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Petra Dieckhoff

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Titel

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I

Im immer gleichen Rhythmus quietschte die Laterne am Dachfirst, wenn der Wind sie leicht hin und her schwang. Der schwache, gelbe Schein fiel in ihr Zimmer und malte bizarre Schatten auf die Wand. Hätte sie sich nur nie darauf eingelassen, sich in dieses gottverlassene Kaff in diesen gottverlassenen Gutshof zurückzuziehen, um ihren Auftrag zu Ende zu bringen. Dabei hatte sie sich das so schön gedacht, fernab jeder städtischen Abwechslung in Ruhe zu schreiben und zu recherchieren.

Sie musste sich ablenken, sonst sah sie noch Gespenster. Sie würde sich doch nicht von gruseligen Schatten und Quietsch-Geräuschen narren lassen. Sie griff nach ihrer Jeanssjacke, fuhr sich mit den Fingern durch ihr kurzes, dunkles Strubbelhaar, schnappte sich Handy und Geldbörse und eilte die Treppen hinunter aus dem Haus in ihr Auto. Auf dem Hinweg war sie an einer Kneipe vorbeigefahren.

Ein Potpourri von Gerüchen nach Bier, frisch gebratenen Buletten und Zigarettenqualm empfing sie, als sie die Tür „Zum goldenen Hirschen“ öffnete. Von Rauchverbot hatte man hier wohl noch nichts gehört. Der Bratenduft erinnerte sie daran, dass sie seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte. Oh ja, Bratkartoffeln gäbe es auch dazu, versicherte der Wirt.

„Mit Speck und Zwiebeln? Und was zu trinken?“, fragte er nach.

Sie war einverstanden, bestellte ein großes Pils dazu. Während sie wartete, schaute sie immer wieder verstohlen zum Nebentisch. Fünf Männer und eine Frau, im Alter zwischen 40 und 60 schätzte sie, unterhielten sich lebhaft. Bestimmt die Honoratioren des Dorfes. Ein goldfarbenes Schild mit dem Schriftzug „Stammtisch“ auf verschnörkeltem Gusseisengestell kündete davon, dass hier nur ausgewählte Gäste Platz nehmen durften. Sprachfetzen drangen an ihr Ohr, da war von einer Lara die Rede und Kirchenmusik und rosa Rosen. Offensichtlich planten sie eine Hochzeit.

Bulette und Bratkartoffeln schmeckten köstlich. Das Pils war genau richtig. Satt und zufrieden lehnte sie sich zurück und betrachtete ihre Umgebung. Klein war die Kneipe, die Wände mannshoch dunkel getäfelt, die Tapete darüber vom Tabakqualm und den Jahren dunkel gebeizt. Die Möbel altdeutsch rustikal. Gruselig altmodisch aber gemütlich.

Die Planer am Nebentisch amüsierten sich über etwas, das flüsternd vermittelt worden war. Ob die über sie lachten? Kam wahrscheinlich nicht gerade oft vor, dass eine junge, fremde Frau abends in ihrer Kneipe auftauchte.

Sie hörte „Glockenläuten vergangen Nacht um drei“ nach einer Weile „Peterle verschwunden“ und schließlich „nachts nicht allein hin“. Du meine Güte wovon redeten die? War sie hier unter Spökenkieker geraten? In der Redaktion hatten sie gefrotzelt. Sie solle sich nicht wundern, hatten sie gesagt, wenn sie nachts unheimliche Geräusche hören würde oder ihr Bergleute über den Weg liefen, die vor langer Zeit gestorben seien. Sie hatte abgewinkt und gelacht. Wie konnte man nur an so einen Blödsinn glauben. Jetzt hörte sie: „...endlich aufhören. Stimmt's, junge Frau?“

„Oh, ja. Ehh...wie bitte? Meinen Sie mich?“

„Klar, doch.“

„Entschuldigung. Sagen Sie mir bitte, was Sie meinen?“

Der Sprecher, ein kleiner schmaler Mann mit hoher Stirn, wenig dunklem Haar und ungewöhnlich hoher Stimme sagte: „Wir haben uns über den Tagebau unterhalten und das Schluss sein muss damit. Die Geister unserer Kumpel aus dem Nachbardorf haben uns oft genug gewarnt.“

Sie erwiderte, dass sie genau deshalb hier sei. Sie sei auch der Meinung, der Tagebau tue der Umwelt nicht gut. Und darüber wolle sie in ihrer Zeitung schreiben.

