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Ein tiefes Geheimniss

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Sie sank auf ein in der Nähe stehendes Sofa, legte ihren Kopf mit einem einzigen langen, tiefen Seufzer müde auf das Kissen und sprach nicht mehr.

Die Tränen traten Onkel Joseph in die Augen, indem er sich neben sie setzte. Er ergriff eine ihrer Hände und streichelte und klopfte dieselbe, als ob er ein kleines Kind beschwichtigte.

»Ich will es tragen so gut ich kann, Sara,« flüsterte er. »und ich will nichts weiter sagen. Aber du wirst mir doch zuweilen schreiben, wenn ich wieder ganz allein bin? Du wirst um deiner guten seligen Mutter willen dem alten Onkel Joseph auch manchmal eine Stunde widmen, nicht wahr?«

Sie wendete sich plötzlich nach ihm herum und schlang mit einer leidenschaftlichen Energie, welche mit ihrem sonst so ruhigen, zurückhaltenden Wesen in seltsamem Widerspruch stand, ihre beiden Arme um seinen Hals.

»Ich werde oft schreiben, lieber Onkel, ich werde immer schreiben,« flüsterte sie, ihren Kopf an seine Brust lehnend. »Wenn ich jemals in Not oder Gefahr gerate, so sollst du es erfahren.«

Sie schwieg verlegen, als ob die Ungewzungenheit ihrer eigenen Worte und Handlungen sie erschreckte, ließ ihre Arme los, wendete sich schnell von dem alten Manne wieder ab und bedeckte das Gesicht mit den Händen. Die Tyrannei des Zwanges, der ihr ganzes Leben beherrschte, ward – wie traurig und wie beredt! – in dieser einen kleinen Bewegung ausgedrückt.

Onkel Joseph erhob sich von dem Sofa, ging leise im Zimmer auf und ab, sah seine Nichte besorgt an, sprach aber nicht zu ihr.

Nach einer Weile trat der Kellner ein, um den Tisch zum Abendessen zu decken. Es war dies eine willkommene Unterbrechung, denn Sara ward dadurch genötigt, sich so viel als möglich wieder zu fassen.

Nachdem die Mahlzeit vorüber war, begaben sich Onkel und Nichte jedes auf sein Schlafzimmer, ohne weiter ein Wort in Bezug auf ihre bevorstehende Trennung zu wechseln.

Als sie einander am nächsten Morgen wiedersahen, hatte der alte Mann seine gewohnte Laune immer noch nicht wieder gewonnen. Obschon er so heiter zu sprechen versuchte wie gewöhnlich, so lag doch etwas seltsam Gedämpftes und Ruhiges in Bezug auf Stimme, Blick und Sprache in ihm.

Sara ward tief ergriffen, als sie sah, welche Wirkung die Aussicht auf ihre Trennung auf ihn äußerte. Sie sprach einige Worte des Trostes und der Hoffnung, aber er winkte in seiner sonderbaren fremdländischen Weise bloß verneinend mit der Hand und eilte aus dem Zimmer, um den Wirt aufzusuchen und die Rechnung zu verlangen.

Bald nach dem Frühstück setzten sie, zur Verwunderung der Leute des Gasthofs, ihre Reise zu Fuße weiter fort. Onkel Joseph trug seinen Ranzen auf dem Rücken und die Reisetasche seiner Nichte in der Hand. Als sie an die Biegung kamen, welche zu dem Kreuzwege führte, blieben sie beide stehen und schauten zurück

Diesmal sahen sie nichts, was sie hätte beunruhigen können. Es war auf der breiten Landstraße, welche sie während der letzten Viertelstunde, nachdem sie das Gasthaus verlassen, gewandert waren, kein lebendes Wesen zu sehen.

»Die Luft ist rein,« sagte Onkel Joseph, während sie in den Kreuzweg einbogen. »Was auch gestern geschehen sein mag – jetzt wenigstens schleicht uns niemand nach.«

»Niemand, den wir sehen könnten,« antwortete Sara. »Ich traue aber selbst den Steinen an der Straße nicht. Wir wollen uns oft umschauen, Onkel, ehe wir uns sicher fühlen. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr fürchte ich die Schlinge, welche diese Leute in Porthgenna Tower uns gelegt haben.«

»Du sagst uns, Sara. Warum sollte man denn auch mir eine Schlinge legen?«

»Weil man dich in meiner Gesellschaft gesehen hat. Du wirst weniger von ihnen zu fürchten haben, wenn wir nicht mehr beisammen sind, und dies ist abermals ein Grund, Onkel Joseph, weshalb wir das Unglück unserer Trennung so geduldig ertragen müssen als wir können.«

