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Ein tiefes Geheimniss

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»Nein, nein! ich mache nicht gerne Mühe,« antwortete Mr. Phippen. »Lieber leide ich – lieber entbehre ich. Ich glaube, wenn du in deiner Geschichte weiter fortführest, so würde mich das beruhigen. Ich weiß nicht mehr recht, wie du darauf zu sprechen kamst, aber ich glaube, du sagtest etwas sehr interessantes in Bezug auf Kinderschuhe.«



»Unsinn!« rief Doktor Chennery. »Ich sprach bloß von der Liebe zwischen den beiden Kindern, welche jetzt zu Mann und Frau herangewachsen sind, und ich wollte dir eben erzählen, daß Kapitän Treverton kurz nachdem er sich in unsere Nachbarschaft niedergelassen, sich wieder der tätigen Ausübung seines Berufs zuwendete. Nichts anderes schien im Stande zu sein, die Kluft auszufüllen, welche der Verlust seiner Gattin in sein Leben gerissen. Da er bei der Admiralität sehr gut steht, so kann er stets ein Schiff bekommen, wenn er um eins nachsucht, und bis zur gegenwärtigen Zeit ist er mit einigen Zwischenzeiten, die er am Lande verlebt, fast immer zur See gewesen, obschon er, wie seine Tochter und seine Freunde meinen, nun ein wenig zu alt dazu wird. Zieh nur kein solches Gesicht, Phippen – ich schweife nicht so weit von der Sache ab, wie du glaubst. Es sind dies einige der notwendigen Einzelheiten, welche vorausgeschickt werden müssen. Und nun, nachdem ich mich derselben in aller Gemächlichkeit entledigt habe, komme ich endlich auf den Hauptteil meiner Geschichte – den Verkauf von Porthgenna Tower. – Was gibt’s denn? Willst du wieder aufstehen ?«



Ja, Mr. Phippen wünschte wirklich wieder aufzustehen, denn er war der Meinung, das beste Mittel, das Herzklopfen zu beschwichtigen und die schwarzen Punkte zu zerstreuen, wäre ein wenig Bewegung. Er wollte durchaus keine Mühe verursachen, fragte aber, ob sein würdiger Freund Chennery, ehe er in seiner so höchst interessanten Geschichte weiter fortführe, ihm den Arm geben, den Feldstuhl tragen und langsam mit ihm nach der Richtung des Schulzimmerfensters gehen wollte, um Miß Sturch mit Bequemlichkeit rufen zu können, im Fall es nötig würde, das letzte Mittel zu versuchen und einen niederschlagenden Trank zu nehmen.



Der Vikar, dessen unerschöpfliche Gutmütigkeit jeder Probe, auf welche Mr. Phippens Verdauungsbeschwerden sie stellen konnten, gewachsen war, fügte sich in alle diese Zumutungen und fuhr mit seiner Geschichte fort, indem er, ohne es zu wissen, den Ton und die Haltung eines gutmütigen Vaters annahm, der sein Möglichstes tut, um ein launenhaftes, eigensinniges Kind zufrieden zu stellen.



»Ich sage dir,« hob er wieder an, »daß der ältere Mr. Frankland und Kapitän Treverton hier nahe Nachbarn waren. Sie waren noch nicht lange miteinander bekannt, als der erstere von dem letzteren erfuhr, daß Porthgenna Tower zu verkaufen stünde. Als der alte Frankland dies zum ersten Mal hörte, tat er einige Fragen in Bezug auf die Besitzung, sagte aber kein Wort davon, daß er sie kaufen wollte. Bald darauf bekam der Kapitän ein Schiff und ging in See. Während seiner Abwesenheit reiste der alte Frankland im Stillen nach Cornwall, um die Besitzung in Augenschein zu nehmen und von den mit der Aufsicht über das Schloß und die Ländereien beauftragten Personen so viel als möglich über die Vorzüge und Mängel des Ganzen zu erfahren. Als er wieder kam, sagte er nichts, als bis Kapitän Treverton von seiner Seereise zurückkehrte, und dann ging der alte Herr eines Morgens in seiner ruhigen, entschiedenen Weise mit der Sprache heraus.



