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Waldröschen V. Ein Gardeleutnant

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23. Kapitel

Der Graf hatte betend die Hände gefaltet und war in die Knie gesunken. Bernardo sah dies nicht, aber er fühlte es, und seine ganze Seele schloß sich dem Flehen des Grafen an. Es entstand eine Pause, in der in dem nachtfinsteren Loch die Stille des Todes herrschte, bis endlich der Gärtner sagte:

»Wir wollen uns fassen und ermannen, gnädiger Herr. Gott ist die Liebe, er wird uns helfen, aber nur durch uns selbst!« – »Ja, du hast recht«, antwortete der Angeredete, sich wieder vom Boden erhebend. »Wir wollen trotz unserer elenden Lage nicht verzweifeln, sondern Hoffnung hegen. Wir wollen uns kaltblütig beraten und überlegen, auf welche Weise wir entkommen können.«

Diese Beratung dauerte lange Zeit, doch endlich hatten sie alle Einzelheiten der Flucht erwogen und durften auf die Möglichkeit des Gelingens derselben hoffen.

Der alte Graf war voll Begeisterung für den Fluchtplan, ebenso aber auch der Gärtner. Dieser fiel sofort ein:

»Wollen wir nicht sogleich beginnen?« – »O wie gern! Aber leider geht es nicht an; wir müssen Geduld haben und warten.« – »Warum?« – »Weil wir mehrere Stunden dazu brauchten, um nur hinaus bis zu den Kamelen zu gelangen, und dazu ist es heute zu spät. Man würde unsere Flucht zu zeitig entdecken und uns nahe auf den Fersen bleiben. Dann wären wir jedenfalls verloren.« – »Das sehe ich nicht ein«, warf der Gärtner ein. – »So kennst du dieses Land nicht. Wir wissen noch gar nicht, ob wir uns nach Seila oder Berbera wagen dürfen, und dies sind die beiden Häfen, die uns am nächsten liegen. Vielleicht müssen wir uns an der Küste verstecken, um ein vorübersegelndes Schiff zu erwarten. Dort würden wir ganz sicher eingeholt. Nein, wir müssen unbedingt bis morgen abend warten.« – »Gut, ich füge mich, Don Ferdinando. Aber eins können wir bereits jetzt tun.« – »Was?« – »Wir können versuchen, ob es uns gelingt, den Stein zu bewältigen.« »Da gebe ich dir allerdings recht. Gelingt uns das, so wird uns die Überzeugung beruhigen, daß wir zu jeder Stunde unseren Kerker verlassen können, gelingt es aber nicht, so wissen wir dann doch, daß wir uns einen anderen Weg aus dem Gefängnis bahnen müssen; denn hinaus müssen wir, auf jeden Fall und um jeden Preis.« – »So wollen wir hinüber zu mir gehen. Ich werde voransteigen.«

Der Gärtner turnte sich an der Mauer empor, und der Graf folgte ihm. Sie gelangten ohne besondere Mühe durch die Öffnung hinüber in das andere Loch. Dieses hatte, wie Don Ferdinando sich überzeugen konnte, dieselbe Breite und auch Tiefe wie das seinige. Es war also auch hier möglich, nach Schornsteinfegerart emporzuklettem.

»Fühlt Ihr die Ratten, die ich getötet habe, Señor?« fragte Bernardo. – »Ja. Aber komm, wir wollen in die Höhe.« – »Laßt mich voran, weil ich bereits oben gewesen bin.«

Der Gärtner schob sich in die Höhe, hüben mit dem Rücken und drüben mit den Füßen anliegend; Don Ferdinando folgte ihm schneller nach, als man es bei seinem Alter erwartet hätte. Fünf Fuß vom Boden entfernt machte das Loch eine Biegung zur Seite. Es ging unter der Gefängnismauer schief hindurch und wurde dann etwas weiter. So gelangten sie, ohne sich besonders angestrengt zu haben, zu der Steinplatte, die ihnen die Freiheit verschloß.

»Nun gilt es, Señor«, sagte Bernardo. »Kommt herbei; wir wollen probieren.«

Sie fanden wirklich Platz nebeneinander, und da das Loch nicht senkrecht, sondern in einem halbrechten Winkel hier nach oben führte, so konnten sie festen Halt fassen und doch den größten Teil ihrer Kraft auf die Bewegung der Platte verwenden. Erst schien sie doch zu schwer zu sei, aber bei dem zweiten Stoß wich sie und schob sich ein wenig zur Seite, so daß eine Lücke entstand, durch die der Sternenhimmel zu erblicken war.