»Gehst du weit, sehr weit fort, Sara, wenn du mich verlässest?«

»Ich wage nicht eher meine Reise zu beendigen als bis ich fühle, daß ich mich in der großen Welt von London verloren habe. Sieh mich nicht so traurig an! Ich werde mein Versprechen niemals vergessen – ich werde niemals vergessen zu schreiben. Ich habe Freunde – nicht Freunde wie du, aber doch Freunde – zu welchen ich gehen kann. Nur in London kann ich mich sicher vor Entdeckung fühlen. Meine Gefahr ist groß – sie ist es wirklich! Aus dem, was ich in Porthgenna gesehen, kann ich mit Bestimmtheit schließen, daß Mistreß Frankland schon jetzt ein Interesse daran hat, mich ausfindig zu machen, und ich bin überzeugt, daß dieses Interesse noch um das Zehnfache gesteigert werden wird, wenn – wie sicherlich geschieht – sie hört, was gestern in dem Schlosse vorgegangen ist. Sollte man deine Spur bis nach Truro verfolgen, o dann sei auf deiner Hut, wenn du die Fragen, die sie an dich stellen, beantwortest.«

»Ich werde gar nicht antworten, mein Kind. Aber sage mir – denn ich möchte alle kleinen Möglichkeiten wissen, in deren Folge du doch vielleicht zu mir zurückkehrst – sage mir, wenn Mistreß Frankland den Brief findet, was wirst du dann tun?«

Bei dieser Frage faßte Saras Hand, welche, während sie nebeneinander hinschritten, matt auf ihres Onkels Arm gelegen, denselben plötzlich und krampfhaft.

»Wenn Mistreß Frankland auch in das Myrtenzimmer geht,« sagte sie, indem sie stehenblieb und sich furchtsam umsah, »so findet sie den Brief vielleicht doch nicht. Er ist ganz klein zusammengefaltet und an einem Ort versteckt, wo man ihn nicht so leicht sucht.«

»Wenn sie ihn nun aber doch findet?«

»Wenn dies der Fall ist, dann ist um so mehr Grund für mich vorhanden,soweit als möglich hinweg zu sein.«

Während Sara diese Antwort gab, legte sie ihre beiden Hände aufs Herz und drückte sie fest darauf. Ein leichter Krampf schien ihre Züge zu verzerren, ihre Augen schlossen sich, ihr Gesicht ward dunkelrot und dann bleicher als vorher. Sie zog ihr Taschentuch heraus und fuhr sich damit mehrmals über das Gesicht, auf welchem jetzt dicker Schweiß stand.

Der alte Mann, welcher, als seine Nichte stehenblieb, in der Meinung, sie habe jemanden ihnen folgen sehen, hinter sich geschaut hatte, bemerkte ihre letztere Bewegung und fragte sie, ob es ihr zu heiß wäre.

Sie schüttelte den Kopf, nahm seinen Arm, um weiterzugehen und atmete, wie ihm vorkam, mit einiger Mühe.

Er schlug vor, daß sie sich am Rande der Straße niedersetzen und eine Weile ausruhen sollte, sie antwortete aber bloß: »Noch nicht.«

Und somit gingen sie wieder eine halbe Stunde weiter, schauten sich dann nochmals um, und als sie auch jetzt noch niemanden sagen, setzten sie sich auf eine Bank, die am Rande der Straße stand, um einige Minuten auszuruhen.

Nachdem sie noch zweimal an passenden Ruheplätzen Halt gemacht, erreichten sie das Ende des Kreuzweges. Auf der großen Landstraße, in welche sie dann einbogen, wurden sie von einem Mann eingeholt, der einen leeren Leiterwagen fuhr und sich erbot, sie bis zur nächsten Stadt mitzunehmen.

Sie nahmen den Vorschlag dankbar an und stiegen, als sie nach einer halbstündigen Fahrt die Stadt erreicht hatten, an der Tür des besten Gasthauses ab. Als sie auf Erkundigung hier erfuhren, daß der Personenwagen schon durchpassiert war und sie folglich zu spät kamen, mieteten sie eine Chaise, welche sie sehr spät am Nachmittag nach Truro zurückbrachte.

Während der ganzen Reise, von der Zeit an, wo sie die Poststadt von Porthgenna verlassen, bis zu der Stunde, wo sie auf Saras Wunsch auf dem Personeneinschreibebureau in Truro abstiegen, hatten sie nichts gesehen, was auch nur den mindesten Argwohn, daß ihre Bewegungen beobachtet würden, hätte erwecken können.

