchtert die Bewohner jenes Hauses ein und macht sie aufmerksam auf ihre Nachbarn. 4. Der Bürger Danville verlässt Paris für einige Zeit und der Dienst, Trudaine zu überwachen, ist nun von dem Unterzeichneten in die Hände Magloire’s, seines Kameraden gelegt.«

Die Unterschrift lautete: »Picard. Unterschrieben und beglaubigt. Lomaque.«

Nachdem er dieses gelesen, legte der Polizei-Agent das Papier auf den Tisch vor sich. Da er keine weiteren Befehle erhielt, stand er auf und ging hinaus. Lomaque wechselte dabei nicht einen Zug in seinem Gesicht; ja, er klopfte noch immer gleichmäßig mit seinen Fingern leise auf den Schreibtisch vor sich, als er fast mechanisch dem andern Agenten zu lesen befahl. Dieser trug mit trockenem Geschäftston das Folgende vor:

»Einzelnes in der Angelegenheit Trudaine’s. Der Bürger Agent ist beauftragt, Trudaine zu überwachen und meldet 1., dass Trudaine noch einen dritten geheimnisvollen Besuch in der Rue de Cléry machte. Die Maßregeln, welche getroffen wurden, setzten uns in den Stand, noch eine zweite Person zu verdächtigem es ist dies die Schwester Trudaine’s, die Gattin des Bürger-Beamten Danville’s.«

»Armes verlorenes Geschöpf!« seufzte Lomaque und lehnte sich in seinen Armsessel zurück. Magloire war nicht daran gewöhnt, dass seine Berichte von Seufzern begleitet wurden, und er blickte höchst erstaunt in die Höhe. »Gehen Sie weiter, Magloire!« rief Lomaque plötzlich erzürnt. »Wer, zum Teufel! hieß Sie inne halten?«

»Ich lese, Bürger!« entgegnete der Polizei-Agent und fuhr fort: .

»Es ist bei Trudaine, wo die Gattin Danville’s geheime Unterredungen mit ihrem Bruder hat. Dieselben geschehen in flüsterndem Tone, man kann also Einiges überhören. Die Schwester muss indes gewarnt sein, denn die Zusammenkünfte finden erst in neuerer Zeit in der Rue de Cléry statt, sie geht stets erst nach ihrem Bruder in ihre eigene Wohnung zurück. 3. Während die sorgfältigsten Maßregeln genommen sind, das Haus in der Rue de Cléry zu überwachen, haben wir in Erfahrung gebracht, dass sein Besuch zu einem Gastwirte Namens Dubois, der in jener Straße in dem bezeichneten Hause im vierten Stocke wohnt, geht. Als Trudaine dort anwesend war, konnte man nicht durch irgend einen Vorwand in das Zimmer der Eheleute eindringen. Ein Polizei-Agent ist beordert, den Platz zu bewachen. 4. Der Gastwirt ist arretiert Er behauptet, nichts über seine Mieter zu wissen. Jedoch ist es verdächtig, dass Bürger und Bürgerin Dubois falsche Reisepässe haben. Wahrscheinlich wollten sie aus Frankreich entfliehen. 5. Trudaine und seine Schwester stehen unter fortwährender Polizeiaufsicht. Der Unterzeichnete erwartet weitere Befehle.

Magloire.

Unterzeichnet: Lomaque.«

Nachdem der Beamte gelesen, legte er das Schriftstück auf den Tisch nieder; da er aber auch vergeblich auf weitere Befehle gewartet hatte, wie sein Vorgänger, stand er ebenfalls schweigend von dem Stuhle auf. »Wenn Bürger Danville nach Paris zurückkommt, wird er sehr überrascht sein, dass er durch die Denunziation seines Schwagers auch gleichzeitig seine eigene Frau in Gefahr brachte?« bemerkte Magloire, noch an der Tür

»Freund Magloire, Ihre Bemerkung klingt wie eine Frage,« sagte Lomaque; »aber merken Sie sich, ich beantworte niemals solche Fragen. Wenn Sie genau wissen wollen, warum Bürger Danville seinen Schwager und somit auch sein Weib anzeigte, so gibt dies eine vortreffliche Beschäftigung für Sie, Bürger, nach Ihren Dienststunden.«

»Ist sonst noch Etwas zu befehlen?« fragte der Beamte.

»Nein, dienstlich nichts mehr, aber ich habe doch Etwas für Sie in Bereitschaft. Setzen Sie sich an das andere Schreibpult Ich habe Sie recht gern, nur fragen Sie nicht!«

Während der Bürger Beamte dieser Aufforderung Folge leistete, zog Lomaque sein Notizbuch hervor und las darin mit Aufmerksamkeit.

Es trug die Überschrift: »Privat-Instruktionen bezüglich Danville’s«, und lautete:

»Der Unterzeichnete lebte lange in dem Hause Danville’s und gibt die Beweggründe an, welche Danville zu der Denunziation seines Schwagers und seiner eigenen Frau geleitet haben mögen. Tatsachen sind: Louis Trudaine widersetzte sich erst, dass Danville seine Schwester heirate; die Hochzeit fand indes doch statt. Danach machte es sich der Bruder zur Aufgabe, das Glück seiner Schwester zu bewachen; er blieb stets in ihrer Nähe. Er ist ein Mann von seltener Entschlossenheit, Geduld und Langmut Er gab seinem Schwager nie Gelegenheit zur Unzufriedenheit oder zum Streite. Er legte ihm im Allgemeinen nie Etwas in den Weg, noch war er ihm bei Unternehmungen hinderlich: deshalb ist also uns begreiflich, weshalb Danville seinen Schwager anklagte. Die Angelegenheit ist also sehr geheimnisvoll«

Lomaque las diese Zeilen bis zu seiner eigenen Unterschrift. Sie waren der Inhalt jenes Papiers, welches er fortlegte, als die Beamten eingetreten waren. Er hatte das Ganze auf ein neues Stück Papier übertragen und wollte es eben siegeln, als an die Tür geklopft wurde. »Herein!« rief er erzürnt, und es nahte sich ihm ein Mann im Arbeiterkleide, welcher ganz und gar mit Staub bedeckt war. Er sagte Lomaque einige Worte leise ins Ohr und ging wieder. Lomaque öffnete noch einmal das Geschriebene und schrieb unter die Unterschrift: »Ich erfahre soeben, dass Danville schon in dieser Nacht hierher zurückkehrt.«

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