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Die Blinde

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Fünfzehntes Kapitel.
Ereignisse am Krankenbette

Ich bin, wie man sich gütigst erinnern wolle, meinem ganzen Wesen nach Französin und daher immer bestrebt mir soviel wie möglich trübe Eindrücke fern zu halten. Aus diesem Grunde kann ich mich wirklich nicht entschließen, zu schildern, was zwischen meiner blinden Lucilla und mir vorging, als ich unser hübsches Wohnzimmer betrat. Es rührte mich damals zu Thränen und es würde mich und vielleicht auch den Leser wieder zu Thränen rühren, wenn ich berichten wollte, was das zarte junge Wesen litt, als ich ihr die traurige Nachricht mittheilte. Ich will es nicht in Abrede stellen; ich habe eine unüberwindliche Abneigung gegen Thränen Sie greifen die Nase an und meine Nase ist das Beste an meinem Gesichte. Laßt uns, meine schönen Freundinnen unsere Augen dazu gebrauchen, Eroberungen zu machen, nicht aber zum Weinen.

Es genüge, daß, als ich nach Browndown zurückkehrte, Lucilla mich begleitete. Es war das erste Mal, daß ich an Lucilla eine Regung von Eifersucht auf uns Glückliche, die wir sehen konnten, beobachtete. Kaum hatte sie Oscars Zimmer betreten, als sie darauf bestand, sich so nahe an das Bett zu setzen, daß sie uns, während wir den Verwundeten pflegten, hören oder berühren könnte. Sie setzte sich auch sofort an den bis jetzt von Frau Gootheridge eingenommenen Platz und fing an Oscars Gesicht und Stirn mit kaltem Wasser zu besprengen. Sie war selbst auf mich eifersüchtig, als sie entdeckte, daß ich die Umschlägel auf der Wunde anfeuchtete. Ich reizte sie dadurch, das Antlitz des armen bewußtlos daliegenden Kranken ohne Rücksicht auf unsere Gegenwart zu küssen; die Wirthin aus der »Guten Hand « war eine Frau nach meinem Sinn; sie wußte allen Dingen eine heitere Seite abzugewinnen. »Sie ist in ihn verliebt, nicht wahr?« flüsterte sie mir zu, da dürfen wir uns wohl auf eine Hochzeit in Dimchurch gefaßt machen.«

Bei dem Küssen und dem Geflüster wurde es dem einzigen anwesenden Manne, Frau Gootheridge’s Bruder, sehr unbehaglich; er gehörte zu der großen und respectabeln Classe von Engländern, die nicht wissen, was sie mit ihren Händen anfangen, oder wie sie ein Zimmer verlassen sollen. Es that mir leid; er war wirklich ein hübscher Mann.

»Gehen Sie doch ein wenig in den Garten und rauchen Ihre Pfeife, Herr Gootheridge,« sagte ich; »wir wollen Sie aus dem Fenster rufen, wenn wir Ihrer hier oben bedürfen.« Frau Gootheridges Bruder warf mir einen Blick voll unaussprechlicher Dankbarkeit zu und machte sich davon, als wenn man ihn aus einer Falle, in die er sich verfangen, befreit hätte.

Endlich erschien der Arzt.

Gleich seine ersten Worte gewährten uns eine unbeschreibliche Erleichterung. Die Hirnschale unseres armen Freundes war nicht verletzt; es hatte eine Erschütterung des Gehirns stattgefunden und in der Haut befand sich eine offenbar mit einem stampfen Instrumente beigebrachte Wunde. Für die Wunde hatte ich vor Ankunft des Doctors Alles gethan, was erforderlich war; was das Gehirn anlangte, so hoffte der Arzt, daß Zeit und sorgfältige Pflege Alles wieder in – Ordnung bringen werde.

»Seien Sie guten Muths, meine Damen,« sagte dieser Engel von einem Mann, »es ist nicht der mindeste Grund vorhanden, sich wegen des Patienten Sorge zu machen.