Niemand von den Leuten, welche sie in den benachbarten Ortschaften sahen, oder an welche sie auf der Straße vorüberkamen, schien mehr als die flüchtigste Notiz von ihnen zu nehmen.

Es war fünf Uhr als sie in das Fahrbureau von Truro traten, um sich nach den Fahrgelegenheiten in der Richtung von Exeter zu erkundigen. Man teilte ihnen mit, daß nach dieser Richtung binnen einer Stunde ein Wagen abgehen und um acht Uhr den nächsten Morgen ein zweiter die Stadt Truro passieren würde.

»Du wirst doch nicht heute Abend noch weiter reisen?« fragte Onkel Joseph in bittendem Tone. »Nicht wahr, du wartest, mein Kind, und ruhst bei mir aus bis morgen?«

»Es wird besser sein, wenn ich gehe, Onkel so lange mein Entschluß noch frisch ist,« lautete die traurige Antwort.

»Aber du bist so bleich, so müde, so schwach!«

»Stärker als ich jetzt bin, werde ich doch nie werden. Raube mir nicht vollends den Mut – meine Aufgabe ist ohnedies schwer genug.«

Onkel Joseph seufzte und sagte weiter nichts. Er ging voran quer über die Straße und dann die Nebengasse hinab nach seinem Hause. Der heitere Mann im Laden polierte ein Stück Holz hinter dem Ladentisch und saß genau in derselben Stellung, in welcher Sara ihn erblickt, als sie bei ihrer Ankunft in Truro zuerst durch das Fenster gesehen. Er hatte gute Nachrichten für seinen Herrn, denn es waren allerhand Bestellungen eingegangen, Onkel Joseph hörte aber nur mit halbem Ohre, was sein Gehilfe sagte, und eilte ohne den mindesten Abglanz seines gewohnten Lächelns auf seinem Gesicht in das kleine Hinterstübchen.

»Wenn ich keinen Laden hätte und keine Bestellungen eingegangen wären, so könnte ich dich auch ferner noch begleiten, Sara,« sagte er, als er mit seiner Nichte allein war. »Ei, ei, der Anfang dieser Reise war der einzige glückliche Teil derselben. Setze dich nieder und ruhe aus, mein Kind. Ich muß es hinnehmen, wie es kommt und vor allen Dingen dir eine Tasse Tee bereiten.«

Nachdem er das Teegeschirr auf den Tisch gesetzt, verließ er das immer und kehrte nach einer Abwesenheit von wenigen Minuten mit einem Korbe in der Hand zurück. Als der Träger kam, um das Gepäck nach dem Fahrbureau abzuholen, ließ Onkel Joseph den Korb nicht gleichzeitig mit forttragen, sondern setzte sich nieder und stellte ihn zwischen die Füße, während er seiner Nichte eine Tasse Tee einschenkte.

 

Die Spieluhr hing immer noch in ihrem ledernen Reisefutteral an seiner Seite. Sobald er die Tasse Tee eingeschenkt, zog er das Futteral von der Spieluhr und stellte sie auf den Tisch neben sich. Seine Augen schweiften zögernd auf Sara, indem er dies tat. Er neigte sich vorwärts, seine Lippen zitterten ein wenig, seine Hände spielten verlegen mit dem leeren Lederfutteral, welches jetzt auf seinen Knien lag und er sagte in leisem, unsicherm Tone zu seiner Nichte:

»Willst du noch ein kleines Abschiedslied von Mozart hören? Es dauert vielleicht lange, Sara, ehe er dir wieder etwas vorspielen kann. Ein kleines Abschiedslied, mein Kind, ehe du gehst, nicht wahr?«

Seine Hand bewegte sich langsam von dem Lederfutteral nach dem Tische und ließ die Uhr dieselbe Arie spielen, welche Sara an dem Abend gehört, wo sie nach ihrer Reise von Somersetshire in das Zimmer trat und ihn allein am Tische sitzen und der Musik zuhören sah.

Welche Tiefen von Kummer lagen jetzt in diesen wenigen einfachen Tönen! Welche traurige Erinnerung an vergangene Zeiten erfüllte das Herz bei dieser einzigen, kurzen, klagenden Melodie!

Sara hatte nicht den Mut, ihre Augen zu dem Gesicht des alten Mannes zu erheben. Sie hätten ihm verraten können, daß sie an die Tage dachte, wo das Kunstwerk, welches er so hoch in Ehren hielt, die Arie, der sie jetzt zuhörten, an dem Bett seines sterbenden Kindes spielte.

