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Im Reiche des silbernen Löwen II

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Diese Begegnung mit dem Mir Alai war auch einer der so oft von mir erlebten Beweisfälle, daß jede gute That, jedes menschenfreundliche Verhalten nicht von anderer Seite her belohnt zu werden braucht, weil es Bestimmung Gottes ist, daß solche Handlungen die spätere Vergeltung ganz aus sich selbst heraus entwickeln. Übrigens schien der Oberst ein tüchtiger Offizier zu sein, da er in der gar nicht sehr langen Zeit zwischen damals und jetzt vom Mülasim zum Mir Alai avanciert war.

Er hatte, wie schon erwähnt, so laut gesprochen, daß ihn alle hörten. Der Eindruck, den seine Worte machten, war ein für uns günstiger und sehr leicht zu bemerken. Wenn ich die freundlichen Blicke sah, welche auf uns ruhten, so kam es mir gar nicht so vor, als ob ich, »der von Allah verfluchte Christ,« mich mitten unter fanatischen, christenfeindlichen Schiiten befände. Wahrscheinlich war diesem Fanatismus schon dadurch für uns die Gefährlichkeit genommen worden, daß ich vorhin die Schia so wohlwollend erwähnt und dabei auf den Glaubenshaß der Sunniten hingedeutet hatte. Sodann war mein Auftreten gegen den Sandschaki ein hier gewiß noch nie dagewesenes gewesen, ich möchte sagen, ein Schauspiel, welches die regste Teilnahme für dem Träger der Hauptrolle erweckte; man vergaß den Andersgläubigen und sah nur den mutigen Mann in ihm. Dazu kam, daß der Statthalter Sunnit und infolgedessen hier also überhaupt nicht beliebt war; man gönnte ihm im stillen die Zurechtweisungen, welche er erfuhr. Und als sich nun der Mir Alai mit solcher Wärme unser annahm, wurde die Stimmung eine noch freundlichere für uns. Sah ich doch, daß der alte Indier mir mit befriedigtem Lächeln zunickte.

Ganz anders freilich verhielten sich der Sandschaki und der Perser. Sie waren über die günstige Aussage des Oberst wütend und flüsterten miteinander. Ich sah, daß der Pascher dem Beamten eifrig mitteilte, wie er sich verhalten müsse, um seine Absicht doch noch zu erreichen. Der letztere ging auf die Vorschläge des ersteren ein; wahrscheinlich gab es eine geheime Abmachung dabei, denn er reichte ihm in der Weise, wie man ein Versprechen bekräftigt, die Hand und ergriff dann, sich uns wieder zuwendend, das Wort:

»Es ist in der vorliegenden Angelegenheit eine Wendung eingetreten, welche eine Änderung des Verfahrens nach sich zieht. Hätte der Mir Alai mir gesagt, daß er die Angeklagten kennt, so würde mein Verhalten gleich von Anfang an ein anderes gewesen sein. Haben diese beiden Männer damals dem Mir Alai durch Vorzeigung ihrer Legitimationen bewiesen, daß sie wirklich diejenigen seien, für welche sie sich ausgaben?«

»Nein,« antwortete der Oberst. »Sie waren als Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar bekannt und wurden so genannt.«

»Hast du vielleicht dann später ihre Legitimationen gesehen?«

»Nein; aber ich erkläre, daß sie die Personen sind, für welche ich sie halte.«

»Das genügt mir nicht. Da der eine von ihnen ein Christ und Unterthan eines fremden Staates zu sein vorgiebt und dies vielleicht nur thut, um sich unserer Gerichtsbarkeit zu entziehen, ist die größte Vorsicht und Gewissenhaftigkeit geboten. Ich muß Legitimationen sehen!«

»Legitimationen?« fragte Halef lachend. »Meinst du, daß ich, ein freier Beduine und Scheik meines Stammes, einen Paß bei mir trage, wenn ich einen Ritt unternehme?«

»Du siehst aber, daß du hier einen brauchst!«

»Wer soll ihn mir ausstellen? Wo ist die Behörde, an welche sich ein unabhängiger Ibn Arab in dieser Angelegenheit zu wenden hätte? Es giebt eben keine. Und du sagst, daß ich hier einen brauche? Warum und wozu?«

»Weil du vor dem Gerichte stehst, welches wissen muß, wer du bist.«

»Schau dort den Ghasai an! Auch er steht vor Gericht, sogar als Zeuge; hat er dir einen Paß vorgezeigt?«

