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Im Reiche des silbernen Löwen II

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Ich verstand ihn besser, als er dachte. Er war immer noch nicht ganz überzeugt, daß die Pascher mich nichts angingen, und hätte, wenn ich als solcher ertappt worden wäre, gegen ein gutes Bakschisch in Hilleh ganz gern darüber geschwiegen. Das war der versteckte Sinn seiner Rede, auf den ich aber glücklicherweise nicht einzugehen brauchte. Seine Aussage über mich vor der Mehkeme war mir auch ohne Trinkgeld Sicher, weil ich durch die Hoffnung auf meinen Bericht ihn mir zum Freunde gewonnen hatte. Übrigens muß ich erwähnen, daß ich ihn mit dieser Hoffnung nicht etwa belogen hatte, denn ich besaß wirklich die Absicht, etwas für ihn zu thun, selbst wenn ich die Gelegenheit dazu bei den Haaren herbeiziehen mußte. Freilich war ich dabei der Ansicht, daß dies nicht grad durch einen Bericht an den Seraskier zu geschehen brauchte. Bei einem ihm näherstehenden Vorgesetzten war jedenfalls eher etwas zu erreichen, als bei diesem hohen Herrn, dem ein im fernen Hilleh garnisonierender Kol Agasi höchst wahrscheinlich sehr gleichgültig war. Daß man sich den letzteren durch die Verabreichung eines Trinkgeldes nicht zum Todfeind machen würde, konnte man bei seinen armseligen Einkünften leicht denken. Das Einkommen eines Kol Agasi betrug – — wenn es überhaupt gezahlt wurde! – — damals in Hilleh nach unserem Gelde achtzig Pfennige pro Tag, mit welcher Summe er alle seine Bedürfnisse ohne Ausnahme zu bestreiten hatte.

Unser weiteres Gespräch, bis wir die Stadt erreichten, bezog sich auf unwichtige Gegenstände, doch zeigte die Art und Weise, wie er sich dabei gegen mich benahm, mich fragte oder mir antwortete, daß wir den von uns beabsichtigten Eindruck auf ihn gemacht hatten; er war voller Ehrerbietung und Höflichkeit gegen mich. Daß ich kein Muhammedaner, sondern ein Christ war, schien mir in seinen Augen nichts zu schaden; er kam mit keinem Wort darauf zurück.

Zweites Kapitel: Vor Gericht

Als wir Hilleh erreicht hatten, ritten wir zunächst nach der Wohnung des Wirtes, vor welcher angehalten wurde.

»Ich habe euch, meiner Weisung nach, wieder zurückgebracht,« sagte der Kol Agasi zu ihm; »ihr könnt also in dein Haus gehen. Aber ich werde einen Posten an die Thür stellen, welcher euch zu verwehren hat, es zu verlassen, bis ihr nach der Mehkeme geholt werdet, wo ihr eure Anklage vorzubringen und ihre Wahrheit zu beweisen habt. Ich mache euch darauf aufmerksam, daß ihr euch also auch jetzt noch als Gefangene zu betrachten habt. Unterlaßt darum jeden Versuch, euch ohne Erlaubnis von hier zu entfernen!«

Sie gefangen, wir aber frei! Das ärgerte sie gewaltig; sie waren aber klug geworden und sagten nichts dazu. Wir ritten unter Zurücklassung eines Postens weiter, der sogenannten Makarri ikamet[60] des Sandschaki zu.

Im Hofe derselben angelangt, wurden wir von dem Kol Agasi aufgefordert, abzusteigen. Es gehörte nicht viel Scharfsinn dazu, den Grund dieser Aufforderung zu erraten und uns über unsere gegenwärtige Lage klar zu sein. Wie wir uns dazu zu verhalten hatten, das wollte ich nicht von den hiesigen Verhältnissen, sondern von unserm eigenen Willen abhängig machen. Darum fragte ich ihn, ruhig im Sattel sitzend bleibend:

»Warum absteigen?«

»Weil man doch nicht sitzen bleibt, wenn man nicht weiter reitet.«

»Hm! Was das betrifft, so kommt es bei uns zuweilen vor, daß wir zwar anhalten, aber doch nicht absteigen.«

Ach habe euch aber abzuliefern!«

»Das kannst du auch thun, indem wir uns im Sattel befinden.«

»Aber, Emir, ihr könnt doch unmöglich zu Pferde in das Gefängnis kriechen!«

»Ah! Ins Gefängnis sollen wir?«

»Natürlich! Ihr seid ja gefangen!«

»Ich spüre nichts davon!«

»Weil ihr nicht gebunden seid? Ich habe euch ja arretiert und euch nur darum ohne Fesseln hierhergebracht, weil ihr mir versprochen habt, mir gutwillig hierher zu folgen. Nun aber muß ich euch in das Gefängnis bringen.«

