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Das Festival der Liebe

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Из серии: Die Liebe auf Reisen #1
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Das Festival der Liebe
Das Festival der Liebe
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Читает Ina Leva
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Er hatte eine warmherzige Ausstrahlung, geradezu großväterlich, und Keira entspannte sich ein wenig.

„Genau die“, bestätigte sie.

„Ich bin Orin“, sagte er. „Mir gehört St. Paddy. Ich wohne hier. Und das ist für dich.“

Ein Glas Guinness wurde vor ihr auf dem Tresen abgestellt. „Ein traditionelles St. Paddy-Willkommen.“

Keira zögerte. „Ich trinke eigentlich nicht“, sagte sie lachend.

Orin schaute sie vielsagend an. „Doch, tust du, solange du im County Clare bist, Mädchen. Hier kannst du ganz locker sein, wie jeder andere auch. Und außerdem müssen wir auf deine sichere Reise anstoßen! Dank sei der Jungfrau Maria.“ Er bekreuzigte sich.

Keira fühlte sich ein wenig überrumpelt, als sie das Guinness nahm und an dem starken Gebräu nippte. Sie hatte noch nie vorher Guinness getrunken und der Geschmack sagte ihr nicht gerade zu. Nach dem kleinen Schluck war sie sich ziemlich sicher, das nicht austrinken zu können.

„Hört mal alle!“, rief Orin den anderen Besuchern des Pubs zu. „Das ist die amerikanische Journalistin!“

Keira wollte sich verkriechen, als sich plötzlich alle zu ihr umdrehten, applaudierten und jubelten, als sei sie eine prominente Persönlichkeit.

„Wir freuen uns ja so, dass du da bist!“, sagte eine Frau mit krausen Haaren. Für Keiras Geschmack kam sie ihr etwas zu nahe und lächelte etwas zu breit. Dann fügte sie etwas leiser hinzu: „Du solltest vielleicht den Guinnessbart von der Lippe wischen.“

Rot vor Scham, tat Keira genau das. Gleich darauf hatte sich eine andere Besucherin mit den Ellenbogen einen Weg durch die Menge gebahnt, was niemanden zu stören schien. Sie verkleckerte ein wenig von ihrem Getränk unterwegs. „Ich kann es nicht erwarten, den Artikel zu lesen.“

„Oh, danke“, sagte Keira. Es war ihr nicht in den Sinn gekommen, dass die Leute hier lesen würden, was man über sie schrieb. Das würde es vielleicht doch deutlich schwieriger machen, den zynischen Blickwinkel beizubehalten.

„Wieso bist du Journalistin geworden?“, fragte ein Mann neben ihr.

„Ich bin einfach nur eine Autorin. Keine Reporterin“, antwortete sie errötend.

„Nur eine Autorin?“, rief der Mann laut und Aufmerksamkeit heischend. „Habt ihr das gehört? Sie sagt, sie ist nur eine Autorin. Also, ich kann mal gerade so einen Stift festhalten. Da musst du wohl ein wahres Genie sein.“

Alle lachten. Nervös nahm Keira noch ein paar kleine Schlucke vom Guinness. Die irische Gastfreundschaft war ihr durchaus recht, aber es war auch ein ziemlicher Kulturschock. Es gab so viele Möglichkeiten, diesen Ort in ihrem Artikel niederzumachen, das wurde ihr unangenehm bewusst.

„Ich zeige dir dein Zimmer“, sagte Orin schließlich, als sie wenigstens die Hälfte ihres Biers ausgetrunken hatte.

Sie folgte ihm eine schmale, knarzende Treppe hinauf, einen Korridor entlang, der mit einem fadenscheinigen Teppich ausgelegt war und arg staubig roch. Keira folgte ihm schweigend, nahm alles in sich auf und entwarf im Geiste ein paar scharfe Formulierungen über die veraltete Einrichtung. An den Wänden hingen gerahmte, verblasste Fotografien von örtlichen Fußballmannschaften der Vergangenheit. Keira musste schmunzeln, als sie sah, dass viele der Spieler denselben Nachnamen trugen: O'Sullivan. Sie machte heimlich ein Foto von einem der Schwarzweißbilder und schickte es an Zachary mit dem Kommentar: Mr. O'Sullivan muss ein fruchtbares Zuchttier gewesen sein.