Die hemmende Feder war nicht vorgeschoben und die Melodie begann daher, nachdem sie durchgespielt war, wieder von vorn. Nun aber folgten die Töne nach den ersten wenigen Takten immer langsamer aufeinander, die Melodie ward immer undeutlicher und reduzierte sich endlich bis auf drei Töne, welche in langen Zwischenpausen aufeinander folgten, dann hörte sie ganz auf. Die Kette, welche die Tätigkeit der Maschinerie regelte, war abgelaufen, Mozarts Abschiedslied verstummte plötzlich wie die Stimme eines Sterbenden.

Der alte Mann fuhr zusammen, sah seine Nichte aufmerksam an und warf das Lederfutteral über die Spieluhr, als ob er sie nicht mehr sehen wollte.

»So,« flüsterte er bei sich selbst in seiner Muttersprache, »so verstummte die Musik auch, als mein kleiner Joseph starb. Gehe nicht!« setzte er schnell auf Englisch hinzu, beinahe ehe Sara noch Zeit gehabt, Verwunderung über die eigentümliche Veränderung zu empfinden, welche mit seiner Stimme und mit seinem Wesen vorgegangen war. »Geh nicht fort! Überlege dir es noch einmal und bleibe bei mir!«

»Ich habe keine andere Wahl als dich zu verlassen,« entgegnete Sara. »Du hältst mich doch nicht für undankbar? Tröste mich in diesem letzten Augenblick, indem du mir dies sagst.«

Er drückte ihr schweigend die Hand und küßte sie auf beide Wangen.

»Mein Herz ist schwer um deinetwillen, Sara,« sagte er. »Ich fürchte sehr, daß es nicht zu deinem Glücke sein werde, wenn du mich jetzt verlässest.«

»Ich habe keine andere Wahl,« wiederholte sie traurig; »ich habe keine andere Wahl als dich zu verlassen.«

»Dann ist es auch Zeit, Abschied zu nehmen.«

Die Wolke des Zweifels und der Furcht, welche von dem Augenblick an, wo die Musik so kläglich verstummte, sein Gesicht verändert, schien noch finsterer zu werden, als er diese Worte gesagt hatte. Er ergriff den Korb, welchen er so sorgfältig zwischen den Füßen gehalten, und ging schweigend voran zum Hause hinaus.

Sie kamen eben noch zu rechten Zeit, denn der Kutscher stieg schon auf den Bock, als sie in das Fahrbureau kamen.

»Gott behüte dich, mein Kind, und sende dich bald gesund und wohlbehalten zu mir zurück,« sagte Onkel Joseph. »Nimm den Korb auf deinen Schoß; es sind einige Kleinigkeiten für deine Reise darin.«

Seine Stimme wankte bei den letzten Worten und Sara fühlte, wie er seine Lippen auf ihre Hand drückte. Den nächsten Augenblick ward die Tür des Wagens geschlossen und sie sah ihn undeutlich durch die Tränen hindurch auf dem Pflaster unter den Gaffern stehen, welche warteten, um den Wagen fortfahren zu sehen.

Als dieser eine Strecke aus der Stadt hinaus war, konnte Sara endlich ihre Tränen trocknen und in den Korb sehen. Er enthielt einen Topf Marmelade und einen Hornlöffel, ein kleines eingelegtes Arbeitskästchen von dem Vorrat im Laden, ein Stück ausländisch aussehenden Käse, eine Zeile Semmeln und ein kleines Paket Geld in Papier, mit den von Onkel Josephs Hand darauf geschriebenen Worten: »Sei nicht bös.«

Sara schloß wieder den Deckel des Korbes und zog ihren Schleier herab. Niemals hatte sie den Schmerz des Scheidens in seiner ganzen Bitterkeit so gefühlt wie in diesem Augenblick. O, wie hart war es, von der schützenden Heimat verbannt zu sein, die ihr von dem einzigen Freund geboten ward, den sie noch in der Welt hatte!

