Interviews Aus Dem Kurzen Jahrhundert

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Ja, für Sie




  Was soll ich sagen, etwas, das ganz natürlich zwischen zwei in-einander Verliebten passiert. Mehr nicht.  










Glauben Sie, dass Sie eine starke erotische oder eine mehr sinnliche Ausstrahlung haben?




  Hundertprozent.  










Hundertprozentig nein?




  Hundertprozentig ja!  















   4 







Gong Li












 Mondsüchtig














































  Anfang 1996, ich arbeitete erst kurz als Korrespondent für den Fernen Osten, besuchte ich häufig zusammen mit einigen befreundeten Journalisten John Colmey, den Kollegen von      

Time

      in Hong Kong. John vermittelte den Kontakt zum Manager der wunderschönen chinesischen Schauspielerin Gong Li und es gelang mir, mit ihr am Set des Films, den sie gerade in der Nähe von Shanghai drehte ein Exklusivinterview für die Zeitschrift      

Panorama

       zu arrangieren.  



  ***** 



  Chen Kaige drehte gerade eine der letzten Szenen seines sehn-lichst erwarteten Films      

Verführerischer Monde

      (     

Temptress Moon

      ) in Suzhou, am Ufer des Tai-Sees, hundert Kilometer westlich von Shanghai, drei Jahre nach dem Welterfolg von      

Lebewohl meine Konkubine

      . Die Assistenten bewegen sich im Laufschritt zwischen den über zweihundert Komparsen, gekleidet im Stil der Zwanziger Jahre, die den Hafenkai bevölkern. Die Frauen tragen den typischen      

cheongsam

       aus Seide, einige Gentlemen sitzen lesend in einer Sänfte und im Hintergrund siehe man Hafenarbeiter, die ein Dampfschiff beladen. Gedreht wird eine große Abschiedsszene: Gong Li, die im Film Ruyi heißt und die schöne und verwöhnte Erbin einer superreichen Familie aus Shanghai spielt, in der Inzest und Opium-Rituale praktiziert werden und jeder jeden mit dem jeweils anderen Partner betrügt, ist kurz davor, mit ihrem Verlobten, Zhongliang, nach Peking aufzubrechen, gespielt von Leslie Cheung, dem Schauspieler aus Hong Kong, der schon in      

Lebewohl meine Konkubine

      an ihrer Seite spielte.  



  Am Kai steht ihr Jugendfreund Duanwu (interpretiert von dem künftigen Stern am Kinohimmel, Taiwan Lin Chìen-hwa), der schon immer heimlich in Ruyi verliebt war: «Denk dran: du siehst sie jetzt hier zum letzten Mal! Das muss man auf deinem Gesicht ablesen können, und das will ich von dir sehen!» ermahnt ihn Chen Kaige, sechsundvierzig, Lederjacke, schwarze Jeans. «Gut...      

Yu-bei

      ...      (Anm     

. also los,

      ) ...      

Action

      !». Als Lin Chien-hwa sich umschaut und dem ablegenden Dampfschiff nachsieht, kann man den Abschiedsschmerz in seinen Augen lesen. «     

Okay!

      » ruft ein zufriedener Kaige. Und die letzte Klappe fällt an diesem Tag. 



  Über zwei Jahre sind vergangen, in denen er das Drehbuch umgeschrieben hat. Jetzt arbeitet Kaige wie ein Besessener, damit sein Streifen bis zum Filmfestival von Cannes im Mai im Kasten ist. Er ist die Nummer Eins des chinesischen Kinos der Neunziger und trat in die Fußstapfen seines Vaters (sein Vater, Chen Huai’ai, war ein Monument des Kinofilms der Nachkriegszeit). Chen Kaige ist dafür bekannt, dass er das Maximum aus seinen Darstellern herausholt und ihre Geduld zuweilen auf eine harte Probe stellt. Das gilt gleichermaßen für die chinesische Regierung, die seine Filme jahrelang auf den Index gesetzt-, geschnitten und zensiert hat, bis sie am Ende seine Qualitäten als Meister des zeitgenössischen Kinos anerkennen musste.  