„So, da sind wir“, sagte Orin, öffnete eine Tür und ließ sie eintreten.

Das Zimmer war grauenvoll. Obwohl groß, mit einem Doppelbett und großem Fenster, war es schrecklich eingerichtet. Die Tapete war pfirsichfarben, mit Flecken, die viele Generationen von Händen hinterlassen hatten. Auf dem Bett lag eine dünne Steppdecke, aber nicht hübsch gemustert, sondern eher wie aus einem Notlager.

„Das ist das Zimmer mit dem Tisch“, sagte Orin und grinste stolz. Er deutete auf einen kleinen Holztisch am Fenster. „Zum Schreiben.“

Keira errötete. Sie war innerlich entsetzt von der Vorstellung, einen ganzen Monat in diesem schmierigen Zimmer wohnen zu müssen. Aber sie quetschte ein „Danke schön“ hervor. So viel zu dem Thema, sie würde locker einen Monat rustikal leben können.

„Willst du dich erst einmal etwas eingewöhnen, bevor du Shane kennenlernst?“, fragte Orin.

Keira runzelte verwirrt die Stirn. „Wer ist Shane?“

„Shane Lawder. Dein Führer für das Festival“, erklärte Orin.

„Natürlich“, sagte Keira und erinnerte sich an Heathers Notizen. Da war die Rede von einem Tourführer gewesen. „Ja, danke, ich würde Shane gern kennenlernen.“ Sie hatte nicht das geringste Bedürfnis, auch nur eine einzige Minute länger in diesem Zimmer zu bleiben. Sie warf ihre Tasche auf das Bett und ging die knarzende Treppe wieder hinunter.

„Shane!“, rief Orin, nachdem er seinen Platz hinter dem Tresen wieder eingenommen hatte.

Zu Keiras Überraschung war es der Geigenspieler, der antwortete. Er legte das Instrument beiseite und kam zu ihnen herüber, während die anderen Musiker einfach weiterspielten, als wäre nichts gewesen.

Keira konnte erkennen, dass sich unter seinem Zottelbart ein kantiger Kiefer verbarg. Tatsächlich war es so, dass er durchaus gutaussehend gewesen wäre, wenn er sich nur die Haare geschnitten und weniger schlabberige Kleidung getragen hätte. Keira hatte ein schlechtes Gewissen, an so etwas zu denken, zumal es mit Zachary im Augenblick so ungünstig lief. Aber da fiel ihr Bryns Motto ein: Gucken darf man immer.

„Du siehst nicht gerade aus wie ein Joshua“, sagte Shane, als er ihr die Hand schüttelte.

„Oh, hat dir keiner Bescheid gesagt?“, fragte Keira. „Es kam etwas dazwischen, daher bin ich nun hier. Tut mir leid.“

Shane musterte sie feixend. „Was gibt es da zu entschuldigen? Ich verbringe lieber dreißig Tage mit einer hübschen Lady wie dir. Nichts gegen diesen Joshua, ich bin sicher, er sieht gut aus, aber er klingt nicht, als wäre er mein Typ. Du weißt schon, so als Mann und so.“

Keira schluckte. Sie hatte nicht erwartet, dass irische Männer so direkt sein würden. Sie dachte an Zach und wiederholte im Geiste das Mantra, dass Gucken erlaubt war.

Während Shane sich neben ihr auf einen Barhocker setzte, stellte Orin ihnen beiden ein Guinness hin. Leira stöhnte innerlich. So viel Alkohol würde sie nicht verkraften.

Shane nahm einen kräftigen Schluck, dann breitete er ein paar Dokumente auf dem Tresen aus.

„Das Festival der Liebe geht über dreißig Tage“, erklärte er. Die meisten Aktivitäten fangen nie vor dem Abend an. Daher habe ich einen Plan erstellt, was du dir angucken kannst, während deines Aufenthaltes, damit du einen besseren Eindruck von Land und Leuten bekommst. Wir fangen mit dem Burren an, damit du eine Kalksteinlandschaft siehst. Dann die Klippen von Moher für den Blick über das Meer. Dann springen wir rüber ins nächste County, nach Kerry, zu dem alten, stattlichen Killarny, von da geht’s nach Dingle.“

„Ich dachte, du bist nur mein Führer für das Festival“, sagte Keira, „nicht für das ganze Land!“

„Du drehst durch, wenn du tagsüber nicht mal aus Lisdoonvarna rauskommst“, erklärte Shane. „Die Masse an Menschen, die kommen und gehen, das ist ein bisschen viel.“

Keira lachte innerlich. Sie bezweifelte ernsthaft, dass Lisdoonvarna während des Festivals hektischer sein könnte als New York an jedem normalen Tag.