Während sie dies bei sich dachte, schloß der alte Mann eben die Tür seines einsamen Zimmers. Sein Auge schweifte nach dem Teegeschirr auf dem Tisch und Saras leerer Tasse und er flüsterte wieder in seiner Muttersprache bei sich selbst:

»Gerade so verstummte die Musik, als mein kleiner Joseph starb!«

Achtes Kapitel
Ein alter Freund und ein neues Projekt

Als Sara erklärte, daß der Knabe, welchen sie auf dem Moorland hatte hacken sehen, ihr und ihrem Onkel selbst nach der Poststadt von Porthgenna nachgeschlichen war, hatte sie die buchstäbliche Wahrheit behauptet. Jakob hatte die Spur bis an den Gasthof verfolgt, eine Weile in der Nähe desselben gewartet, um sich zu überzeugen, ob es wahrscheinlich sei, daß sie ihre Reise diesen Abend weiter fortsetzen würden, und war dann nach Porthgenna Tower zurückgekehrt, um diese Meldung zu machen und die versprochene Belohnung in Anspruch zu nehmen.

An demselben Abend widmeten sich die Haushälterin und der Kastellan gemeinschaftlich der Abfassung eines Briefes an Mistreß Frankland, in welchem sie ihr alles berichteten, was von der Zeit an geschehen, wo die Fremden erschienen waren, bis zu dem Augenblick, wo der Gärtnerjunge ihnen bis an die Tür des Gasthauses gefolgt war.

Dieses Schriftstück war reichlich mit den rhetorischen Ausschmückungen Mr. Munders gespickt und – eine notwendige Folge hiervon – als Erzählung übertrieben lang und als Darlegung von Tatsachen hoffnungslos verworren.

Wir brauchen nicht erst zu sagen, daß der Brief mit allen seinen Mängeln und Abgeschmacktheiten von Mistreß Frankland mit dem tiefsten Interesse gelesen ward. Ihr Gatte und Doktor Orridge, welchen beiden sie den Brief mitteilte, waren darüber ebenso erstaunt, als sie selbst. Obschon die Entdeckung von Mistreß Jazephs Reise nach Cornwall sie bewogen hatte, es innerhalb des Bereichs der Möglichkeit liegend zu betrachten, daß sie in Porthgenna zum Vorschein käme, und obschon Rosamunde ihren Brief an die Haushälterin unter dem Einflusse dieser Idee geschrieben, so war doch weder sie noch ihr Gatte auf eine so schnelle Bestätigung ihres Argwohns vorbereitet wie sie jetzt erhielten.

Ihr Erstaunen aber bei Kenntnisnahme von dem allgemeinen Inhalt des Briefes war wie nichts im Vergleich mit ihrem Erstaunen, als sie an die speziellen Stellen des Briefes kamen, welcher sich Onkel Joseph bezog. Dieses neue Element, welches dem immer dunkler werdenden Geheimnis in Bezug auf Mistreß Jazeph und das Myrtenzimmer durch das Auftreten dieses Ausländers auf der Bühne und durch seinen genauen Zusammenhang mit den außerordentlichen Vorgängen, die in dem alten Schlosse stattgefunden, mitgeteilt ward, äußerte auf alle eine im höchsten Grade verblüffende Wirkung.

Der Brief ward immer und immer wieder gelesen, Satz für Satz kritisch zerlegt, sorgfältig von dem Doktor erläutert, um die Tatsachen, die er enthielt, von der Masse nichtssagender Worte zu sondern, in welche Mr. Munder sie künstlicher- und langweiligerweise gehüllt, und endlich nach aller Mühe, die man sich gegeben, ihn verständlich zu machen, für das geheimnisvolle und seltsamste Dokument erklärt, welches jemals die Feder eines Sterblichen hervorgebracht.

Der erste praktische Vorschlag, welcher, nachdem der Brief verzweiflungsvoll beiseite gelegt worden, gemacht ward, ging von Rosamunden aus. Sie schlug vor, daß ihr Gatte und sie selbst – natürlich mit Einschluß ihres Söhnchens – sofort nach Porthgenna aufbrechen sollten, um die Diener genau in Bezug auf Mistreß Jazeph und den Ausländer, der sie begleitet, auszufragen und die Lokalitäten der Nordseite des Hauses zu untersuchen, um vielleicht einen Aufschluß über die Lage des Myrtenzimmers zu entdecken, während die Ereignisse noch frisch in der Erinnerung der Zeugen waren.

Der auf diese Weise verteidigte Plan stieß jedoch, obschon er an und für sich ganz vortrefflich war, bei Doktor Orridge aus ärztlichen Gründen auf Widerspruch. Mistreß Frankland hatte sich dadurch, daß sie, als sie das erste Mal das Zimmer verlassen, zu leichtsinnig der Luft ausgesetzt, eine ziemliche Erkältung zugezogen, und der Doktor weigerte sich, ihr vor Ablauf einer Woche Erlaubnis zum Reisen zu erteilen.