»Das ist nicht nötig, denn der Wirt kennt ihn.«

»Hat dieser einen Paß von ihm gesehen?«

»Das ist gleichgültig!«

»Maschallah! Der Mir Alai kennt uns, und du glaubst ihm nicht; einem gemeinen Manne aber schenkst du dein Vertrauen! Dieser ist ein Wirt, ein gewöhnlicher Kaffeesieder, der andere aber ein hoher Offizier! Wäre ich der Mir Alai, ich spräche wegen Beleidigung ein sehr ernstes Wort mit dir!«

Da schnellte, obgleich diese Worte nicht an ihn gerichtet waren, der Säfir von seinem Sitze auf und rief in zornigem Tone:

»Ist es möglich, daß ein Angeklagter hier an dieser Stelle, also vor denen, die ihn zu richten haben, sich solche Beleidigungen erlauben darf?! Er hat damit die Bastonnade verdient, die ihm augenblicklich gegeben werden sollte!«

Halef griff mit der Hand nach der Stelle seines Gürtels, wo er die Peitsche hängen hatte; er wollte eine Unvorsichtigkeit begehen; darum ließ ich ihn nicht zu Worte kommen, sondern kam ihm zuvor, indem ich dem Perser antwortete:

»Wer bist denn du, da du dir erlaubst, hier das Wort zu ergreifen? Gehörst du zur hiesigen Mehkeme, oder bist du wenigstens ein Bewohner dieser Stadt, in welchem Falle deine eigenmächtige Einmischung doch wenigstens einigermaßen zu entschuldigen wäre?«

»Wer ich bin, das geht dich gar nichts an!« antwortete er in verächtlicher Weise.

»Ich werde dir beweisen, daß es mich mehr angeht, als du jetzt zu denken scheinst. Wir haben nicht die mindeste Lust, einen Menschen sich hier einmischen zu lassen, der an einen ganz andern Platz gehört als hierher an die Seite des obersten Beamten vom Bezirke Divanijeh!«

»Wie meinst du das?«

»Das wirst du erfahren, sobald es mir beliebt; jetzt aber habe ich keine Lust, es dir zu sagen.«

»Nicht keine Lust, sondern keinen Mut hast du!«

»Pah! Denk du, was du willst! Es wird sich sicher zeigen, wer den größern Mut besitzt, du oder ich! Einstweilen will ich nur fragen, ob der Sandschaki von Divanijeh selbst weiß, was er zu thun und zu lassen hat, oder ob er einen Vormund nötig hat, der die Aufgabe besitzt, an seiner Stelle zu sprechen und zu handeln!«

»Schweig!« fuhr mich da der Sandschaki an. »Dieser Mann ist mein Freund, und ich erlaube ihm, zu sprechen, wann und was er will!«

»Was du ihm erlaubst, kommt hier gar nicht in Betracht. Die Hauptsache ist, daß ich ihm verbiete, sich in unsere Angelegenheit zu mischen. Ich bin ein christlicher Europäer, und mein Begleiter ist ein freier Haddedihn; eure Mehkeme hat also keine Macht über uns. Und wenn ich euch die Gewalt abspreche, über uns zu richten, so muß ich es mir erst recht verbitten, daß ein Mensch, der nicht einmal hierher, sondern hinüber nach Farsistan[86] gehört, sich anmaßt, grob gegen uns zu sein. Wenn du es nicht für deine Pflicht hältst, ihm dies zu verbieten, werden wir es selbst übernehmen, ihm den Mund zu schließen!«

»Allah! Wie wolltet ihr das anfangen?«

»Das wird sich sofort zeigen, sobald er es wagt, uns wieder zu beleidigen. Es kommt nur auf mein Belieben an, so befinde ich mich nicht als Angeklagter, sondern als Kläger hier vor euern Augen. Vor allen Dingen erkennen wir unsere Zuständigkeit vor eurer Mehkeme nicht an.«

»So beweise, daß du ein Franke, und zwar ein christlicher bist!«

»Nichts ist leichter als das; es soll sofort geschehen!«

Ich trieb mein Pferd bis nahe zu ihm hin, nahm meine drei Legitimationen heraus, gab sie ihm und ließ dann den Rappen wieder an seine vorige Stelle zurückgehen. Er faltete eines der Dokumente nach dem andern auseinander, las sie durch, prüfte die Siegel und die Unterschriften sorgfältig, doch ohne ihnen die vorgeschriebenen Höflichkeiten zu erweisen, und sagte dann, wobei seiner Stimme die Enttäuschung deutlich anzuhören war:

»Es stimmt! Er ist derjenige, für den er sich ausgegeben hat. Er gehört vor einen christlichen Richter, und ich kann nichts thun, als ihn nach Bagdad bringen lassen.«