„Es wird viel getrunken“, fuhr Shane fort. „Manche der Partys gehen bis in die frühen Morgenstunden. Ach, was sage ich, manche, denn eigentlich sind es fast alle.“

Keira dachte an den lärmenden Junggesellenabschied im Flugzeug und fragte sich, ob sie in den nächsten vier Wochen überhaupt Schlaf kriegen würde.

„Das sieht gut aus“, sagte sie und schaute sich den Plan an. „Aber ich werde jeden Tag ein wenig Zeit brauchen, um zu schreiben. Es ist eben nicht nur alles reines Vergnügen.“

Shane schmunzelte. „Du bist gerade erst angekommen und denkst schon über Arbeit nach?“

„Ich muss“, erklärte Keira. „Der Auftrag ist wichtig für mich. Ich will ihn nicht versauen.“

„Und ihn nicht zu versauen, ist gleichbedeutend damit, sich nicht entspannen zu können?“

Keira war nicht in der Stimmung, jetzt über ihre Lebensentscheidungen zu diskutieren. Darüber hatte sie von Zach und ihrer Mutter gestern wahrlich genug gehört.

„Es bedeutet lediglich, dass ich jeden Tag ein wenig Zeit zum Schreiben brauche“, gab sie ein wenig eingeschnappt zurück.

Shanes Gesichtsausdruck behielt sein amüsiertes Schmunzeln. Er nahm noch einen großen Schluck Guinness. „Du bist einer von diesen puritanischen Typen, oder? Nur Arbeit, kein Vergnügen.“

Keira blickte ihn unbeeindruckt an. „Ich weiß nicht, wie du annehmen kannst, irgendetwas über mich zu wissen“, sagte sie. „Wir kennen uns gerade erst seit fünf Minuten.“

Shane grinste immer noch. Er antwortete nicht, als wäre das Thema bereits erledigt. Keira verkrampfte sich. Er sah gut aus, das stimmte wohl, aber wenn er so weitermachte, würde er ihr schon sehr bald fürchterlich auf die Nerven gehen. Sie wusste nicht, ob sie dreißig Tage lang Hänseleien und Trinkgelage aushalten würde, ohne einen anständigen Platz zum Schreiben.

 

Vielleicht war dieser Auftrag schwieriger, als sie erwartet hatte.

*

Keira schaffte es schließlich, sich zur Nacht zu verabschieden. Sie hatte irgendwann aufgehört, zu zählen, wie viele Guinness Orin und Shane getrunken hatten. Immerhin hatten sie beizeiten aufgehört, sie ebenfalls zum Trinken zu animieren. Dennoch schwirrte ihr der Kopf, als sie die Treppen zu ihrem Zimmer hinaufstieg.

Sie schloss die Tür hinter sich, aber die Musik und das Stimmengewirr von unten waren dadurch nicht weniger hörbar. Keira fühlte sich völlig überdreht und aufgekratzt. Sie warf einen Blick auf ihr Handy, aber da war noch immer keine Nachricht von Zachary. Er hatte auf jeden Fall genug Zeit gehabt, sie zu lesen. Was bedeutete, dass er sie mit Schweigen strafte. Wie erwachsen, dachte Keira.

Immerhin hatte sie Nachrichten von Nina und Bryn, die sie mit Fragen bombardierten. Sie schrieb Nina, die den Artikel editieren würde, um ihr zu sagen, dass ihr Zeitplan randvoll war und an Schreiben erst einmal nicht zu denken war. An Bryn schickte sie eine kurze optische Beschreibung von Shane und ein paar Feuer-Emojis.

Er ist aber ziemlich anstrengend. Einer dieser arroganten Typen, die meinen, es wäre reizvoll, wenn sie einen die ganze Zeit auf den Arm nehmen.

Bryns Antwort kam sofort. Es IST reizvoll.