Vier oder fünf Stunden, nachdem wir ihn am Fußboden der Werkstätte gefunden hatten, kam Oscar wieder zu sich, das heißt, er öffnete die Augen und blickte wie abwesend umher.

Der Geist des Armen war noch ganz irre. Er erkannte niemanden. Er machte mit seinen Fingern die Bewegung des Schreibens und sagte in dringendem Tone immer wieder: »Geh’ nach Hause, Jicks, geh’ nach Hause,« in der Idee, daß er noch hilflos am Boden liege und das Kind uns zu Hilfe rufen solle. Später am Abend schlief er ein. Den ganzen nächsten Tag zeugten seine Aeußerungen noch von Geistesabwesenheit; erst am nächstfolgenden Tage kam er langsam wieder zu vollem Bewußtsein Lucilla erkannte er zuerst! Sie war gerade damit beschäftigt, sein schönes kastanienbraunes Haar zu bürsten, da streichelte er zu ihrer unaussprechlichen Freude ihre Hand und murmelte ihren Namen. Sie flüsterte ihm etwas in’s Ohr, was das bleiche Gesicht des jungen Mannes erröthen und seine matten Augen vor Freude strahlen machte. Einige Tage später gestand sie mir, daß sie ihm zugeflüstert habe: »Werden Sie besser um meinetwillen!« Sie schämte sich durchaus nicht, so deutlich gesprochen zu haben, im Gegentheil, sie triumphierte darüber und sagte in sehr entschiedenem Tone: »Lassen Sie mich nur machen, ich will ihn erst heilen und dann sein Weib werden.«

Eine Woche später befand er sich wieder im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte, war aber noch entsetzlich schwach und erholte sich nur sehr langsam von der Erschütterung, die er erlitten hatte.

Er war jetzt im Stande, uns Bruchstückweise zu erzählen, was in der Werkstätte vorgefallen war.

Nachdem Frau Gootheridge und ihre Tochter zur gewöhnlichen Zeit das Haus verlassen hatten, war er auf sein Zimmer gegangen, hatte sich dort eine Weile aufgehalten und war dann wieder hinunter gegangen. Als er sich der Werkstätte näherte, klangen ihm aus dem Zimmer flüsternde Stimmen entgegen; es war ihm sofort klar, daß hier etwas nicht in Ordnung sei. Er versuchte sachte die Thür zu öffnen und fand sie verschlossen. Die Räuber hatten offenbar diese Vorsichtsmaßregel gebraucht, um von niemand im Hause bei ihrer Diebesarbeit überrascht zu werden. Der einzige andere Weg, in das Zimmer zu gelangen, war der, dessen wir uns bedient hatten. Ost er ging um das Haus herum in den Hintergarten und sah hier vor der Pforte eine offene Chaise halten. Dieser Umstand erschien ihm höchst auffallend; hätte er nicht die Thür der Werkstätte in so mysteriöser Weise verschlossen gefunden, so würde er bei dem Anblick des Wagens nichts weiter geargwohnt haben, als die Ankunft einiger unerwarteter Besucher. Begierig, das Räthsel zu lösen, stieg er durch das Fenster in das Zimmer, und sah hier die beiden Männer vor sich stehen, welche Jicks zehn Tage vorher an die Gartenmauer gelehnt gefunden hatte.

Als er sich dem Fenster näherte, kehrten sie ihm beide den Rücken zu und waren eifrig damit beschäftigt, die Kiste, welche die Metallplatten enthielt, mit Stricken festzubinden. Bei seinem Eintreten erhoben sie sich und vertraten ihm den Weg. Dieser Raub bei hellem Tageslicht machte Oscar’s leicht erregbares Blut sofort heftig aufwallen; er stürzte auf den jüngeren von den beiden Gesellen, der ihm gerade am nächsten stand, zu. Der Spitzbube sprang bei Seite, so daß Oscar ihn nicht erreichen konnte, ergriff einen auf dem Tische bereit liegenden, mit Blei gefüllten ledernen Schaft, einen sogenannten »Todtschläger« und schlug Oscar damit auf den Kopf, bevor er noch wieder zu sich kommen und dem Mann entgegentreten konnte.