»Ganz recht!« fiel ich ein. »Und dort wird es mein erstes sein, zu bezeugen, daß du dem Siegel und der Unterschrift des Padischah die schuldige Ehrerbietung verweigert hast. Es scheint, ich als Christ und Ausländer kenne die Pflichten, welche du zu erfüllen hast, weit besser als du selbst! Und nun du dich überzeugt hast, wer ich bin, legitimiere ich meinen Begleiter als den weitbekannten Hadschi Halef Omar, welcher der oberste Scheik sämtlicher Haddedihn ist vom großen Stamme der Schammar. Ich hoffe, daß niemand es wagt, an der Wahrheit meiner Worte zu zweifeln!«

Da fiel der Säfir schnell ein:

»Ich bezweifle sie! Diese Legitimationen sind gefälscht. Er will der gerechten Strafe durch sie entgehen. Man muß sie zerreißen, sofort zerreißen; dann gehört er uns und kann nichts gegen das Urteil der Mehkeme machen. Gieb sie her; gieb sie mir!«

Er griff zu und riß sie dem Sandschaki aus der Hand. Die Dokumente befanden sich in der größten Gefahr; ich durfte keinen Augenblick zögern, sie zu retten, riß den Revolver aus dem Gürtel, richtete ihn auf den Säfir und befahl:

»Laß sie fallen, augenblicklich fallen! Sobald auch deine andere Hand zugreift, zerschmettere ich sie dir!«

Er hielt die Schriftstücke in der Linken; mit einer Hand allein konnte er sie nicht zerreißen; dazu gehörte auch die Rechte noch.

»Du wirst dich hüten, vor der Mehkeme auf mich zu schießen!« lachte er. »Sieh her, wie die Fetzen fliegen werden!«

Er griff mit der andern Hand zu; ich gab sofort zwei Schüsse ab. Er ließ die Legitimationen fallen, stieß einen Schrei aus, warf die verletzte Hand empor und kam auf mich zugesprungen. Ein scharfer Druck meiner Kniee – der Hengst that einen Sprung auf ihn zu und riß ihn nieder. Im nächsten Augenblicke war ich aus dem Sattel, hob mit der linken Hand die Dokumente auf, schlug mit der Rechten dem Säfir den Revolvergriff an den Kopf, daß er, schon halb aufgerichtet, wieder niederstürzte, und schwang mich wieder in den Sattel.

 

Die ehrwürdigen Mitglieder der Mehkeme waren, wie von Spannfedern getrieben, emporgeschnellt. Sie schrieen vor Entsetzen über meine Missethat: der Oberst aber rief ein wiederholtes »Afarim!«[87] Die Zuschauer schrieen auch; es gab eine Scene der Aufregung, welche ich nicht, ohne sie zu benutzen, vorübergehen ließ:

»Jetzt fort, Halef, fort!«

Indem ich dem Hadschi diese Worte zuwarf, trieb ich mein Pferd durch die lebhaft gestikulierenden und wirr durcheinander rufenden Leute; er folgte mir sofort. Wir galoppierten über den Hof hinüber nach der Stelle, welche ich vorher bezeichnet hatte; es war eine Wonne, mit welcher Leichtigkeit wir über die Mauer hinaus auf die Gasse kamen, die sehr schmal war, aber recht bald in eine breitere mündete. Dann ging es schlank durch die Stadt, bis wir sie hinter uns hatten und uns auf dem uns wohlbekannten Weg nach Bagdad befanden. Da fragte Halef:

»Warum solche Eile, Sihdi? Wer solche Pferde reitet wie wir, kann doch von keinem Menschen eingeholt werden!«

»Das ist wahr; aber ich will den Anschein erwecken, daß wir froh sind, Hilleh hinter uns zu haben, und gar nicht daran denken, jemals wiederzukommen.«

»Willst du denn zurückkehren?«

»Natürlich!«

»Wann?«

»Schon heute.«

»Hamdulillah! Ich ahne den Grund; ich weiß, was du beabsichtigst.«

»Was?«

»Du hast dem Säfir die Hand zerschossen; aber das ist noch nicht genug; du willst noch weiter mit ihm abrechnen. Ist diese Vermutung richtig?.«

»Ja.«

»So sage ich dir, daß dieser dein Entschluß wie aus meiner eigenen Seele kommt. Er hat unsern Mut bezweifelt; wir werden ihm beweisen, daß wir von dieser Gabe Allahs mehr besitzen, als er jemals besessen hat!«

»Was das betrifft, so ist es mir sehr gleichgültig, ob er mich für feig oder für mutig hält; aber der Mehkeme und besonders dem Sandschaki will ich zeigen, wer vor das Gericht gehört, der Perser oder wir.«