Keira lachte und legte das Handy beiseite. Die Musik unten würde sie sicher noch eine Weile vom Schlafen abhalten, also konnte sie genauso gut schon mal ein wenig arbeiten. Sie holte den Laptop aus der Tasche und schrieb eine E-Mail an Elliot, mit einigen Ideen, wie man den Artikel angehen könnte. Dank der paar Guinness konnte sie sogar einen noch bissigeren Ton finden als sie gedacht hatte.

Falls du dich je gefragt hast, wie über Jahrzehnte verkleckerte Guinnessflecken im Teppich riechen, brauchst du bloß nach Lisdoonvarna ins St. Paddy's Inn zu kommen. Als exotische Amerikanerin wurde ich gleich nach meiner Ankunft mit einem Übermaß an irischer Gastfreundschaft erstickt. Ich sage erstickt, denn es war schier unmöglich, die Angebote, reichlich Alkohol zu trinken, abzulehnen. Daher riecht es hier überall in dem dunklen Schuppen nach abgestandenem Guinness. Man hat geradezu das Gefühl, alles, Teppiche, Gardinen, Tapeten, wirklich alles klebt vom Bier. Sagen wir mal so, es würde mich nicht wundern, wenn morgen früh aus der Dusche in meinem veralteten, winzigen Bad dunkelbraune, schäumende Flüssigkeit käme.

In dieser Art setzte sie ihren Bericht fort. Sie wusste, dass es gemein war, das B&B auf diese Weise niederzumachen und erst recht die netten Menschen, die sie bisher getroffen hatte, aber sie konnte einfach nicht anders.

Sie endete den Bericht und schickte ihn ab. Elliot antwortete beinahe sofort mit lobenden Worten.

Weiter so, Keira. Das ist goldrichtig!

Im nächsten Moment klingelte ihr Telefon. Es war Bryn. Keira seufzte, denn das bedeutete, dass es mit der Arbeit für heute vorbei war. Sie klappte den Laptop zu und nahm das Gespräch an, während sie ins Bett krabbelte.

„Was ist los?“, fragte sie ihre Schwester.

„Ich hatte gerade ein misslungenes Date“, erklärte Bryn. „Also dachte ich, ich rufe dich an, um mehr über diesen stattlichen Tourguide zu erfahren.“

Keira lachte. „Also, er hat zu viele Haare. Und sein Modebewusstsein ist fragwürdig.Aber mit ein bisschen Mühe würde er schon etwas hermachen.“

„An deiner Stelle würde ich ihn mir schnappen“, sagte Bryn.

Keira schnappte nach Luft. Selbst für Bryns Verhältnisse war das schon sehr direkt. „Aber was ist mit Zach?“, fragte sie lachend.

„Was ist mit ihm?“, fragte Bryn abfällig zurück.

Keira stöhnte auf. „Er ist mein Freund“, erinnerte sie Bryn. „Und selbst wenn Shane zum Friseur gehen würde und sich neu einkleidete, dann könnte ich immer noch keine fünf Minuten in seiner Gegenwart verbringen, ohne ihm den Hals umdrehen zu wollen.“

Bryn lachte. „Das wird die nächsten paar Wochen irgendwie anstrengend machen, oder nicht?“

„Das und die Tatsache, dass sich mein Zimmer direkt über einem Pub ohne Sperrstunde befindet, und wo eine Folkband drin zu wohnen scheint.“

„Klingt großartig“, gab Bryn zurück. „Mann, Keira, du arbeitest so hart, dass du nicht einmal merkst, in welch aufregender Situation du dich befindest! Du hast gerade gesagt, dass die Party nie aufhört und dabei gestöhnt.“

„Du hörst dich an wie Shane“, antwortete Keira. „Wenn ich nicht trinken, tanzen oder fröhlich sein will, dann muss ich das auch nicht!“

Sie und Bryn beendeten das Gespräch. Keira stellte fest, dass sie trotz des Lärms von unten die Augen kaum noch aufhalten konnte. Also krabbelte sie unter die dünne Decke und legte den Kopf auf das verbeulte Kissen. Noch immer hatte Zach auf keine ihrer lustigen Nachrichten reagiert. Sie versuchte, ihn anzurufen, aber er ging nicht dran.

