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Im Reiche des silbernen Löwen II

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So sehr mich das Gelingen dieser meiner Arbeit befriedigte, so groß war der Grimm des Säfir über diesen Erfolg. Ich sah trotz des dichten Schnurrbartes, daß seine Lippen vor Wut bebten. Er hätte diesen Gefühlen wohl gern durch entsprechende Worte Luft gemacht; aber der Hadschi hatte die Peitsche noch immer in der Hand, und die Furcht vor dieser Omm es Sefa[179], wie Halef sie gern nannte, zwang ihn, still zu sein.

Es war nun Zeit, die Höhe zu verlassen, und so stiegen wir hinab. Halef ging voran, ich hinterher; der Säfir mußte, von mir scharf beobachtet, in der Mitte schreiten. Als wir bei den Soldaten ankamen, stand der neue Bimbaschi von dem Platze auf, wo er gesessen hatte, und meldete mir:

»Effendi, der Bote nach Hilleh ist längst fort, und ich habe ihm befohlen, sich möglichst zu beeilen. Darf ich vielleicht nun die Pferde hierher zurückkommen lassen?«

»Ja. Ich werde inzwischen den Askari holen, der in der Nacht mit uns gegangen ist.«

»Soll ich nicht lieber nach ihm schicken?«

»Nein; man würde ihn nicht finden.«

Ich ging selbst, weil ich es nicht für geraten hielt, daß noch mehr Personen als dieser eine Askari den Ort erfuhren, wo ich mit dem Kammerherrn in den Turm gestiegen war. Als ich zu ihm kam, lag er in dem weichen Schutt und schlief. Ich weckte ihn und befahl ihm, mir zu folgen. Er rieb sich die Augen und kletterte, bald stolpernd und bald auf allen Vieren oder auf dem Rücken rutschend, hinter mir her. Ich führte ihn aus Berechnung nicht gleich auf die Ebene hinaus, sondern in der Weise zwischen Mauerresten hindurch und über Trümmerhaufen hinweg, daß er, zumal infolge seiner Schlaftrunkenheit, über die Richtung irre wurde, und, als wir die Ruinen endlich hinter uns hatten, stehen blieb, und, indem er mit Kopfschütteln zurückblickte, sagte:

»Dieser Rückweg war bös, Effendi; der Hinweg in der Nacht war besser. Da war es aber dunkel; ich sah und hörte lange Zeit nichts mehr und schlief darum ein. Wo sind wir denn eigentlich gewesen?«

»Das mußt du doch wissen!« antwortete ich, sehr befriedigt von dem Gelingen meiner List.

»Ich weiß es nicht. Wir sind jetzt durch ein solches Wirrwarr geklettert, daß ich die Stelle, wo ich geschlafen habe, ganz gewiß nicht wiederfände, wenn ich sie suchen sollte.«

»Es wird dir niemand auftragen, sie zu suchen. Also beruhige dich und komm!«

Als wir die Asaker von weitem sahen, bemerkte ich, noch ehe wir sie erreicht hatten, daß dort etwas Ungewöhnliches vorgekommen war. Ich verdoppelte also meine Schritte. Ich wurde gesehen; der von ihnen gebildete Kreis öffnete sich; Halef kam mir entgegen und rief mir zu-.

»Sihdi, denke dir, der Kerl wollte den Kol Agasi, welcher jetzt Bimbaschi ist, erwürgen!«

»Welcher Kerl? Der Säfir?«

»Ja.«

»Wie konnte er auf den Gedanken kommen? Er ist doch gebunden und hat eine schwer verwundete Hand!«

»Mit dieser Verwundung steht es nicht so schlimm wie wir dachten. Er kann die Finger, oder wenigstens einige davon, noch ganz gut bewegen.«

»Aber die Hände waren ihm doch auf den Rücken gebunden; da war ein solcher Angriff meines Erachtens vollständig unmöglich!«

»Ja, Effendi, er hatte sie ja doch nicht mehr auf dem Rücken!«

»Wo denn?«

»Sie waren frei.«

»So hast du wieder einmal eine deiner Eigenmächtigkeiten begangen. Halef, Halef, du wirst in deinem ganzen Leben nicht anders werden, als wie du warst und leider jetzt noch bist!«

»O, Sihdi, wünsche ja nicht, daß ich anders werde! Dir gehört ja mein ganzes Herz, und wenn das nicht so bleiben dürfte, so müßte ich dir die Liebe und Freundschaft entziehen, durch welche mein Leben und auch das deinige verschönert werden. Ich bitte, zu glauben, daß ich ganz so bin, wie ich sein soll. Wenn du annimmst, daß ich einen Fehler begangen habe, so irrst du dich.«