»Wie, Sihdi? Du willst die Mehkeme wieder zusammenrufen lassen?«

»Ja.«

Da trieb er seinen Hengst zu einem Luftsprunge an und rief, indem sein Gesicht vor Freude förmlich strahlte, jubelnd aus:

»Welche Wonne, welche Seligkeit! Das ist es, was ich liebe und was so ganz nach meinem Herzen ist. Respekt müssen sie vor uns bekommen, Respekt vor dir und mir! Einsehen müssen sie, daß sowohl die Eigenschaften unserer Vorzüge als auch die Vorzüge unserer Eigenschaften von ihnen niemals erreicht werden können! Zur Erkenntnis müssen sie kommen, daß wir eine Beispiellosigkeit aller Unvergleichlichkeiten besitzen, vor welcher alle unsere Feinde in den Staub zu sinken haben. Ich werde sie auffordern, uns doch einmal einen Menschen zu nennen, dem Allah so viele und so herrliche Gaben des Körpers und des Geistes wie uns verliehen hat! Sie müssen in tiefster Demut und Unterwürfigkeit – —!«

»Still, Halef!« unterbrach ich ihn lachend. »Wenn ich dich so fortsprechen lasse, wirst du noch erhabener, als sogar Allah ist. Denk an die Ehrfurcht gebietende Majestät, mit welcher wir gestern abend von den Ziegeltrümmern herab- und den Soldaten geradezu in die Hände gefallen sind, dann wirst du dir gewiß etwas weniger bewundernswürdig erscheinen!«

»O, Sihdi, erinnere mich doch nicht an diesen Sturz! Bin ich etwa der Erbauer von Babylon? Kann ich dafür, daß die Ziegel nicht mehr zusammenhalten? Du behauptest, mich lieb zu haben, und bist doch so ungerecht gegen mich! Du hast ganz denselben Fall gethan; aber werfe ich ihn dir etwa vor? Ist das nicht ein Beweis, daß mein Verstand mehr Bildung des Herzens besitzt als der deinige? Doch, ich will dich nicht kränken, denn ich bin dein wahrer Freund, und als solcher rate ich dir, niemals wieder eine solche Kletterei wie gestern zu unternehmen!«

»Ich muß leider bezweifeln, diesen guten Rat befolgen zu können.«

»Warum?«

»Weil wir zum Birs Nimrud zurückkehren und da wahrscheinlich noch mehr zu klettern haben werden, als gestern.«

»Auf welchem Wege gedenkst du, das zu thun? Etwa durch die Stadt zurück?«

»Nein. Wir müssen über den Euphrat.«

»Schwimmen?«

»Vielleicht; aber wenn es uns möglich ist, ein Floß zu bauen, werden wir das natürlich vorziehen.«

»Und wann kehren wir um?«

»Jetzt noch lange nicht. Es ist sicher, daß wir verfolgt werden, und wir müssen den Anschein erwecken, daß wir so schnell wie möglich nach Bagdad wollen. Darum ist es notwendig, uns im nächsten Khan für kurze Zeit sehen zu lassen und dann noch ein Stück über denselben hinauszureiten. Unsere Verfolger werden wahrscheinlich bis zu diesem Khane reiten, dann aber umkehren, wenn sie erfahren, was für einen Vorsprung wir ihnen mit unsern bessern Pferden abgewonnen haben. Wir müssen uns also beeilen, obgleich wir uns nicht zu fürchten brauchen.«