»Du? Ich denke, du bist Offizier, aber nicht ein gemeiner Sindandschi,[61] welcher Verbrecher zu bedienen hat!«

»Fyrtyna! Ich wollte es keinem Menschen raten, mich für einen solchen Kerl zu halten! Ich bin Offizier des Beherrschers aller Gläubigen, aber kein Gefängnisdiener!«

»So zürne auf dich selbst! Denn soeben hast du gesagt, daß du die Obliegenheiten eines solchen Kerls« ausüben willst. Ich werde das leider mit in den Bericht an den Seraskier aufzunehmen haben!«

»Allah, Wallah, Tallah! Du kannst es getrost weglassen, denn ich werde es nicht thun, wenn du mir die Bitte erfüllst, welche ich jetzt aussprechen werde.«

»Ich werde sie erfüllen, wenn ich kann.«

»Du kannst.«

»So sprich sie aus!«

»Ich gehe jetzt zum Sandschaki, um ihm zu melden, daß ich euch gebracht habe und euch ihm übergebe. Bis das geschehen ist, macht ihr keinen Versuch, den Hof hier zu verlassen. Was dann geschieht, das geht mich nichts mehr an. Seid ihr einverstanden?«

»Wenn du mir einige Fragen beantwortest.«

»Welche?«

»Wie ist dein Name?«

»Amuhd Mahuli.«

»Ich muß ihn wissen, weil ich ihn doch in dem Berichte zu erwähnen habe und es ungewiß ist, ob ich wieder Gelegenheit finde, mit dir zu sprechen. Du kennst die Umgebung dieses Gebäudes?«

»Ja.«

»In welchem Teile wohnt der Sandschaki?«

»Grad vor dir. Da befinden sich auch die Stuben seiner Mamuhrin.«[62]

»Wo ist das Gefängnis?«

»Zur ebenen Erde rechts, wo du die kleinen Löcher in der Mauer siehst.«

»Ich danke! Das sind keine Wohnungen für uns! Da drüben wird der Hof von einer Mauer abgeschlossen. Was liegt hinter ihr?«

»Eine freie Gasse.«

»Wie breit ist sie?«

»Es können fünf oder sechs Personen an dieser Stelle nebeneinander gehen. Warum fragst du das?«

»Weil wir zwar gute Reiter sind, aber aus gewohnter Vorsicht uns stets vorher zu erkundigen pflegen, wenn es gilt, die Hälse zu riskieren.«

»Die Hälse? Ich verstehe dich nicht!«

»Ist auch nicht notwendig. Und nun höre, was ich dir sage! Wir werden genau zehn Minuten auf dich warten. Das ist Zeit genug, dem Sandschaki deine Meldung zu machen. Bist du dann noch nicht wieder da, so reiten wir fort.«

»Kann ich mich wirklich auf dieses dein Versprechen verlassen?«

»Ich breche nie mein Wort.«

»So will ich gehen, denn ich vertraue dir. Ihr braucht nicht zehn Minuten zu warten, denn ich werde schon eher wiederkommen.«

Er ging, indem ich darüber lächeln mußte, daß er mir mein Wort abgenommen hatte. Seine Leute waren ja da! Warum hatte er sie nicht aufgefordert, uns zu bewachen und jeden Fluchtversuch zu verhindern? Traute er ihnen weniger als meinem Versprechen? Der Eindruck, den wir auf ihn gemacht hatten, schien ein für uns noch günstigerer zu sein, als ich gedacht hatte. Er glaubte nicht, daß wir uns trotz ihrer Überzahl von ihnen halten lassen würden, und da hatte er auch recht!

Das Gebäude bestand, wie alle Häuser der Stadt, aus Ziegeln, welche den Trümmern des einstigen, großen Babylon entnommen waren; es sah sehr schmutzig und baufällig aus. Der Hof war nicht groß, bot uns aber hinreichend Platz zu den Bewegungen, welche später vielleicht nötig wurden. Die Mauer, von welcher ich gesprochen hatte, besaß etwas über Manneshöhe, zeigte aber einige Stellen, wo die oberen Ziegellagen, weil verwittert, herabgefallen waren, und es erschien mir ganz und gar nicht als ein Wagnis, an einer dieser Stellen mit unsern Pferden über sie hinwegzukommen. Das war es, warum ich gefragt hatte, was hinter ihr liege.