»‚Treverton’, sagte er, ‚wenn Sie Porthgenna Tower zu dem Preise verkaufen wollen, zu welchem Sie es selbst wieder erstanden, als Sie es auf dem Wege der Versteigerung zu veräußern suchten, so schreiben Sie an Ihren Anwalt und sagen Sie ihm, er solle die Besitzurkunden zu dem meinigen tragen und sich von diesem die Kaufsumme auszahlen lassen.’ Kapitän Treverton ward natürlich durch dies unvermutete Anerbieten ein wenig überrascht, andere Leute aber, die, wie ich, die Geschichte des alten Frankland kannten, wunderten sich nicht so sehr darüber. Er hatte sein Vermögen durch Handelsgeschäfte erworben, war aber töricht genug, sich dieser einfachen und ihm zur Ehre gereichenden Tatsache zu schämen. Seine Ahnen waren nämlich vor der Zeit des Bürgerkriegs Rittergutsbesitzer von ziemlicher Bedeutung gewesen und der große Ehrgeiz des alten Herrn bestand darin, den Kaufmann in dem Landedelmann untergehen und seinen Sohn ihm in der Eigenschaft des Squire eines großen Landgutes, welches ihm bedeutendes Ansehen in der Grafschaft gewährte, folgen zu lassen. Er war bereit, die Hälfte seines Vermögens der Ausführung dieses großen Plans zu widmen; die Hälfte seines Vermögens aber reichte nicht hin, um ein Gut, wie er es haben wollte, in einem wichtigen landwirtschaftlichen Distrikte wie der unserige ist zu kaufen. Die Grundzinsen sind hier hoch und dem Land wird bei uns der größtmögliche Ertrag abgewonnen. Eine Besitzung von dem Umfange wie Schloß Porthgenna würde, wenn sie hier läge, das Doppelte der Summe wert sein, welche Kapitän Treverton dafür verlangen konnte. Der alte Frankland wußte dies recht wohl und legte alle mögliche Wichtigkeit darauf. Übrigens lag in der mittelalterlichen Erscheinung von Porthgenna Tower und in dem Recht über das Bergwerk und die Fischereien, welches in den Ankauf der Besitzung eingeschlossen war, etwas, was seinen Begriffen von Wiederherstellung des alten Glanzes seiner Familie schmeichelte. Hier konnte er und sein Sohn nach ihm, wie er glaubte, den Gutsherrn nach großem Maßstabe spielen und nach seinem souveränen Willen und Belieben den Fleiß von Hunderten armer Leute dirigieren, die zerstreut in die Küste entlang wohnten oder in den kleinen Binnendörfern beisammen hockten. Dies war eine sehr verführerische Aussicht und die Sache konnte für vierzigtausend Pfund realisiert werden, was gerade zehntausend Pfund weniger war, wie er sich vorgenommen daran zu wenden als er zuerst beschlossen hatte, sich aus einem schlichten Kaufmann in einen hochtrabenden Landedelmann zu verwandeln. Leute, welche diese Tatsachen kannten, wunderten sich, wie ich gesagt habe, nicht sehr über Mr. Franklands Bereitwilligkeit, Porthgenna Tower zu kaufen, und Kapitän Treverton säumte, wie kaum erwähnt zu werden braucht, nicht, den Kauf seinerseits festzumachen. Die Besitzung wechselte den Herrn und der alte Frankland begab sich mit einem Gefolge von klugen Leuten aus London an Ort und Stelle, um das Bergwerk und die Fischereien nach neuen wissenschaftlichen Prinzipien zu betreiben und das alte Haus von oben bis unten mit funkelnagelneuen, mittelalterlichen Dekorationen unter der Leitung eines Herrn zu verschönern, welcher, wie man sagte, ein Architekt war, aber nach meiner Meinung einem verkleideten katholischen Pfaffen täuschend ähnlich sah. Wundervolle Pläne und Entwürfe, nicht wahr? Und wie glaubst du wohl, wie sie ausschlugen?«



»O, erzähle mir das, lieber Freund!« war die Antwort, die Mr. Phippens Lippen entfiel. »Ich möchte wissen, ob Miß Sturch eine Falsche Kampfertinktur in ihrer Hausapotheke hätte,« war der Gedanke, welcher Mr. Phippens Gemüt beschäftigte.