Wir waren während dieser Auseinandersetzungen soweit gekommen, daß wir jetzt el Kulea links von uns am Euphrat liegen hatten; nun ging es auf den Wardijeh-Kanal zu. Als dieser passiert worden war, erreichten wir Dschimtschima, von wo aus sich hohe Erdwälle in gerader Linie nach Nordost ziehen, um dann im rechten Winkel und nordwestlicher Richtung nach dem Flusse zurückzukehren; wahrscheinlich bezeichnen sie die Eindämmungen des früheren, alten Euphratlaufes. Hierauf kamen wir an dem an allen Seiten zerrissenen Tell Amran Ibn Ali vorüber, welcher diesen arabischen Namen von einem muhammedanischen Heiligen hat, der hier begraben liegt, und sahen dann die gewaltigen Trümmerhaufen des Kasr sich erheben. Kasr heißt soviel wie Schloß; dieser Name hängt mit der Bedeutung dieser Ruine zusammen, denn das Kasr ist das Residenzschloß Nabuchodonosors gewesen, welcher sich diese Wohnung baute, nachdem seine Vorfahren in einem auf der rechten Seite des Euphrat gelegenen Schlosse residiert hatten. Die Ruinen sind noch jetzt 400 Meter lang und 350 Meter breit, und doch soll dieses Schloß, wie der jüdische Geschichtsschreiber nach dem Chaldäer Berosus berichtet, in nur fünfzehn Tagen errichtet worden sein. Selbst wenn man annimmt, daß sämtliche Materialien vorher erst vollständig fertiggestellt und herbeigeschafft worden sind, um nur noch zusammengesetzt zu werden, erscheint diese Angabe unglaublich; allein es wurde eine jetzt in London befindliche Keilinschrift ausgegraben, welche neben andern wichtigen Stellen auch die folgende enthielt: »ina XV yumi sibirsa usaklil«, zu deutsch: »in fünfzehn Tagen habe ich dieses herrliche Werk vollendet«. Wieviel Tausende von Menschenhänden haben dazu gehört, den Bau in so kurzer Zeit zustande zu bringen! Und dieses gewaltige Unternehmen war nur eines von den vielen, welche von Nabuchodonosors Unternehmungsgeist und Thatkraft zeugen! Die erwähnte Inschrift sagt freilich auch in sehr stolzer Weise in Beziehung hierauf: »Ich habe den Palast errichtet, den Sitz meines Königtumes, das Herz Babels im Lande Babylonien; ich habe seine Fundamente tief unter dem Flußspiegel legen lassen; ich habe den Bau dokumentiert auf Cylindern, von asphaltiertem Mauerwerk umschlossen. Mit deinem Beistande, o erhabener Gott Merodach, habe ich diesen unzerstörbaren Palast errichtet. Möge der Gott in Babel thronen; möge er dort seine Wohnung nehmen; möge er ihre Einwohner siebenfach mehren; möge er durch mich das Volk Babyloniens beherrschen bis zu den fernsten Tagen!« Die heilige Schrift aber sagt:[88] »Nachdem zwölf Monate um waren, da er auf der Burg zu Babylon wandelte, hub der König an und sprach: »Ist das nicht das große Babylon, das ich zur Wohnung des Königs erbaute durch meine starke Macht und zu Ehren meiner Herrlichkeit?« Und als der König das Wort noch im Munde hatte, fiel eine Stimme vom Himmel: »Dir, o König Nabuchodonosor, wird gesagt: Dein Reich soll dir genommen werden, und man wird dich von den Menschen verstoßen, und deine Wohnung wird bei den wilden Tieren sein; Gras wirst du fressen wie ein Ochs, und sieben Zeiten werden über dir ablaufen, bis du erkennst, daß der Allerhöchste im Reiche der Menschen herrschet, und dasselbe giebt, wem er will!« Dieses Gericht ging an ihm in Erfüllung, als der Größenwahn seinen Geist umnachtete. Noch nicht hundert Jahre später kam Cyrus, der Eroberer Babylons, und später machte Alexander der Große der persischen Satrapenherrschaft ein Ende, um, noch jung und voller Thatenlust, in diesem Palaste zu sterben. Der »unzerstörbare«, wie die Keilinschrift ihn nennt, liegt nun seit ungezählten Jahren in Trümmern!

Nördlich davon erreichten wir die Mudschelibeh, auch Maklubeh edar Babil genannt, die durch diesen letzteren Namen allein noch an das alte Babylon erinnert. Das sind die Trümmermassen der sogenannten hängenden Gärten, deren unendlich kostspielige Anlage auf den nicht ganz geheilten Wahnsinn Nabuchodonosors deuten,

Später passierten wir den Nil-Kanal und machten dann am Tell Ukraïneh einen kurzen Halt, um die Pferde verschnaufen zu lassen. Kein Mensch war uns bisher begegnet; jetzt aber sahen wir drei Reiter, welche es sehr eilig zu haben schienen. Sie kamen nicht direkt vom Khan Mohawid her, sondern schienen ihn in einem Bogen umritten zu haben und lenkten erst nun in den von ihm herkommenden Weg ein. Es war daraus zu schließen, daß sie Ursache hatten, sich dort nicht sehen zu lassen. Wer sich aber vor den Augen anderer zu scheuen hat, erregt Verdacht, und so sahen wir ihnen mit begründetem Mißtrauen entgegen.

Als sie sich uns weit genug genähert hatten, sahen wir, daß sie persisch gekleidet waren, und einige Sekunden später erkannten wir sie.