Was sich von jenem Augenblick an bis dahin, wo er nach der ersten Erschütterung des Schlages wieder zur Besinnung gekommen war, zugetragen hatte, wußte er nicht. Er fand sich schwindlich und blutend auf dem Boden liegen und sah das Kind, welches, während er besinnungslos dagelegen hatte, ins Zimmer geschlendert sein mußte, und nun starr vor Entsetzen vor ihm stand. Der Gedanke sich ihrer zu bedienen, um sich Hilfe zu verschaffen, kam ihm wie eine Eingebung, so bald er sie erkannt hatte. Er bewog das Kind durch schmeichelndes Zureden, sich so nahe an ihn heranzuwagen, daß er es mit der Hand erreichen konnte tauchte seinen Finger in das Blut, das seinem Kopfe entströmte, und schrieb damit aus den Rücken des Kinderkleides die schreckliche Botschaft, welche ich herausbuchstabirt hatte. Nachdem er das gethan hatte, nahm er seine letzten Kräfte zusammen, um Jicks sanft an das offene Fenster zu schieben, und sie anzuweisen, nach Hause zu gehen; während er noch die Worte »geh’ nach Hause, geh’ nach Hause,« wiederholte, fiel er von Blutverlust erschöpft wieder in Ohnmacht, sah aber noch oder bildete sich ein zu sehen, wie das Kind starr vor Entsetzen hartnäckig im Zimmer stehen blieb. Wann, der Muth und die Einsicht ihr gekommen waren, nach Hause zu laufen, davon, wie von allem Uebrigen, was sich seitdem ereignet hatte, wußte er natürlich nichts. Sein nächster mit Bewußtsein empfangener Eindruck war, wie schon erwähnt, der Anblick der an seinem Bette sitzenden Lucilla.

Diesem von Oscar erstatteten Berichte folgte eine ergänzende Mittheilung der Polizei. Die Behörden waren thätig und die Dorfbewohnerschaft befand sich tagelang in einem Zustande fieberhafter Aufregung. Nie hat wohl bei einem Verbrechen eine gründlichere Nachforschung stattgefunden, und nie ist wohl ein dürftigeres Ergebniß erzielt worden. Es wurde nichts Wesentliches, was ich nicht schon selbst herausgefunden hatte, entdeckt. Man gewann die Ueberzeugung, daß; wie ich es vermuthet hatte, der Raub ein wohlüberlegter gewesen sei. Obgleich keiner im Pfarrhause die Diebe gesehen hatte, so wurden sie doch, wie von der Behörde festgestellt wurde, an jenem Tage, wo die unglückliche Kiste mit den Metallplatten zuerst in Browndown abgeliefert worden war, in Dimchurch gesehen. Nachdem sie mit Muße das Haus untersucht, und sich mit den häuslichen Gewohnheiten der Bewohner desselben bekannt gemacht hatten, waren die Spitzbuben zum zweiten Male – ohne Zweifel, um den Raub zu begehen – damals in’s Dorf gekommen, als wir sie entdeckt hatten. Als sie ihren Plan durch die unerwartete Rücksendung der Gold und Silberplatten nach London vereitelt sahen, hatten sie ihre Zeit abgewartet, waren mit der Kiste wieder nach Browndown gekommen, und hatten, Dank der einsamen Lage des Hauses und dem mörderischen Schlage, mit welchem sie Oscar bewußtlos zu Boden streckten, ihren Zweck erreicht.