»Gott und allen Heiligen sei Dank, es geht«, flüsterte der Graf. »Hier gibt es frische Luft, anstatt des bestialischen Gestanks da unten. Mir ist, als ob uns die Sterne das Gelingen unseres Planes zublinkten. Verstehst du es, an den Sternen die Zeit zu erkennen?« – »Ja. Es ist bereits nach Mitternacht.« – »Es wäre also zu spät, unser Werk zu beginnen. Wie still und lautlos ist es ringsum. Harrar liegt in tiefster Ruhe. Dort drüben bei Hadschi Amandan stehen noch die Dattelsäcke, die er heute erhalten hat; ich erkenne sie, trotzdem es sehr finster ist.« – »Dattelsäcke?« fragte der Gärtner. »Ah, wenn man sich da etwas holen dürfte! Ich habe seit einigen Tagen nichts zu essen bekommen.«

Die Augen des Grafen schweiften forschend zur Lücke hinaus. Nach einer Weile sagte er:

»Eigentlich ist dieser Wunsch unvorsichtig zu nennen, aber wir müssen bedenken, daß wir morgen aller unserer Kräfte bedürfen. Bei mir ist der Durst größer als der Hunger, und ich weiß, daß unter dem Dach des Hadschi ein Schlauch voll Wasser hängt. Wollen wir es wagen, Bernardo?« – »Warum nicht? Wer kann uns bemerken?« – »Gut! Wir heben den Stein vollends fort und kriechen am Boden hin, damit wir ganz sicher sind, daß uns niemand bemerkt.« – »Erst will ich mein Messer holen. Man weiß nicht, was passieren kann.«

Der Gärtner kehrte nach unten zurück und kam bald wieder, das Messer zwischen den Zähnen.

Nun stemmten sie sich abermals mit aller Kraft gegen den Stein und brachten ihn auf die Seite. Jetzt konnten sie heraus zur Erde steigen, dann legten sie sich auf den Boden nieder und krochen auf Händen und Füßen vorwärts, nach dem Gebäude zu, unter dessen Dach die Dattelsäcke standen. Über ihnen hing der Schlauch, von dem der Graf gesprochen hatte. Er trat hinzu und wollte trinken, aber der Gärtner faßte ihn beim Arm und flüsterte:

»Warum jetzt trinken, Señor?« – »Wann sonst?« – »Später. Bedenkt, daß dieser Schlauch uns notwendiger ist, als diesem Hadschi. Ich mache den Vorschlag, wir nehmen ihn mit.« – »Man wird bei Tagesanbruch entdecken, daß er fehlt.« – »Was schadet das uns?«

Der Gärtner warf sich einen der gefüllten Dattelsäcke auf die Schulter und sagte:

»Nehmt Ihr den Schlauch, Señor; dann können wir schmausen und trinken.«

Nach diesen Worten huschte er in größter Eile nach dem Gefängnis hinüber, und der Graf konnte nicht anders, er mußte ihm mit dem Schlauch folgen.

Erst wurde nun der Sack und darauf der Schlauch hinuntergelassen; dann folgten die beiden nach. Sie fanden da unten freilich gerade Platz genug zum Stehen für zwei Männer, aber sie konnten nun doch ihren Hunger und Durst löschen. Dann kehrten sie wieder nach oben zurück, wo es ihnen möglich war, frische Luft zu atmen, bis zur Zeit, in der sich die Bewohner Harras von ihrer Ruhe zu erheben pflegen.

Hier lagen sie vor der Mündung ihres Loches und besprachen die geplante Flucht. Dabei schien der Graf eine Sorge zu haben, denn er sagte:

»Wenn wir nur jetzt nicht eine Dummheit begangen haben, Bernardo. Wir hätten auf die Datteln und auf das Wasser verzichten sollen.« – »Warum?« fragte der Gärtner. – »Weil uns das in eine schlimme Lage bringen und uns unsere ganze Flucht vereiteln kann.« – »Da möchte ich denn doch wissen, wie!« – »Wir müssen bedenken, daß man hier keine Wohnung zu verschließen und alles öffentlich stehen zu lassen pflegt. Die Bewohner dieses Landes sind zwar die niederträchtigsten Räuber und Spitzbuben gegen andere, aber unter sich selbst sind sie die ehrlichsten Kerle. Man wird bei Tagesanbruch den Diebstahl bemerken und sich darüber entsetzen. Man wird Nachforschungen halten, und wenn man dann entdeckt, daß wir die Täter sind, so werden alle Hoffnungen zuschanden, und wir fallen einem fürchterlichen Tode anheim.«

Der Gärtner schüttelte den Kopf und meinte:

»Wenn Ihr weiter keine Sorge habt, so brauchen wir nicht bange zu sein, denn ich wüßte nicht, wie diese Leute entdecken sollten, daß wir die Täter sind.« – »Wenn sie unsere Spur finden.« – »Bah! Es ist ja ganz unmöglich, daß wir eine Spur hinterlassen haben. Wir sind beide barfuß, und der Boden ist so hart und fest wie Stein. An uns wird man am allerwenigsten denken; wir sind ja Gefangene und können unsere Löcher gar nicht verlassen. Übrigens können wir uns einer sehr guten Tat rühmen. Wenn wir fliehen, lassen wir natürlich den Schlauch und die Datteln zurück, und dieser Speisevorrat wird meinem unglücklichen Nachfolger zugute kommen und ihn lange vor dem Verhungern schützen.«

So tauschten diese beiden ihre Meinungen aus, und erst als ein entferntes Geräusch bemerken ließ, daß die Bewohner der Stadt zu erwachen begannen, brachten sie die Platte wieder in ihre Lage und rutschten in das Loch zurück. Dort fragte der Gärtner:

»Bleiben wir beieinander, Señor?« – »Nein«, antwortete der Graf. »Das wäre eine Unvorsichtigkeit. Es ist leicht möglich, daß man einen von uns zu sehen oder zu sprechen verlangt. Ich kehre in mein Loch zurück, und wir setzen einstweilen die ausgebrochenen Steine wieder in die Zwischenwand. Die Vorsicht gebietet uns dies, wenn wir das Gelingen unseres Planes nicht ganz auf das Spiel setzen wollen.«

Sie taten beide nach diesen Worten, und es sollte sich im Laufe des Tages zeigen, daß es sehr klug gewesen war, diese Vorsicht angewandt zu haben.

24. Kapitel

Wir hatten am Abend Halef, den Boten des Karawanenführers, vor dem Stadttor verlassen und gesehen, daß der Wächter zum Sultan gehen wollte, um ihn anzumelden. Er kam an den Palast, als Graf Ferdinando soeben nach dem Gefängnis abgeführt worden war.

Als er in den Audienzsaal trat, saß der Sultan noch auf seiner Thronbank. Das Gesicht des Herrschers war finster, sein Zorn über den Sklaven war noch nicht erloschen. Wer ihn kannte, der wußte, daß es jetzt gefährlich sei, sich ihm zu nahen. Er blickte den Torwächter mit funkelnden Augen an und sagte:

»Was willst du so spät?«

Der Gefragte warf sich auf den Boden nieder; erhob den Kopf ein wenig und antwortete:

»Es ist ein Bote vor dem Tor, der Einlaß begehrt.« – »Wer sendet ihn?« – »Arafat, der Emir der Karawane.« – »Arafat? Ah, ist er endlich da? Er hat mich lange warten lassen und soll meinen Zorn empfinden. Was für einen Boten hat er gesandt?« —»Einen Somali.«

 

Da machte der Sultan eine Bewegung des Grimms und rief:

»Einen Somali? Du wagst es, du Hund, mich eines armseligen Somali wegen so spät zu belästigen? Gott sei dir gnädiger als ich. Komme herbei!«

Der Wächter kroch näher, bis sein Kopf zu den Füßen der Bank lag, auf der der Sultan saß. Er hatte es nicht gewagt, dem ihm gewordenen Befehl zu widerstehen.

»Erhebe dich auf die Knie und drehe dich um!«

Dieses Gebot sagte dem Armen, was er zu erwarten habe. Der Herrscher von Harrar pflegt nämlich denen, die seinen Grimm erregen, mit seinem scharfen Haumesser einen Hieb in den Nacken zu versetzen. Geht dieser Schlag durch den Halswirbel, so ist der Mann tot, und niemand darf es wagen, ihn zu beklagen. Geht der Hieb aber nicht durch, so kommt der Getroffene allerdings meist mit dem Leben davon, aber es entsteht eine schmerzhafte Wunde, nach deren langsamer Heilung gewöhnlich eine Steife des Halses zurückbleibt. Man sieht in Harrar und Umgegend sehr viele Männer, die einen steifen Hals haben, ein Andenken an den Zorn des liebenswürdigen Herrschers, dem das Leben eines Untertanen nicht mehr gilt als dasjenige einer Fliege.

Der Wächter erhob sich in kniende Stellung, schloß die Augen und drehte dem Sultan den Nacken zu. Dieser zog seinen Yatagan, holte aus und schlug zu. Der Hieb war so kräftig, daß er den Halswirbel trennte. Der Kopf knickte nach vorn herunter; der Körper stürzte zu Boden, und ein starker Blutstrom schoß auf den letzteren hin.