»Ich soll es dir erzählen!« rief der Vikar. »Nun, natürlich erwiesen sich alle Pläne des alten Mr. Frankland als vollkommen verfehlt. Seine Gutsuntertanen betrachteten ihn als einen Emporkömmling. Das Alter seiner Familie machte keinen Eindruck auf sie. Es konnte eine alte Familie sein, aber es war doch keine cornische Familie und deshalb besaß sie in ihren Augen keine Bedeutung. Für Trevertons wären sie bis ans Ende der Welt gegangen, für die Franklands wollte keiner auch nur einen Schritt von seinem Wege abweichen. Was das Bergwerk betraf, so schien es von demselben meuterischen Geist beseelt zu sein, welcher sich der Pächter bemächtigt hatte. Die klugen Leute von London, die nach allen Richtungen hin nach den gelehrtesten wissenschaftlichen Prinzipien zu Werke gingen, brachten auf je fünf Pfund, die sie hineinwendeten, ungefähr für sechs Pence Erz heraus. Mit den Fischereien war es nicht viel besser. Ein neues System, Heringe zu trocknen, welches in der Theorie ein Wunder von Ersparnis war, erwies sich in der Praxis als ein förmliches Phänomen von Verschwendung. Der einzige glückliche Umstand unter diesen zahlreichen unglücklichen war der, daß der alte Frankland sich noch rechtzeitig mit dem mittelalterlichen Architekten veruneinigte, der wie ein verkleideter katholischer Pfaffe aussah. Dieses glückliche Ereignis ersparte dem neuen Besitzer von Porthgenna all das Geld, welches er außerdem auf das Restaurieren und Neudekorieren der ganzen Reihe von Zimmern auf der nördlichen Seite des Hauses verwendet haben würde, die seit länger als fünfzig Jahren sich selbst und dem Verfall anheimgegeben gewesen und die noch bis auf den heutigen Tag sich in diesem alten vernachlässigten Zustand befinden. Um de Sache kurz zu machen, nachdem der alte Frankland in Porthgenna mehr Tausende von Pfunden nutzlos ausgegeben, als ich Lust habe zusammenzurechnen, gab er seine Pläne endlich auf, überließ den Ort ärgerlich der Obhut seines Kastellans, welchem er ausdrücklich befahl, nie wieder einen Heller hineinzuwenden, und kehrte in unsere Gegend zurück. Da er sehr ärgerlich war und, als er hierher zurückkam, Kapitän Treverton zufällig am Lande antraf, so war das Erste, was er tat, das, daß er in Gegenwart des Kapitäns ein wenig zu heftig auf Porthgenna und alle Leute dort schimpfte. Dies führte zu einer kühlen Stimmung zwischen den beiden Nachbarn, die vielleicht zum Abbruch alles Verkehrs geführt haben würde, wenn nicht die Kinder auf beiden Seiten gewesen wären, die einander noch ebenso oft sprachen als vorher und zuletzt durch hartnäckige Ausdauer der Entfremdung zwischen ihren Vätern ein Ende machten indem sie dieselbe einfach in ein lächerliches Licht stellten. Dies ist meiner Meinung nach der merkwürdigste Teil der Geschichte. Wichtige Familieninteressen hingen davon ab, daß diese beiden jungen Leute sich ineinander verliebten und wunderbarerweise war dies – wie du durch mein Geständnis am Frühstückstische bereits erfahren – auch gerade das, was sie taten. Wir haben hier einen Fall von höchst romantischer Liebesheirat, die auch zugleich von allen andern gerade die Heirat ist, welche die Eltern auf beiden Seiten das größte materielle Interesse hatten zu fördern. Shakespeare kann sagen, was er will – die Bahn treuer Liebe ist zuweilen doch glatt. Niemals ward die Trauformel in besserer Anwendung gesprochen als da ich sie diesen Morgen las. Da Leonard der Erbe von Porthgenna ist, so kehrt die Tochter des Kapitäns nun als Herrin in die Besitzung zurück, welche ihr Vater verkauft hatte. Da Rosamunde das einzige Kind ihres Vaters ist, so ist die Kaufsumme für Porthgenna, welche der alte Frankland früher als weggeworfenes Geld betrachtete, nun, wenn der Kapitän stirbt, die Aussteuer der Gattin des jungen Frankland. Ich weiß nicht, was du von dem Anfang und der Mitte meiner Geschichte denkst, Phippen, das Ende aber muß dich jedenfalls zufriedenstellen. Hörtest du wohl jemals von einer Braut und einem Bräutigam, welche ihre Ehe mit schöneren Aussichten fürs Leben begannen, als unsere Braut und unser Bräutigam von heute?«