Eigentlich hätte mir bange sein können. Ein Christ, gefangen, in Hilleh, dem Hauptorte schiitischer Unduldsamkeit, der Schuld am Tode eines Menschen und an der Verletzung eines andern, vielleicht auch des Schmuggels angeklagt –das waren Gründe genug, besorgt zu sein. War hier doch schon allein der Umstand, ein Christ zu sein, höchst gefährlich für mich! Aber ich sah dem Kommenden mit größter Seelenruhe entgegen, und als ich mein Auge auf Halef richtete, lächelte er mich getrost und zuversichtlich an und fragte:

»Hast du schon einen Plan, Sihdi?«

»Nein,« antwortete ich, indem ich mich, um von den Soldaten nicht verstanden zu werden, des moghrebinischen Dialektes bediente. »Um einen Plan zu haben, müßte ich wissen, was sich nun ereignen wird; da ich das aber nicht weiß, können wir nichts thun, als ruhig warten.«

»Aber wie wir uns im allgemeinen zu verhalten haben, das kannst du mir mitteilen?«

»Ja. Ich werde nicht leugnen, daß ich Christ bin, hier am allerwenigsten; ich bin das mir und meinem Glauben schuldig, du hast dich ganz nach mir zu richten und alles so zu thun, wie ich es thue. Ich vermute, daß wir über die Mauer setzen werden. Das muß, da die dahinterliegende Gasse nicht breit ist und um nicht jenseits anzurennen, in schiefer Richtung, und zwar von rechts nach links geschehen, sodaß wir beidem Sprunge nördlich schauen. Das mußt du dir merken, damit wir keinen Augenblick auseinanderkommen und du nicht etwa umzuwenden brauchst.«

»Allah! Bin ich etwa blind, Sihdi? Traust du mir zu, in der Weise über die Mauer zu kommen, daß wir uns draußen mit den Rücken anschauen?«

 

»Nein; aber es war nicht unnötig, davon zu sprechen.«

»So meinst du, daß wir gar nicht absteigen?«

»Wir werden wahrscheinlich doch herunter müssen; aber ins Gebäude gehen wir auf keinen Fall, und von den Pferden trennen wir uns keinen Augenblick, sondern behalten die Zügel stets in den Händen.«

»Aber wir sind angeklagt; man will uns verhören, und wir können die Pferde doch nicht mit hinein ins – — – ah, du willst ja gar nicht hinein in die Mehkeme!«

»Nein. Wer uns verhören will, der muß zu uns herauskommen.«

»Muß herauskommen, muß! Ob er will oder nicht! 0, Sihdi, lieber Sihdi, wie freue ich mich darauf! Das ist doch endlich wieder einmal ein Fall, eine Begebenheit, bei welcher wir zeigen, daß wir gewohnt sind, stets nur das zu thun, was uns beliebt. Ich bin neugierig, außerordentlich neugierig, was alles sich dabei ereignen wird. Vielleicht kommt es dazu, daß wir die Waffen brauchen!«

»Auch das müssen wir gewärtig sein, obgleich ich es nicht wünsche. Anfassen darf uns niemand, denn wenn wir es einmal dazu kommen lassen, so haben wir das Spiel schon halb verloren. Wir können noch so kräftig sein, wenn uns die Überzahl zusammendrückt, so daß wir keinen Raum mehr zur Verteidigung haben, werden wir überwältigt. Sieh dort an der Thorseite die vielen Menschen! Der gestrige Vorfall ist in der Stadt bekannt geworden; jetzt hat man erfahren, daß wir eingeliefert worden sind, und nun kommen die Neugierigen, um zu erfahren, was mit uns geschieht.«

»Das können wir ihnen jetzt schon sagen: Wir reiten fort und lachen Hilleh aus.«

»Sei nicht allzu sicher! Es ist ganz und gar nicht ausgeschlossen, daß diese Angelegenheit eine ganz andere, eine schlimmere Wendung nimmt, als wir denken. Schau, die Entscheidung beginnt; man kommt!«

Wir sahen den Kol Agasi aus der Thür treten; ihm folgte eine ganze Anzahl von Personen. Hinter ihm kam ein Offizier in der Uniform eines Mir Alai,[63] der wohl zufälligerweise grad jetzt bei dem Sandschaki gewesen war. Dann traten Diener heraus, welche einen Stuhl und verschiedene Kissen trugen, dann Beamte der Mehkeme, einer von ihnen mit einem monströsen Tintenfasse, Feder und Papier. Das war jedenfalls der Protokollant, woraus wir schlossen, daß das Verhör sofort und zwar sonderbarer-, uns aber sehr willkommenerweise hier im Hofe stattfinden sollte. Wie wir einigen später fallenden Äußerungen entnahmen, war heut überhaupt öffentlicher Gerichtstag, und da unser Fall ein eklatanter war, hatte der Sandschaki beschlossen, ihn gleich zuerst vorzunehmen und, ohne uns erst in einer langen Untersuchungshaft schmachten zu lassen, uns eine desto strengere, exemplarische Strafe zu diktieren. Bei einer Anklage, wie die gegen uns gerichtete war, konnte er sich einmal in seinem ganzen Glanze zeigen; Zuschauer waren ja genug vorhanden.

