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Waldröschen V. Ein Gardeleutnant

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5. Kapitel

Kurt erkundigte sich beim Wirt, wie das Gasthaus zu finden sei, bezahlte sein Bier und ging. Da er gesehen hatte, daß der Kapitän sich nach der entgegengesetzten Richtung entfernte, so konnte er ziemlich sicher sein, von ihm nicht überrascht zu werden.

Er erreichte das Haus, trat in die Gaststube und verlangte zu trinken. Ein Kellnermädchen brachte ihm das Verlangte. Es fiel ihm auf, daß sie ihm mit einer erfreuten Miene zulächelte. Er sah ihr fragend in das hübsche Gesicht; sie mochte es als Aufforderung nehmen und sagte:

»Kennen Sie mich nicht mehr, Herr Leutnant?«

Er besann sich, und da kam ihm plötzlich eine heimatliche Erinnerung.

»Sapperlot!« sagte er. »Ist‘s wahr? Sind Sie nicht Uhlmanns Bertha aus Bodenheim?« – »Ja, die bin ich«, lachte sie fröhlich.

»Ich bin oft in Rheinswalden gewesen und habe Sie da gesehen.« – »Aber ich Sie nicht seit mehreren Jahren, und dies ist der Grund, daß ich Sie nicht sogleich erkannt habe. Wie aber kommen Sie nach Berlin?« – »Bei uns sind der Geschwister zu viele, und da meinte der Vater, ich solle es einmal mit einer Kondition versuchen. Ich ging in meine jetzige Stellung, weil der Wirt hier ein entfernter Verwandter von mir ist.« – »Das ist mir außerordentlich lieb. Ich freue mich sehr, gerade Sie hier zu finden.« – »Warum?« – »Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten.« – »Tun Sie es, Herr Leutnant! Wenn ich Ihnen einen Wunsch erfüllen kann, so tue ich es herzlich gern.« – »Vor allen Dingen ersuche ich Sie, es hier nicht hören zu lassen, daß ich Offizier bin. Wohnt ein Kapitän Parkert bei Ihnen?« – »Ja, seit kurzer Zeit. Er hat die Nummer zwölf.« – »Mit wem verkehrt er?« – »Mit niemand. Er geht sehr viel aus. Nur ein einziger Herr war hier, der mit ihm sprechen wollte.« – »Wer war es?« – »Er nannte keinen Namen, aber er wollte in einiger Zeit wiederkommen.« – »Konnten Sie aus seinem Äußeren nicht darauf schließen, was er sei?« – »Er kam mir vor wie ein Offizier in Zivil. Sein Gesicht war sehr von der Sonne verbrannt, und er sprach das Deutsch fast wie ein Franzose.« – »Hm! Sie sagten, daß der Kapitän Nummer zwölf habe?« – »Ja.« – »Ist Nummer elf besetzt?« – »Ja, aber sie liegt in einem andern Korridor. Nummer zwölf ist ein Eckzimmer.« – »Und Nummer dreizehn?« – »Steht leer.« – »Ist eine starke Wand zwischen den beiden Zimmern?« – »Nein. Sie sind sogar durch eine Tür verbunden, die jedoch verschlossen ist.« – »So könnte man vielleicht in Nummer dreizehn verstehen, was in Nummer zwölf gesprochen wird?« – »Ja, wenn man nicht zu leise redet.« Und mit einem schlauen Lächeln fuhr sie fort. »Sie haben wohl ein Interesse an diesem Parkert?« – »Allerdings; aber es darf niemand wissen!« – »Oh, ich bin verschwiegen. Übrigens, dieser Mensch gefällt mir nicht, und einem so lieben Landsmann, wie Sie sind, kann man wohl gern einen Gefallen tun!« – »Darf ich Nummer dreizehn einmal ansehen?« – »Das versteht sich!« – »Aber möglichst ohne daß es jemand bemerkt.« – »Keine Sorge! Es befindet sich niemand von der Bedienung oben. Ich hole Ihnen den Schlüssel, und Sie gehen einfach die Treppe hinauf. Rechts ist die besetzte Tür, die letzte führt nach Nummer zwölf.«

Sie entfernte sich und brachte sehr bald den Schlüssel, den sie ihm heimlich zusteckte. Er verließ bald darauf das Zimmer, stieg die Treppe empor und fand den Korridor leer.

Der Schlüssel öffnete ihm die betreffende Tür, und er fand eine Schlafstube, in der sich ein Bett, ein Kleiderschrank, ein Waschtisch, ein Tisch nebst Sofa und zwei Stühle befanden.