  Der neue Film      

Temptress Moon,

      der bislang bereits sechs Millionen Dollar gekostet hatte, repräsentiert in gewisser Hinsicht symbolisch die aktuelle Realität des chinesischen Kinos, eine Gratwanderung zwischen Liberalismus und Repression, projiziert auf die Weltmärkte, die Füße fest verwurzelt am Boden des Vaterlandes; Kosmopolit und engstirniger Patriot zugleich. Der Filmset erscheint einem wie ein Mikrokosmos des modernen China.  



  Die Protagonisten sind vom Feinsten was aktuell von den «drei Chinas» geboten wird: Hong Kong (Leslie Cheung), Taiwan (Lìn Chien) und die Volksrepublik China (Gong Li). Der Regisseur ist ein Intellektueller aus Peking und die Produzentin, Hsu Feng, ein ehemaliger Kinostar aus Taiwan, verheiratet mit einem Ge-schäftsmann aus Hong Kong, wo sie in den Siebziger Jahren die Tomson Film gründete (und sie war es auch, die Kaige vor acht Jahren davon überzeugte, die Novelle von Lilian Lee,     

 Lebewohl meine Konkubine

      auf die Leinwand zu bringen).  



  Selbst wenn die Erwartungen an die neue Regiearbeit von Kaige hoch sind, die des Publikums und der Kritik, was die schauspielerische Leistung des unbestrittenen Kinostars Gong Li anbelangt, sind ungleich höher. Die einunddreißigjährige Schauspielerin ist zweifellos in diesem Moment die bekannteste Chinesin der Welt. In ihrer Kinovergangenheit finden wir Filme wie      

Roter Mohn

       (1987),      

rote Laterne

       (1991) und      

Lebewohl meine Konkubine

       (1993). Und eine lange, soeben zu Ende gegangene Love Story mit Zhang Yimou, ihrem Begleiter über acht Jahre, dem Regisseur, der sie zu einem Weltstar gemacht hat und mit dem sie im vergangenen Jahr den letzten Film gedreht hat,      

Shanghai Serenade

      . 



  Trotz des Erfolges, den sie beim westlichen Publikum genossen hat ist Gong Li zu hundert Prozent Chinesin geblieben. 



  Am Ende dieses Tages am Set hat sie eingewilligt, für      

Panorama

       dieses Exklusivinterview zu geben.  










Wieder ein großer Film, aber wieder eine antike Geschichte, die im China der Zwanziger Jahre spielt und nicht Fakten der jüngsten Geschichte beleuchtet ..




  Ich denke der Grund liegt darin, dass China sich dem Rest der Welt erst vor wenigen Jahren geöffnet hat. Als das geschah, hat in unserem Land auch das Kino stilistisch und kulturell eine Öffnung erfahren. Sicherlich hat die Zensur über Jahre eine wesentliche Rolle gespielt, wenn es um die Themenwahl ging und um die Zukunft des Kinos. Es gibt aber auch einen eher künstlerischen Grund, wenn man das so sagen kann: viele chinesische Regisseure sind der Ansicht, es sei gut, Filme aus einer Epoche vor der Kulturrevolution zu machen. Dies dient einer Art Rehabilitation jener Fakten und der Vergangenheit. Vermutlich glauben sie auch, es sei noch zu früh, für ein internationales Publikum Episoden zu verfilmen, Bilder, die noch zu frisch sind, die noch zu weh tun und die allen noch im Gedächtnis sind.  










Sie sind weltweit die populärste chinesische Frau. Empfinden Sie ein Gefühl der Verantwortung in dieser Rolle als Botschafterin?




