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In der Dämmerstunde

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»Der Hof wünscht Ihre Aussagen zu hören, Rosa Danville,« hob der Präsident wieder an.

Obgleich bleich wie der Tod und mit zitternder Stimme begann die junge Frau:

»Ich werde dem Beispiele meines Bruders folgen und mein Geständnis so offen ablegen, wie er das seinige ablegte. Ich wünsche keine Rettung, wenn für ihn keine zu erwarten ist. Wohin er geht, wenn er diese Stelle hinterlässt, dahin werde ich ihm folgen; was er leidet, will ich erleiden; stirbt er, so wird Gott mir verzeihen, wenn ich mutig mit ihm sterbe.« Sie hielt einen Augenblick im Sprechen ein und wandte sich halb zu ihrem Bruder, dann fuhr sie fort: »Er teilte mir eines Tages mit, dass er die Mutter meines Mannes als arme Frau verkleidet, in Paris gesehen habe. Wir glaubten, sie habe Paris lange verlassen und zwar schon früher, bevor wir hierher kamen. Sie erzählte jedoch meinem Gatten, dass sie mit der, Hilfe eines treuen Dieners nur bis Marseille gekommen sei; als sich ihr dann Hindernisse in den Weg gestellt hätten, sei sie hierher zurückgekehrt, dieses Hindernis als eine Warnung des Himmels betrachtend, dass sie ihren Sohn nicht verlassen möge und so nahm sie den Namen ihres Dieners an, und lebte hier in strengster Zurückgezogenheit, ohne dass ihr Sohn von ihrem Aufenthalte Kenntnis hatte. Mein Bruder warnte sie, aber sie hörte nicht auf ihn. Ich bat, dass mein Bruder sie noch einmal auf das Gefährliche ihrer Lage aufmerksam machen möchte. Ich hoffte mir dadurch meines Mannes Liebe wieder zu erobern, und gleichzeitig meinen Mann und meinen Bruder zu versöhnen, wenn letzterer die Mutter aus Paris zu gehen bereden könnte.

»Mein Bruder hat Alles für mich und mein Interesse gewagt, gönnen Sie mir nun auch, dass ich wenigstens seine Strafe teilen darf,« schloss die junge Frau mit tränenden Augen.

Das Publikum hatte Rosa schweigend zugehört und schwieg auch noch still als sie geendigt hatte.

Der Präsident sah seine Kollegen an und schüttelte dann sein Haupt nachdenklich.

Die Aussage der weiblichen Gefangenen vervollständigt die Angelegenheit sehr ernst, sagte der Präsident.

»Ist Jemand hier anwesend, der zusagen weiß, wo die Mutter des Ober-Aufsehers Danville und ihr Diener jetzt verweilen?« fragte er.

Lomaque trat zu dem Präsidententisch und sagte: »Ich habe einen Bericht erhalten, wo die Mutter des Ober-Aufsehers Danville und ihr Diener jetzt verweilen.«

»Wo sind sie?« fragte der Präsident.

»Sie und ihr Diener sind bei Köln gesehen worden, aber seitdem sie in Deutschland sind, ist es unmöglich ihnen weiter nachzuforschen.«

»Wissen Sie etwas Näheres über die Ausführung des alten Dieners während seiner Anwesenheit hier?« fragte der Präsident.

»Ja, er war kein Mensch, der verdächtig erschien. Er scheint seine Anhänglichkeit und Arbeit nur der einen Person, der er diente, zu widmen.«

»Haben Sie Grund anzunehmen, dass Bürger Danville Mitwisser der Abreise seiner Mutter von Paris ist?«

»Das weiß ich nicht! Aber es kann ermittelt werden, wenn ich Zeit erhalte, mich mit Persönlichkeiten in Lyon und Marseille darüber zu verständigen.«

In diesem Augenblick kam Danville ins Zimmer zurück und schritt auf den Tisch zu. Chef und Ober-Aufseher blickten sich einen Moment fest einander an.

»Er hat seine Geistesgegenwart wieder gefunden, die bei der Aussage Trudaine’s von ihm gewichen war,« sagte Lomaque zu sich selbst.

»Bürger-Präsident,« fragte Danville, »ich erlaube mir die Frage, ob Jemand während meiner Abwesenheit meine Ehre anzugreifen wagte?«

Er sprach vollkommen ruhig, wagte aber Niemand anzusehen, sondern blickte auf die grüne Tischdecke vor sich hin.