Die Tür war verschlossen, und zwar von beiden Seiten, wie er bemerkte. Er öffnete den Schrank und fand ihn leer. Die Tür desselben ging auf, ohne das mindeste Geräusch zu verursachen.

Vollständig zufriedengestellt, kehrte er nach unten zurück, ohne von irgend jemand bemerkt worden zu sein. Als die Kellnerin wieder zu ihm trat, um den Schlüssel in Empfang zu nehmen, fragte sie:

»Gefunden?« – »Ja«, nickte er. – »Wie es scheint, möchten Sie den Kapitän einmal belauschen?« – »Das ist allerdings mein Wunsch. Gibt er seinen Schlüssel ab, wenn er ausgeht?« – »Nein. Er tut sehr geheimnisvoll mit seinen Effekten. Er bleibt sogar im Zimmer, wenn dasselbe aufgeräumt und gesäubert wird, und wenn er fortgeht, so steckt er seinen Schlüssel ein, ohne daran zu denken, daß doch jeder Wirt einen Hauptschlüssel hat.« – »Hm! Wollen Sie mich einmal in Nummer dreizehn lassen, wenn er in seinem Zimmer Besuch hat?« – »Gern.« – »Ich werde Ihnen sehr erkenntlich sein!« – »Darauf reflektiere ich nicht. Ich tue es Ihnen zuliebe und weil ich ihn nicht leiden kann. Aber ich hatte vergessen, Ihnen zu sagen, daß er sich ausbedungen hat, daß Nummer dreizehn leer bleibe. Er bezahlt dieses Zimmer mit.« – »Das dient mir zum Beweis, daß er sich mit Heimlichkeiten befaßt, die mir von Wert sein dürften. Ah, wer ist das?«

Es trat nämlich in diesem Augenblick ein Mann ein, bei dessen Anblick der Leutnant eine große Überraschung nicht zu verbergen imstande war.

»Das ist der Herr, der bereits einmal nach dem Kapitän gefragt hat. Ich sagte Ihnen bereits, daß er in einiger Zeit wiederkommen wolle.« – »Und er hat also seinen Namen nicht genannt?« – »Nein. Es scheint, Sie kennen ihn?« – »Menschen sehen sich zuweilen ähnlich«, antwortete Kurt ausweichend. »Er nimmt die Weinkarte. Bedienen Sie ihn!«

Das Mädchen trat zu dem neu angekommenen Gast, der es fragte, ob der Kapitän bereits zurückgekommen sei. Als er hörte, daß dies noch nicht der Fall sei, bat er um eine Flasche Bordeaux, die er auch erhielt und mit der Miene eines Kenners kostete.

»Er ist es wahrhaftig!« dachte Kurt »In dieser Weise trinkt nur ein Franzose den Wein seines Landes. Was aber will General Douay hier in Berlin? Sollten sich wirklich diplomatische Heimlichkeiten vorbereiten, von denen die preußische Regierung vielleicht nichts wissen darf? Ich muß diese Unterredung wirklich belauschen. Es ist leicht möglich, daß ich etwas erfahre, was von Wichtigkeit ist.«

Es war keine Zeit zu verlieren, denn kam der Kapitän zurück, so war es zu spät. Darum gab Kurt dem Mädchen einen Wink. Es nickte unbemerkt, tat, als ob es die Tische abzuwischen habe, und kam dabei an den seinigen.

»Ich muß hinauf, sagte er leise. »Die Unterredung scheint eine wichtige zu werden, und darum ist es möglich, daß der Kapitän sich vorher überzeugt, daß niemand in Nummer dreizehn ist. Er kann den Schlüssel verlangen, darum darf ich ihn nicht behalten.« – »So werde ich Sie einschließen. Aber er wird Sie ja sehen, sobald er in das Zimmer blickt!« – »Ich verstecke mich in dem Kleiderschrank.« – »Und wenn er diesen öffnet?« – »Ich ziehe den Schlüssel ab.« – »Können Sie von innen die Tür so fest zuhalten, daß er sie nicht aufbringt?« – »Das wird schwierig sein. Gibt es hier vielleicht einen Bohrer?« – »Ich will nachsehen. Der Hausknecht hat einen Werkzeugkasten.« – »Gut. Geben Sie mir einen Wink, wenn Sie fertig sind, dann gehen wir nach oben, und Sie lassen mich wieder heraus, sobald der Mann dort fortgegangen ist.«

Nach kaum einigen Minuten gab das Mädchen, das beim Hausknecht gewesen war, Kurt das verabredete Zeichen. Er bezahlte seine Zeche und tat, als ob er gehe.

Er traf die Kellnerin draußen im Flur. Sie führte ihn nach Nummer dreizehn, gab ihm den Bohrer, schloß ihn ein und verließ ihn dann, indem sie den Schlüssel mitnahm.