Hinter diesen Beamten sahen wir mehrere Personen in sehr würdevoller Haltung schreiten, die Beisitzer des Gerichtes, wie ich später erfuhr. Und nun kam er selbst, der Herr und Gebieter Hillehs und des Sandschak, in welchem es liegt. Man sah es ihm beim ersten Blicke an, daß er ein Alttürke war, also ein Herr, von welchem ich als Christ keine Spur von Wohlwollen oder Schonung zu erwarten hatte. Seine Gestalt war klein und schmächtig, desto größer sein Turban, der mir aber trotz seines Umfanges nicht im mindesten imponierte. Zu seiner Linken ging ein Mann, dem ich zunächst keine Aufmerksamkeit schenkte, dafür aber später um so größere. Er war persisch gekleidet.

Alle diese Personen kamen, den Kol Agasi ausgenommen, nicht etwa auf uns zu, sondern sie schritten am Gebäude hin bis zu einer Stelle, wo eine alte, ziemlich zerfetzte Markise an der Mauer niederhing, welche von einem schnell vorausgesprungenen Diener aufgeschoben wurde. Sie bildete das Sonnendach der Stelle, an welcher die öffentlichen Gerichtssitzungen abgehalten wurden.

Der schon erwähnte Stuhl wurde unter ihren segensreichen Schutz gestellt, und der Sandschaki nahm auf ihm wie auf einem Throne Platz. Zu seiner Rechten und Linken legte man die Kissen nieder, um den hervorragenden juridischen Koryphäen, Gelegenheit zu bieten, mit untergeschlagenen Beinen so weich wie möglich zu sitzen; die geistig weniger begabten Koryphäen nahmen den Platz, wo und wie sie welchen fanden. Der persisch gekleidete Mann hatte sich unmittelbar neben dem Stuhle niedergelassen. Als sich die Mehkeme in dieser Weise entwickelt hatte, kam die Menge der Zuschauer herbei, um den Mahill el Adl[64] in einem Halbkreis zu umschließen.

Mittlerweile hatte der Kol Agasi uns erreicht. Sein Gesicht war sehr ernst, und seine Stimme klang bedenkenschwer, als er uns mitteilte:

»Ich habe euch gemeldet, und da die Mehkeme zur heutigen Sitzung versammelt war, beschloß der Sandschaki, sogleich über euch Gericht zu halten. Ihr werdet mit größter Strenge behandelt werden und habt keine Nachsicht zu erwarten.«

»Weiß er, daß ich ein Christ bin?« erkundigte ich mich.

»Ja; ich habe es ihm gesagt. Ich habe ihm auch mitgeteilt, wer ihr seid.«

»Was sagte er dazu?«

»Wer ihr seiet, daß gehe ihn gar nichts an; er brauche weiter nichts zu wissen, als daß er es mit Schmugglern und Mördern zu thun habe, und solche Menschen dürfe man nicht schonen.«

»Ich danke dir für diese Mitteilung. Du siehst, daß wir Wort gehalten haben und hier geblieben sind. Von jetzt an ist es dir also gleichgültig, was wir thun?«

»Nein.«

»Du sagtest es doch vorhin!«

»Ich wußte nicht, was kommen werde. Der Mir Alai meines Regimentes war bei dem Sandschaki; er befahl mir, mit meinen Leuten das Thor zu besetzen, damit jeder etwa von euch unternommene Fluchtversuch vergeblich sei; mit Mördern könne man nicht vorsichtig genug verfahren. Ich muß natürlich gehorchen. Ich hoffe, daß du mir nicht darüber zürnst, Emir!«

»Du besitzest mein Wohlwollen in noch ganz demselben Maße wie vorher.«

»Aber wenn ihr fliehen wollt und ich verhindere euch daran, was wird da aus deinem Bericht an den Seraskier?«

»Ich schreibe ihn und schicke ihn auch ab. Wenn du unsere Flucht unmöglich machst, verdienst du ja das Lob, welches ich dir erteile, doppelt.«

»Aber wenn ihr hingerichtet werdet, kannst du den Bericht nicht schreiben!«

»Mach dir in dieser Beziehung keine Sorge! Ehe der Sandschaki uns hinrichten läßt, hängen wir ihn am ersten, besten Stricke auf!«

»Du kannst bei so ernsten Dingen scherzen?! Aber steigt ab, und kommt mit mir! Ich soll euch vor die Richter bringen.«

Ehe ich hierauf antworten konnte, ließ Halef einen unterdrückten Ruf der Überraschung hören.