»So muß es allen ergehen, die ungehorsam sind!« rief der Sultan. Dann wandte er sich zu dem Henker, der von dem Gefängnis zurückgekehrt war, und fragte: »Hast du den ungläubigen Sklaven in Sicherheit gebracht?« – »Ja, Herr«, antwortete der Mann, indem er sich niederwarf. – »In das schlechteste Loch?« – »Ja. Er wird einen bösen Kampf mit den Ratten zu bestehen haben.« – »Und er wird nicht fliehen können?« – »Nein; die Flucht ist ihm unmöglich.« – »Gut. Du bist ein gehorsamer Mann, ich werde dich belohnen. Du sollst an die Stelle des Wächters treten. Dein Amt beginnt schon jetzt. Gehe an das Tor und sage diesem verfluchten Somali, daß ihn Allah verderben möge. Er mag zu seinem Herrn zurückkehren und ihm melden, daß ich seine Geschenke zwei Stunden nach Tagesanbruch erwarte. Aber eingelassen wird so spät kein Bewohner von Harrar, viel weniger ein Somali!« – »Soll ich den Emir einlassen, Herr, wenn er mit den Geschenken naht?« – »Nein, er möchte denken, daß ich es nicht erwarten kann, ihn bei mir zu sehen. Er mag vor dem Tor warten, eine ganze Stunde lang, mit allen seinen Leuten. Es ist eine unverdiente Gnade für diesen Hund, wenn ich ihm überhaupt erlaube, meine Residenz zu betreten.«

Der Henker, der nun zum Wächter avanciert war, entfernte sich. Vor dem Tor wartete Halef auf ihn. Er erwartete ganz bestimmt, eingelassen zu werden, und erstaunte nicht wenig, als er die Worte vernahm:

»Kehre zurück zu deinem Herrn und melde ihm, daß kein Somali eingelassen wird!« – »Allah ist groß! Warum nicht?« – »Weil der Sultan die Somali verachtet. Der Wächter ist getötet worden, weil er ihm zugemutet hat, ihm deinetwegen die Schlüssel zu geben. Ich bin sein Nachfolger.« – »Du sagst, ich solle zu meinem Herrn zurückkehren? Du sagst ferner, der Sultan verachte die Somali?« zürnte Halef draußen vor dem Tor. »Weißt du, daß ich keinen Herrn habe? Wir Somali sind freie Männer, ihr aber seid elende Knechte und Sklaven. Euer Leben gehört eurem Tyrannen, er nimmt es euch, wenn es ihm beliebt. Er verachtet uns, sagt er, und doch kauft er unsere Ware, doch handelt und feilscht er mit uns. Wir, wir sind es, die euch verachten. Und Allah möge dich verdammen, wenn du dies nicht einsiehst und im Gedächtnis behältst. Lebe wohl, Sklave deines Henkers!«

Halef stieg auf das Kamel und eilte davon.

Nach kurzer Zeit breitete sich nächtliche Stille über die Stadt. Die beiden Gefangenen und die Angehörigen des hingerichteten Wächters waren wohl die einzigen, die den erquickenden Schlaf nicht suchten.

Am anderen Morgen, zwei Stunden nach Tagesanbruch, kam ein Bote des Sultans an das Tor.

»Ist die Handelskarawane da?« fragte er. – »Nein«, antwortete der neue Wächter. – »So sollst du zu dem Sultan kommen.«

Der Beamte erbleichte. Daß er zum Herrscher beordert wurde, flößte ihm Bedenken ein, aber er mußte gehorchen, und zwar augenblicklich.

Er fand den Herrn bereits auf dem Thron sitzen und warf sich nieder, um die Anrede zu erwarten. Einige Große des Reiches standen dabei.

»Ist der Emir Arafat mit den Geschenken angekommen?« lautete die Frage. – »Noch nicht, Herr.« – »Warum zögert dieser Hund? Hast du diesem Somali, seinem Boten, nicht gesagt, daß ich ihn zwei Stunden nach Aufgang der Sonne erwarte?« – »Nein, ich fand keine Zeit, es ihm zu sagen«, antwortete der Wächter zitternd. – »Warum nicht, du Hund, du Sohn von einem Hund?« brauste der Herrscher auf. – »Weil er zu eilig davonritt.« – »So soll ich deinetwegen warten? Habe ich dich darum zum Wächter bestellt? Allah ist groß und gerecht. Was der Mensch gibt, das erhält er wieder. Du hast als mein Henker viele Leute getötet; es wird nun dein Leben genommen werden. Komm her.«

Es wiederholte sich jetzt dieselbe Prozedur wie gestern abend. Einige Augenblicke später lag der Wächter mit durchhauenem Hals am Boden, und es wurde abermals ein Nachfolger bestellt, der sofort nach dem Tor eilte, dessen Schlüssel er von dem Sultan erhalten hatte.