Kurt öffnete den Schrank, zog den Schlüssel ab und steckte ihn ein. Nun setzte er sich in den leeren Schrank und schraubte den Bohrer in die Innenseite der Tür fest ein. Dadurch erhielt er einen Handgriff, mit dessen Hilfe es ihm leicht war, die Tür so fest anzuziehen, als ob sie verschlossen sei.

Der Schrank war breit und tief genug, um einen angenehmen Sitz zu gewähren.

Nun wartete Kurt auf die Dinge, die da kommen sollten. Es verging eine Viertel-, eine halbe Stunde, ohne daß jemand sich hören ließ.

Es verstrich noch eine halbe Stunde, da endlich waren die Schritte zweier Personen zu vernehmen, die den Korridor herabkamen. Ein Schlüssel wurde in das Schloß der Nummer dreizehn gesteckt und die Tür geöffnet.

»Sie wohnen hier?« fragte eine Stimme auf französisch. – »Nein«, antwortete ein anderer, an dessen Ton Kurt sogleich den Kapitän erkannt. »Ich wohne nebenan, habe aber dieses Zimmer mitgenommen, um sicher zu sein, daß ich nicht belauscht werde. Auch jetzt blicke ich hinein, nur um mich zu überzeugen, daß sich niemand hier befindet. Man kann nie vorsichtig genug sein.«

Er trat in das Zimmer, blickte unter das Bett, ebenso unter das Sofa und kam dann an den Schrank.

»Der ist verschlossen«, sagte er, indem er versuchte, die Tür abzuziehen.

Kurt verhielt sich dabei vollständig bewegungslos und hielt den Bohrer fest, so daß der Kapitän nicht zu öffnen vermochte.

»Alles in Ordnung. Kommen Sie!« sagte dieser zu dem anderen und verließ das Zimmer.

Kurt hörte, daß sie nach Nummer zwölf gingen und dort sich niedersetzten. Das Geräusch, das dabei durch die hin- und hergerückten Stühle verursacht wurde, erlaubte es ihm, den Schrank ungehört zu verlassen. Er setzte sich nun leise einen Stuhl an die Verbindungstür, nahm darauf Platz und begann zu horchen.

»Sputen wir uns«, hörte er den Kapitän sagen, »ich habe nicht viel Zeit übrig, da ich anderswo erwartet werde. Man hat hier nicht die mindeste Ahnung, daß ich die Interessen Spaniens verfolge. Man hält mich vielmehr für einen Amerikaner, der im Rücken des Gesandten für die Vereinigten Staaten agiert. Das gibt mir Gelegenheit, mehr zu hören, als man mich anderen Falles wissen lassen würde. Ihr Avis habe ich gestern erhalten und Sie also heute erwartet.« – »Aber meine Geduld doch ungebührlich lange auf die Probe gestellt«, meinte der Franzose in einem Ton, der erraten ließ, daß er nicht die Absicht hege, sich mit dem Kapitän auf die gleiche Stufe zu stellen. »Ich war bereits einmal hier und habe auch jetzt über eine Stunde gewartet.« – »Wichtige Geschäfte, Exzellenz!« versuchte der Kapitän sich zu entschuldigen. – »Pah! Ihr wichtigstes Geschäft war, mich hier zu erwarten. Sie wissen, daß ich inkognito hier bin, daß niemand mich erkennen darf. Sie hatten dafür zu sorgen, mich nicht in die fatale Lage zu bringen, im Gastzimmer eines öffentlichen Hauses auf Sie warten zu müssen. Man kennt mich, es sind viele Porträts von mir verbreitet. Wie nun, wenn sich zufälligerweise jemand hier befunden hätte, der mich kennt, und dann ausgeplaudert hätte, daß General Douay in Berlin ist. Man weiß, daß ich in Mexiko gekämpft habe und vom Kaiser der Franzosen zurückgerufen wurde, um statt des Schwertes die Feder des Diplomaten in die Hand zu nehmen. Man weiß ferner, daß mein Bruder der Erzieher des französischen Kronprinzen ist, daß man mir also nur Angelegenheiten von Wichtigkeit anvertrauen wird. Werde ich hier erkannt, so ist meine Mission verunglückt. Ich habe mit Ihnen, mit Rußland, Österreich und Italien zu verhandeln. Seine Exzellenz, der Minister des Auswärtigen, hat mich beauftragt, Ihnen ein Memorial zu überreichen, dessen Inhalt Sie darüber aufklärt, wie Sie sich infolge der zwischen mir und dem Leiter der Madrider Politik vereinbarten Abmachung hier zu verhalten haben. Hier ist es. Nehmen Sie gefälligst sofort Einsicht und sagen Sie mir, was Ihnen vielleicht unklar erscheint.« – »Ich danke, Exzellenz.«