Mehr als ein Zeuge war auf der Straße von Brighton ihrer Chaise mit der Kiste begegnet. Als sie aber den Wagen wieder zu dem Fuhrwerksbesitzer brachten, von welchem sie denselben gemiethet hatten, war von der Kiste nichts mehr zu sehen. Complicen in Brighton waren ihnen aller Wahrscheinlichkeit nach behilflich gewesen, die Metallplatten aus der Kiste zu entfernen und in gewöhnliche Reisekoffer, die keine besondere Aufmerksamkeit an der Eisenbahnstation erregen konnten, zu verpacken. So lautete die Erklärung der Polizei, und gleichviel ob sie nun richtig oder unrichtig war, so stand fest, daß die Spitzbuben nicht gefaßt wurden und daß der räuberische Einbruch in Oscars Haus auf die lange Liste der Verbrechen gesetzt werden muß, welche so geschickt ausgeführt werden, daß der Arm des Gesetzes die Thäter nicht erreicht.

 

Wir für unsern Theil kamen Alle darin überein, Lucilla’s Beispiel zu folgen und uns nicht in nutzlosen Klagen zu ergehen, sondern dankbar dafür zu sein, daß Oscar ohne ernste Verletzung davongekommen war. Das Uebel war nun einmal geschehen. In dieser philosophischen Stimmung sahen wir die Sache an, während unser Patient sich erholte; wir brüsteten uns Alle mit unserem so ungemein verständigen Verhalten und, – ach, wir armen kurzsichtigen Menschen! Wir waren Alle in einem verhängnißvollen Irrthum befangen. Weit entfernt, sein Ende erreicht zu haben, hatte das Uebel erst angefangen. Die eigentlichen Folgen des in Browndown verübten Raubes sollten sich noch erst zeigen und sollten ihre eigenthümliche und traurige Wirkung jedem Mitgliede des kleinen in Dimchurch versammelten Kreises fühlbar machen.

Sechzehntes Kapitel.
Die Folgen des Raubes

Fünf bis sechs Wochen nach dem erlittenen Unfall durfte Oscar sein Zimmer verlassen und war von seiner Wunde geheilt Während dieser Zeit war Lucilla ihrem Programme, Oscar zu heilen, um ihn dann zu heirathen, beharrlich treu geblieben. Nie habe ich eine ähnliche Pflege gesehen und werde auch wohl nie etwas Aehnliches wieder sehen. Von früh bis spät wußte sie ihn auf die eine oder die andere Art zu zerstreuen und ihn bei guter Laune zu erhalten.

>Das reizende Geschöpf verstand es sogar, ihre Blindheit zu einem Mittel der Erheiterung ihres Geliebten zu machen; bisweilen setzte sie sich vor Oscar’s Spiegel und ahmte alle die unzähligen kleinen Künste einer eitlen Kokette, die sich für ihre Eroberungen schmückt, mit so wunderbarer Wahrheit und einem so echt komischen Geberdenspiel nach, daß man hätte schwören mögen, sie sei im Vollbesitz ihrer Sehkraft; dann wieder gab sie Oscar Proben ihrer außerordentlichen Fähigkeit, auf dem Klang der Stimme einer Person die Entfernung zu berechnen, in welcher sich diese Person befand. Bei diesen Versuchen mußte ich mich zum Opfer hergeben; nachdem Lucilla eines der Bouquetta die sie immer selbst vor Oscar’s Bett zu legen pflegte, in die Hand genommen hatte, wies sie mich an, mich geräuschlos an irgend eine beliebige Stelle des Zimmers zu begeben und ihren Namen auszusprechen. Kaum hatte ich den Namen ausgesprochen, als auch schon das Bouquet mir in’s Gesicht flog. So oft sie dieses Experiment auch versuchte, nie verfehlte sie ihr Ziel und nie ließ sie in der Kundgebung ihrer kindischen Freude über ihre eigene Geschicklichkeit nach. Niemand anders durfte Oscar seine Medicin geben; sie hörte an dem Klang der in den Löffel gegossenen Flüssigkeit, ob der Löffel voll war. Als Oscar wieder im Bette auf sitzen durfte, konnte sie ihm, wenn sie am Kopfende des Bettes stand, nach der verschiedenen Wirkung der Luftströmung das ihr Gesicht, je nachdem er sich vorüberbeugte oder zurücklehnte, sagen, wie nahe sein Kopf dem ihrigen sei. In derselben Weise war sie durch die verschiedene Wirkung der Luft aus ihre Stirn und ihre Wangen im Stande, so gut wie Oscar zu sagen wann die Sonne schien und wann sie von Wolken verhüllt war.