Dieser befand sich in der gefährlichsten Stimmung. Er hatte allerdings gesagt, daß er die Somali verachte, aber er konnte vor Habgier ihre Geschenke nicht erwarten.

So verging fast der ganze Vormittag, ehe der Emir gemeldet wurde. Jetzt ließ der Herrscher ihn nicht am Tor stehen, wie es gestern abend seine Absicht gewesen war, sondern erteilte den Befehl, ihn sofort einzulassen und nach dem Palast zu bringen.

Nach kurzer Zeit erschien der Karawanenführer. Er hatte fünf Männer bei sich, die ein hochbeladenes Kamel geleiteten. Dieses wurde abgeladen, seine Last bestand in den Geschenken, die für den Sultan bestimmt waren. Die Sachen wurden von den Leuten des Herrschers in Empfang genommen, und Arafat durfte mit seinen Begleitern eintreten, nachdem er jedoch zuvor die Waffen abgelegt und die Schuhe ausgezogen hatte. Er wurde mit höchst unfreundlicher Miene empfangen.

»Warum kniet ihr nicht nieder?« rief der Sultan. – »Wir beugen unsere Knie nur vor Allah«, antwortete der Emir stolz. »Wir sind freie Männer und beten keinen Menschen an.« – »Warum kommst du so spät?«

Der Ton dieser Frage war ein solcher, daß die dunklen Augen des Emirs zornig aufblitzten.

»Weil es mir so gefiel«, sagte er. – »Ah, du hast dich nach meinem Willen zu richten, nicht aber nach deinem Wohlgefallen! Weißt du, daß ich deinetwegen zwei Wächter hingerichtet habe?« – »Ich bin nicht schuld daran. Ich bin gekommen, um mit dir zu handeln, nicht aber, um mich zu zanken oder gar mich beleidigen zu lassen.« – »Deine Sprache ist sehr kühn! Habe ich dich beleidigt?« – »Wer einen Boten kränkt, der kränkt den, dessen Bote er ist. Sage mir, ob du meine Geschenke nehmen und mit mir handeln willst. Wo nicht, so ziehe ich weiter.« – »Was bringst du dieses Mal?« – »Seidene Gewänder und Schals, Messing, Kupfer und Eisen, Pulver, Papier und Zucker.« – »Und was willst du dafür eintauschen?« – »Elfenbein, Tabak, Kaffee, Saflor; Butter, Honig und Gummi.« – »Ich werde sehen. Breitet die Geschenke aus.«

Jetzt legte man dem Sultan die Sachen vor, die ihm der Emir verehren wollte, um den Handel einzuleiten. Sie bestanden in Schießpulver, schönen Gewändern und Eisenwaren, meist in Deutschland gefertigt. Der Blick des Sultans wurde besonders angezogen von drei Revolvern, die sich dabei befanden.

»Diese Waffen sind sehr nützlich«, sagte er. »Ich weiß auch, wie man sie gebraucht, aber wenn die Munition alle ist, kann man sie nicht mehr gebrauchen. Es war einst ein Inglis hier, der mir eine solche Pistole schenkte. Er unterwies mich im Gebrauch derselben, doch kaum war er fort, so hatte ich keine Patronen mehr, und die Waffe war unnütz.« – »Ich habe viele Patronen«, antwortete der Emir. »Du kannst sie alle kaufen!« – »Was? Kaufen?« fragte der Sultan. »Die Waffe schenkst du mir, und die Munition soll ich kaufen? Weißt du nicht, daß die Patronen dazugehören?« – »Sie gehören nicht dazu, und ich habe in Aden ein ungeheures Geld für sie bezahlen müssen. Ich habe auch noch andere Patronen zu zwei schönen Gewehren, die ich dir zum Kauf anbiete. Solche Flinten sind noch nie hier gewesen, sie haben zwei Läufe und sind in Amerika gemacht.« – »Hole sie!« gebot der Sultan. – »Ich werde sie mit den anderen Waren bringen, sobald du mir gesagt hast, daß du mit den Geschenken zufrieden bist und daß der Handel beginnen kann.«

Der Sultan verschlang die Geschenke noch einmal mit seinem Blick und antwortete:

»Ich bin der mächtigste Herrscher aller Länder weit und breit. Dieser Tribut ist eines so großen Sultans nicht würdig, aber Allah ist barmherzig, und auch ich will gnädig sein. Bringe herbei, was du hast. Erst will ich kaufen, und dann sollen Leute nach mir kaufen dürfen.« – »Ich gehe, aber du tust unrecht zu sagen, daß ich nichts hätte, was deiner würdig sei. Ich habe etwas, was kein anderer Fürst, kein anderer Sultan besitzt.« – »Was ist es?« – »Eine Sklavin.« – »Ich brauche sie nicht«, sagte der Herrscher im wegwerfendsten Ton. »Das Leben und das Eigentum aller meiner Untertanen gehört mir, alle Weiber und Töchter sind mein, ich kann unter ihnen wählen, wie es mir beliebt.« – »Du hast recht. Aber so ein Mädchen, wie ich besitze, gibt es in Harrar nicht.« – »Ist es eine Nubierin?« – »Nein.« – »So ist es eine Abessinierin?« – »Auch nicht.« – »Was ist sie sonst?« – »Es ist eine Weiße«, sagte der Emir mit großem Nachdruck.

Da machte der Sultan eine Bewegung freudiger Überraschung und sagte:

»Allah! Es ist eine Türkin!« – »Auch keine Türkin. Eine Türkin würde höchstens fünfhundert Mariatheresientaler kosten, die Sklavin aber, die ich verkaufen will, ist so viel tausend wert.«

Nun fuhr der Sultan hoch von seinem Sitz und rief:

»So ist es eine weiße Christin, eine Ungläubige!«

Man muß nämlich wissen, daß eine europäische Sklavin in jenen Gegenden für das kostbarste Gut gehalten wird, das kaum bezahlt werden kann.

»Ja«, antwortete der Emir. »Es ist eine christliche Sklavin.« – »Ist sie weiß?« – »Wie Elfenbein, das die Sonne bleicht.« – »Schön?« – »Es gibt keine Huri des Paradieses, die sich mit ihr vergleichen könnte.« – »Klein?« – »Nein, hoch und schlank gewachsen wie die Palme, die goldene Früchte trägt.«

Man sah es dem Sultan an, daß seine Gier von Augenblick zu Augenblick größer wurde. Er erkundigte sich sogar nach Einzelheiten, nach denen ein Mohammedaner in Gegenwart anderer niemals fragt, sondern solche Fragen nur in der ausschließlichen Gegenwart des Händlers unter vier Augen ausspricht.

»Beschreibe sie«, gebot er. »Wie sind ihre Hände?« – »Klein und zart wie diejenigen eines Kindes, und ihre Nägel glänzen wie Rosenblätter und wie der erste Traum der Morgenröte.« – »Ihr Mund?« – »Ihre Lippen sind Granaten, zwischen denen die Zähne wie Perlen glänzen. Wer die Sklavin küßt, der kommt in Gefahr, das Leben, die Welt und sich selbst zu vergessen.« – »Allah, du hast sie geküßt!« rief der Sultan, bereits so eifersüchtig, als ob die betreffende Sklavin schon Eigentum seines Harems sei.

Der Emir konnte ein Lächeln der Befriedigung kaum unterdrücken, er erkannte, daß er seine Ware zu einem sehr hohen Preis losschlagen werde.

»Du irrst«, antwortete er. »Es hat noch kein Mensch die Lippen dieses Mädchens berührt« – »Weißt du dies genau?« – »Ich weiß es. Wer wollte sie küssen, da niemand mit ihr sprechen kann?« – »Allah! So ist sie stumm und taub dazu?« – »Nein. Ihre Rede klingt vielmehr wie der Gesang der Nachtigall, aber sie redet eine Sprache, die hier kein Mensch versteht.« – »Welche Sprache ist das?« – »Ich weiß es nicht, ich habe solche Worte noch nie vernommen. Ich habe Araber, Somali, Harrari, Inder, Malaien, Türken, Franzosen und Perser reden hören, aber keiner von ihnen hat gesprochen wie dieses Mädchen.« – »Woher hast du sie?« —»Ich war in Ceylon und traf dort einen chinesischen Mädchenhändler. Ich sah diese Sklavin und gab einen hohen Preis für sie, um sie zu dir zu bringen.« – »So gehe und hole sie nebst den anderen Waren. Aber zaudere nicht, sondern beeile dich.«

Der Emir entfernte sich mit seinen Leuten, um dem sehnsüchtigen Verlangen des Herrschers Folge zu leisten. Unterdessen wurden die Revolver zur Schau im Throngemach aufgehängt. Erst als sich alle Anwesenden auf den Befehl des Sultans zurückgezogen hatten, machte er sich höchst eigenhändig über die anderen Geschenke her, um sie nach der Schatzkammer zu tragen.