  Das Wort Botschafterin macht mir ein wenig Angst... dieser Titel ist meiner Ansicht nach eine Nummer zu groß für mich. Sagen wir mal, ich fühle mich auf dem Umweg über meine Filme eher wie eine Brücke zwischen unserer Kultur und unserer Geschichte und der des Westens. Das ja: da ich glaube, dass man bei Ihnen nicht viel von der Realität des heutigen China weiß. Wenn also einer meiner Filme helfen kann, dem Westen unser Leben, unser Volk, uns selbst etwas näher zu bringen, dann ist das etwas, worauf ich in der Tat stolz bin. 










In letzter Zeit ist das Image Chinas in der Welt allerdings nicht eines der besten: Massenexekutionen, Waisenhäuser des Todes … Entspricht das alles der Wahrheit?




  China hat viele Probleme, das ist sicher. Insbesondere, wenn man nur die negativen Dinge betrachtet und die positiven Seiten vergisst. Wenn man von einem Land nur die Missstände kennt, dann muss man klar sagen, dass das Image, das man sieht, unvollständig ist. Mein Land ist ein großes Land, hier leben über eine Milliarde Menschen und daher gibt es im Inneren von China enorme Unterschiede. Es ist alles andere als einfach, hier ein Urteil abzugeben. 










Wann haben Sie sich entschlossen, die Rolle der Ruyi in Temptress Moon zu spielen?




  Es war mehr oder weniger ein Zufall. Oder eine Fügung des Schicksals, denn es war auch für mich eine «Versuchung». Man hat mir die Rolle im letzten Moment angeboten, als die Dreharbeiten bereits begonnen hatten und nachdem die taiwanesische Darstellerin nicht weiter machen wollte. Wissen Sie, dass chinesische Kritiker      

Temptress Moon

       mit      

Vom Winde verweht

      verglichen haben? 










Ach ja – und warum?










  Nicht wegen des Inhalts. Wegen der Wahl der Akteure. Chen hat sich zig Darsteller für meine Rolle angeschaut, genauso wie bei      

Vom Winde verweht

      ,     


      als eine Schauspielerin nach der anderen ausgemustert wurde,      

bevor

       er sich entschied und die Rolle der Scarlett O’Hara mit Vivian Leigh zu besetzen. So kam auch ich dazu, als die Dreharbeiten bereits begonnen hatten. Und das war nicht leicht. Man wollte, dass ich einen völlig anderen Part verkörpere, als ich das für Gewöhnlich tue: hier muss ich ein reiches und verwöhntes Mädchen spielen.  

 










Das chinesische Kino erlebt zurzeit einen magischen Moment. Das ist das Verdienst von Regisseuren wie Kaige und von Darstellern wie Sie. Daneben auch Namen wie John Woo oder Ang Lee, die in Hollywood arbeiten

      .  









  Ich glaube, der Grund hierfür liegt darin, dass die chinesischen Regisseure eine optimale Kinotechnik mit jener einzigartigen Kombination von Faszination und Stil verbinden, die Teil unserer Kultur ist. 










Wie kamen Sie zur Schauspielerei?




  Aus purem Zufall. Als Kind habe ich gerne gesungen. Eines Tages nahm mich mein Gesangslehrer mit in ein Fernsehstudio in Shandong, wo gerade eine TV-Sendung aufgenommen wurde. Ich erinnere mich noch, dass der Regisseur eine Frau war. Als sie mich sah, beschloss sie, mir eine Rolle zu geben, also gab sie mir ein Drehbuch zum Lesen. Es war eine kleine Rolle. Aber in ihren Augen war ich die geborene Schauspielerin. Sie sagte also zu meiner Mutter: «Lassen Sie Ihre Tochter Schauspielerin werden». Es gelang mir, sie zu überzeugen und zwei Monate später ging ich auf die Schauspielschule nach Peking. Ich erinnere mich noch, dass es harte Arbeit war. Begonnen habe ich mich kleinen Rollen und später … 










Ihr Leben spielt sich zwischen Hongkong und Peking ab und die Zeitungen schreiben von einer neuen Liebesaffäre mit einem Geschäftsmann aus Hong Kong. Werden Sie endgültig dort hinziehen?