 

Es trat eine längere Stille ein, während welcher Kurt nichts vernahm, als nur das Rascheln von Papier. Dann sagte der Kapitän:

»Diese Paragraphen sind so deutlich, daß an eine Unklarheit gar nicht zu denken ist.« – »Gut. Rekapitulieren wir! Der Kaiser hat diesen Schwächling Max zum Herrscher von Mexiko gemacht, Nordamerika, eifersüchtig darüber, verlangt, daß Frankreich seine Truppen aus Mexiko ziehe und Max seinem Schicksal überlasse …« – »Spanien schließt sich dieser Forderung an …« – »Allerdings. Es betrachtet sich ja als den alleinigen, rechtmäßigen Besitzer dieses schönen, aber von ihm verwahrlosten Landes. Der Kaiser ist erbötig, auf die Forderung Spaniens einzugehen, wenn dieses zu dem Gegendienst bereit ist, den er erwartet.« – »Welcher ist es?« – »Preußen will sich zum Herrn von Deutschland, von Europa machen, es muß gedemütigt werden, man muß Rache für Sadowa nehmen. Der Kaiser bereitet sich vor, Preußen den Fehdehandschuh hinzuwerfen. Im Fall dieses unabweisbaren Krieges müssen wir sicher sein, daß unser Rücken gedeckt ist. Dieser Herr von Bismarck aber ist schlau und gewaltig, er wird, um uns zu schwächen, Spanien auffordern, die Grenze zu besetzen. Wir jedoch dürfen unsere Heere nur dann mit Vertrauen marschieren lassen, wenn wir überzeugt sind, jenseits der Pyrenäen keine Feinde zu haben. Darum ist Napoleon nur dann bereit, seine Truppen aus Mexiko zurückzuziehen, wenn Spanien sich bei einem Krieg zwischen Frankreich und Deutschland neutral erklärt. Die diesbezüglichen Verhandlungen sind abgeschlossen, und der Vertrag ist unterzeichnet. Sie haben eine Abschrift desselben in den Händen. Die Lage der Sache ist nun folgende: Frankreich marschiert gegen Deutschland oder vielmehr Preußen, Spanien bleibt neutral, Rußland unterstützt uns, indem es die Grenze Preußens besetzt und einen Aufstand Polens initiiert, mit Österreich und Italien ist noch zu verhandeln. Ich reise von hier nach Petersburg, Sie aber sondieren die hiesigen Verhältnisse und geben Ihrem Minister genaue Nachricht. Jetzt gehe ich zum russischen Gesandten. Sie werden mich begleiten, um ihm zu beweisen, daß Frankreich von Spanien nichts zu fürchten hat.« – »Ich stehe sofort zur Disposition, da ich nur dieses Memorial zu verschließen habe.«

Kurt hörte einen Schlüssel klirren.

»Ist das Dokument in dem Handköfferchen auch wirklich sicher aufgehoben?« fragte Douay. – »Ganz gewiß«, antwortete der Kapitän. »Übrigens nehme ich ja den Schlüssel meines Zimmers mit.« – »So kommen Sie!«

Die beiden verließen darauf Nummer zwölf, und Kurt hörte, daß die Tür verschlossen wurde. Es war ihm ganz eigentümlich zumute. Er hatte jetzt Kenntnis von einer heimlichen Machination gegen Deutschland. Welch einen ungeheuren Wert hatte das Memorial! Er mußte versuchen, in seinen Besitz zu gelangen. Aber wie?

Indem er darüber nachdachte, wurde ein Schlüssel in das Schloß seines Zimmers gesteckt. Die Kellnerin kam, um ihn aus seiner freiwilligen Gefangenschaft zu befreien.

»Sie sind soeben fort«, sagte sie. »Haben Sie etwas gehört?« – »Ja. Ist es nicht möglich, einmal nach Nummer zwölf zu kommen?« – »O ja, ich müßte den Hauptschlüssel holen. Aber wenn Parkert uns überrascht!« – »Keine Sorge. Er kommt nicht sogleich zurück.« – »So warten Sie.«

Das Mädchen entfernte sich. Wie gut, daß Kurt sie getroffen hatte! Ohne ihre Hilfe wäre es ihm nicht möglich gewesen, das zu erfahren, was er jetzt wußte.

Sie kehrte in kürzester Zeit zurück und brachte ihm den Hauptschlüssel.