 

Die Kunde, daß eine Handelskarawane angekommen sei, lockte die Bewohner Harrars aus ihren Häusern, doch blieb der Platz vor dem Palast des Sultans leer. Man wußte ja, daß er erst seine Einkäufe machte, ehe andere an die Reihe kamen. Eine Zudringlichkeit hätte das Leben kosten können.

Es dauerte nun nicht lange Zeit, so zog der Emir mit seinen Kamelen und Leuten zum Tor herein, durch die holprigen Gassen dahin und hielt vor dem Palast.

Hier wurden die Tiere von ihrer Bürde befreit, ein einziges ausgenommen, auf dem sich die Sänfte befand. Man breitete große Teppiche auf die Erde und legte da die Waren aus. Als dies geschehen war, kam der Sultan, um sie anzusehen. Er war ganz allein, und niemand durfte dabeisein, während er seine Auswahl traf.

»Wo ist die Sklavin?« war seine erste Frage. – »Dort in der Atuscha – Sänfte—«, antwortete der Emir. – »So will ich sie sehen.«

Der Handelsmann schüttelte den Kopf und sagte:

»Zuerst die tote Ware und dann die lebendige.«

Der Sultan machte ein zorniges Gesicht und erwiderte in strengem Ton:

»Hier in Harrar bin ich der Gebieter. Man hat mir zu gehorchen. Ich will sie sehen!« – »Über meine Sachen bin ich der Gebieter«, sagte Arafat sehr ruhig. »Wer mir von den Sachen viel abkauft, der bekommt die Sklavin zu sehen, sonst keiner. Darf ich mit meinem Eigentum nicht tun, was ich will, so ziehe ich wieder fort.« – »Und wenn ich dich festhalte?« sagte der Sultan drohend. – »Festhalten? Gefangennehmen? Mich?« rief der andere, einen Schritt zurücktretend. – »Ja, dich!« – »Da gibt es tausende von Somalis und Arabern, die kommen werden, mich zu befreien.« – »Sie würden nur deine Leiche zu sehen bekommen. Öffne die Sänfte!« – »Jetzt nicht; später!« – »So werde ich dir beweisen, daß ich der Gebieter bin!«

Er schritt auf die Sänfte zu. Da trat ihm der Emir entgegen und rief drohend:

»Ich weiß, daß du hier mächtiger bist als ich. Ich darf mich nicht an dir vergreifen, aber ich kann mit meinem Eigentum machen, was mir beliebt. Sobald du die Sänfte öffnest und dein Blick auf die Sklavin fällt, jage ich ihr eine Kugel durch den Kopf.«

Damit zog der Emir ein Pistol hervor und spannte den Hahn desselben. Der Sultan erkannte, daß der Emir seine Drohung wahr machen werde. Doch er hielt nach der gehörten Schilderung die Sklavin für so schön, daß er sich bereits entschlossen hatte, sie zu kaufen, und darum beschloß er jetzt, sich zu fügen, allerdings eine Nachgiebigkeit, die bei ihm eine außerordentliche Seltenheit war. Er entgegnete:

»Du sollst deinen Willen haben, aber ich warne dich, meine Nachsicht nicht noch einmal auf die Probe zu stellen, du könntest es bereuen! Zeige deine Sachen!«

Er war in seinen Gedanken zu sehr mit dem Mädchen beschäftigt, als daß er den Waren sehr große Aufmerksamkeit hätte schenken mögen; er traf daher schnell seine Auswahl und feilschte nicht lange. Nur als die beiden Doppelgewehre erschienen, vergaß er die Sklavin auf kurze Zeit, kaufte sie für einen sehr hohen Preis und behielt auch die ganze vorhandene Munition für sich. Die Summe, die er zu bezahlen hatte, war eine ganz bedeutende, wurde aber nicht sofort entrichtet, da der Emir ja auch Sachen von ihm wollte, wonach dann ein Ausgleich stattfinden mußte.

Der Händler war sehr zufrieden mit seinem geschäftlichen Erfolg. Er hatte einen Preis erzielt, der bedeutend höher war, als er erwartet hatte. Darum weigerte er sich auch nicht länger, als der Sultan das Mädchen endlich zu sehen verlangte, nur machte er die Bedingung, daß dies nicht hier, sondern im Inneren des Palastes zu geschehen habe.

Da klatschte der Sultan in die Hände. Sogleich erschienen seine Leute, denen er den Auftrag gab, die gekauften Waren fortzuschaffen. Vier von ihnen mußten die Sänfte vom Kamel nehmen und in den Audienzsaal tragen, sich dann aber zurückziehen. Er selbst folgte mit dem Emir nach und gebot ihm, als sie sich allein sahen:

»Nun öffne!«

Der Aufgeforderte schlug die Vorhänge zurück, und man erblickte eine weibliche Gestalt, die in ein feines, weißes, fast durchsichtiges Gewand gehüllt war, deren Gesicht der Sultan jedoch nicht sehen konnte, da sie einen doppelten Schleier trug.