Das ganze Gewirre von kleinen Gegenständen die sich in einem Krankenzimmer ansammeln, wußte sie nach eine m ihr eigenthümlichen System in der besten Ordnung zu erhalten. Es machte ihr das größte Vergnügen, das Zimmer spät Abends, wo wir Sehende in unserer Hilflosigkeit daran denken mußten, Licht anzuzünden, aufzuräumen. In der Dämmerungsstunde schwebte sie, für uns noch eben erkennbar, im Zimmer hin und her, bald sichtbar, wenn sie am Fenster vor überging, bald in das Dunkel der entfernteren Theile des Zimmers verloren und fing an, die Gegenstände die während des Tages gebraucht worden waren, von dem Tische abzuräumen und diejenigen, welche während der Nacht gebraucht werden würden, darauf hinzustellen. Wir durften nicht eher Licht anzünden, als bis sie uns das Zimmer wie durch Feenhände geordnet zeigen konnte. Wenn wir uns überrascht zeigten, lachte sie schalkhaft und sagte, sie bedaure die armen unnützen Menschen aufrichtig, die nichts ohne Licht thun könnten. Dasselbe Vergnügen, das es ihr gewährte, das Zimmer im Dunkeln aufzuräumen, machte es ihr auch, im Dunkeln durch das ganze Haus zu gehen und sich mit jedem Winkel desselben vom Dach bis zum Keller gründlich bekannt zu machen. Sobald Oscar wohl genug war, um wieder hinunterzugehen bestand sie darauf, ihn zu führen.

»Sie waren so lange auf Ihr Zimmer angewiesen,« sagte sie, »daß Sie das übrige Haus vergessen haben müssen. Nehmen Sie meinen Arm und kommen Sie mit mir. Jetzt sind wir auf dem Vorplatz, vergessen Sie nicht; hier führt eine Stufe hinunter und hier führt wieder eine Stufe hinauf; hier auf dem oberen Treppenabsatze müssen Sie um eine scharfe Ecke biegen und hier ist eine häßliche Falte im Treppenteppich, über die Sie fallen könnten.« So brachte sie ihn nach seinem eigenen Wohnzimmer, als ob er blind und sie sehend wäre.

Wer hätte einer solchen Pflegerin widerstehen können? Ist es zu verwundern, als ich einen Augenblick an jenem Tage das Zimmer verlassen hatte, daß ich seinen Ton vernahm, der eine höchst verdächtige Aehnlichkeit mit einem Kusse hatte? Ich hatte sie stark im Verdacht, daß sie auch hierbei der führende Theil gewesen sei; denn sie war so eigenthümlich ruhig und er sah so eigenthümlich bestürzt aus, als ich wieder in’s Zimmer trat. Eine Woche nach Oscars Genesung beschloß Lucilla die Kur ihres Patienten, mit anderen Worten, Oscar machte ihr einen Heirathsantrag. Ich bin fest überzeugt, daß er es nicht ohne Hilfe zu Stande gebracht haben würde, diesen Wendepunkt in einer so zarten Angelegenheit herbeizuführen und daß Lucilla ihm diese Hilfe leistete.