»Ich weiß nicht, was Sie da drüben wollen, Herr Leutnant«, sagte sie. »Aber ich habe auch keine Zeit, mitzugehen, denn es sind mehrere Gäste gekommen, die ich bedienen muß. Hier ist der Schlüssel.« – »Wie bekommen Sie ihn wieder? Ich kann doch unmöglich nochmals in die Gaststube kommen.« – »Legen Sie ihn hier neben der Tür unter den Teppich. Sobald ich kann, hole ich ihn mir.«

Als sie nach unten zurückgekehrt war, öffnete er das Zimmer des Kapitäns und verschloß die Tür wieder, nachdem er eingetreten war. Der Raum war ganz in derselben Weise möbliert wie der nebenan liegende. Ein größerer Reisekoffer stand an der Wand, und auf demselben lag ein kleines Handköfferchen. Wie war es zu öffnen? Das Dokument mußte heraus!

Kurt griff in die Tasche. Auch er besaß ein ähnliches Köfferchen und trug den Schlüssel zu demselben bei sich. Er probierte und – hätte vor Freude aufjauchzen mögen, denn sein Schlüssel paßte. Die Schlösser zu diesen Koffern sind meist Fabrikware, eins wie das andere, und daher kommt es, daß ein Schlüssel viele Schlösser öffnet. Dies war für Kurt ein höchst günstiger Umstand.

Das Köfferchen enthielt nichts als Papiere. Oben darauf lag ein langes, schmales Heft. Er öffnete es – es war das gesuchte Memorial in französischer Sprache geschrieben und mit dem Siegel des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten versehen.

Sollte er sich seiner bemächtigen oder nur eine Abschrift davon anfertigen?

Zu der letzteren stand ihm augenblicklich zwar kein Papier in Bogenform zur Verfügung, doch hatte er sein Notizbuch mit, und dies genügte, die Paragraphen wörtlich festzuhalten. Besser war es jedenfalls, wenn er sich in den Besitz des Originals setzte, aber dann mußte der Kapitän den Verlust desselben bemerken. Kurt ging einige Minuten lang mit sich zu Rate. Er war entschlossen, den Grafen von Bismarck schleunigst in den Besitz dieses heimlichen, hinterlistigen Vertrages zu setzen, und da das mit dem Ministerialsiegel versehene Original in den Händen des allmächtigen Mannes jedenfalls eine ganz andere Beweiskraft besaß, als eine doch immerhin noch der Bestätigung bedürfende Kopie, so entschloß er sich endlich, das Heft ganz ohne weiteres an sich zu nehmen.

Er tat dies, verschloß dann das Köfferchen wieder und verließ das Zimmer. Nachdem er den Hauptschlüssel unter den Teppich gelegt hatte, fügte er einige Banknoten zur Belohnung der gefälligen Kellnerin hinzu und verließ sodann das Haus, was er auch ungesehen bewerkstelligte.

6. Kapitel

Kurt nahm sofort eine Droschke und fuhr nach der Wohnung Bismarcks, indem er mit Freuden daran dachte, daß dieser ihm sicher behilflich sein werde, sich des Kapitäns zu bemächtigen. Sternau war mit seinen Gefährten ausgezogen, um diesen Bösewicht zu fangen, er war verschollen. Nun lieferte sich der Seeräuber selbst an das Messer. Er konnte gezwungen werden, alle Geheimnisse von Rodriganda zu enthüllen und auch über das Schicksal Sternaus Auskunft zu geben, falls ihm dasselbe vielleicht bekannt war.

Am Ziel seiner Droschkenfahrt angekommen, erfuhr Kurt, daß Bismarck nicht zu sprechen sei, da er sich gegenwärtig beim König befinde. Kurz entschlossen ließ er sich sofort nach dem königlichen Schloß fahren. Er wurde hier zunächst bedeutet, daß keine Zeit zur Audienz sei. Doch er zuckte die Achsel und erklärte dem diensttuenden Adjutanten:

»Ich muß dennoch auf meiner Bitte bestehen, Herr Oberst!« – »Aber Sie sind nicht in Uniform, Leutnant!« – »Ich hatte keine Zeit, sie anzulegen.« – »Dazu ist unter allen Umständen Zeit. Seine Majestät trägt stets und streng die Uniform. Ich würde einen fürchterlichen Verweis erhalten, wenn ich Sie so meldete, wie Sie dastehen. Übrigens ist seine Exzellenz von Bismarck bei der Majestät.« – »Eben Seine Exzellenz suchte ich. Und daß ich erfuhr, daß sie bei Seiner Majestät zu treffen sei, ist mir lieb. Ich kann Ihnen, Herr Oberst, nur mitteilen, daß es sich um eine höchst wichtige Angelegenheit handelt, die keinen Aufschub erleiden darf. Diese Wichtigkeit gibt mir die Erlaubnis, selbst die bedeutungsvollste Unterredung der beiden hohen Herren zu unterbrechen. Es ist Gefahr im Verzuge, da es sich um die sofortige Verhaftung eines Spions und Landesverräters handelt, und ich würde mich gezwungen sehen, die Verantwortung auf Sie zu wälzen, falls Sie sich weigern, mich zu melden.«