»Du scheinst ihm aber doch die Hände freigegeben zu haben!«

»Nur für einen Augenblick.«

»Warum?«

»Ich wollte dich rächen.«

»Das war falsch. Du weißt, wie und was ich über die Rache denke; ein Christ rächt sich nie.«

»So will ich nicht Rache, sondern Strafe sagen.«

»Wenn ein Mensch meinetwegen zu bestrafen ist, so habe ich darüber zu bestimmen, nicht aber du. Was wolltest du denn bestrafen?«

»Daß er dich da oben im Gefängnisse so krumm gefesselt hat. Das mußte dir Schmerzen verursachen, die ich jetzt ihm selbst auch einmal fühlen lassen wollte. Du wirst zugeben, daß er das verdient hat!«

»Dieses sein Verdienst will ich gern anerkennen, nur durftest du ihm diese Anerkennung nicht ohne meine Erlaubnis erteilen.«

»Du bliebst mir zu lange fort, und es drängte mich, ihn von meiner Dankbarkeit so bald wie möglich zu überzeugen. Darum ließ ich ihm die Hände von dem Rücken lösen, um ihn grad so zu binden, wie er dich gefesselt hatte. Das war doch ein Gedanke, den du billigen mußt, gegen den du gar nichts haben kannst!«

»Das ist deine Ansicht, aber nicht die meinige. Ihr bandet ihm also die Hände los, und er machte natürlich dann sogleich Gebrauch von ihnen?«

»Allerdings. Dieser Halunke hatte nicht genug Gegenwart der Geistesgaben, um einsehen zu können, daß ihm dies verboten war. Der frühere Kol Agasi und jetzige Bimbaschi hatte, während er ihm die Hände frei machte, einige Worte gesagt, welche ihn in die Übelkeit des Mißbehagens versetzten; er krallte seine Finger um seinen Hals, riß ihn nieder und drückte ihm die Adern so zusammen, daß das Gesicht die Farbe einer Burneta el Kastar[180] annahm, mit welcher die Europäer bei großen Feierlichkeiten ihre Häupter nach oben zu verlängern pflegen. Es wurde uns himmelangst um den Angegriffenen, dessen Atem die Bequemlichkeiten seines irdischen Daseins verlassen wollte, denn der Säfir hing so fest an ihm wie ein Wüstenfloh, der sich in die nackte Zehe eines Wanderers verbissen hat. Mehrere Männer hatten trotz seiner verletzten Hand sehr zu thun, ihn loszulassen. Er wurde natürlich sofort in der Weise gebunden, wie ich es beabsichtigt hatte; aber die Ausdrücke, welche wir dabei von ihm zu hören bekamen, kann ich dir nicht berichten, denn sie enthielten solche Lästerungen Allahs und so große Beleidigungen unserer Personen, daß auch ich lästern und beleidigen wurde, wenn ich sie wiederholte. Er schimpft noch jetzt aus voller Kehle. Hörst du ihn? Komm also mit hin! Ich hoffe, daß du mir gestattest, ihm meinen Standpunkt nun endlich einmal klar zu machen, aber nicht etwa auch auf seinen Stand-, sondern auf denjenigen gefühlvollen Punkt, auf welchem er zu sitzen pflegt. Es ist die höchste Zeit für ihn, zu erfahren, daß diejenigen Empfindungen die lieblichsten sind, deren Dasein man auf der von mir erwähnten Stelle bewiesen bekommt!«

Er fuchtelte, um mir den tief humanen Sinn seiner Worte zu erklären, energisch durch die Luft und schritt mir dann nach der Stelle voran, wo der Säfir lag oder vielmehr saß.

Dieser war krumm geschlossen, und zwar so, daß man hätte meinen sollen, es sei ihm kaum möglich, Atem zu holen, brüllte aber trotzdem wie ein unvernünftiges Wesen in einem fort und ließ Flüche und Drohungen hören, welche geradezu empörend und, wenigstens was die letzteren betraf, bei seiner hilflosen Lage im höchsten Grade lächerlich waren. Als er mich erblickte, erhob er seine Stimme bis zum Überschnappen und warf mir Verwünschungen entgegen, welche förmlich das Gefühl des Zurückprallens erregten. Seine Lippen geiferten; die rot unterlaufenen Augen gaben seinem an sich schon widrigen Gesichte einen nicht bloß tierischen, sondern viehischen Ausdruck; ich hatte keinen Menschen, sondern eine unsagbar niedrige, gemeine Kreatur vor mir, die demgemäß behandelt werden mußte.