Ich will es dahin gestellt sein lassen, ob ich darin Recht oder Unrecht habe, die Thatsache aber kann ich verbürgen, daß Lucilla, als sie mir an einem lieblichen Herbstmorgen die Neuigkeit mittheilte, in einer so ans gelassenen Laune war, daß sie vor Freude tanzte und was noch unschicklicher war, mich in meinen respektablen Jahren mit ihr zu tanzen zwang. Sie faßte mich um die Taille und walzte mit mir auf dem Rasen, während Frau Finch in der abgesetzten blauen, Jacke, das Baby in der einen und den Roman in der andern Hand, dabei stand und uns beide mahnte, daß wenn wir eine halbe Stunde damit verlören, auf dem Rasen herumzuwirbeln, wir die verlorene Zeit in diesem Hause nie wieder einbringen würden. Trotzdem fuhren wir fort zu tanzen, bis wir ganz außer Athem waren. Nur die vollständigste Erschöpfung konnte Lucilla bändigen. Was mich betrifft, so bin ich, glaube ich, die rascheste Person meines Alters, die es gibt. Ich höre den Leser fragen, wie alt ich denn sei? Ja, das ist der einzige Punkt, über welchen ich immer die strengste Discretion beobachte. Setzen wir meine Raschheit auf Rechnung meiner französischen Nationalität, meines ruhigen Gewissens, meiner vortrefflichen Verdauung und fahren wir in unserer Erzählung fort.

Im Laufes jenes Tages fand in Browndown eine vertrauliche Unterhaltung zwischen Oscar und dem Ehrwürdigen Finch statt. Was bei dieser Gelegenheit zwischen beiden verhandelt wurde, erfuhr ich nicht. Als der Pfarrer wieder zu uns kam, trug er den Kopf hoch und stolzirte selbstbewußt auf seinen dürren kleinen Beinen einher. Er umarmte seine Tochter in pathetischem Schweigen und reichte mir die Hand mit einem heiteren Lächeln der Herablassung welche des größten Schwindlers, der je auf einem Thron gesessen hat, Ludwig des Vierzehnten, würdig gewesen wäre. Als er endlich seiner väterlichen Erregung Herr wurde und zu reden begann, ertönte seine Stimme so gewaltig, daß ich wirklich fürchtete, sie werde ihn zersprengen. Der Dunst von Worten, in den er sich hüllte, lief, wenn man ihn verdichtet zu Papier bringt, auf die beiden folgenden Sätze hinaus: Erstens begrüßte er in Oscar, als ob er an seinen eigenen Kindern noch nicht genug habe, einen neuen Sohn; zweitens erblickte er dies Hand der Vorsehung in allem, was geschehen war. Zu meiner Schande mußte ich bekennen, daß ich nichts erblickte, als – die Hand Finch’s und Oscars Tasche.

Der Tag der Hochzeit war noch nicht definitiv festgesetzt; es war nur im Allgemeinen verabredet, daß die Hochzeit in etwa sechs Wochen stattfinden solle. Diese Zeit sollte zu einem doppelten Zweck verwendet werden: Die Advocaten sollten sie dazu benutzen, den Heirathscontract vorzubereiten und Oscar sollte bis dahin wieder vollständig hergestellt sein.