„Ach, nee,“ sein etwas beleibter Sitznachbar, von dem sie später erfuhr, dass es sich um den Landwirt Anton Barnsen, handelte, mischte sich ein. „Dann hat unser Anruf beim Ostwestblatt doch genützt“.

Sie bestätigte, dass ihr durch einen Anruf die Idee gekommen sei, darüber zu schreiben.

„Kommen Sie doch zu uns an den Tisch und trinken Sie einen mit,“ sagte der kleine Schmale, der sich mit Schneider vorstellte.

Sie hätten schon gehört, dass im Wolterschen Hof jemand wohne.

„Ja stimmt, ich wohne für zwei Tage im Gutshof Wolter. Mein Name ist Anna Sievers“.

Barnsen beschwerte sich über Risse an seinem Wohnhaus und die Absenkung des Grundwassers. Sein Brunnen sei bereits versiegt. Schuld daran seien die Arbeiten in der Nachbarschaft. Dort, wo sie jetzt ein riesiges aufgebuddeltes Gelände sehen könne, habe mal ein schönes Dorf gestanden.

„Größer und schöner noch als unseres. Wenn hier auch alles plattgemacht wird, wo bleiben der Wald, die Äcker und die vielen Tiere, die dazu gehören?“, fragte eine Frau mit blond gefärbtem Haar , die ihr gegenüber saß.

Sie schätzte sie auf ungefähr 50 Jahre. Auf der Wiese am Waldrand gäbe es eine sehr seltene Orchideenart, die nur noch an ganz wenigen Plätzen in Deutschland wild wachse. Wenn Kohle abgebaut würde, hätten auch sie am Ende nur noch eine Mondlandschaft. Leute vom BUND hätten sich bereits mit den zuständigen Politikern und Betreibern zusammengesetzt.

„Die haben aber auch nichts erreicht,“ sagte ein kräftig gebauter hellblonder Mann, den sie auf Mitte vierzig schätzte, „die sollen nur nicht glauben, dass wir klein beigeben. Wir wissen schon, wie wir uns wehren.“

Der vierte Mann am Tisch gab ihm einen Stubs mit dem Ellenbogen und schüttelte leicht den Kopf.

„Erzählen Sie doch mal. Das ist für unsere Leser interessant.“

Der vierte Mann, etwas jünger als die anderen, der sich als Holger Kieling, Lehrer der Grundschule im Dorf, vorstellte, fuhr dazwischen:

„Sind Sie im Gutshof gut untergekommen? Haben Sie es bequem dort?“

Es sei alles in Ordnung, sagte sie lächelnd. Nur sei es jetzt am Abend etwas unheimlich. Zwischen dem Ort und dem Hof liege ja noch das Wäldchen und der Friedhof. Sie sei froh, dass sie mit dem Auto unterwegs sei. Zu Fuß würde sie da jetzt nicht gerne hergehen.

„Da tun Sie gut dran“, sagte die Blonde, „Seien Sie bloß vorsichtig.“

„Lizzi, hör auf damit. Du machst der jungen Frau nur Angst.“

„Ich mein ja nur“, Lizzi zog die Mundwinkel herunter und schnaubte leicht durch die Nase.

Anna erinnerte sich an die Spötteleien ihrer Kollegen in der Redaktion. War Lizzi die Quelle für die Gerüchte?

„Ach, mir machen sie so schnell keine Angst. Erzählen Sie doch mal.“

„Alles nur Gerede. Nehmen Sie das nicht ernst“, sagte der Lehrer ihr im Verschwörerton zugewandt.