»Die weibliche Gefangene hat Geständnisse gemacht, die sich hauptsächlich auf ihren Bruder und sie selbst beziehen,« antwortete der Präsident, »hat aber auch zufällig erwähnt, dass Ihre Mutter, gegen das Gesetz der Republik, aus Frankreich ausgewandert ist. Dieser Teil der Aussage dürfte Sie nun auch wohl ernst verdächtigen.«

»Sie sollen mich nicht länger verdächtigem und auf meine eigene Gefahr bekenne ich, dass ich es gewusst habe, als meine Mutter Paris zum ersten Male verließ.« Diese Worte begleitete Danville mit theatralischen Gebärden seiner Arme.

Zischen und Geschrei aus der Menge folgte diesem Geständnis Erst blickte er verwirrt um sich, dann aber sagte er: »Bürger, Ihr habt das Geständnis meines Fehlers vernommen, jetzt hört aber auch von dem Opfer, welches ich dafür auf den Altar des Vaterlandes niedergelegt habe.«

Er wartete mit der weiteren Aussage bis der Secretair des Tribunals seine Worte niedergeschrieben hatte.

»Schreiben Sie sorgfältig jedes meiner Worte auf, Bürger,« fuhr er fort; »denn Leben und Tod hängt an meiner Aussage.«

Der Secretair nickte, dass er zum Schreiben bereit sei, tauchte seine Feder ein und wartete.

»In dieser Zeit des Ruhmes und der Prüfungen für Frankreich,« hob Danville feierlich an, »hat fast jeder gute Bürger sein Privatwohl und seine Familieninteressen, denen des Vaterlandes untergeordnet.

»Bei dem ersten Versuche den meine Mutter, Frankreich zu verlassen, machte, brachte ich dem Vaterland das herrische Opfer, welches der wahre Patriotismus erfordert. Meine Lage war noch fürchterlichen als die des Brutus, der seinen eigenen Sohn aus Vaterlandsliebe verurteilte – Ich hatte nicht die Kraft und den Mut des alten Römers, um ein Gleiches zu tun Ich fehlte, Bürger, fehlte wie Coriolan, als dessen erhabene Mutter ihn um die Errettung Rom’s anflehte. Dafür hätte ich verdient, dass die Commune mich von sich ausgestoßen hätte, aber ich entschlüpfte dieser Strafe, und, um zu sühnen, worin ich gefehlt, bot ich dem Vaterland meine Dienste an. So verging einige Zeit, und meine Mutter machte zum zweiten Male einen Versuch, sich aus Frankreich zu entfernen, und zum zweiten Male kam meine Bürgertugend in Versuchung. Aber wie befreite ich mich von meiner Schwäche? – Bürger, seht, dort steht der Verräter! Der Vaterlandsfeind, den ich selbst dem Tribunal anzeigte, weil er es war, der meiner Mutter zur Flucht verhelfen wollte!« Mit diesen Worten zeigte er auf Trudaine, »so wusch ich mich rein von, allen Sünden gegen Frankreich! Hier stehe ich nun, der patriotische Sohn, der die Mutter aufgab um des Vaterlandes willen.« Mit diesen Worten schlug sich Danville vor die Brust und blickte sich nach Beifall um. —

Der Präsident warf die Frage auf: »Wussten Sie zu der Zeit als Sie Trudaine anzeigten, dass er sich mit der Flucht Ihrer Mutter beschäftige?«

»Ja!« entgegnete Danville.

Die Feder des Präsidenten fiel aus seiner Hand; die andern Beamten blickten düster schweigend vor sich nieder.

Man hörte die Worte: »Ungeheuer! Ungeheuer!« sich von Mund zu Mund verbreiten. Die Mütter, welche sich im Auditorium befanden, schienen am meisten durch den kecken Sprecher vor den Schranken verletzt. —

Lomaque’s Antlitz war bei Danville’s Aussagen totenbleich geworden und der alte Mann murmelte still vor sich hin: »Jetzt sind sie verloren!«

Rosa’s Gesicht lehnte sich wieder gegen die Schulter ihres Bruders und an den Arm, den er, um sie zu stützen, um sie gelegt hatte. Eine der weiblichen Gefangenen versuchte Rosa ebenfalls zu ermutigen; die Aussagen ihres Mannes schienen ihr Herz brechen zu wollen. Endlich flüsterte sie ihrem Bruder zu: »Louis, ich bin zum Sterben bereit, denn ich kann nicht länger mit dem Gefühle leben, dass ich jenen Mann einst heiß geliebt habe!«

Dann schloss sie ihre Augen, als wollte sie sich der Gegenwart entziehen; sie sprach nicht weiter.