In Betreff dieses letzteren Punktes waren wir Alle nicht ohne Besorgniß. Ost aus Wunde war geheilt und seine geistigen Fähigkeiten waren wieder ganz die alten. Aber trotz alledem war etwas bei ihm nicht ganz in Ordnung. Jene eigenthümlichen Gegensätze in seinem Charakter, deren ich schon früher Erwähnung gethan habe, äußerten sich jetzt stärker als je. Der Mann, welcher, als sein Blut in Wallung gewesen, den Muth gehabt hatte, sich allein und unbewaffnet mit zwei Räubern zu messen, konnte jetzt das Zimmer, in welchem der Kampf stattgefunden hatte, nicht betreten,: ohne am ganzen Leibe zu zittern. Er, der mich verlacht hatte, als ich ihn bat, nicht allein in seinem Hause zu schlafen, hatte jetzt zwei Männer, einen Gärtner und einen Diener, zu seinem Schutze ins Haus genommen und fühlte sich auch so noch nicht sicher. In seinen Träumen sah er sich beständig von dem Spitzbuben mit dem Todtschläger angegriffen oder blutend auf dem Boden liegen und Jicks schmeichelnd zureden, ihm so nahe zu kommen, daß er sie mit der Hand erreichen konnte. Wenn einer von uns nur entfernt darauf hindeutete, daß er seine Lieblingsbeschäftigung wieder aufnehmen möchte, hielt er sich die Ohren zu und bat uns inständigst, seine Erinnerungen an die schreckliche Vergangenheit nicht wieder wachzurufen. Er wollte nicht einmal seine Kiste mit Werkzeugen ansehen. Auf unsere Frage, was dieser Zustand zu bedeuten habe, erklärte der Arzt, daß Oscar’s Nervensystem erschüttert sei, und gestand offen, daß dabei nichts zu thun sei, als die Zeit ihren günstigen Einfluß üben zu lassen. Ich für meinen Theil war, wie ich bekennen muß, geneigt, Oscar’ Zustand ziemlich streng zu beurtheilen. Nach meiner Ueberzeugung wäre es seine Pflicht gewesen, sich Zwang anzuthun. Er erschien mir zu indolent, um das seinige zur Besserung seines Zustandes zu thun. Zwischen Lucilla und mir kam es wiederholt zu lebhaften Erörterungen über Oscar. Eines Abends, als wir abwechselnd plaudernd und spielend am Klavier saßen, war sie gründlich böse auf mich, weil ich nicht so unbedingt mit ihrem Liebling sympathisirte wie sie. »Ich habe etwas bemerkt, Madame Pratolungo,« sagte sie erröthend und in gereiztem Tone zu mir, »Sie haben Oscar von Anfang an keine Gerechtigkeit widerfahren lassen.«

Man achte wohl an diese anscheinend unbedeutenden Worte. Die Zeit wird kommen, wo sie uns bedeutungsvoller erscheinen werden.

Die Vorbereitungen für die Hochzeit nahmen ihren Fortgang. Die Advocaten legten ihren Entwurf eines Ehecontracts vor und Osrar schrieb seinem Bruder, um demselben die bevorstehende Veränderung in seinem Leben und die Umstände, welche dieselbe herbeigeführt hatten, mitzutheilen.

Den Ehecontract bekam ich nicht zu sehen, schloß aber aus gewissen Anzeichen, daß Oscars vollkommene Uneigennützigkeit in Geldsachen von seinem künftigen Schwiegervater ausgebeutet worden sei. Der Ehrwürdige Finch hatte, wie mir erzählt wurde, bei der Durchlesung des Documents Thränen vergossen und Lucilla verließ das Studierzimmer ihres Vaters nach dort stattgehabter Unterhaltung in leidenschaftlicherer Entrüstung, als ich sie noch je bei ihr gesehen hatte.

»Fragen Sie mich nicht, was es giebt!« murmelte sie zwischen den Zähnen. »Ich schäme mich, es Ihnen zu sagen.« Als Oscar etwas später zu ihr ins Zimmer trat, fiel sie – fiel sie thatsächlich vor ihm auf die Knie. Ihres ganzen Wesens hatte sich eine so leidenschaftliche Aufregung bemächtigt, daß sie im Augenblick nicht mehr wußte, was sie that. »Ich bete Dich an,« brach sie aus, indem sie seine Hand mit krampfhaften Küssen bedeckte; »Du bist der edelste Mensch auf der Welt. Ich kann nimmermehr Deiner würdig werden.« Die Erklärung dieser überschwenglichen Reden und Handlungen ließ sich nach meiner Ansicht kurz dahin zusammenfassen, daß Oscar’s Geld in die Tasche des Pfarrers fließen und die Tochter des Pfarrers als Mittel dienen sollte, diese Transaction bewerkstelligen.

 

Die Zeit der Vorbereitungen zur Hochzeit verfloß; Woche auf Woche verging; Alles war längst für die Hochzeit bereit und doch fand die Hochzeit nicht statt. Weit entfernt, wie der Arzt es voraus gesagt hatte, mit Hilfe der Zeit wieder seinen früheren Gesundheitszustand zu erlangen, wurde Oscars Befinden fort während schlimmer. Alle dies Symptome nervöser Aufregung, welche ich bereits früher geschildert habe, traten, anstatt sich zu verlieren, immer stärker bei ihm hervor. Er wurde immer magerer und bleicher. Im Beginn des Monats November mußten wir wieder zum Arzt schicken. Die Frage, welche ihm dieses Mal vorgelegt werden sollte, ging auf Lucilla’s Wunsch da hin, ob nicht eine Luftveränderung angezeigt sei.