 



Ehe Mr. Phippen hierauf etwas antworten konnte, steckte Miß Sturch den Kopf aus dem Schlafzimmerfenster heraus, und als sie die beiden Herren sich nähern sah, ließ sie ihnen ihr unabänderliches Lächeln entgegenstrahlen; dann sagte sie, den Vikar anredend, in ihrem sanftesten Tone:



»Es tut mir außerordentlich leid, Sie zu belästigen, Herr Doktor, aber Robert kommt diesen Morgen mit seinem Einmaleins auch gar nicht von der Stelle.«



»Wie weit ist er denn jetzt?« fragte Doktor Chennery.



»Bis sieben mal acht, Sir,« entgegnete Miß Sturch.



»Bob!« schrie der Vikar durch das Fenster. »Sieben mal acht?«



»Ist dreiundvierzig,« antwortete die weinerliche Stimme des unsichtbaren Bob.



»Noch einmal sollst du antworten dürfen, ehe ich meinen Stock hole,« sagte Doktor Chennery. »Also, aufgepaßt – sieben mal –«



»Mein lieber, guter Freund,« mischte Phippen sich ein, »wenn du diesen unglücklichen Knaben schlägst, so wird er schreien. Meine Nerven sind heute Morgen schon einmal durch den Feldstuhl angegriffen worden – wenn ich nun auch noch Schreien höre, so ist es vollends aus mit mir. Laß mir Zeit, mich erst zu entfernen, und gestatte mir auch der lieben Miß Sturch das traurige Schauspiel einer Züchtigung, welches für ein so empfindsames Herz wie das ihrige furchrbar sein muß, dadurch zu ersparen, daß ich sie um ein wenig Kampfertinktur bitte und ihr dadurch einen Vorwand verschaffe, sich gleich mir auf die Seite zu begeben. Ich glaube, ich hätte unter andern Umständen mich auch ohne Kampfertinktur behelfen können, jetzt aber bitte ich ohne Zögern darum, sowohl um Miß Sturchs willen, als auch meiner eigenen armen Nerven willen. Haben Sie Kampfertinktur, Miß Sturch? Sagen Sie ja; ich bitte Sie flehentlich darum, und geben Sie mir dadurch Gelegenheit, Sie aus dem Bereich des Geschreies hinauszueskortieren.«



Während Miß Sturch – deren wohlgeschultes Herz für die reichlichste väterliche Tracht Prügel und das lauteste kindliche Anerkenntnis derselben durch Gekreisch unverwundbar war – lächelnd und gefaßt wie immer die Treppe hinaufeilte, um die Kampfertinktur zu holen, schlich sich Master Bob, als er sich mit seinen Schwestern in dem Schulzimmer allein sah, an die jüngste derselben, brachte aus seiner Hosentasche drei ein wenig unsauber gewordene Bonbons und bat, indem er Miß Amely bei der schwachen oder naschhaften Seite ihres Charakters angriff, ihr listigerweise diese Bonbons, wenn sie ihm dagegen eine vertrauliche Belehrung in Bezug auf sieben mal acht angedeihen lassen wollte.



»Willst du diese Bonbons?« flüsterte Bob.



»Ei ja!« antwortete Amely.



»Sieben mal acht?« fragte Bob.