»Maschallah!« sagte Halef. »Das ist ja der Pädär-i-Baharat mit seinen beiden Halunken! Welch ein Zusammentreffen! Wer hätte das für möglich gehalten!«

»Es war nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich,« antwortete ich. »Wir wissen ja, daß der Pädär-i-Baharat von dem Säfir erwartet wird.«

»Warum bist du da nicht auf den Gedanken gekommen, ihm auszuweichen?«

»Weil es nicht nötig ist, eine offene Begegnung mit ihm zu scheuen. In Bagdad hatten wir uns vor einem hinterlistigen Überfalle in acht zu nehmen; hier aber giebt es nicht den geringsten Grund, uns vor ihnen zu verbergen. Ich denke vielmehr, daß sie es sind, welche Ursache haben, uns zu meiden.«

»Das ist sehr richtig, Effendi. Jetzt aber bin ich neugierig, wie sie sich verhalten werden. Ich werde aus Fürsorge die Peitsche aus dem Gürtel nehmen!«

Wir hatten uns, als wir abgestiegen waren, auf den Boden niedergesetzt, und zwar so, daß die Pferde zwischen uns und den Nahenden standen; darum konnten sie uns nicht eher erkennen, als bis sie uns erreicht hatten. Als da aber die Augen des Pädär-i-Baharat auf uns fielen, riß er unwillkürlich sein Pferd zurück und stieß einen Fluch zorniger Überraschung aus.

»Seht, wer da sitzt!« rief er seinen Gefährten zu. »Allah giebt sie in unsere Hände; wir wollen sie sofort zum Schejtan[89] senden!«

Er nahm sein Gewehr nach vorn, um es auf uns anzulegen; aber Halef war ihm zuvorgekommen, indem er das seinige auf ihn gerichtet hatte, und antwortete mit der Drohung:

»Thu sofort die Flinte weg, sonst frißt dich meine Kugel! Du wärst der Kerl, uns zu dem zu schicken, zu dem du selbst gehörst! Macht euch nur schleunigst davon, sonst werden euch die Schwielen von letzthin aufgewärmt!«

Da auch ich, um die Sache abzukürzen, meinen Stutzen in Anschlag nahm, getraute sich keiner von ihnen, einen Schuß zu wagen; aber der Grimm des Pädär war so groß, daß er trotz der auf ihn gerichteten Gewehre halten blieb und uns zuschrie:

»Denkt ja nicht, ihr Hunde, daß euch das, was ihr gethan habt, geschenkt wird! Wir treffen euch auf alle Fälle wieder, und dann werden wir Riemen aus euren Fellen schneiden, um euch damit totzupeitschen. Allah zerschmettere alle eure Knochen!«

Nun ritten sie weiter. Für Halef war es natürlich unmöglich, auf diese Drohung zu schweigen; er rief ihm nach:

»Die deinigen koche der Teufel und gebe sie seiner Urahne als Bulamadsch es Suwehd[90] zu essen!«

 

Dann wendete er sich lachend an mich:

»Sihdi, habe ich das nicht gut gemacht mit dem Bulamadsch es Suwehd?«

»Ja, du bist außerordentlich geistreich gewesen; ich bewundere dich, lieber Halef!«

»Spotte nicht! Ich mußte ihm doch antworten, denn es wäre eine Feigheit von mir gewesen, ihm das letzte Wort zu lassen. Wie kann dieser Dummkopf drohen, daß er uns wiedertreffen und sich dann rächen werde? Er sieht ja, daß wir uns auf dem Wege nach Bagdad befinden!«

»Da irrst du. Er hat uns nicht reiten, sondern nur hier sitzen sehen; er weiß also nicht, daß wir schon in Hilleh waren, sondern ist der Meinung, daß wir aus Bagdad kommen und von ihm eingeholt worden sind. Darum ist er so überzeugt, uns wiederzusehen.«

»Das kann leicht möglich werden, da wir doch nach dem Birs Nimrud zurückwollen. Er wird freilich von dem Säfir erfahren, daß wir schon dort gewesen und jedenfalls nach Bagdad geritten sind.«

»Viel wichtiger als dieses ist mir der Umstand, daß der Pädär-i-Baharat den Khan Mohawid vermieden hat. Es muß eine Ursache dazu vorhanden sein.«

»Aber welche wohl, Effendi?«

»Ich vermute, daß sich Leute dort befinden, die ihn nicht sehen sollen. Errätst du, wer das ist?«

»Erraten? Ich? Sihdi, du weißt, daß ich alle Dinge durchschaue, sobald sie den Mut besitzen, mir vor die Augen zu kommen; aber was sich vor meinem Angesicht verbirgt, das kann ich doch nicht sehen; darum habe ich das Erraten stets dir überlassen und bleibe dieser Gewohnheit auch in dem gegenwärtigen Falle treu. Also sag du, wer es ist!«