Ein Umstand, der mir entfallen ist, verzögerte die Ankunft des Arztes. Oscar hatte den Gedanken, den Arzt an diesem Tage zu sehen, bereits ganz aufgegeben und war zu uns ins Pfarrhaus gekommen, als der Doctor plötzlich an dem Pfarrhause vorüberfuhr. Man hielt ihn an, bevor er nach Browndown weiter fuhr und er hatte eine Besprechung mit seinem Patienten in Lucillas Wohnzimmer.

Lucilla, die mit mir in meinem Schlafzimmer wartete, wurde ungeduldig Sie bat mich, an die Thür des Wohnzimmers zu klopfen und zu fragen, ob sie etwa der Consultation beiwohnen dürfe. Ich fand den Doctor und seinen Patienten am Fenster stehend, in einer ruhigen Unterhaltung begriffen. Offenbar war nichts vorgekommen, was einen von Beiden im Mindesten hätte aufregen können. Oscar sah ein wenig bleich und angegriffen aus, war aber gleich seinem ärztlichen Rathgeber vollkommen ruhig.

»Im nächsten Zimmer,« sagte ich, »ist eine junge Dame, welche sehr begierig ist, das Ergebniß Ihrer Consultation zu erfahren.«

Der Doctor sah Oscar an und lächelte.

»Wir haben Fräulein Finch in der That nichts mitzutheilen,« sagte er. »Herr Dubourg und ich haben seinen Zustand wieder gründlich durchgesprochen und sind zu keinem neuen Ergebniß gelangt. Sein Nervensystem hat sich nicht so rasch wieder beruhigt, wie ich es erwartet hatte; das thut mir leid, beunruhigt mich aber nicht im Mindesten; bei seinem Alter kann man sicher auf eine völlige Wiederherstellung rechnen. Er muß Geduld haben und die junge Dame muß sich gleichfalls gedulden. Mehr kann ich nicht sagen.«

»Haben Sie etwas dagegen, daß Herr Dubourg eine Luftveränderung versucht?« fragte ich.

»Durchaus nichts. Er kann gehen, wohin er Lust hat und sich die Zeit vertreiben, wie es ihm gut scheint. Sie Alle nehmen Herrn Dubourgs Fall etwas zu ernst. Bis auf eine an und für sich gewiß unangenehme Verstimmung der Nerven fehlt ihm wirklich nichts. Es findet sich keine Spur eines organischen Leidens bei ihm. Der Puls fuhr der Doctor fort, indem er seinen Finger leicht an Oscar’s Handgelenk legte, »ist vollkommen befriedigend. In meinem Leben habe ich keinen ruhigeren Puls gefühlt.«

Während er das sagte, zeigte sich plötzlich auf Oscar’s Gesicht eine schreckliche Verzerrung der Muskeln.

Seine Augen waren widerlich nach oben gerichtet. Sein ganzer Körper verzog sich, wie wenn eine Riesenhand ihn gepackt hätte, vom Scheitel bis zur Zehe nach der rechten Seite hin. Noch bevor ich ein Wort sagen konnte, lag er in Krämpfen am Boden zu den Füßen seines Arztes.

»Guter Gott, was ist das?« rief ich aus.

Der Doktor löste Oscar’s Cravatte und entfernte die Möbel, die sich in seiner Nähe befanden, betrachtete dann einen Augenblick den auf dem Fußboden in Zuckungen daliegenden und sich windenden Mann.

»Können Sie nichts thun?« fragte ich.

Er schüttelte ernst den Kopf. »Nichts.«

»Was ist es denn?«

»Ein epileptischer Zufall.«

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