Der Flügeladjutant blickte den jungen Mann, der so zwingend zu sprechen wußte, verwundert an und sagte dann:

»Sie behaupten also, Wichtiges und Unaufschiebbares zu bringen?« – »So ist es.« – »Und wollen diese Angelegenheit dem Grafen von Bismarck in Gegenwart des Königs vortragen?« – »Ja.« – »Nun, wenn Sie das sagen, so bin ich gezwungen, Sie anzumelden. Aber, junger Mann, ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Sie sich und vielleicht auch Ihrer Karriere sehr im Wege stehen, wenn Sie sich bei Seiner Majestät Zutritt erzwingen in einer Angelegenheit, die nicht so wichtig ist, als Sie denken. Die Verantwortung mögen Sie tragen.« – »Gern«, erwiderte Kurt höflich, aber selbstbewußt.

Der Adjutant ging nun in das Gemach seiner Majestät und erschien nach kurzer Zeit wieder. Auf seinen Wink trat Kurt ein. Er befand sich den beiden größten Männern Deutschlands gegenüber.

König Wilhelm hatte damals vor erst einigen Wochen Österreich und Süddeutschland besiegt, er hatte gezeigt, daß er ein würdiger Sohn des großen Friedrich sei und daß er sich im stillen Männer herangebildet habe, die recht wohl die Kraft hatten, die Traditionen seiner großen Ahnen mit Wort und Schwert kräftig zur Geltung zu bringen. Er war zwar noch nicht auf der Höhe seines Ruhmes angelangt, die er einige Jahre später zu Versailles nach einem der blutigsten Kriege der Weltgeschichte erstieg, doch fühlte er sich den Gegnern recht wohl gewachsen, die jetzt, nachdem er seine Feinde niedergeworfen hatte, heimlich und öffentlich gegen ihn machinierten.

Er war mit einem Schlag ein gefürchteter, einflußreicher Monarch geworden, und zwar mit Hilfe des Mannes, der jetzt an seiner Seite stand. Der eiserne Kanzler mit den ihm vom Kladderadatsch angedichteten drei Haaren war die Seele der preußischen Politik. Kein Diplomat wagte einen Schritt zu tun, ohne zuvor bei ihm sondiert zu haben. Er war der Beamte, aber auch der Freund seines erhabenen Monarchen, und sein Auge, das bisher alle Intrigen seiner Feinde durchschaut hatte, blickte jetzt mit Verwunderung auf den jungen, kaum zwanzigjährigen Menschen, der es wagte, sich in so unscheinbarer Kleidung eine Audienz zu erzwingen.

Auch des Königs Auge ruhte in ernster Erwartung auf Kurt, der nach einem ehrfurchtsvollen Gruß ruhig den Blick erhob, um zu warten, bis er angeredet werde.

»Man hat mir den Leutnant Helmers gemeldet?« sagte der König. – »Ich bin es, Majestät«, antwortete Kurt in bescheidenem Ton. – »Von welcher Truppe?« – »Bisher im Dienste Seiner Durchlaucht des Großherzogs von Hessen, jetzt aber eingetreten bei den Gardehusaren Eurer Majestät.«

Das Auge des Königs belebte sich mehr und wurde milder.

»Ah«, sagte er, »mein Kriegsminister hat mir von Ihnen gesprochen. Sie sind sehr warm empfohlen, dennoch aber mag man es in gewissen Kreisen sehr kühn von Ihnen halten, in das Gardekorps eingetreten zu sein.« – »Man hat mich dies bereits merken lassen, Majestät.«

Ein leises, bedauerndes Lächeln ging über das offene Gesicht des Herrschers.