  Ich glaube nicht. Hong Kong gefällt mir, weil es eine quirlige Stadt ist und man dort gut shoppen kann. Aber ich langweile mich dort. Peking ist anders. Man trifft Menschen auf der Straße, spricht mit ihnen, wird angesprochen. In Hongkong dreht sich alles nur ums Geld.  










Stört Sie das Interesse der Presse in Ihrem Privatleben?




  Man kann es vermutlich nicht verhindern. Insbesondere die asiatische Presse schreibt oft diskriminierende oder erfundene Geschichten. Westliche Zeitungen sind da korrekter.  










Ist es auch in China für eine Darstellerin wichtig, schön zu sein?




  Finden Sie mich schön? 










Im Westen gelten Sie als Sexsymbol

      .  



  Ach ja, das freut mich zu hören. Ich fühle mich aber weder sexy noch als Sexsymbol. Vielleicht gelingt es mir, die Persönlichkeit und den Charme der chinesischen Frau zu verkörpern. Die Chinesinnen sind anders, als die Frauen im Westen. 










Welches sind Ihre künftigen Projekte?




  Ich würde gerne heiraten und Kinder haben, weil ich denke, dass die Familie im Leben einer Frau eine wichtige Rolle spielt. Ohne eine Familie kann man bei der eigenen Arbeit die Realität des täglichen Lebens nicht umsetzen. 










Gibt es Leinwandprojekte?




  Im Augenblick nicht. Ich lese viele Drehbücher, aber keins kann mich überzeugen. Ich bin nicht eine von der Sorte, die glaubt, eine Rolle annehmen zu müssen, nur um etwas zu tun. 










Würden Sie für einen westlichen Regisseur arbeiten?




  Wenn er eine passende Rolle für mich hat, eine, die für eine Chinesin geeignet ist, warum nicht? 










Gibt es einen Italiener, unter dem Sie gerne arbeiten würden?




  Aber sicher, Bernardo Bertolucci! 









  5 







Ingrid Betancourt









Die Pasionaria der Anden















































Liebe Dina, anbei das Stück, die Box wird nachgeliefert. Ich hoffe, es ist alles in Ordnung. Heute (Montag den 11.) nehme ich das Flugzeug nach Tokyo via Buenos Aires, wo ich morgen, am 12. Februar ankomme. Danach bin ich ständig per Satellitentelefon erreichbar, auch an den Tagen der antarktischen “Seereise”. Am 24. Februar bin ich zurück in Argentinien und reise weiter nach Bogotá, wo ich die Betancourt in den ersten Märztagen treffen werde.





Sag mir, wenn’s dich interessiert.





Bis bald





Marco







   Diese Mail, das ich auf einem         alten PC fand, schrieb ich Anfang Februar 2002 an Dina Nascetti, eine meiner Vorgesetzten beim    

Espresso,

    um sie über meine Unternehmungen zu informieren. Ich war zuvor in Japan wegen einer Reportage am Grab von Jesus

 

 und bereitete eine lange Reise vor, auf der ich fast zwei Monate weit weg von zu Hause sein würde. Endstation war die geografische Außengrenze: die Antarktis.   



  Unterwegs plante ich einen Zwischenstopp in Argentinien, zu einer Reportage über die schwere Wirtschaftskrise, die das südamerikanische Land in jenen Monaten erschütterte, danach in Kolumbien, wo ich Ingrid Betancourt Pulecio interviewen sollte, die kolumbianische Politikerin und Vorkämpferin für die Menschenrechte. Tatsächlich kam ich einige Tage früher als geplant nach Bogotá. Das war – wenigstens für mich – ein Glücksfall. Ich traf die Betancourt am zweiundzwanzigsten Februar und genau vierundzwanzig Stunden später verschwand Ingrid Betancourt, die im Auto unterwegs in Richtung Florencia war spurlos und zwar in der Gegend von San Vicente del Caguan. Von den FARC-Rebellen entführt, war sie mehr als sechs Jahre in Geiselhaft.  