Der nächste Vorschlag ging von Mr. Frankland aus. Dieser erklärte, es sei ihm vollkommen klar, daß die einzige Aussicht, das Geheimnis des Myrtenzimmers zu durchdringen, einzig und allein davon abhänge, daß man ein Mittel fände, mit Mistreß Jazeph in Mitteilung zu treten.

Er schlug vor, sich nicht weiter mit irgendetwas zu bemühen, was mit der Durchführung dieser Absicht nicht im Zusammenhang stehe, und stellte den Antrag, daß der Diener, der jetzt in West Winston bei ihnen war – ein Mann, der seit vielen Jahren in seinen Diensten stand und auf dessen Eifer, Tätigkeit und Intelligenz man sich unbedingt verlassen konnte – sofort nach Porthgenna gesendet würde, um die nötigen Nachforschungen zu beginnen und die Lokalitäten auf der Nordseite des Hauses sorgfältig zu untersuchen.

Dieser Rat ward auch sofort befolgt. Noch ehe eine Stunde um war, machte der Diener sich auf den Weg nach Cornwall, gründlich instruiert in Bezug auf das, was er tun sollte und wohl mit Geld versehen, im Fall er es notwendig fand, viel Personen zu Betreibung der erforderlichen Nachforschungen zu verwenden.

Nach einiger Zeit sendete er seinem Herrn einen Bericht über die von ihm getanen Schritte.

Dieser Bericht war aber von im höchsten Grade entmutigender Art. Von Mistreß Jazeph und ihrem Begleiter hatte man von der Poststadt von Porthgenna an jede Spur verloren. Man hatte Nachforschungen nach allen Richtungen hin angestellt, aber keinen einzigen zuverlässigen Aufschluß erlangt. Leute in ganz verschiedenen Ortschaften erklärten, zwei Personen gesehen zu haben, welche der Beschreibung der Frau in der dunkeln Kleidung des alten Ausländers entsprachen; forderte man sie aber auf, die Richtung anzuzeigen, in welcher die beiden Fremden gereist waren, so erhielt man Antworten von der verwirrendsten und widersprechendsten Art.

Man hatte weder Mühe noch Kosten gespart, aber bis jetzt kein Resultat von auch nur dem geringsten Werte erlangt. Ob die Frau und ihr Begleiter nach Osten, Westen, Norden oder Süden gegangen waren, darüber konnte Mr. Franklands Diener in dem gegenwärtigen Stadium der Erörterungen keinerlei Auskunft geben.

Der Bericht über die Untersuchung der nördlichen Zimmer war ebenso wenig befriedigend. Auch hier konnte man nichts von irgendwelcher Bedeutung entdecken. Der Diener hatte ermittelt, daß es zweiundzwanzig Zimmer auf der unbewohnten Seite des Hauses gab – sechs im Erdgeschoß, welche in den verödeten Garten gingen, acht in der ersten Etage und acht über diesen in der zweiten. Er hatte alle Türen von oben bis unten sorgfältig untersucht und war zu dem Schlusse gekommen, daß keine derselben geöffnet worden.

Die Indizien, welche die eigene Handlungsweise der rätselhaften Frau lieferte, führten zu nichts. Sie hatte, wenn man der Aussage der Magd trauen durfte, die Schlüssel auf den Fußboden der Halle fallen lassen. Man fand sie selbst, wie die Haushälterin und der Kastellan versicherten, ohnmächtig oben auf dem Vorplatze der ersten Treppe liegen. Die Tür, welche sich ihr hier gegenüber befand, zeigte von einer damit neuerdings vorgenommenen Eröffnung ebenso wenig eine Spur als die andern Türen der übrigen zweiundzwanzig Zimmer.

Ob das Zimmer, zu welchem sie Zutritt zu erlangen wünschte, eines der acht in der ersten Etage, oder ob sie auf dem Wege nach der höher gelegenen Reihe von acht Zimmern in der zweiten Etage ohnmächtig geworden war, dies ließ sich unmöglich bestimmen.

Die einzigen sichern Schlüsse, welche aus den in dem Hause stattgehabten Ereignissen gezogen werden konnten, waren zwei an der Zahl.

Erstens konnte man mit Gewißheit annehmen, daß die rätselhafte Frau gestört worden, ehe sie im Stande gewesen war, sich der Schlüssel zu bedienen, um in das Myrtenzimmer zu gelangen.