»Ist sechsundfünfzig,« antwortete Amely.



»Ist das auch wahr?« fragte Bob vorsichtig.



»Ja wohl,« beteuerte Amely.



Die Bonbons wechselten den Besitzer und die Katastrophe des häuslichen Dramas wechselte damit zugleich.



Gerade als Miß Sturch mit der Kampfertinktur in der Eigenschaft einer medizinischen Hebe für Mr. Phippen erschien, zeigte sich ihr ungelehriger Schüler seinem Vater am Schulzimmerfenster in der Eigenschaft eines gebesserten Sohnes, nämlich arithmetisch gesprochen. Der Stock blieb für diesen Tag in Ruhe und Mr. Phippen trank sein Glas Kampfertinktur mit einem Gemüt, welches in Bezug auf Miß Sturchs empfindsames Herz und Master Bobs Geschrei nun vollkommen wieder beruhigt war.



»Sehr angenehm in jeder Beziehung,« sagte der Märtyrer der Unverdaulichkeit, indem er die letzten Tropfen ausschlürfend, wohlgefällig mit den Lippen schmatzte.



»Meine Nerven bleiben verschont, Miß Sturchs empfindsames Herz bleibt verschont und der Rücken des armen Knaben bleibt ebenfalls verschont. Du kannst dir nicht denken, wie leicht es mir ums Herz ist, Chennery. Wo waren wir denn in der allerliebsten Geschichte stehen geblieben, als diese kleine häusliche Unterbrechung eintrat?«



»Wir waren damit zu Ende,« sagte der Vikar. »Die Braut und der Bräutigam sind nun schon mehrere Meilen unterwegs, um die Flitterwochen in dem Seebad St. Swithin zuzubringen. Kapitän Treverton wird ebenfalls nur noch einen Tag dableiben. Vergangenen Montag erhielt er Ordre unter Segel zu gehen und morgen reist er nach Portsmouth, um das Kommando seines Schiffes zu übernehmen. Obschon er es nicht mit dürren Worten zugestehen will, so weiß ich doch zufällig, daß Rosamunde ihn überredet hat, diese Reise seine letzte sein zu lassen. Sie beabsichtigt ihn wieder nach Porthgenna zu locken, damit er dort bei ihr und ihrem Gatten lebe – ein Plan, von dem ich hoffe und glaube, daß er in Erfüllung gehen werde. Die westlichen Zimmer des alten Hauses, in deren einem Mistreß Treverton starb, sollen von dem jungen Ehepaar gar nicht in Gebrauch genommen werden. Man hat einen Baumeister – diesmal einen verständigen praktischen Mann – beauftragt, die vernachlässigten Nordzimmer zu besichtigen, um sie zu dekorieren. Dieser Teil des Hauses steht mit den traurigen Erinnerungen in Kapitän Trevertons Gemüt in keinem Zusammenhang, denn weder er noch sonst jemand hat ihn während der Zeit seines Verweilens in Porthgenna jemals betreten. In Erwägung der Veränderung, welche diese Reparatur der nördlichen Zimmer im Ansehen des Hauses hervorbringen wird und wenn man dabei noch die mildernde Einwirkung der Zeit auf alle schmerzlichen Erinnerungen in Anschlag bringt, möchte ich sagen, es ließe sich mit Grund erwarten, daß Kapitän Treverton den Rest seiner Tage unter seinen alten Gutsuntertanen verleben werde. Es wäre ein großes Glück für Leonard Frankland, wenn er dies täte, denn ganz gewiß würde er den Leuten von Porthgenna eine freundliche Gesinnung gegen ihren neuen Herrn beibringen. Wenn Leonard unter Kapitän Trevertons Fittichen bei seinen cornischen Untertanen eingeführt wird, so kann er sicher sein, gut mit ihnen auszukommen, vorausgesetzt, daß er sich enthält, den Familienstolz, den er von seinem Vater geerbt, allzuviel zu zeigen. Er ist ein wenig geneigt, die Vorzüge der Geburt und die Wichtigkeit des Ranges zu überschätzen. Dies ist aber wirklich der einzige bemerkbare Mangel in seinem Charakter. In allen anderen Beziehungen kann ich redlich von ihm sagen, daß er verdient, was er bekommen hat – die beste Frau von der Welt. Welch ein wonniges Leben, Phippen, scheint diese glücklichen jungen Leute zu erwarten! Es ist kühn, von menschlichen Geschöpfen so etwas zu sagen, aber ich mag sehen soweit ich will, so kann ich an dem Himmel ihrer Zukunft keine Wolke entdecken.«