»Mit Gewißheit kann natürlich auch ich es nicht bestimmen, aber ich denke, daß ich mit meiner Vermutung das Richtige treffe. Ich ahne nämlich, daß es die Karwan-i-Pischkhidmät Baschi ist, welche im Khane Einkehr gehalten hat. Es sind Leute bei dieser Karawane, welche den Pädär kennen; darum sandte ja der Säfir die beiden Boten, ihn zu warnen. Er ist auch ohne diese Warnung auf seiner Hut und hat einen Umweg gemacht, um nicht gesehen zu werden. Nun sucht er den Säfir auf, um ihm zu melden, daß der Pischkhidmät Baschi schon nahe ist und der Überfall der Karawane nun bald stattfinden kann.«

»Sihdi, denkst du nicht, daß wir diese Leute warnen müssen?«

»Ja, das ist unsere Pflicht. Hoffentlich schenken sie uns Glauben!«

»Warum sollten sie die Wahrheit dessen, was wir sagen, bezweifeln?«

»Es ist mir oft geschehen, daß grad solche wohlgemeinte Warnungen mit Undank zurückgewiesen wurden. Können wir Beweise bringen, wenn man welche verlangt?«

»Eigentliche Beweise freilich nicht; aber wenn es einer wagen sollte, mir in das Gesicht zu sagen, daß er uns keinen Glauben schenke, so erleuchte ich seinen dunkeln Verstand mit den Strahlen meiner Peitsche. Komm, laß uns weiterreiten! Ich möchte gern sobald wie möglich wissen, ob es wirklich die Karwan-i-Pischkhidmät Baschi ist, die wir sehen werden.«

Wir setzten unsern Ritt fort, sahen nach noch nicht einer halben Stunde den Khan vor uns liegen und lenkten in das Thor desselben ein. Als wir den Hof vor uns liegen sahen, zeigte uns der erste Blick, daß die Karawane hier war. Es gab außer ihr mehrere Gruppen von Pilgern und Leichentransporteuren, welche sich aber bescheiden in die Winkel zurückgezogen hatten, denn der Zug des Kammerherrn war so reich ausgestattet, daß sich niemand in die Nähe der zu ihm Gehörigen wagte. Wir aber ritten ungeniert zwischen den Personen hindurch, um an dem Brunnen abzusteigen. Dieses ungezwungene Verhalten schien ihr Mißfallen zu erregen; wir hörten sie darüber murren und bemerkten gar wohl die unfreundlichen Blicke, welche sie uns deshalb zuwarfen, machten uns aber nichts daraus.

Die Karawane zählte zwölf wohlbewaffnete Reiter zu Pferde und sechs Lastkamele, welche mit, wie es schien, wertvollen Paketen beladen waren. Die Pferde gehörten dem mittelguten persischen Schlage an; eines von ihnen aber war das wirklich schöne Produkt einer Kreuzung zwischen arabischer und turkmenischer Rasse. Es schien dem Pischkhidmät Baschi zu gehören und trug ein reiches, silberplattiertes Geschirr. Dieses Zurschautragen der Wohlhabenheit war für die hiesigen Verhältnisse nichts weniger als klug, sie forderte die Raublust geradezu heraus.

Im Schatten der Plattform war ein kostbarer Teppich ausgebreitet, auf welchem der »Kammerherr«, seine Hukah[91] rauchend, Platz genommen hatte. Er war ein schwarzbärtiger Mann in den dreißiger Jahren und so splendid gekleidet, daß man sein Bestreben, seinen hohen Stand zur Geltung zu bringen, nicht verkennen konnte. Sein Anzug war mit echt goldenen Borden und Tressen besetzt; ein weicher Kaschmirshawl schlang sich um seine Hüften; die schwarze, hohe Schmaschenmütze gehörte wohl zu den teuersten, die ich gesehen hatte, und seine Waffen funkelten nur so von eingelegter Arbeit. Welch eine Unvorsichtigkeit inmitten einer Bevölkerung, die den Raub nicht als ein Verbrechen, sondern nur als lohnenden Sport betrachtet! Ähnlich, wenn auch nicht so kostbar, waren auch seine Begleiter gekleidet und bewaffnet.

Als wir abgestiegen waren, schickte er einen dieser Leute mit der Aufforderung zu uns, zu ihm zu kommen.

»Was sollen wir bei ihm?« fragte ich.