»Noch eine andere Frage,« sagte der Präsident, »wussten Sie, dass Ihre Frau von der Verrätherei ihres Bruders Kenntnis hatte?«

Danville überlegte einige Augenblicke, dann sagte er: »Ich wusste nichts davon; denn ich war nicht in Paris anwesend, als meine Frau denunziert wurde.«

Selbstsüchtig und klug sprach er nun so leise, dass das gespannt lauschende Publikum, welches seine früheren Aussagen so unfreundlich aufgenommen hatte, nichts verstehen konnte. Er beugte sich über den grünen Tisch und drehte dem Publikum den Rücken. Der Präsident richtete sich mit der Frage an die Gefangenen: »Haben Sie Etwas zu den Aussagen des Bürger Danville zu sagen?«

»Er hat sich durch seine Falschheit selbst schon gerichtet,« sagte Trudaine, »wenn seine Mutter hier erscheinen könnte, so würde sie dies sogleich beweisen können.«

»Können Sie keine andern Beweise bringen?« fragte der Präsident.

»Ich kann es nicht!« antwortete Trudaine.

»Bürger und Oberaufseher Danville,« ließ sich der Präsident vernehmen, »Sie können sich zurückziehen, Sie haben hier nichts mehr zu tun! Ihrer Römertugend gebührt die Bürgerkrone. – Gehen Sie jetzt, wenn Sie wollen!«

Danville verließ das Haus durch die öffentliche Tür Die Weiber murrten ihm laut nach; schwiegen aber, als der Präsident zu seinen Kollegen gewendet sprach: »Das Urteil!«

»Das Urteil!« rannte sich die Menge zu, »still, das Urteil!«

Nach einer Beratung von wenigen Minuten erhob sich der Präsident und sprach die verhängnisvollen Worte:

»Louis Trudaine und Rosa Danville! Nachdem das Tribunal die Anklage wider Euch gehört und Eure eigenen Aussagen erwogen hat, findet es Euch des Verrats gegen das Vaterland und somit des Todes schuldig!«

Nachdem er dieses Urteil gesprochen, setzte er sich wieder nieder, bezeichnete die Namen der Verurteilten in der Liste, und ließ einen andern Gefangenen aufrufen, dem das Publikum auch sogleich seine Aufmerksamkeit schenkte.

Viertes Kapitel

Das Wartezimmer des Tribunal-Gerichts war ein großer Raum, mit gepflastertem Fußboden und Bänke zogen sich längs der Wände hin. Das Fenster war sehr hoch und vergittert. An der Ausgangstür, welche unmittelbar auf die Straße führte, standen zwei Schildwachen. Als Lomaque aus dem Gerichtssaale kam, fand er den Raum ganz leer von Menschen. Da ihm Einsamkeit jetzt lieb war, blieb er in dem Wartezimmer und ging darin langsam auf und ab.

 

Nach einer Weile öffnete sich die Tür des Gerichtssaales wieder, und der bucklige Unterkerkermeister kam heraus mit Trudaine und Rosa.

»Ihr habt hier zu warten,« sagte der kleine Mann, »bis die Andern verhört sind, dann führe ich Euch Alle mit einem Male ins Gefängnis zurück!«

Dann erblickte er Lomaque an dem andern Ende des großen Zimmers und rief: »Ach Bürger, sind Sie noch hier? Wenn Sie noch etwas Zeit übrig haben, möchte ich Sie um eine Gefälligkeit ersuchen?«

»Ich habe Zeit,« erwiderte Lomaque gleichgültig.

»Gut,« entgegnete der Kleine, »ich habe Verteufelten Durst und möchte einen Schluck Wein trinken gehen. Möchten Sie wohl die Zwei dort etwas bewachen? »Fort können sie nicht, denn das Fenster ist vergittert, draußen an der Tür ist die Schildwache und drinnen der Gerichtshof. Es ist also Nichts zu wagen, wenn Sie mir helfen wollen.«

»Ja, ja, ich werde hier bleiben,« entgegnete Lomaque.

»Ich denke,« sagte der bucklige Kleine. »Sollte ich gerufen werden, so sagen Sie nur, dass ich auf einige Minuten hinausgehen musste« Mit diesen Worten humpelte er fort.