»Du vortrefflicher, guter Mann!« rief Mr. Phippen, indem er den Vikar liebevoll die Hand drückte. »Welch ein Genuß für mich, dich zu hören! Wie schwelge ich in deiner sonnigen Lebensanschauung !«



»Und ist es nicht die richtige – besonders was den jungen Frankland und seine Gattin betrifft?« fragte der Vikar.



»Wenn du mich fragst,« sagte Mr. Phippen mit wehmütigem Lächeln und einer philosophischen Ruhe in seinem Wesen, »so kann ich bloß antworten, daß die Richtung der spekulativen Ansichten des Menschen – um nicht allzugenau auf die Sache einzugehen – von dem Zustande seiner Absonderungen abhängt. Deine Gallenabsonderungen, lieber Freund, sind in Ordnung, und deshalb betrachtest du alles von der hellen Seite; meine Gallenabsonderungen dagegen sind völlig unregelmäßig und deshalb betrachte ich die Dinge von der dunkeln Seite. Du betrachtest die künftigen Aussichten dieses neuvermählten Paares und sagst, du könntest keine Wolke darin entdecken. Ich will diese Behauptung auch durchaus nicht bestreiten, denn ich habe nicht das Vergnügen, die Braut und den Bräutigam zu kennen. Ich blicke aber zu dem Himmel über unsern eigenen Häuptern auf – ich erinnere mich, daß als wir den Garten zuerst betraten, keine Wolke daran sichtbar war – und jetzt sehe ich, gerade über jenen zwei Bäumen, die so dicht beisammen stehen, eine Wolke, die ganz unerwartet zum Vorschein gekommen ist, niemand weiß woher – und ich ziehe meine eigenen Schlüsse.«



Dies sagte Mr. Phippen, indem er, um sich wieder in das Haus hineinzubegeben, die Gartentreppe hinaufging.



»Dies ist meine Philosophie,« fuhr er fort. »Sie hat vielleicht einen Anflug von Galle, aber nichtsdestoweniger ist es Philosophie.«



»Alle Philosophie der Welt,« sagte der Vikar, indem er seinem Gast die Stufen hinauffolgte, »ist nicht im Stande, meine Überzeugungen zu erschüttern, daß Leonard Frankland und seine junge Gattin eine glückliche Zukunft vor sich haben.«



Mr. Phippen lachte, und indem er auf den Stufen wartete, bis sein Wirt ihn eingeholt hatte, nahm er auf die freundlichste Weise diesen beim Arm.



»Du hast eine allerliebste Geschichte erzählt, Chennery,« sagte er, »und dieselbe mit einer allerliebsten Ansicht beendet. Aber, lieber Freund, obschon dein gesundes Gemüt unter dem Einfluß einer beneidenswert leichten Verdauung meine gallsüchtige Philosophie verachtet, so vergiß doch nicht ganz die Wolke über den beiden Bäumen. Schau jetzt einmal hin – sie wird schon dunkler und größer!«




Fünftes Kapitel

Die Neuvermählten

Unter dem Dach einer verwitweten Mutter lebte Miß Mowlem bescheiden in dem kleinen Seebadeorte St. Swithins-on-Sea. Im Frühling des Jahres 1844 ward das Herz der verwitweten Mutter noch in ihrem Alter durch ein kleines Erbteil erfreut. Die verschiedenen Zwecke, zu welchem das Geld verwendet werden konnte, reiflich überlegend, beschloß die umsichtige alte Dame endlich, es in Möbels anzulegen, damit das erste und zweite Stockwerk ihres Hauses möglichst geschmackvoll auszustatten und dann einen Zettel an das Wohnzimmerfenster zu hängen, um dem Publikum kundzutun, daß sie möblierte Zimmer zu vermieten habe.