»So haben Sie Ihre Visiten bereits absolviert?« fragte er. – »Ich habe meine Pflicht getan«, antwortete Kurt vielsagend. – »Ich hoffe, daß Sie dieselbe auch weiterhin erfüllen. Wie aber kommen Sie zu einer Kleidung, die hier an dieser Stelle höchst unpassend erscheinen muß?« – »Hier, Majestät, meine Entschuldigung.«

Kurt zog den Vertrag hervor und überreichte denselben mit einer tiefen, ehrfurchtsvollen Verbeugung dem König. Dieser nahm das Schriftstück in Empfang, öffnete es und warf einen Blick darauf. Sofort nahm sein Gesicht den Ausdruck der größten Überraschung an, er trat ans Fenster, las und las, bis er zu Ende war, reichte dann die Blätter dem Grafen von Bismarck hin und sagte:

 

»Lesen Sie, Exzellenz, lesen Sie! Es ist eine außerordentliche Mitteilung, welche uns da von diesem Herrn gemacht wird.«

Bismarck hatte bis jetzt ganz unbeweglich dagestanden und den Leutnant kaum mit einem oberflächlichen Blick beachtet. Jetzt nahm er die Schrift zur Hand und las sie. Kein Zug seines eisernen Gesichtes verriet den Eindruck, den die Lektüre auf ihn machte. Als er geendet hatte, warf er den ersten, wirklich vollen Blick auf Kurt und fragte:

»Herr Leutnant, wie kommen Sie zu diesem Dokument?« – »Durch Diebstahl, Exzellenz«, antwortete der Gefragte. – »Ah!« lächelte der Minister. »Was nennen Sie Diebstahl?« – »Die rechtswidrige Aneignung fremden Eigentums.« – »So ist es sehr möglich, daß ich Sie vom Verbrechen des Diebstahles freispreche. Mir scheint, diese Papiere seien Eigentum Seiner Majestät, und die Aneignung derselben ist vielleicht auf einem sehr gesetzmäßigen Weg geschehen. Wer war der bisherige Inhaber derselben?« – »General Douay brachte sie einem Mann, der scheinbar ein Amerikaner, in Wirklichkeit aber ein Spion Spaniens ist.« – »Wo befindet er sich?« – »Hier in Berlin, im Gasthof zum Magdeburger Hof. Wenn Majestät und Exzellenz erlauben, bitte ich, den Vorgang, der mich in den Besitz des Dokumentes brachte, berichten zu dürfen.« – »Erzählen Sie!« gebot der König mit gespannter Miene.

Kurt begann seinen Bericht. Er erwähnte, daß der Kapitän von einer ihm sehr werten Person als ein gefährlicher Verbrecher erkannt worden sei, weshalb er sich zu ihm in die Restauration begeben habe, um vielleicht zu erfahren, welche Absicht diesen Menschen nach Berlin geführt habe. Dann folgte das übrige.

Als er geendet hatte, trat der König mit raschen Schritten zu ihm, reichte ihm die Hand und sagte mit außerordentlichem Wohlwollen:

»Sie haben uns einen großen Dienst erwiesen, Leutnant, ich danke Ihnen. Ich lobe es, daß Sie uns das Original brachten und nicht eine Abschrift nahmen. Wir werden uns sofort der Person Douays und dieses Parkerts bemächtigen. Doch wer ist die Person, die in dem letzteren einen gefährlichen Verbrecher erkannte?« – »Frau Sternau, die vormalige Gräfin de Rodriganda.« – »Eine Gräfin Rodriganda jetzt eine einfach Frau Sternau? Wie kommt das?« – »Majestät, dieser einfache Sternau ist jedenfalls der Sohn des Herzogs von Olsunna, der jetzt hier in Berlin wohnt.« – »Das klingt ja höchst interessant!« – »Es ist auch so ungewöhnlich, daß ich es wage, Eure Majestät zu bitten, einen kurzen Umriß der Geschichte dieser Personen gnädigst anzuhören.« – »Sie haben sich ein Anrecht auf unseren Dank erworben, ich geben Ihnen gern die erbetene Erlaubnis. Erzählen Sie!«

Der König gab dem Grafen Bismarck einen Wink, mit ihm Platz zu nehmen. Sie taten es, und Kurt begann, einen kurzen, jedoch hinlänglichen Bericht von den Erlebnissen und Verhältnissen der ihm so nahestehenden Personen zu geben. Die hohen Herren hörten ihm mit wachsender Spannung zu. Als er geendet hatte, erhob sich der König in sichtbarer Erregung und sagte:

»Das ist außerordentlich; das ist ja fast wie ein Roman! Fast sollte man behaupten, daß solche Dinge unmöglich seien! Sie sagen, daß Seine Großherzogliche Hoheit diese höchst interessanten Familien kennt?« – »Allerdings. Sämtliche Bewohner von Schloß Rheinswalden hatten Zutritt am Hof, und Ihre Hoheit interessierten sich ganz vorzüglich für Rosa de Rodriganda.« – »Nun wohl, der Großherzog ist hier anwesend. Ich höre, daß er heute abend Gäste bei sich sieht, und werde diese Gelegenheit benutzen, das, was Sie mir erzählten, zur Sprache zu bringen. Für jetzt will ich Sie entlassen, um die nötigen Vorkehrungen zu treffen, uns der beiden Emissäre zu bemächtigen. Es freut mich, Sie in meiner Garde zu wissen. Sie haben sich gut bei mir eingeführt und sich so sehr empfohlen, daß Sie meiner Gewogenheit versichert sein dürfen. Glauben Sie, daß ich Sie nicht aus dem Auge lassen werde. Adieu!«

Der König reichte Kurt abermals die Hand, die dieser demütig ergriff, aber im Herzen voll Glück an seine Lippen zog. Auch Bismarck trat heran und gab ihm die Rechte.