 

Zweitens ließ sich aus der Stellung, in welcher sie auf der Treppe gefunden ward und aus der Aussage in Bezug auf das Fallenlassen der Schlüssel annehmen, daß das Myrtenzimmer sich nicht in dem Erdgeschoß befand, sondern eins der in der ersten und zweiten Etage befindlichen sechzehn Zimmer war.

Außerdem hatte der Schreiber des Berichts nichts weiter zu melden, ausgenommen, daß er sich erlauben werde, in Porthgenna zu warten, im Fall sein Herr ihm weitere Instruktionen mitzuteilen hätte.

Was war nun zu tun?

Dies war notwendig die erste Frage, welche die Meldung des Dieners von dem erfolglosen Ergebnis seiner Nachforschungen in Porthgenna an die Hand gab.

Wie dieselbe aber zu beantworten sei, dies war nicht sehr leicht zu ermitteln. Rosamunde wußte nichts vorzuschlagen, Mr. Frankland wußte nichts vorzuschlagen, der Doktor wußte nichts vorzuschlagen. Je eifriger alle drei über eine neue Idee nachdachten, desto weniger schien Aussicht vorhanden, daß es ihnen gelingen werde, eine zu finden.

Endlich stellte Rosamunde verzweifelnd den Antrag, den Rat einer vierten zuverlässigen Person zu suchen, und bat ihren Gatten um die Erlaubnis, eine vertrauliche Darlegung des ganzen Sachverhaltes für den Vikar von Long Beckley niederschreiben und demselben übersenden zu dürfen.

Doktor Chennery war ihr ältester Freund und Ratgeber. Er hatte sie beide als Kinder gekannt; er interessierte sich für sie wie ein Vater und er besaß jene unschätzbare Gabe schlichten, klaren, gesunden Menschenverstandes, die ihn als gerade den Mann bezeichnete, welcher am allerwahrscheinlichsten ihnen nicht bloß beistehen könnte, sondern dies auch bereitwillig tun würde.

Mr. Frankland war mit Vorschlage seiner Gattin sofort einverstanden, und Rosamunde schrieb unverweilt an Doktor Chennery, indem sie ihm alles mitteilte, was seit Mistreß Jazephs erster Einführung bei ihr geschehen, und indem sie ihn um seine Meinung hinsichtlich des Verfahrens bat, welches unter den obwaltenden Umständen sich als das ratsamste darstellte.

Mit umgehender Post lief eine Antwort ein, welche Rosamundes Vertrauen auf ihren alten Freund vollkommen rechtfertigte.

Doktor Chennery teilte nicht bloß die Neugier und Spannung, welche Mistreß Jazephs Worte und Benehmen in dem Gemüt seiner Korrespondentin hervorgerufen, sondern hatte auch einen eigentümlichen Plan zur Ermittelung der Lage des Myrtenzimmers vorzuschlagen.

Der Vikar beantwortete seinen Vorschlag dadurch, daß er sich gegen jede weitere Nachforschung nach Mistreß Jazeph erklärte. Nach den Umständen, wie sie ihm erzählt wurden, zu urteilen, meinte er, es werde nur Zeitverschwendung sein, sie ausfindig machen zu wollen.

Demgemäß ließ er diesen Teil des Gegenstandes sofort ruhen und widmete sich der Erwägung der wichtigeren Frage: Wie sollten Mr. und Mistreß Frankland zu Werke gehen, um das Geheimnis des Myrtenzimmers allein und durch sich selbst zu entdecken?

In dieser Beziehung hegte Doktor Chennery eine Überzeugung der stärksten Art und sagte Rosamunden im voraus, daß sie sich auf eine große Überraschung gefaßt machen müsse, wenn er weiter unten darauf zu sprechen käme.

Indem er es nämlich als ausgemacht betrachtete, daß sie und ihr Gatte keine Hoffnung hätte, ausfindig zu machen, wo das fragliche Zimmer sei, wenn sie nicht von jemandem unterstützt würden, der besser als sie mit den alten örtlichen Einrichtungen des Innern von Porthgenna Tower bekannt sei, erklärte der Vikar seine Meinung dahin, daß es nur noch einen einzigen lebenden Menschen gäbe, der ihnen den erforderlichen Aufschluß geben könnte, und dieser Mensch sei niemand anders als Rosamundes griesgrämiger, menschenfeindlicher Onkel Andrew Treverton!