Sie ging auf Instagram und sah Fotos von Zach auf Ruths Hochzeit. Er sah großartig aus in seinem Anzug, aber er wirkte so einsam. Er schien immer etwas abseits und allein zu stehen, was ihr ein schlechtes Gefühl gab, nicht bei ihm zu sein. Vielleicht hatte ihre Mutter doch nicht ganz unrecht gehabt. Allein auf eine Hochzeit zu gehen, war schon etwas peinlich.

Schon fast im Halbschlaf, sah sie sich selbst mit Zach auf der Hochzeit. Allerdings war es gar nicht Zach, sondern Shane, rasiert, im maßgeschneiderten Anzug. Er sah noch besser aus, als sie gedacht hatte.

Keira erwachte mit einem Schrecken. Die Lage war schon kompliziert genug, da musste sie nicht auch noch ein Auge auf ihren Reisebegleiter werfen!

Sie schob alle weiteren Gedanken beiseite und verfiel endlich in einen tiefen Schlaf.

KAPITEL VIER

„Hast du gut geschlafen?“, fragte Orin, als Keira früh am nächsten Morgen die Treppe herunter kam und damit praktisch direkt wieder im Pub stand.

Sie rieb sich die verschlafenen Augen. „Ja, danke.“ Die Lüge kam ihr sehr leicht über die Lippen. Es war besser, so zu tun, als gefielen ihr das wackelige Bett, die dünne Decke und das verbeulte Kissen, anstatt sich zu beschweren und Orin damit aufzuregen. Schließlich konnte sie später über alles schreiben und sich damit praktisch alles von der Seele reden.

„Setz dich und iss dein Frühstück“, sagte Orin, führte sie zu einem Tisch und stellte einen Kaffee vor ihr ab. Gleich darauf folgte eine Schale mit Haferbrei. Er setzte sich ihr gegenüber. „Ich habe das auf irische Art zubereitet. Ich hoffe, du magst das.“

Er grinste breit.

„Was heißt, auf irische Art?“, murmelte Keira misstrauisch.

Sie nahm einen Schluck Kaffee und war überrascht, wie gut er schmeckte. Was auch immer die irische Art war, sie war gut! Dann aß sie ein paar Löffel Haferbrei und war begeistert. Sie hatte noch nie etwas so cremiges gegessen, es war unglaublich.

„Wow, wieso ist es so cremig?“, fragte Keira, während sie einen weiteren Löffel voll aß. „Kriegen die Kühe Bio-Gras und werden von Jungfrauen gemolken?“, witzelte sie.

Orins Grinsen wurde breiter. „Baileys im Kaffee. Und ein Schuss Whiskey in der Milch.“

Keira war schockiert. „Alkohol um 8 Uhr morgens?“, keuchte sie. „Ist das wirklich eine gute Idee?“

Orin zwinkerte ihr zu. „Die beste Art, in den Tag zu starten. Das und ein strammer Fußmarsch. Den kriegst du gleich, wenn ich dich zu deinem Treffen mit William Barry begleite, dem Leiter des Festivals.“

Da erst fiel Keira auf, dass Orin schon bereit war, aufzubrechen. Er trug halbhohe Stiefel, als rechne er mit Pfützen oder Matsch. Wie auch immer, Keira war nicht in der Stimmung zum Wandern.

„Du musst das nicht machen“, sagte sie. „Ich habe ein Navi im Auto, damit komme ich schon zurecht.“

Orin deutete auf ihren Kaffee. „Deshalb mache ich das nicht.“

Der zynische Teil von ihr fragte sich, ob Orin das absichtlich gemacht hatte, damit sie nicht fahren konnte. Aber sie wusste, dass das zu verrückt war. Orin war einfach ein netter alter Mann, der stolz auf seine Stadt war. Er wollte vor der zynischen New Yorkerin, die ihm aufgehalst worden war, ein wenig damit angeben.

„Na, komm“, fuhr Orin fort. „Du bist doch hier, um das wahre Irland zu erleben! So zu leben, wie die Einheimischen! Das wirst du nie erfahren, wenn du nicht wenigstens mal ein paar Meilen in unseren Schuhen herumgelatscht bist.“

Er zog sie spielerisch am Arm, um sie auf die Beine zu bringen. Sein Enthusiasmus war einfach unwiderstehlich, und er würde sehr wahrscheinlich nicht aufgeben, bis sie ihm folgte. Orin würde dafür sorgen, dass sie zu der Besprechung zu Fuß ging, egal, wie sehr sie sich sträubte.