Sofort befahl er, diesen zu entfernen, und er erblickte nun ein Antlitz, wie er es so zart, weiß und schön noch nie gesehen hatte. Ein Paar große, herrliche, mit Tränen gefüllte Augen schauten ihn an, und von den zarten Wangen war die Röte gewichen. Er sprang auf, er war jetzt entschlossen, sich dieses köstliche Wesen nicht entgehen zu lassen, und rief gebieterisch:

»Laß sie aussteigen! Ich muß ihre Gestalt sehen.«

Der Emir gab der Sklavin ein Zeichen, und als sie dies nicht zu verstehen schien, oder nicht verstehen wollte, faßte er sie bei der Hand und zog sie mit halber Gewalt heraus.

Da stand sie nun, hoch und schlank, vor Scham bebend und doch stolz wie eine Fürstin.

Schnell hatte der Sultan den Kaufpreis für die schöne Sklavin, fünftausend Aschrafi, nach deutschem Geld etwas über sechstausend Mark, dem Händler bezahlt und ergriff sie nun, nachdem der Emir sich mit einer tiefen, fast höhnischen Verneigung entfernt hatte, bei der Hand und führte sie nach seinem Schlafzimmer. Dort öffnete er eine verriegelte Tür und trat mit ihr in einen Raum, der trotz seiner nicht ganz unbedeutenden Größe nur ein kleines, schmales Loch als Fenster hatte, durch welches eine sehr spärliche Helle hineindrang. Drei Seiten dieses Raumes waren mit Kästen und Binsenkörben besetzt, die mit starken Stricken zugebunden waren, und von der Decke hing eine große, tönerne, mit Öl gefüllte Schale, aus der mehrere Dochte herausblickten. Dieser Raum war die Schatzkammer des Sultans, an deren Wänden köstliche Waffen und teure Kleidungsstücke hingen, während an der vierten Wand auf der Kante eines persischen Teppichs ein reiches Polsterwerk lag, ganz zum Ruhesitz einer solchen Schönheit, wie die Sklavin war, geeignet.

Er winkte ihr, sich darauf niederzulassen, und sie tat es. Dann richtete er verschiedene Fragen in allen ihm bekannten Dialekten an sie, ohne eine andere Antwort als ein Kopfschütteln zu erhalten.

»Sie versteht mich nicht«, sagte er zu sich selbst, »aber ich weiß ein Mittel, mich ihr verständlich zu machen. Sie ist eine Christin, und der Sklave, den ich gestern in das Loch sperren ließ, ist auch ein Christ. Er behauptete, daß er ein Fürst gewesen sei, und so wird er alle Sprachen der Ungläubigen sprechen können. Er soll mein Dolmetscher sein. Ich aber will ihr mitteilen, daß sie sich nicht bei einem gewöhnlichen Harrari befindet, sondern bei dem Herrn des Landes.«

Damit entfernte er die Stricke von all den Kästen und Körben. Sie folgte seinen Bewegungen mit den Augen und erblickte zu ihrem Erstaunen eine solche Menge von Gold und Silber, von Münzen und Geschmeide, daß sie erkennen mußte, sie sei beim reichsten Mann des Landes. Zwar befand sich in den Schätzen manch ein Gegenstand, der in Europa kaum einen Groschen wert gewesen wäre, aber in Harrar waren diese Dinge doch eine außerordentliche Seltenheit, und der oberflächliche Blick genügte, um zu erkennen, daß hier ein Reichtum von Millionen aufgehäuft worden sei.

Der Sultan hatte die weiße Sklavin aus einem sehr triftigen Grunde hierhergeführt. Einmal wollte er ihr gleich im ersten Augenblick mit seinen Reichtümern imponieren, und zweitens war es seine Absicht, sie zu seiner Lieblingsfrau zu machen; darum führte er sie nicht zu seinen anderen Frauen, um alle Streitigkeiten und Eifersüchteleien zu vermeiden.

Schließlich ging er und brachte ihr höchst eigenhändig zu essen und zu trinken, um sie darauf, nachdem er die Reichtümer wieder verwahrt hatte, zu verlassen. Er mußte seine Leute beaufsichtigen, die beschäftigt waren, die angekauften Gegenstände unterzubringen, und wollte dem neuen Henker, der zugleich das Amt eines Gefangenenwärters versah, befehlen, den alten Christensklaven herbeizubringen.

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