Kaum war der Kerkermeister hinaus, so ergriff Trudaine den Arm Lomaque’s und flüsterte: »Um Gotteswillen, rettet sie! Hier ist Gelegenheit dazu, rettet sie!« Sein Gesicht glühte, seine Brust wogte und der Chef-Agent fühlte seinen heißen Atem an seinem eigenen Halse. »Erinnern Sie sich an meinen Vater und retten Sie mir die Schwester! Denken Sie an die Worte, die Sie mir bei dem Verhaften zuflüsterten. Kann ich allein sterben, so will ich meinen männlichen Mut bis zum letzten Augenblick bewahren, ist sie aber an meiner Seite auf dem Wege zum Schaffen so werde ich den Tod eines Feiglings sterben. Ich habe bisher nur für sie gelebt, lasst mich nun für sie sterben und ich werde glücklich sterben.« Er konnte nicht weiter sprechen, seine Kraft schien gebrochen; er zeigte nur noch auf die Bank, wo Rosa gesenkten Hauptes saß.

»Draußen sind zwei Wachtposten, das Fenster ist Vergittert, Sie sind ohne Waffen, es ist unmöglich von hier zu entkommen,« antwortete Lomaque.

»Unmöglich!« wiederholte Trudaine wütend »Sie Feigling! Sie Verräter! Können Sie sich ansehen in ihrer unschuldigen Trübsal und mir dann noch so kühl sagen, Flucht sei hier unmöglich?« Mit diesen Worten erhob er in seiner Wut und Angst die Hand gegen Lomaque. —

»Sie sind von Sinnen,« sagte der Chef der geheimen Polizei, »stören Sie nicht die kostbaren Minuten durch sinnlose Pläne, ich habe Ihnen Wichtiges mitzuteilen«

Trudaine ließ seine ausgestreckte Hand sinken und seine Züge veränderten sich vollständig. »Ich höre,« sagte er und legte seinen heißen Kopf an die Wand.

Lomaque sprach im Flüsterton: »Ich will Ihnen jetzt eine Mitteilung machen, die Sie aber Ihre Schwester nicht früher wissen lassen dürfen, bis ich Ihnen die Erlaubnis dazu gebe. Geben Sie mir Ihr Ehrenwort darauf! Wenn Ihre Schwester in dieser Nacht von dem nahen Tode spricht, geben Sie ihr keine Hoffnung, hören Sie; denn es ist möglich, dass ich Sie nicht werde retten können. – Ich schmiede Rettungspläne.« – Mit diesen Worten zog er sein Notizbuch hervor und sagte: »Beantworten Sie jetzt, was ich frage: Sie sind Chemiker, wissen Sie irgend einen Saft, der Geschriebenes von dem Papier zu verlöschen im Stande ist, so schreiben Sie ihn hier auf?«

»Gewiss!« entgegnete Trudaine, »ist das Alles?«

»Nein,« sagte Lomaque. »Schreiben Sie jetzt hier den Namen und die Anwendung der Flüssigkeit genau auf.«

Trudaine gehorchte.

»Das ist der erste Schritt,« sagte Lomaque und steckte das Buch wieder ein.

»Vergessen Sie nicht,« fügte er hinzu, »dass ich meinen eigenen Kopf in Gefahr bringe, indem ich Sie und Ihre Schwester zu retten suche. Ich werde die Totenliste verlesen, und da wird es mir möglich sein, den Einen oder den Andern zu retten. Sagen Sie mir noch keinen Dankt Hören Sie nur, denn unsere Zeit ist streng gemessen.

»Der Präsident hat ein Zeichen bei Ihren Namen gemacht, welches Ihr Todesurteil bedeutet. – Ist dies Sitzung vorüber, so wird diese Liste Robespierre zugeschickt, der Abschriften davon machen lässt und diese dann seinen Kollegen zur Durchsicht vorlegt. Ich bin derjenige Beamte, der zuerst die Kopien dieser Listen zu bearbeiten hat, dann wird das Original mit den Kopien entweder durch Robespierre oder einen seiner Vertrauten geprüft und danach erst nimmt die Original-Liste durch meine Hand ihren Weg ins Gefängnis zurück. – Dann wird sie öffentlich im Gefängnis vorgelesen und dann erst erhält sie der Kerkermeister, der jedes mal des Abends die Türen außerhalb mit Kreide bezeichnet, hinter denen die Gefangenen sitzen, die am nächsten Morgen sterben müssen. Diese Pflicht hat heute der Unterkerkermeister übernommen, der ein Säufer ist; ich gedenke ihn nun heute so betrunken zu machen, dass ich ihm die Liste mit den Namen derer, die morgen sterben sollen, aus der Tasche nehmen kann, d.h. nachdem sie bereits öffentlich verlesen worden ist, doch – bevor er die Türen mit Kreide bezeichnet. Ich werde dann Ihren Namen mit der chemischen Flüssigkeit auslöschen und – ist mir dies gelungen, so wird Ihre Kerkertür unbezeichnet bleiben und Ihre Namen werden nicht verlesen werden, wenn morgen früh der Henkerskarren kommen wird. Da jeden Tag neue Gefangene vor dem Tribunal erscheinen, so wird sich schon eine Gelegenheit finden, für weitere Rettung in acht oder zehn Tagen.«