Bis zum Sommer waren die Zimmer in Stand und der Zettel ward angehängt. Kaum war eine Woche vergangen, so erschien ein würdevoller schwarzgekleideter Mann, um die Zimmer in Augenschein zu nehmen, erklärte sich durch das Aussehen derselben zufriedengestellt und mietete sie auf einen Monat gewiß für eine neuvermählte junge Herrschaft, welche wahrscheinlich in einigen Tagen Besitz davon nehmen würde.



Der würdevolle schwarzgekleidete Mann war Kapitän Trevertons Diener und die junge Herrschaft, welche auch in der angegebenen Zeit sich einfand, um Besitz zu nehmen, war Mr. und Mistreß Frankland.



Das mütterliche Interesse, welches Mißtreß Mowlem an ihren jugendlichen ersten Mietsleuten nahm, war notwendig von sehr lebhafter Beschaffenheit, aber es war Apathie zu nennen im Vergleich mit dem sentimentalen Interesse, welches ihre Tochter daran fand, das Benehmen und Wesen der jungen Dame und des jungen Herrn in ihrer Eigenschaft als Neuvermählte zu beobachten.



Von dem Augenblick an, wo Mr. und Mistreß Frankland das Haus betraten, begann Miß Mowlem sie mit dem ganzen Eifer eines fleißigen Schülers zu studieren, der einen neuen Zweig des Wissens in Angriff nimmt. In jedem ihr während des Tages übrig bleibenden Augenblick beschäftigte diese betriebsame und wißbegierige junge Dame sich damit, daß sie sich die Treppe hinaufstahl, um Beobachtungen zu sammeln, und dann wieder herunterlief, um sie ihrer Mutter mitzuteilen.



Als das neuvermählte Paar eine Woche im Hause war, hatte Miß Mowlem schon so guten Gebrauch von ihren Augen, Ohren und Gelegenheiten gemacht, daß sie mit der Wahrhaftigkeit und Genauigkeit des berühmtesten Memoirenschreibers ein Buch über diese sieben Tage zu schreiben im Stande gewesen wäre.



Wir mögen jedoch lernen, soviel wir wollen, so sehen wir doch, daß je länger wir leben, es desto mehr zu lernen gibt. Sieben Tage geduldiger Ansammlung von Tatsachen in Bezug auf die Flitterwochen hatten Miß Mowlem noch bei weitem nicht über das Bereich weiterer Entdeckungen hinausversetzt.

 



Am Morgen des achten Tages, nachdem sie das Frühstücksgeschirr heruntergeholt, stahl sich die neugierige Beobachterin ihrer Gewohnheit gemäß wieder hinauf, um mittelst des Schlüsselloch-Kanals der Salontür an der Quelle der Erkenntnis zu trinken. Nach einer Abwesenheit von fünf Minuten kam sie atemlos vor Aufregung wieder in die Küche hinunter, um in Bezug auf Mr. und Mistreß Frankland ihrer ehrwürdigen Mutter eine neue Entdeckung mitzuteilen.



»Was glaubst du wohl, was sie jetzt macht?« rief Miß Mowlem mit weit geöffneten Augen und hoch emporgehobenen Händen.



»Nichts Nützliches wahrscheinlich,« antwortete Mistreß Mowlem mit sarkastischer Schnelligkeit.



»Sie sitzt ihm wirklich und wahrhaftig auf dem Knie! Mutter, saßest du jemals auf meines Vaters Knie, als ihr nicht längst erst vermählet wart?«



»O bewahre, liebes Kind! Als ich mit deinem armen seligen Vater verheiratet ward, waren wir keins von uns noch flatterhafte junge Leute, sondern hatten schon mehr Verstand.«



»Sie hat ihren Kopf auf seine Schulter gelegt,« fuhr Miß Mowlem immer aufgeregter fort, »und ihre Arme um seinen Hals geschlungen – beide Arme, Mutter, so fest als nur möglich.«