  Wäre ich nur einen Tag später in Kolumbien angekommen, wäre ich ihr nie begegnet. 









  ***** 



  Das braune schulterlange Haar trägt sie offen. Sie hat dunkle Augen, wie eine echte Kolumbianerin und trägt einen Armreif aus Bernstein. Ihre Lippen sind geschlossen; sie lächelt so gut wie nie.  



  Ingrid Betancourt hat auch wenig Grund zum Lachen. Ihre vierzig Jahre sieht man ihr nicht an, die fünfzig Kilo sind auf einen Meter siebzig gut verteilt. Aktuelle Kandidatin für den unbequemen Präsidentenposten in Kolumbien, einem der gewalttätigsten Länder der Erde. Ein Ort, an dem im Schnitt täglich siebzig Menschen umgebracht werden, Kriegsschauplatz seit vierzig Jahren mit 37.000 Opfern unter der Zivilbevölkerung von 1990 bis heute. Ein Land, in dem alle vierundzwanzig Stunden an die zehn Personen entführt werden. Ein Land, das als Kokainproduzent weltweit an der Spitze steht und aus dem in den letzten drei Jahren mehr als eine Million Menschen geflüchtet sind.  



  Es ist noch nicht allzu lange her und dieselbe Frau, die mir jetzt mit kugelsicherer Weste und nervösem Blick in einem anonymen, streng geheimen und Hochsicherheits-Apartment im Zentrum von Bogotà gegenübersitzt, lag mit einem glücklichen Lächeln am Strand der Seychellen, unter den nachsichtigen Blicken des Vaters, Gabriel de Betancourt, einem französischen Diplomaten. Schön, gebildet, intelligent, hatte man sie nach den schwierigen Jahren in Kolumbien in diesen Winkel des Paradieses geschickt hatte, um dort zu arbeiten. 



  Genau vierundzwanzig Stunden nach diesem Interview verschwand Ingrid Betancourt auf einer Autofahrt nach Florencia in der Gegend von San Vicente del Caguan, an der äußersten Grenze des Gebietes in dem kolumbianischen Truppen gegen die FARC-Rebellen kämpften. Mit ihr verschwanden ein Kameramann und ein französischer Fotograf, die sie auf ihrer riskanten Wahlkampagne begleiteten. Alles deutete auf eine Entführung hin.  



  Eine dramatische Wendung, die paradoxerweise – oder in einem so grausamen Land wie Kolumbien auch wieder nichts Ungewöhnliches – «schlagartig ihre Wahlchancen erhöht», wie es Gabriel Marcela pragmatisch ausdrückt. Er muss es wissen, denn er ist Professor an der Escuela de Guerra und das kolumbianische Tagesgeschehen ist sein Fachgebiet. 









  Ingrid Betancourt Pulecio ist 1990 freiwillig in dieses Inferno zurückgekehrt und zwar nicht am Ende ihres Lebens, sondern erst dreißigjährig. 



  Als ehemalige Abgeordnete und heutige Senatorin gründete sie eine Partei namens      

Oxigeno Verte

      , «um die korrupte kolumbianische Politik mit sauberer Luft zu versorgen», wie sie ernsthaft erläutert. Daraus entsteht der Slogan: «Ingrid es oxigeno». Auf dem Foto ist sie abgebildet, mit Antismog-Maske und bunten Luftballons. Mit einhundertsechzigtausend Anhängern hat sie im Land den größten Zuspruch. Allerdings würde heute wohl niemand mehr über sie sprechen, wenn sie nicht ihre Autobiografie geschrieben hätte, die gerade in diesen Tagen auch in Italien erscheint. Der Titel lässt keinen Zweifel am Charakter der Autorin: “Probabilmente domani mi uccidono“ (in Deutsch: «Möglich, dass ich morgen umgebracht werde»).  