»Nun!« rief Trudaine schnell aus. —

Lomaque blickte zur Tür des Saales und fuhr in leisestem Tone fort: »In nächster Zeit wird vielleicht Robespierres eigener Kopf gefallen sein! – Frankreich ist der Schreckenszeit müde! Es finden schon geheime Zusammenkünfte in der Nachtzeit statt. Es gibt einen schnellen Wechsel in der Regierung Robespierre hat es seit Wochen nicht gewagt, vor dem Comité der Konvention zu erscheinen. Er hält seine Reden nur vor seinen Freunden im Jakobinerklub. Man spricht von entsetzlichen Entdeckungen durch Carnot und von riesigen Entschlüssen, die Tallien gefasst haben soll. Die wachsamen Männer unserer Tage sehen, dass die Tage des Schreckens zu Ende gehen.

»Geht Robespierre unter, so sind Sie und Ihre Schwester gerettet. Bleibt er am Ruder, so können Sie nach der Entdeckung, dass Sie noch leben, auch nur das tun, wozu Sie heute bestimmt sind. – Ich lege meinen Kopf dann auch unter das Beil! – So, das ist Alles, was ich für Sie tun kann!«

Trudaine wollte danken, aber Lomaque gestattete es nicht, denn er sagte, »ich tue es im Andenken an Ihren Vater, im Andenken an die Ereignisse vor fünf Jahren, im Andenken an die Tasse Kaffee, die mir Ihre Schwester warm stellte. Danken Sie mir nicht; ich habe nach einem wechselvollen Leben das Bedürfnis nach einer guten Tat, außerdem bin ich lebensmüde, habe wenig Freuden erfahren, war ein steter Ball der Launen Anderer. Ich habe nichts von diesen elenden Lebensstunden als Plage und Not —

»Ihre Schwester reichte mir freundlich eine Tasse Kaffee, ich bin so artig, ihr ein elendes Leben dafür zu Füßen zu legen, das ist Alles! Es wäre also töricht, mir dafür zu danken!« —

Dabei schnippte der alte Mann mit den Fingern und stand auf, den buckligen Kerkermeister zu empfangen, der eben mit den Worten eintrat:

»Hat Jemand nach mir gefragt?«

»Nein, keine Seele!« antwortete Lomaque. »Welche Sorte tranken Sie denn?«

»Na, eine so ziemlich erträgliche, Freund,« lautete die Antwort.«

»Ah, ich werde Ihnen heute noch ein besonderes Weinchen vorsetzen,« sagte Lomaque, »denn ich komme noch nach Sankt Lazarus. Ich werde dann nach Ihnen fragen,« mit diesen Worten ging er fort.

Rosa saß still auf der Bank, sie sah weder ihren Bruder an, noch kümmerte sie sich um die Dinge um sie her. Sie war vollkommen gleichgültig gegen Alles.

Als ihr Bruder sich zu ihr setzte, nahm sie seine Hand und sagte freundlich: »Louis, lass uns recht beisammen bleiben, bis die Stunde kommt. Ich bin nicht furchtsam, denn ich habe nur Dich, der mir das Leben lieb macht und Du sollst ja auch sterben! – Erinnerst Du Dich, dass ich einst bedauerte, kein Kind zu besitzen? Ich dachte eben daran, wie schrecklich es jetzt wäre, wenn mir dieser Wunsch in Erfüllung gegangen wäre. Es ist jetzt ein Segen für mich, dass ich kinderlos bin. Lass uns von alten vergangenen Tagen sprechen, Bruder, nicht von meinem Mann, sondern von der Zeit wo wir noch eng bei einander lebten.

Fünftes Kapitel

Der Tag schritt vor. Nach und nach kamen die Gefangenen aus dem Saale in das Wartezimmer; um zwei Uhr Mittags war Alles beendet, selbst die Totenliste gelesen und dem Beamten zur weiteren Besorgung übergeben. Der Gefängniswärter führte seine Truppe nach Sankt-Lazarus zurück.