Sie gab schließlich nach und trank den Rest ihres Kaffees aus. Die Wirkung des Alkohols zeigte sich, sobald sie aufstand. Gemeinsam mit Orin verließ sie das B&B und trat hinaus in die frühe Morgensonne. Obwohl der Himmel etwas gräulich aussah, musste Keira doch blinzeln ob der Helligkeit.

„Geh du voraus“, sagte sie zu Orin, als sie sah, dass der einzige Weg ein schmaler Pfad war, der sich vom Hügel herab schlängelte. Hier und da gab es ein paar Häuser, aber vor allem waren sie von grünen Wiesen und jeder Menge Schafe umgeben.

„Wenn wir auf dem Pfad bleiben, sind es zwei Meilen bis zum Rathaus“, sagte Orin. „Aber wir können eine Abkürzung über die Felder nehmen und die Strecke damit halbieren. Natürlich hat der Farmer das Recht, uns zu erschießen, da wir widerrechtlich sein Land betreten, aber hier kennt jeder jeden, das sollte also kein Problem sein.“

Keira schluckte. „Wir nehmen die malerische Strecke, okay?“

„Wie du willst“, sagte Orin locker. Offenbar hatte er ihre Besorgnis nicht einmal wahrgenommen.

Sie gingen die Straße hinunter. Trotz der frühen Stunde war jeder, dem sie begegneten, fröhlich und freundlich. Als sie die Hauptstraße erreichten, sofern man die so nennen konnte, trafen sie auf eine Gruppe Musiker mit Geigen und Akkordeons, die alte irische Folksongs spielten. Andere sangen und tanzten dazu. Keira konnte nicht glauben, was sie da sah. Wie konnte ein Ort so kollektiv fröhlich sein? Vielleicht war es falsch gewesen, alles so zynisch zu verurteilen.

„Da sind wir schon“, sagte Orin, als sie ihr Ziel erreicht hatten.

Wie alle Gebäude in Lisdoonvarna, war auch dieses farbig gestrichen, in diesem Fall in einem kräftigen Orange, was zu den bunten Straßen passte. Über der Tür hing ein Schild: Haus des Matchmakers. Die Tür selber war mit Bildern des Liebesgottes Amor übersät.

Keira hob eine Augenbraue angesichts dieses Kitsches, dann folgte sie Orin hinein. Ein älterer Herr erhob sich und kam hinter seinem Schreibtisch hervor.

„William Barry“, sagte er und hielt ihr seine Hand hin. „Du bist die amerikanische Reporterin.“

Keira schüttelte seine Hand. „Ich bin Reisejournalistin, keine Reporterin.“

„Dann erscheint der Artikel nicht in der New York Times?“, fragte William und runzelte die Stirn.

Keira schaute Orin hilfesuchend an. Glaubte William wirklich, sie würde für eine große Firma schreiben? Sollte Heather die Wahrheit etwas verdreht haben, als sie die Termine arrangiert hatte? Josh hätte es sicher nichts ausgemacht zu lügen, um seine Ziele zu erreichen.

Plötzlich brach Orin in lautes Gelächter aus. Keira schaute William an. Der krümmte sich ebenfalls vor Lachen.

„Du hättest den Ausdruck auf deinem Gesicht sehen sollen!“, rief er, das Gesicht knallrot.

Keira fand das nicht sonderlich witzig. Es stand für sie einfach zu viel auf dem Spiel, da konnte sie es gar nicht gebrauchen, wenn man sich über sie lustig machte.

„Setz dich, setz dich“, sagte William, als er sich wieder etwas beruhigt hatte.

Keira zog einen der Holzstühle heran und setzte sich. Orin tat das ebenfalls. Gerade als William Platz nahm, betrat eine Frau mit feuerrotem Haar das Zimmer und brachte ein Tablett mit Tee, Milch und Zucker.

„Dies ist meine Sekretärin Maeve“, sagte William als sie das Tablett abstellte. „Danke, meine Liebe.“

Sie verschwand aus dem Zimmer und überließ es damit William, ihnen den Tee einzuschenken. Es spielte keine Rolle, dass Keira eigentlich keine Teetrinkerin war. Es schien unmöglich, abzulehnen. Daher nahm sie die Tasse mit dem dampfenden Tee ohne Widerspruch.