»Was ist‘s?« fragte ich.

»Schau den Mann, der jetzt bei dem Perser steht und mit ihm spricht!« antwortete er.

»Er steht mit von uns abgewendetem Gesichte; ich sehe es nicht.«

»Aber ich habe es gesehen!«

»Kennst du ihn?«

»Ja. Auch du wirst ihn sofort erkennen, wenn er sich herumdreht.«

»Wer ist‘s?«

»Safi.«

»Was? Wer? Etwa Safi, der Sill, der uns dem Pädär in die Hände liefern wollte?«

»Und den du begnadigt hast, obgleich ich ihm so gern meine Peitsche hätte schmecken lassen. ja, er ist es.«

»Du irrst dich nicht?«

»Nein. Paß nur auf! jetzt, jetzt dreht er sich herum!«

Ich sah das Gesicht und erkannte ihn. Es war allerdings der Mann aus Mansurijeh. Er hatte uns jedenfalls auch erkannt. Was wollte er hier in Hilleh? War er in Angelegenheiten der Sillan hier? Warum sprach er mit dem Perser? Kannte er ihn? Dann gehörte dieser jedenfalls auch zu dem Geheimbunde. Hatte der Verräter ihm gesagt, daß wir diejenigen seien, von denen der Pädär durch Prügel gezüchtigt worden war? Wer war dieser Perser? Welchen Grund oder welchen Zweck hatte seine Anwesenheit? War er nur persisch gekleidet, oder war er persischer Unterthan? Fand dies letztere statt, so hatte er doch wohl kein Recht, in einer Mehkeme zu sitzen, welche den uns betreffenden Fall behandeln wollte!

Während mir alle diese Fragen durch den Kopf gingen, drängte der Kol Agasi zum Absteigen.

»Wir bleiben sitzen!« antwortete ich.

»Aber ihr könnt doch unmöglich zu Pferde vor der Mehkeme erscheinen!«

»Warum nicht?«

»Es ist verboten.«

»Von wem?«

»Im Gesetze.«

»Es giebt kein Gesetz, welches bestimmt, daß man nur zu Fuß vor den Richtern zu erscheinen hat!«

»Wenn es kein Gesetz darüber giebt, so ist ein solches Beginnen doch gegen allen Brauch!«

»Du irrst. Es ist ein bei mir alter Brauch, von dem ich niemals lasse. So oft ich in einer Mehkeme zu erscheinen habe, komme ich nicht anders als zu Pferde angeritten.«

»Ich auch,« stimmte Halef bei. »Ich bin der oberste Scheik der Haddedihn, bei denen man einen Mörder nur dann zum Tode verurteilen darf, wenn er im Sattel sitzt.«

»Aber eure Gebräuche haben doch hier in Hilleh keine Geltung!«

»So wird es endlich Zeit, daß wir ihnen Geltung verschaffen!« entschied der kleine Hadschi in seinem bestimmtesten Tone.

»Ich kann es nicht verantworten! Denkt, wie es mir vom Mir Alai, dem Obersten meines Regimentes, ergehen wird, wenn ich euch geführt bringe, während ihr auf euern Pferden sitzt! Ich kann das unmöglich wagen!«

»Das muten wir dir auch gar nicht zu; wir können auf deine Begleitung verzichten,« antwortete ich. »Komm, Halef!«

Es wäre mir wohl unmöglich gewesen, mich zu erinnern, jemals in einer solchen Stimmung, wie meine jetzige war, gewesen zu sein. Es lag etwas in mir, was mich nicht dazu kommen ließ, diese Mehkeme ernst zu nehmen. Und Halef schien bei ganz derselben guten Laune zu sein. Er lachte am ganzen Gesicht, als er meine Aufforderung hörte, und antwortete in heiterem Tone:

»Wollen wir nicht auf das Verhör verzichten und lieber gleich sofort mitten hineinreiten, so daß die weisen Herren nach allen Seiten auseinanderfliegen?«

»Fast hätte ich Lust dazu. Aber ich denke, es ist besser, wenn wir von dieser Tollheit absehen. Wir würden doch nur um den Genuß kommen, den uns der Wortsieg über diese scharfsinnigen Männer des Gesetzes bereiten wird. Also seien wir vernünftig! Komm, vorwärts!«