„Warum sollen wir nicht sagen, wie es hier wirklich zugeht“, sagte der kleine Dünne. „Wir haben nichts zu verbergen“.

Er setze sich in Positur und nun erfuhr sie von dunklen Gestalten, eher Schatten, die in manchen Nächten durch das Dorf schlichen. Sie würden immer mal wieder von jemandem gesehen. Anfangs hätten sie die Polizei gerufen, dabei schaute er zu dem hellblonden Mann, der sich bisher nicht vorgestellt hatte. Aber die bekämen die Gestalten, von denen man nicht wusste, ob es Männer oder Frauen waren, nie zu fassen. Da nichts gestohlen wurde oder jemand angegriffen worden war, hatten sie es aufgegeben. Nur einmal war ein Schild von der Bergwerksgesellschaft zertrümmert worden und der Bauwagen war besprüht worden mit Galgenmännchen. In der vergangene Woche war auf der Baustelle der Strom ausgefallen. Es hatte einen ganzen Tag gedauert, bis dort wieder gearbeitet werden konnte. Vor zwei Tagen hatte vor der Tür des Bauwagens ein toter Vogel gelegen. Und seit gestern war sein eigener Kater Peterle verschwunden. Hin und wieder läutete auch mitten in der Nacht die kleine Glocke der Friedhofskapelle. Vermutlich nur der Wind. Aber mitten in der Nacht ging niemand mehr allein durch das Dorf.

Lizzi unterbrach den Redefluss ihres Nachbarn zur Linken:

„Ich habe neulich meine Tante Käthe in der Kreisstadt besucht. Sie ist 94 Jahre alt. Ich habe von den Schatten erzählt. Und sie sagte, dass seien garantiert die Geister der toten Bergleute. Die Toten des Dorfes seien immer schon umgegangen, wenn jemandem aus dem Dorf Gefahr drohe. Tante Käthe hat das als junges Mädchen selbst erlebt.“

„Lizzi. Du mit Deinen Geistern. Es gibt keine Geister. Du kannst doch nicht ernsthaft an einen solchen Spuk glauben.“

„Doch kann ich. Frag nur die Alten hier im Dorf. Aber Du immer, Du bist ja so aufgeklärt, hast studiert. Du wirst schon sehen.“

Lizzi wurde unterbrochen, als der Wirt eine Runde Klaren auf den Tisch stellte und ein jeder am Tisch sein Pinnchen leerte. Ein wenig ging die Rede noch hin und her über Gewinnmaximierung der Bergwerksgesellschaft, der Zerstörung der gesunden Natur. Deshalb habe man eine Initiative gegründet zum Erhalt des Dorfes und gegen die Umweltzerstörung durch den Tagebau. Das Gutshaus, in dem sie, Anna Sievers, nun wohne, und die Schmiede an der sie vorbeigefahren sein müsse, seien bereits seit dreihundert Jahren im Familienbesitz.

„Das erinnert mich daran“, sagte sie, „dass ich jetzt in meinem Gutshaus schlafen gehen sollte. Morgen ist auch noch ein Tag.“

 

Man verabredete sich für den nächsten Tag für weitere Gespräche. Die Schatten wurden nicht mehr erwähnt.

Als sie aus der Tür trat, merkte sie, dass es dunkel geworden war, genau genommen stockfinster. Außerhalb des Lichtkreises, den die Beleuchtung der Kneipe warf, war kaum noch etwas zu erkennen. Eine solche Finsternis kannte sie aus der Stadt nicht. Der Himmel hatte sich zugezogen und wie ein zarter, grauer Schleier hatte Nebel das Dorf umhüllt. Jetzt im Oktober, keine Seltenheit in der Gegend. Sie meinte, die feuchte Luft auf der Zunge zu schmecken. Nur aus einem Haus in der Nähe drang noch ein fahler Lichtschein.

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