 

William faltete die Hände auf dem Tisch. „Ich gebe zu, deine Anwesenheit ist sehr aufregend für uns, Keira. So, wie die Welt sich verändert, mit all diesen Online-Dating-Geschichten, wird es für uns immer schwieriger, Kunden anzusprechen. Ich hoffe, dein Artikel weckt neues Interesse.“

Keira verbarg ihr schlechtes Gewissen hinter ihrer Teetasse. Sie fühlte sich schlecht mit dem Wissen, wie boshaft ihr Artikel sein würde. William und Orin waren so nette, herzliche Menschen, die sie sehr gastfreundlich aufgenommen hatten. Aber sie hatte nun mal diesen Auftrag und klare Vorgaben. Sie redete sich ein, dass ein fieser Artikel über ein albernes Festival auf der anderen Seite der Welt, in einem Magazin, das nicht einmal in Irland ausgeliefert wurde, dem Geschäft schon nicht wirklich schaden würde.

„Kennst du die Geschichte des Festivals?“, fuhr William fort.

„Ich habe einiges recherchiert, bevor ich herkam“, sagte Keira und nickte.

Aber als William in einen Monolog über das Festival eintauchte, hielt sie den Mund. Sie würde die Überlieferung zu hören bekommen, ob sie wollte oder nicht.

„Es war das Geschäft meines Vaters. Und seines Vaters davor. Genauer gesagt, waren die Barrys die Matchmaker, so weit irgendjemand zurückdenken kann. Ursprünglich ging es darum, die Adeligen, die wegen des Heilwassers kamen, mit den schönen Mädchen der Gegend zu verkuppeln. Irische Mädchen gelten als sehr fruchtbar, musst du wissen, und das war für den Matchmaker das wichtigste Argument.“

Keira konnte nicht verhindern, dass sich Abscheu auf ihrem Gesicht zeigte, aber William schien es nicht zu bemerken, denn er setzte einfach seine Geschichte fort.

„Üblicherweise fand das Fest kurz nach der Erntezeit statt, wenn die Mädchen besonders üppig aussahen. Ein guter Kuppler sorgte dafür, dass sie noch vor dem Winter unter der Haube waren, denn sonst liefen sie Gefahr, an einer Lungenentzündung zu erkranken und zu sterben.“

Keira presste die Lippen aufeinander, um nicht zu kichern. Sie wusste nicht, wie viel von dem, was William erzählte, ernst gemeint war, aber es war nicht auszuschließen, dass er das wirklich so meinte. Obwohl sie recherchiert hatte, war es unterhaltsam, die Geschichte auf diese Weise aus Williams Mund zu hören.

„Dann änderten sich die Zeiten natürlich. Andere Leute kamen in die Stadt. Kriege dezimierten die Zahl der Männer. Drohende Hungersnöte zwangen die Menschen, jung zu heiraten, wenn sie überhaupt jemanden fanden. Für den Matchmaker waren das schwierige Zeiten. Als ich den Job von meinem Vater übernahm, ging es in erster Linie darum, passende Mädchen für die Jungbauern zu finden.“ Er tätschelte ein Buch. „Also habe ich Listen angelegt.“

„Ist das legal?“, fragte Keira, die nicht länger schweigen konnte. „Klingt irgendwie nach Stalking, meine ich.“

„Blödsinn!“, sagte William lachend. „Die Mädchen waren begeistert. Sie wollten doch alle heiraten. Selbst wenn es nur ein Bauernknecht ohne eine einzige Hirnzelle und ohne jegliches Gespür für Körperhygiene war.“

Keira schüttelte stumm den Kopf. Ihr Artikel schrieb sich praktisch von allein.

Die Tür ging auf. Keira erwartete, die rothaarige Maeve erneut zu sehen, aber als sie einen Blick über die Schulter warf, betrat Shane den Raum. Sie spürte ein Kribbeln auf der Haut und setzte sich stocksteif und gerade hin.

„Morgen“, sagte Shane und setzte sich in die Ecke.

William fuhr fort. „Also, hier ist mein Buch mit Namen.“ Er reichte ihr das große, in Leder gebundene Werk. „Nun, zumindest eines davon. Ich mache das nun schon so viele Jahre, da ist eine ganze Sammlung entstanden.“

Keira blätterte durch das Buch, las all die Namen der glücklichen Paare. Einige Einträge enthielten auch Fotos, andere hatten Hochzeitsdaten vermerkt. Es gab Grußkarten an William, von Paaren, die er verkuppelt hatte. Es wirkte alles ganz reizend. Keira, berechnend wie sie war, entwarf bereits einen Absatz ihres Artikels.