Diese auffällige Meinung unterstützte Doktor Chennery durch zwei Gründe. Erstens war Andrew das einzige noch lebende Mitglied der älteren Generation, welche in Porthgenna Tower zu einer Zeit gelebt, wo alle mit den nördlichen Zimmern zusammenhängenden Traditionen noch frisch in der Erinnerung der Bewohner des Hauses lebten. Die Leute, die jetzt darin wohnten, waren Fremde, welche von Mr. Franklands Vater engagiert worden, und die in früherer Zeit von Kapitän Treverton angenommenen Diener waren gestorben oder zerstreut. Die einzige verlässliche Person, deren Erinnerungen für Mr. und Mistreß Frankland höchstwahrscheinlich von Nutzen sein konnten, war daher unbestreitbar der Bruder des früheren Besitzers von Porthgenna Tower.

Zweitens war die Möglichkeit vorhanden – selbst wenn Andrew Trevertons Gedächtnis nicht ganz zuverlässig war – daß er schriftliche oder gedruckte Aufschlüsse in Bezug auf die Örtlichkeit des Myrtenzimmers besaß. Nach seines Vaters Testament – welches, als Andrew noch ein junger Mann, der eben auf die Universität ging, war, gemacht und weder zu der Zeit seiner Abreise aus England oder später geändert worden – hatte er die ausgewählte alte Sammlung von Büchern in der Bibliothek von Porthgenna geerbt. Gesetzt, daß er diese Erbstücke noch besaß, war es höchstwahrscheinlich, daß sich darunter ein Plan oder eine Beschreibung des Hauses befand, wie es in der vergangenen Zeit war, wodurch dann aller gewünschter Aufschluß an die Hand gegeben ward.

Dies war ein zweiter gewichtiger Grund, zu glauben, daß wenn irgendwo ein Aufschluß über die Lage des Myrtenzimmers existierte, Andrew Treverton der Mann sei, der ihn geben könnte.

Nahm man aber sonach an, daß der griesgrämige, alte Misanthrop der einzige Mensch sei, welchen man mit Nutzen um die gewünschte Belehrung ansehen könnte, so entstand zunächst die Frage, wie man mit ihm in Verbindung treten solle?

Der Vikar wußte recht wohl, daß es nach Andrews unverzeihlich herzloser Handlungsweise gegen ihren Vater und ihre Mutter für Rosamunde unmöglich sei, sich direkt an ihn zu wenden. Dieses Hindernis ließ sich indessen dadurch beseitigen, dass man die erforderliche Mitteilung von Doktor Chennery ausgehen ließ. So gründlich wie der Vikar dem alten Misanthropen persönlich abgeneigt war und so entschieden er auch die Grundsätze desselben mißbilligte, so war er doch gern bereit, im Interesse seiner jungen Freunde von seinen persönlichen Antipathien abzusehen und gab – wenn Rosamunde und ihr Gatte damit einverstanden wären – seine vollkommene Bereitwilligkeit zu erkennen, an Andrew zu schreiben, sich auf ihre frühere Bekanntschaft zu berufen und ihn, als ob es sich um eine altertümliche Kuriosität handelte, um Auskunft in Bezug auf die nördliche Seite von Porthgenna Tower zu bitten, und dabei ganz natürlich die Bitte auszusprechen, ihn von den Namen in Kenntnis zu setzen, unter welchen die einzelnen Zimmer in frühern Zeiten bekannt gewesen wären.

Indem der Vikar dieses Anerbieten machte, gestand er offen, er glaube, es sei keine Aussicht vorhanden, überhaupt eine Antwort auf dies Gesuch zu erhalten, wie sorgfältig er dasselbe auch mit Berücksichtigung der griesgrämigen Eigentümlichkeiten Andrews abfassen möchte.

Indessen, in Erwägung daß bei dem gegenwärtigen Stande der Dinge eine schwache Hoffnung immer noch besser sei als gar keine, meinte er, es sei wenigstens der Mühe wert, nach dem von ihm vorgeschlagenen Plane einen Versuch zu machen.

Wenn Mr. und Mistreß Frankland ein besseres Mittel ersinnen könnten, um mit Andrew Treverton in Mitteilung zu treten oder wenn sie vielleicht einen andern Weg entdeckt hätten, um die Aufschlüsse, deren sie bedürften, zu erlangen, so sei Doktor Chennery vollkommen bereit, von seinen eigenen Ansichten abzustehen und sich den ihrigen unterzuordnen.

Auf jeden Fall könne er nur mit der Bitte schließen, zu bedenken, daß er das Interesse seiner jungen Freunde wie sein eigenes betrachte und daß jeder Dienst, den er ihnen leisten könnte, ihnen mit Freunden und mit der größten Bereitwilligkeit zur Verfügung stünde.

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