»Ja, vorwärts, Sihdi! Wir wollen in der Weise mit ihnen sprechen, wie wohl noch niemand mit einer Mehkeme gesprochen hat. Komm!«

Es folgte nun eine Scene, welche mir unvergessen geblieben ist und auch ferner bleiben wird, eine Gerichtsverhandlung, welche ich für unmöglich halten würde, wenn ich sie nicht selbst erlebt hätte. Kenner der dortigen und damaligen Verhältnisse werden allerdings, wenn sie diese Zeilen lesen, nicht in Verwunderung geraten. Der interessante Vorgang ist nur dadurch ungewöhnlich, daß die beiden Angeklagten Männer waren, denen weder eine der beisitzenden Personen noch infolgedessen der ganze hohe Gerichtshof imponieren konnte. Der einzige Grund, bedenklich zu sein, hätte in dem Umstande gelegen, daß wir uns mitten in einer hochfanatischen Bevölkerung befanden und der von dem Publikum gebildete Halbkreis von Minute zu Minute sich vergrößerte. Diese durch das offene Thor hereinströmenden Menschen waren alle bewaffnet, und es gab keinen Grund zu der Annahme, daß die famose Mehkeme gegebenen Falles die erforderliche Macht oder auch nur Bereitwilligkeit besitzen werde, uns gegen Gewaltthätigkeiten in Schutz zu nehmen. Es galt, zu bedenken, daß Halefs sunnitisches und nun gar mein christliches Bekenntnis sehr leicht zu Pulver auf die Pfanne jeder hier vorhandenen Pistole werden konnte. Auf der andern Seite aber kannten wir gar wohl den Eindruck, den ein furchtloses Auftreten grad auf so leicht erregte Menschen zu machen pflegt. Wir sahen also dem uns erwartenden Vorgange zwar mit lebhafter Spannung aber keineswegs ängstlich entgegen und ritten auf den erwähnten Halbkreis zu, welcher sich, als wir ihn erreichten, öffnete, um uns hindurchzulassen. Der Kol Agasi folgte uns nicht, sondern begab sich nach dem Thore zu seinen dort postierten Soldaten, weiche die Aufgabe hatten, unserer etwaigen Flucht entgegenzutreten. Die Lücke der Zuschauer wurde hinter uns sogleich wieder geschlossen.

Der Herr Vorsitzende hatte sich unser Erscheinen vor seinen Schranken ganz anders gedacht. Er sah uns aus weit geöffneten, erstaunten Augen an und rief uns zornig zu:

 

»Wie könnt ihr es wagen, zu Pferde und bewaffnet vor uns zu erscheinen! Herunter von den Pferden, und weg mit euern Waffen!«

»Ich halte es für besser, daß wir sitzen bleiben,« antwortete ich in ruhigem Tone.

»Es ist euch hier keine eigene Meinung gestattet; ihr habt nur zu gehorchen!« entgegnete er in demselben befehlenden Tone wie vorher.

»Wir sind ja gehorsam, und zwar grad indem wir sitzen bleiben. Wir gehorchen nämlich der Notwendigkeit.«,

»Was ist das für eine Ausrede? Ich verstehe dich nicht. Sprich deutlicher!«

»Wenn meine Vermutung richtig ist, hat man dir von unsern Pferden erzählt?« fragte ich.

»Natürlich! Diese Bestien sind es ja, wegen deren wir euch wahrscheinlich das Todesurteil sprechen werden!«

»Wir können diesem Urteile vom Sattel aus ruhig entgegensehen. Stiegen wir aber ab, so könnte leicht etwas geschehen, was euch den Stoff zu einer neuen Anklage gäbe.«

»Was meinst du? Was könnte geschehen?«

»Du siehst, daß unsere Pferde Radschi Pack sind; sie werden, wie jedes reine Blut, gefährlich, wenn man sie von ihren Herren trennt. Sähen sie, daß man uns zwingt, sie zu verlassen, so würden sie uns dennoch hierher folgen und dabei aber jeden, der sie daran hindern wollte, mit den Hufen niederschlagen. Wir haben sie also, um Unglück zu vermeiden, mit hierhergebracht.«

»Ihr könnt aber absteigen und sie an den Zügeln halten; das gebietet die Achtung, welche ihr der Mehkeme schuldig seid. Man sitzt nicht vor den Richtern, sondern man steht vor ihnen. Ich verlange, daß auch ihr das thut!«

Ich wollte eine verweigernde Antwort geben; da kam mir aber Halef zuvor, indem er den Sandschaki fragte:

»Kannst du die Folgen dessen, was du verlangst, verantworten?«

Sein Gesicht zeigte dabei jenen pfiffig lauernden Ausdruck, welcher stets dann bei ihm zu beobachten war, wenn ihn ein Hintergedanken leitete.