Der Abend kam. Das Abendessen wurde von den Gefangenen eingenommen und die Totenliste noch einmal innerhalb des Hofraumes vorgelesen. Die Türen erhielten wie gewöhnlich die Kreidezeichnung. Louis Trudaine und seine Schwester bewohnten zusammen eine Zelle, es war dies auch eine Vermittlung durch Lomaque’s Schlauheit; beide erwarteten zusammen den grauenvollen Morgen. Rosa’s Gedanken waren nur mit dem wahren Tode beschäftigt, ihr Herz schlug so leise, als wenn der Todesengel schon seine Hand nach ihr ausgestreckt hielt. – Still und in sich versunken saß sie mit dem Kopfe an des Bruders Schulter gelehnt, ein Bild des Mitleids und der Ergebung.

Der Morgen kam und die strahlende Sonne tauchte im Osten glühend auf. – Es nahte schon die Stunde, die den Unglücklichen als eine ihrer letzten bezeichnet war. Trudaine lauschte, es nahten sich Schritte seiner Zelle. Der Schlüssel wurde umgedreht und die Tür geöffnet und er stand dem buckligen Kerkermeister und einem andern Beamten gegenüber.

»Siehst Du, da sind sie frisch und gesund in ihrer Zelle, wie ich es sagte und ich wiederhole Dir noch einmal, dass sie nicht mit auf der Totenliste gestanden haben. Du wirst mich doch nicht meine Pflichten kennen lehren, sieh Du nur danach; die Deinigen zu erfüllen, und betrinke Dich nicht! Ich weiß selbst, was ich zu tun habe,« sagte er zu dem Buckligen.

»Sei ruhig! Und lass mich lieber noch einmal auf die Liste sehen,« sagte der Andere. Zog dann seinen Kollegen von der Zelle fort und sah die Liste noch einmal durch.

»Der Teufel soll mich holen, wenn ich das begreife,« sagte der Mann, »nur kommt vor, als hätte ich die Namen gestern unten vorgelesen. Gib mir eine Priese! Wache ich denn oder schlafe ich noch, oder bin ich schon am Morgen besoffen!«

»Nüchtern!« sagte eine Stimme und stieß den Sprecher an, »denn ich sah Sie gestern Abend in ganz anderer Verfassung!«

»Ah, Sie sind es, Bürger Lomaque! Denken Sie nur, mir kommt vor, als hätte ich gestern hier die Namen der beiden Gefangenen auf der Totenliste selbst gelesen und jetzt finde ich sie nicht mehr darauf. Was sagen Sie dazu?«

»Ja,« sagte der andere Beamte. »denken Sie nur, Bürger, da er selbst betrunken war, ließ er mich die Türen bezeichnen, die heute unter die Guillotine kommen und da er seine rechte Hand nicht mehr von seiner linken unterscheiden konnte, ließ er mich eine falsche Tür bezeichnen. – Wäre er nicht ein so guter Kerl, so zeigte ich ihn an.«

»Sie haben ganz Recht,« sagte Lomaque, »er ist zwar gut, aber er hätte Sie auch nicht in solche Verlegenheit bringen sollen. – Sie können die Namen nicht in der Liste gelesen haben, weil sie eben nicht darauf gestanden haben! Doch machen Sie nicht so viel Lärm um solche Dinge. Heute zu Tage dürfen keine Zweifel im Dienste laut werden. Vernichten Sie lieber die Liste.«

»Lassen Sie mich doch sehen,« sagte Lomaque, »sind denn das wirklich die Gefangenen, bei denen ich im Wartezimmer blieb?« Der Kerkermeister schloss die Zelle noch einmal auf und Lomaque sah die Geschwister vor sich. Er wisperte schnell: »Die Vorsicht hat gewirkt! Sie sind für einige Tage gerettet.« Der Kerkermeister war nämlich nach einigen andern Türen gegangen. Danville ist gestern Abend auf ausdrücklichen Befehl Robespierres verhaftet. Er sitzt im Temple. Still! Der Kerkermeister kommt. Hoffen Sie! Doch nur von dem Wechsel der Politik. Teilen Sie Ihrer Schwester nur das Alles mit; trösten Sie sich jedoch nur mit dem Gedanken, dass die Rettung für einige Tage gesichert ist.«

»Und morgen?« fragte Trudaine.

»Denken Sie nur an heute, und lassen Sie den Morgen für den Morgen sorgen!«

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