  Vielleicht etwas zu theatralisch?  



  «Die französische Fassung hat den Titel      

La rage au


cœur




– (deutscher Titel) die Wut in meinem Herzen»

       sagt sie zu ihrer Verteidigung. «Die italienischen Verleger wollten aber einen stärkeren Titel, so haben wir diesen gewählt. Außerdem entspricht das meinen Gefühlen und mit diesem Gedanken wache ich jeden Morgen auf und schlafe jeden Abend ein. Ich glaube nicht, dass das in irgendeiner Form etwas mit Heldenmut zu tun hat. Die Möglichkeit, morgen umgebracht zu werden ist eine sehr reale Perspektive und in einer breiten Bevölkerungsschicht dieses Landes äußerst präsent.»  



  Die Zeitungen haben Sie quasi in den Status einer Heiligen erhoben.      

Paris Match

       nannte Sie “Die Frau im Fadenkreuz”.      

Libération

       “Eine Heldin”.      

Le Figaro

      , “Die Pasionaria der Anden”.      

Le Nouvel Observateur

       schrieb «hätte Simon Bolívar, der      

libertador

       Lateinamerikas eine Nachfolgerin auswählen können, er hätte Sie gewählt». 



  Die Kolumbianischen Zeitungen haben sich dagegen etwas über sie lustig gemacht. Die     

 Semana

      , das wichtigste Informationsblatt 



  des Landes hat sie auf der Titelseite als “Jeanne d’ Arc” abgebildet und auf der Fotomontage sind Sie als Jungfrau von Orleans dargestellt, zu Pferd, mit Rüstung und Lanze, bereit zum Angriff. In Wirklichkeit ist das Buch sehr gemäßigt und nicht so reiße- 



  risch wie sein Titel; das gilt auch für die Rezensionen. Ingrid 



  verhehlt nicht, dass sie Privilegien genoss. Auf Grund Ihres Status in der Oberschicht hatte sie sich einen gewissen Luxus bewahrt: sie ging beispielsweise einmal die Woche auf einem Gestüt von Freunden zum Reiten.  



  Ansonsten fehlt es ihr nicht an Ideen, und sie nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, diese zum Ausdruck zu bringen. «Die       farc      , die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens, wichtigste Guerillagruppe des Landes konnten vorsichtigen Schätzungen zufolge 1998 mit jährlichen Finanzierungen in Höhe von dreihundert Millionen Dollar rechnen, vorwiegend aus “Finanzmitteln” aus Drogenschmuggel und Lösegeldeinnahmen aus Entführungen und Erpressungen. Heute wissen wir, dass sie jährlich auf Finanzmittel zurückgreifen können, die annähernd eine halbe Milliarde Dollar betragen, während ihre Truppen von fünfzehntausend auf einundzwanzigtausend Mann angewachsen ist. Dies» so erklärt sie, «bringt den kolumbianischen Staat in ein totales Kräfteungleichgewicht gegenüber der Guerilla. Um entscheidende Ergebnisse erzielen zu können müsste nach unserer Kalkulation die Regierung zwischen drei und viertausend gut ausgebildete Militärs pro Kopf eines jeden Guerillas einsetzen, während heute höchstens proportional ein, höchstens zwei Soldaten auf ein FARC-Mitglied kommen. All das zudem verbunden mit wirtschaftlichen Anstrengungen, die für mein Land fast als unmenschlich zu bezeichnen sind. Man kalkuliert, dass sich ab 1990 die Kosten zur Bekämpfung des Terrorismus beinahe verzehnfacht haben. Wenn sie am Anfang noch ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes betrugen, so übersteigt die Quote heute schon zwei Prozent und hat inzwischen bereits die astronomische Summe von einhundert Millionen US-Dollar erreicht». 

 



  Ihre Feinde bezeichnen Sie als Fanatikerin, oder ist sie – nach eigenen Aussagen – eine Frau, die etwas für ihr Lan

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