»Leutnant«, sagte er, »ich liebe Leute, die bei solcher Jugend bereits so umsichtig und tatkräftig sind, denn diese Jugend verspricht ein dankbares Alter. Wir sehen uns vielleicht nicht zum letzten Male. Für heute aber ersuche ich Sie um Ihre vollste Diskretion. Kein Mensch, merken Sie wohl, kein einziger Mensch außer uns dreien darf wissen, was Sie zu Seiner Majestät führte. Wir wissen jetzt genau, daß der Franzmann den Krieg will, und können uns darauf vorbereiten, dem Feind gerüstet gegenüberzustehen. Das ist viel wert, und das haben wir Ihnen zu danken. Verlassen Sie sich darauf, daß ich Sie nicht vergessen werde. Jetzt gehen Sie mit Gott!«

Kurt verließ das Zimmer und das Schloß. Er dachte nicht an seine Droschke, er wußte nicht, welche Richtung er verfolgte, er war beinahe trunken vor Glück. Er war von diesen beiden mächtigen Männern mit solcher Auszeichnung verabschiedet worden, was kümmerte er sich nun um alle seine Widersacher, vom General an bis zum letzten Leutnant herab. Er hatte ferner die Teilnahme des Königs für die Familie de Rodriganda erregt; es ließ sich hoffen, daß unter einer so hohen Protektion die Forschungen nach dem verschwundenen Sternau von besserem Erfolg als bisher begleitet sein würden.

So ging er, in Gedanken versunken, aufs Geratewohl die Straßen entlang, bis er endlich doch zur Einsicht kam, daß er eine falsche Richtung eingeschlagen habe. Er nahm also einen Fiaker und ließ sich nach Hause fahren.

Dort wurde er mit der größten Ungeduld erwartet. Sie saßen alle im Salon beisammen und empfingen ihn mit liebreichen Vorwürfen wegen seines langen Fortbleibens, das sie sich nicht erklären konnten.

»Wir erwarten dich aus der Restauration da drüben zurück«, sagte der Herzog, »und nun sehen wir, daß du mit einer Droschke angefahren kommst. Wo warst du eigentlich?« – »Das erraten Sie nicht, Durchlaucht«, antwortete er lachend. Und einen Blick auf sich werfend, fuhr er fort: »Sehen Sie dieses Gewand, ein Dorfschulmeister kleidet sich besser, und in diesem Anzug bin ich gewesen …«

Er hielt inne, und der Herzog fiel ein:

»Nun, bei wem?« – »Beim König.« – »Beim König? Unmöglich!« rief es von allen Seiten. – »Allerdings! Beim König und bei Bismarck war ich!« – »Du scherzt!« meinte Olsunna.

Aber Röschen warf einen forschenden Blick auf ihren Gespielen. Sie kannte ihn genau; sie sah seine vor Glück leuchtenden Augen, seine geröteten Wangen und hatte die Überzeugung, daß er nicht im Spaß gesprochen hatte.

»Es ist wahr, er ist beim König gewesen, ich sehe es ihm an!« sagte sie.

Dabei glänzten auch ihre schönen Augen vor aufrichtiger Freude. Sie war stolz darauf, daß Kurt mit so hohen Herren gesprochen hatte.

»Also doch?« fragte ihre Mutter den jungen Mann. – »Ja«, nickte er. – »Mein Gott, in diesem Anzug!« rief der Herzog. »Aber wie kommst du zu der Majestät und zu der Exzellenz?« – »Das darf ich nicht sagen. Ich habe den beiden Herren die größte Verschwiegenheit versprechen müssen, und ich ersuche Sie deshalb, keinem Menschen von einer Audienz zu sprechen. Zu Ihrer Beruhigung jedoch will ich Ihnen sagen, daß ich – ich muß geradezu sagen – mit Auszeichnung entlassen worden bin. Es ist mir gelungen, den Herren einen nicht gewöhnlichen Dienst zu erweisen, und beide haben mir die Hände gedrückt und mir gesagt, daß sie mich nicht aus den Augen verlieren werden.« – »Wie überraschend, wie schön, wie herrlich!« rief Röschen jubelnd.

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