„Weißt du“, sagte William und beugte sich über den Tisch zu ihr, „ich könnte dich verkuppeln. Ein netter irischer Bursche ist vielleicht genau das, was du brauchst.“

Keira spürte, wie sie errötete. „Ich habe einen Freund“, sagte sie. Vielleicht irrte sie sich, aber sie glaubte, aus den Augenwinkeln zu sehen, wie Shane zusammenzuckte. „Zach. Er arbeitet in der Computerbranche.“

„Bist du glücklich mit dem Mann?“, fragte William.

„Ja, sehr“, antwortete Keira. Die übliche Standardantwort.

William sah nicht sonderlich überzeugt aus. Er klopfte auf das Buch, das Keira wieder auf den Tisch gelegt hatte. „Ich mache das schon sehr lange. Ich bin ein Experte in Sachen Liebe. Und ich kann es in den Augen der Menschen erkennen. Ich bin nicht so sicher, dass dieser Mann richtig für dich ist.“

Keira wusste, dass er nicht unhöflich sein wollte, aber seine Skepsis traf bei ihr einen wunden Punkt, erst recht jetzt, da Zach und sie sich so gestritten hatten. Aber William war auch ein gefundenes Fressen für sie als Journalistin und sie wollte so viel aus ihm herausholen wie möglich.

„Inwiefern nicht richtig für mich?“, fragte sie nach.

„Er unterstützt dich nicht in der Art wie er sollte. Ihr beide wachst nicht mehr gemeinsam, folgt nicht mehr demselben Pfad.“

Keira lief es kalt den Rücken herunter. Das war viel zu nah an der Wahrheit.

„Du bist nicht nur ein Kuppler, sondern auch noch ein Wahrsager?“, scherzte sie. „Versteckst du irgendwo einen Stapel Tarotkarten?“

William gluckste. „ Oh nein, nichts dergleichen. Aber über die Jahre habe ich ein Gespür dafür entwickelt. Da war kein Glitzern in deinen Augen, als du seinen Namen erwähntest. Kein Schwung in deiner Stimme.“

„Das liegt eher an meiner zynischen New Yorker Persönlichkeit“, sagte Keira.

„Vielleicht. Oder es liegt daran, dass du ihn nicht wirklich liebst.“

Keira überdachte diese Behauptung. Sie und Zach benutzten selten das L-Wort. Streng genommen konnte sie sich nicht erinnern, wann es das letzte Mal gefallen war.

„Ich denke nicht, dass es immer mit Liebe zu tun haben muss“, sagte sie.

„Aber warum Zeit verschwenden mit jemandem, den du nicht liebst, wenn du doch nach dem Einen Ausschau halten könntest?“

Keira verschränkte die Arme. „Vielleicht, weil es den Einen gar nicht gibt.“

„Du glaubst nicht an den Einen?“, hakte William nach.

Keira schüttelte den Kopf. „Nein.“

Dieses Eingeständnis machte William ganz aufgeregt. „Wir haben einen Neinsager“, rief er lachend. „Was bedeutet, es ist für uns eine Herausforderung, dich vom Gegenteil zu überzeugen. Shane?“ Er winkte den Reisebegleiter heran. Als er neben ihm stand, legte William ihm einen Arm um die Schultern. „Du wurdest soeben befördert“, scherzte er. „Du wirst diese junge Dame nicht nur durch das Festival begleiten, sondern auch zur ihrer wahren Liebe führen. Ich weiß, das ist ziemlich viel von dir verlangt.“

Keira rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Es war ihr unangenehm, im Zentrum dieser Diskussion zu stehen, aber sie hatte immerhin großartiges Material für ihren Artikel bekommen, dank dieses tatterigen alten Mannes und seiner antiquierten Vorstellungen von Beziehungen. Elliot würde es lieben. Und es zu schreiben, würde für Keira irgendwie auch therapeutisch sein.

Sie musste einfach nur den ersten Tag mit Shane überstehen, dann würde sie sich dieses ganze lächerliche Zeug von der Seele schreiben.

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