»Das glaube ich nicht!« rief Mistreß Mowlem entrüstet. »Eine solche Dame, welche Reichtum, Bildung und alles Mögliche besitzt, sollte sich betragen wie eine Hausmagd mit ihrem Schatz! Sage mir nicht so etwas – ich glaube es nicht.«



Trotzdem aber beruhete die Sache vollkommen in Wahrheit. Es gab eine Menge Stühle in Mistreß Mowlems Salon; es lagen drei wunderschön gebundene Bücher auf dem runden, blankpolierten Tische darin – die Altertümer von St. Swithin, Smallridges Predigten und Klopstocks Messias in englischer Prosa – Mistreß Frankland hätte auf purpurrotem Saffian mit dem besten Roßhaar gepolstert sitzen und ihren Geist durch archäologische Studien, durch orthodoxe inländische Theologie oder durch fromme Poesie ausländischen Ursprungs belehren und unterhalten können – aber dennoch – so frivol ist die Natur der Frauen – huldigte sie so verkehrten Ansichten, daß sie lieber nichts machte und sich unbequem auf die Knie ihres Gatten pflanzte!



Sie saß eine Zeitlang in der durchaus nicht würdevollen Stellung, welche Miß Mowlem ihrer Mutter mit so graphischer Genauigkeit geschildert hatte, lehnte sich dann ein wenig zurück, richtete den Kopf empor und schaute aufmerksam in das ruhige nachdenkliche Gesicht des Blinden.



»Lenny, du bist heute Morgen sehr schweigsam,« sagte sie. »Woran denkst du? Wenn du mir alle deine Gedanken erzählen willst, so will ich dir auch alle die meinigen mitteilen.«



»Würde dir wirklich etwas daran liegen, alle meine Gedanken zu hören?« fragte Leonard.



»Ja, alle. Ich werde eifersüchtig sein auf jeden Gedanken, den du für dich behältst. Sage mir, woran du jetzt eben dachtest. An mich?«



»Nein, an dich gerade nicht.«



»Das gereicht dir eben nicht zur Ehre. Bist du in acht Tagen schon meiner überdrüssig? Ich meinesteils habe seitdem wir hier sind noch an keinen Menschen weiter gedacht als an dich. Ah, du lachst! O Lenny, ich liebe dich so sehr – wie kann ich an jemand anders denken als an dich? Nein, ich werde dich nicht küssen. Erst muß ich wissen, woran du jetzt dachtest.«



»An einen Traum, Rosamunde, den ich vorige Nacht hatte. Seit den ersten Tagen meiner Blindheit – nun, ich dachte, du wolltest mich nicht eher wieder küssen, als bis ich dir gesagt hätte, woran ich gedacht?«



»Ich kann nicht umhin dich zu küssen, Lenny, wenn du von dem Verlust deines Augenlichts sprichst. Sage mir, mein armer Junge, helfe ich dir diesen Verlust ersetzen? Bist du glücklicher als du sonst zu sein pflegtest und habe ich einigen Anteil am Schaffen dieses Glückes, sei er auch noch so gering?«



Sie wendete, indem sie dies sagte, das Gesicht hinweg, aber Leonard war ihr zu rasch. Seine forschenden Finger berührten ihre Wange.



»Rosamunde, du weinst!« sagte er.



»Ich sollte weinen?« antwortete sie mit plötzlich erheuchelter Heiterkeit. »Nein,« fuhr sie nach einer augenblicklichen Pause fort, »ich will dich niemals täuschen, Geliebter, auch nicht in der unbedeutendsten Kleinigkeit. Meine Augen dienen jetzt uns beiden, nicht wahr? Du verlässest dich in Bezug auf alles, was dein Gefühlssinn dir nicht sagen kann, auf mich und ich darf mich des Vertrauens nicht unwürdig machen, nicht wahr nicht ? Ja, ich weinte wirklich, Lenny, aber nur ein ganz klein wenig. Ich weiß nicht, wie es kam, aber es war mir auf einmal, als hätte ich dich in meinem ganzen Leben noch nie so bemitleidet wie gerade in diesem Auge

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