»Was ich befehle, verantworte ich,« lautete die Antwort.

»So werden wir nach deinem Willen thun.«

Er sprang aus dem Sattel, und ich folgte seinem Beispiele, denn ich wußte, was er beabsichtigte. Nämlich wenn wir die Zügel lang hielten und unsere Pferde also die Köpfe frei hatten, standen sie still; nahmen wir ihnen aber diese Freiheit, indem wir sie kurz hielten, so wehrten sie sich höchst energisch und versuchten alles, um sich loszureißen. Halef gab seinem Hengste beim Absteigen die wohlberechnete Stellung, daß sich grad hinter ihm Safi, der Sill aus Mansurijeh, befand, und rief ihm und seinen Nachbarn warnend zu.-

»Geht zurück! Dieses Pferd duldet nicht, daß man ihm so nahe steht!«

Es fiel niemandem ein, diesem Rufe zu gehorchen. Er faßte die Zügel nahe am Maule, worauf sein Nedjedi den Kopf hochzuwerfen versuchte, um sich loszureißen. Als ihm dies nicht gelang, schlug er hinten aus und traf den Sill, glücklicherweise nicht gefährlich, aber doch so, daß der Geschlagene zurückgeworfen wurde und einige andere mit niederriß. Mein Ben Rih verhielt sich ganz ebenso, denn es war selbstverständlich, daß ich ihn auch kurz genommen hatte. Er traf sogar zwei Männer, welche weit fortgeschleudert wurden, und während sich darüber ein großes Geschrei erhob, ließen wir die unaufhörlich ausschlagenden Pferde im Kreise um uns tanzen, bis der Halbkreis der in allen Tonarten schimpfenden Zuschauer soweit zurückgewichen war, daß niemand von den drohenden Hufen mehr erreicht werden konnte. Die Verletzten wurden noch weiter fortgeschafft, und soviel Köpfe es gab, soviele Stimmen riefen uns alle möglichen Flüche und Verwünschungen zu. Halef aber brüllte, sich an den Sandschaki wendend, noch lauter, sodaß er sie alle überschrie:

»Da hast du die Folgen! Nun verantworte sie auch! Wer kein Pferdekenner ist, soll nicht Befehle erteilen, von deren Wirkungen er nichts versteht!«

Man, sah es dem Beamten an, daß er diese Beleidigung zornig zurückweisen wollte; aber der Oberst machte eine beruhigende Handbewegung und warf ihm einige Worte zu, welche wir des Lärmes wegen nicht verstanden. Hierauf wurde uns der sehr willkommene und allerdings auch beabsichtigte Befehl:

»Steigt wieder auf! Es sei euch einstweilen gestattet. Später werden wir euch samt euern Bestien zu zähmen wissen.«

»Wir werden es thun,« nickte ihm Halef in gütiger Weise zu; »aber wir geben dir zu bedenken, daß Reiter und Pferd sich ähnlich zu sein pflegen. Auch wir haben die Gewohnheit, uns nicht nach einem fremden, sondern nach unserm eigenen Willen zu richten. Das darfst du nicht vergessen!«

Leider, oder vielleicht auch glücklicherweise, achtete der Sandschaki nicht sehr auf diese Worte, denn er war damit beschäftigt, seinen Dienern diejenigen Befehle zu geben, deren Ausführung nötig war, um den Lärm zu stillen und die Aufregung der Anwesenden zu beruhigen. Sie mischten sich unter die Schreienden und wütend Gestikulierenden, und es gelang ihnen auch, ihre Aufgabe zu erreichen.

Nur einer schien sich nicht so schnell wie die andern beherrschen zu können; das war der persisch gekleidete Mann, mit welchem Safi vorhin, als wir noch nicht nahe waren, gesprochen hatte. Der letztere war ein Stück fortgetragen worden; da saß er wimmernd und mit den Händen die Körperstelle streichend, an welcher er getroffen worden war. Der Perser stand bei ihm, focht, immer nach uns deutend, mit den Armen drohend in der Luft und war von allen der letzte, welcher seinen vorher innegehabten Platz aufsuchte. Ehe er sich dort niedersetzte, sagte er so laut, daß jedermann es hörte, zu dem Sandschaki:

»Du siehst, o Pascha, daß drei Personen schwer verletzt worden sind! Das darf nicht unbestraft geschehen sein, denn nicht die Pferde sind schuld daran, sondern es ist von den Reitern beabsichtigt worden. Dort sitzt Safi, ein treuer Unterthan des Padischah; er ist ein Bekannter von mir und steht unter meinem Schutze; ich hoffe, daß der Huftritt, der ihn getroffen hat, so streng wie möglich geahndet werde. Nur wenn dies geschieht, kann ich in so lobender Weise, wie du es wünschest, von dir zu meinem Herrn, dem königlichen Sillullah[65], sprechen, dessen Sa‘id[66] ich bin. «

Erst jetzt, indem er sprach, fand ich Zeit, den Mann genauer, als vorher möglich gewesen war, anzusehen. Er war, wie bereits gesagt, nach persischer Weise gekleidet und nicht hoch, aber desto breiter gewachsen. Seine Stimme klang gebieterisch, und zwar so, als ob er gewohnt sei, zu befehlen, und dabei eigentümlich schnarrend. Wangen und Kinn waren rasiert; dafür trug er einen um so längeren Schnurrbart, durch dessen linke Hälfte eine feuerrote Narbe ging, welche von der Stirn bis herab zur Mundspitze reichte. Die Augenhöhle, über welche sie lief, war leer. Der Hieb, dessen Spur diese Narbe war, hatte ihm das linke Auge gekostet. Ich beobachtete, daß er, während er sprach und auch später sehr oft die Hand hob, um die Barthaare über die Narbenlücke zu streichen.

Man wird mir glauben, wenn ich sage, daß ich überrascht war. So, wie dieser Mann da vor uns neben dem Sandschaki stand, hatte der Bagdader Bimbaschi uns den Säfir beschrieben. Die ganze Erscheinung war so charakteristisch, daß an einen Zweifel gar nicht gedacht werden konnte. Er war es, der unserm alten Gastfreunde und seinem dicken Kepek im Birs Nimrud den Schwur abgenommen hatte. Der Säfir, der Anführer der Schmuggler, den ich so gern hatte sehen wollen, stand also vor mir!

Ihn hier, bei dem Statthalter zu treffen, das hatte ich freilich nicht erwartet. Es war eine Kühnheit oder vielmehr eine Frechheit von ihm, die Stadt und das Haus aufzusuchen, wohin er eigentlich als verurteilter Verbrecher, als Strafgefangener gehörte. Wer diesen Mann zum Feinde hatte, der konnte nicht behaupten, daß er es mit einem schwachen, verächtlichen Gegner zu thun hatte. Aus dem von ihm gebrauchten Worte Sa‘id war zu schließen, daß er sich für einen hohen Beamten des persischen Schah ausgegeben hatte; wahrscheinlich behauptete er, im Auftrage desselben unterwegs und hier anwesend zu sein. Welche spezielle Absicht er dabei verfolgte, das konnte mir gleichgültig sein; sie betraf wahrscheinlich die Schmuggelei, welche mich nichts anging. Aber aus der Gegenwart Safis und aus dem Umstande, daß er diesen in seinen Schutz nahm, war zu schließen, daß er zu den Sillan gehöre. jedenfalls war er nicht ein gewöhnliches, sondern ein hervorragendes Mitglied dieses geheimen Bundes, und nun ich das wußte, stand es bei mir fest, daß ich Hilleh nicht verlassen würde, ohne den Birs Nimrud wieder aufzusuchen, um an Stelle unsers Bimbaschi mit diesem angeblichen oder auch wirklichen Perser abzurechnen. Grad daß er ein so verwegener Mensch war, vor dem man sich zehnfach in acht zu nehmen hatte, das machte mir erst recht Lust, mit ihm anzubinden. Halef hatte, als wir mit dem Polen auf dessen Dache saßen und dieser uns seine Erlebnisse erzählte, zu ihm gesagt: »Ich wollte, wir würden einmal von dem Säfir in den Turm gesperrt,« und dann hinzugefügt: »Ich würde niemals ohne Peitsche in den Birs Nimrud steigen!« jetzt fand sich für ihn vielleicht die Gelegenheit, zu beweisen, daß diese seine Worte nicht prahlerisch, sondern ernst gemeint gewesen seien.

Aber diesen Gedanken im gegenwärtigen Augenblicke nachzuhängen, dazu gab es keine Zeit, denn wir hatten auf den Perser zu achten, welcher in seiner Anklage fortfuhr.

»Diese beiden Menschen sind überhaupt gewaltthätige Personen, welche schon längst verdient haben, totgepeitscht zu werden.«

60Residenz.
61Gefangenwärter.
62Beamten.
63Oberst.
64Platz der Gerechtigkeit.
65»Schatten Gottes« = der Schah von Persien.
66»Unterarm«.
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