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Hoffnung und Stärke im Westbalkan

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Из серии: Big Ideas #13
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GEGENSÄTZE

Ich war wie hypnotisiert: Meine Augen konnten sich nicht von dem Anblick lösen, der sich mir durch ein altes Fenster bot. Der Blick auf die kleine kosovarische Ortschaft Shtupel unten im Tal glich einer Szene aus einem Bruegel-Gemälde. Am Horizont zeichneten sich verschwommen einige Hügel ab, darunter lagen ein paar verschneite Häuser, deren Holzfragmente aus dem Weiß ragten.

Die einzige Bewegung in diesem Bild waren die hellgrauen Rauchfahnen, die sich über den Hausdächern in den Himmel schlängelten.

„Verstehst Du, warum?“ – „Was?“ fragte ich meinen Dolmetscher und tat so, als wäre ich mit den Gedanken nie abgeschweift, den Blick fest auf meinen Kaffee gerichtet, um dem bohrenden Blick von Adela zu entgehen, einer Roma, die hier im Kosovo geboren ist.

„Verstehst Du, warum ich nie von hier wegziehen würde – obwohl meine ganze Familie von den Serben und von den Albanern verfolgt wurde, weil uns beide für Verräter hielten, die mit der anderen Seite kollaborierten?“ Während Nikolino, mein Dolmetscher, sprach, schaute ich unwillkürlich zu Adela. Sie hielt ihr jüngstes Kind fest im Arm. Ihre anderen Kinder behielt sie mit ihren großen, flinken Augen im Blick. Adelas Augen waren so schwarz wie der Obsidian, den ich als Kind in den Ferien mit meiner Familie auf Salina, einer der Äolischen Inseln vor Sizilien, gesehen hatte. Es kostete mich enorme Anstrengung, meine Gedanken wieder zu sammeln.

Schließlich fuhr ich mit meiner Erklärung fort. Ich sagte Adela, wann und wie ihr Dach mit den vom italienischen Caritasverband gesammelten Spenden repariert würde, sodass sie und ihre Familie weiter hier leben konnten – hier in diesem kleinen Paradies. Später drehte Adela meine Kaffeetasse für einige Minuten um. Bevor ich ging, verriet sie Nikolino mit einem breiten Lächeln, was sie im Kaffeesatz gelesen hatte: dass eine leuchtende Zukunft auf mich wartete. Ich lächelte ebenfalls.


Die zweite prägende Erinnerung an meinen ersten Besuch des Westbalkans[1] im Jahr 1999 war der kalte Winter und der seltsame Geruch, der in der dünnen Luft hing. Ich bin in einem modernen Vorort von Mailand aufgewachsen, in dem es schon Gasheizungen gab. Den Geruch von Kohle- oder Dieselheizungen im Winter hatte ich als Kind also nie erlebt. An diesem Tag musste ich nach Pristina, um den Kauf einer großen Menge Bauholz auszuhandeln.

Ich verließ mein Haus in Klina schon früh am Morgen, das Außenthermometer zeigte minus 28 Grad. In dieser Kälte bildete der blaue Himmel an diesem sonnigen Tag einen starken Kontrast zu dem grellen Weiß der verschneiten Hügel. Bald nachdem ich den russischen Kontrollpunkt passiert hatte und mich Pristina näherte, wurde das Blau auf einmal heller, und nicht weit zur Linken stiegen graue Schwaden auf. Eines der größten Braunkohlekraftwerke der gesamten Region lief damals auf Hochtouren. Das tut es auch heute noch, mit einer Erzeugungsleistung von mehr als 1 300 Megawatt und einem beißenden Gestank, der mir immer noch gegenwärtig ist. In Pristina sah ich zum ersten Mal mit eigenen Augen die Gegensätze im Westbalkan.

Auf der einen Seite kohlegeschwängerte Luft wie hier in der Stadt, auf der anderen Seite die unberührte, wilde Schönheit der Natur. Pluralistische Einheit damals, erbitterter Nationalismus heute. Hier der Fortschritt moderner Architektur und kultureller Zentren im Schnittpunkt zwischen Mittel- und Osteuropa, da der Verfall infolge beispielloser, unmenschlicher Konflikte oder versäumter Investitionen. Dynamische, ambitionierte und optimistische Unternehmer als Gegenpol zu desillusionierten Menschen in den Bars, die bei Kaffee und Zigaretten stundenlang über Korruption und eine tragische Vergangenheit lamentierten. Mir kam das an der Schwelle zum neuen Jahrtausend befremdlich vor.


Mehr als 20 Jahre sind seitdem vergangen, und die Menschen im Westbalkan haben viel getan, um das Unheil der Konflikte Ende der 1990er-Jahre hinter sich zu lassen. Sie, die Menschen, und die Institutionen haben wiederholt ihren Wunsch bekräftigt, Teil der Europäischen Union zu werden. Und sie haben erhebliche Anstrengungen unternommen, um diesen Traum zu verwirklichen. Auch wenn der Weg dahin noch lang ist, an seinem Ende stehen Ziele, die die Mühe lohnen: einen Lebensstandard wie Mailand, Lyon oder Stuttgart erreichen und nicht wegziehen müssen – auf der Suche nach einer neuen beruflichen Chance oder einer besseren Schule für die Kinder. Die EIB hat im Westbalkan in den vergangenen 20 Jahren viel geleistet, und ich bin stolz, dass ich dazu beigetragen habe. Seit 2000 hat die EIB mit rund 11 Milliarden Euro Verkehrsinfrastruktur finanziert, die Menschen und Regionen verbindet. Ein gutes Beispiel ist der Aufbau der paneuropäischen Verkehrskorridore X und Vc, die durch den Westbalkan verlaufen. Korridor X führt von Salzburg in Österreich bis ins griechische Thessaloniki – 2 300 Kilometer Straße und mehr als 2 500 Kilometer Eisenbahnschienen, die zwölf Flughäfen und vier See- und Flusshäfen miteinander verbinden. 750 Millionen Euro stellte die EIB dafür bereit. Der 702 Kilometer lange Korridor Vc (Europastraße 73) verbindet Ungarn mit Kroatien und mit Bosnien und Herzegowina und schließt auch die neue Brücke über die Save bei Svilaj an der bosnisch-kroatischen Grenze ein. Er wurde bisher mit einer Milliarde Euro gefördert. Bauprojekte wie diese lassen den Westbalkan noch näher an Europa heranrücken.

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