»Ihm pflichtschuldigst sagen, wer und was ihr seid, und ihm beweisen, daß euch das Recht zusteht, in seiner beglückenden Nähe zu verweilen.«

»So! Wer ist denn er?«

»Er ist der Pischkhidmät Baschi des Beherrschers der Welt und darf den Titel Aemin-i-Huzur[92] führen.«

Der Mann sagte das in einer so dünkelhaften Weise, und in den Gesichtern seiner dabeistehenden Gefährten lag eine solche Fülle der Anmaßung, daß ich in abweisendem Tone antwortete:

»Des Beherrschers der Welt? Wo giebt es einen Regenten, der die Welt beherrscht? Pischkhidmät Baschi? Also ein Angestellter, welcher Dienste zu verrichten hat! Aemin-i-Huzur? Also Vertrauter einer andern Gegenwart, aber nicht der meinigen! Ich bin kein Diener wie er; wie kannst du sagen, daß ich mich ihm pflichtschuldigst zu nahen habe!«

»So weigerst du dich also?« fragte er streng.

»Weigern? Pah! Bin ich ein Kammerdiener, der unter seinem Befehle steht? Befinden wir uns etwa in Persien? Ihr seid hier fremd, und wir sind es auch; ihr seid hier eingekehrt, um auszuruhen, und wir befinden uns zu demselben Zwecke hier; wir haben gleiche Rechte. Es ist mir vollständig gleichgültig, wer ihr seid; was geht es euch an, wer ich bin? Wenn euer Pischkhidmät Baschi mir einen Wunsch vorzutragen hat, so mag er zu mir kommen; zu befehlen hat uns hier kein Mensch etwas!«

»Du willst also nicht hin zu ihm?« erkundigte er sich in demselben rücksichtslosen Tone wie vorher.

»Nein.«

»So werden wir euch zu zwingen wissen!«

»Versuche es! Du hast seine Nähe eine beglückende« genannt; wir aber wissen, daß das Glück an ganz andern Orten zu suchen ist, als in der Nähe von Leuten, welche nicht einmal die Regeln der allereinfachsten Höflichkeit, die der gewöhnliche Mensch besitzen muß, kennen gelernt haben.«

»Das ist eine Beleidigung! Wenn ihr uns nicht gutwillig folgt, werden wir Gewalt anwenden!«

Ich setzte mich an den Rand des Brunnens, nahm meinen Henrystutzen zur Hand, deutete auf eine fern von uns gezogene Schnur, an welcher der Khandschi[93] Zwiebeln aufgehängt hatte, und sagte:

»Seht dort die Baßal-Reihe[94]! Ich werde die ersten fünf auf der linken Seite treffen. Paßt auf!«

Der Hof war groß; die Zwiebeln hingen in einer Entfernung von vielleicht neunzig Schritten von uns; ich drückte fünfmal los, und jeder Schuß traf die angegebenen Ziele. Einige der Perser eilten hin, um sich zu überzeugen; als sie wieder kamen, meldeten sie mit Erstaunen, daß ich alle fünf Zwiebeln, ohne wieder zu laden, obgleich mein Gewehr doch nur einen Lauf besitze, getroffen habe.

»Es ist ein Zaubergewehr,» erklärte Halef. »Dieser weltberühmte Emir und Effendi schießt und trifft zehntausend und noch mehrmal, ohne nur zu laden. Was seid ihr gegen uns!«

Er machte dabei eine wegwerfende Handbewegung. Ich fügte in ruhigem Tone hinzu:

»Ich wollte euch nur zeigen, was ihr zu erwarten habt, wenn ihr auch nur eine Hand gegen uns zu erheben wagt. Ihr seid zwölf Personen; und in zwölf kurzen Augenblicken werden euch zwölf Kugeln aus diesem Gewehre zur Erde gestreckt haben. Nun thut, was ihr nicht lassen könnt!«

Sie standen da und schauten einander verlegen an. Der Henrystutzen hatte, wie immer, seine Schuldigkeit gethan und ihnen Respekt eingeflößt. Der »Oberste der Kammerherren« war natürlich Zeuge des Vorganges gewesen; auch er war besorgt geworden; er rief seinen Leuten zu:

»Geht weg von ihm! Mit so rücksichtslosen, groben und gewaltthätigen Menschen, wie diese beiden Männer sind, können Leute, welche unter dem majestätischen Schutze des Allbeherrschers wandeln, nicht verkehren. Sie sind aus der tiefsten Stufe der Bevölkerung geboren und im Dunkel der Unwissenheit erzogen worden; darum ist ihr Betragen dasjenige ganz ungebildeter Personen; man beschmutzt sich mit ihnen. Wir verachten sie!«

86Persien.
87Bravo!
88Daniel 4, 26–29.
89Teufel.
90Pflaumenmus.
91Wasserpfeife.
92Vertrauter der kgl. Gegenwart.
93Aufseher des Khan.
94Zwiebel.
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