»Halef, haue ihn, bis er schweigt!« rief ich empört. »Haue ihn, wohin du triffst!«

»Hamdulillah!« antwortete der Hadschi. »Endlich, Sihdi, endlich kommst du zu Verstand! Dein Befehl erfüllt mich mit überirdischer Wonne. Es soll dir nie mit solchem Entzücken gehorcht worden sein, wie ich dir jetzt gehorchen werde! Ich werde ihm den Faden seiner Rede so zerhauen, daß er die davonfliegenden Fetzen selbst mit der schärfsten Naddara[181] nicht wieder finden kann!«

Kaum hatte er das gesagt, so klatschten seine Hiebe so dicht und kräftig nieder, daß der Getroffene anstatt Zornes- nur noch Jammerlaute hatte, doch hörte Halef nicht eher auf, als bis auch diese schwiegen. Dann fragte er mich, die Peitsche liebevoll streichelnd:

»Soll ich mit dieser überzeugenden Erklärung fortfahren, oder ist‘s genug?«

»Laß es genug sein!«

»Aber nur für jetzt, für einstweilen, das bitte ich dich!«

»Und ich bitte nicht darum, sondern ich verlange es!« fiel Amuhd Mahuli ein. »Schau her, Effendi, wie er mich zugerichtet hat! Es war seine ernstliche, seine feste Absicht, mich zu erwürgen. Ich lag unter ihm wie ein Lamm. in den Krallen eines wütenden Panthers, und wenn das noch nicht Grund genug zur größten Strenge wäre, so müßten seine gottes- und menschenlästerlichen Reden die Peitsche in Bewegung setzen, bis er tot am Boden liegt!«

 

Er zeigte bei diesen Worten auf sein zerzaustes Haar, seine zerrissene Uniform und seinen zerkratzten Hals, welcher jetzt noch blutete.

»Wäre es mir doch gelungen, dich zu ersticken, du nichtswürdiger Helfershelfer eines verdammten Christenhundes!« zischte der Säfir.

Da holte Halef schnell wieder aus, versetzte ihm einige Hiebe und fuhr ihn an:

»Willst du schweigen, Bösewicht! Wir dulden kein einziges solches Wort!«

Obgleich vor Schmerz sich windend, brüllte der Säfir ihn an:

»Du hast mir nichts zu befehlen! Du bist ein stinkender Köter, den ich verachte, und gehörst mit deinem dreimal verfluchten Effendi dahin, wo die Aase faulen. Ihr wurdet als Schweine geboren, seid als Schweine zu verachten und werdet als Schweine verenden!«

Halef schwang die Peitsche sofort wieder. Ich hielt seinen Arm fest und sagte:

»Warte noch! Vielleicht bewährt sich auch hier ein gutes Wort besser als ein zorniges; ich werde es versuchen.«

»Versuche es; ich habe nichts dagegen; versuche es doch!« rief der Säfir mit höhnisch schallendem Lachen.

»Ja, ich werde den Versuch trotz deines Gelächters machen, doch nicht deinet- sondern meinetwegen. Ich weiß, daß jedes Wort umsonst sein wird; aber ich will mir sagen können, daß ich nichts zur Rettung deiner Seele versäumt habe.«

»Rettung meiner Seele? Was geht dich meine Seele an! Mag sie fahren, wohin sie will, mir ist es gleich, und du hast nichts dreinzureden. Willst du mir etwa von dem ewigen Leben, von dem Paradiese und der Hölle vorschwatzen? Mit solchen Verrücktheiten brauchst du mir nicht zu kommen. Was Muhammed und euer Christus darüber sagen, ist lächerlich, denn nach dem Tode ist alles aus.«

»Du bist ein Verblendeter, dem ich – —«

»Alles aus!« wiederholte er, mich unterbrechend.

» – — – ein Verblendeter,« fuhr ich fort, »dem ich mein – — —«

»Alles, alles aus!« rief er wieder.

» – — – dem ich mein Mitleid nicht versa – —«

»Alles aus, alles, alles, alles!« brüllte er mit der ganzen Stärke seiner Stimme. »Und das ist ein Glück für euch, ihr verächtlichsten unter allen Hunden, die es giebt! Um euretwillen möchte ich, daß es nicht aus wäre. Ihr solltet verdammt sein, wie noch niemand verdammt gewesen ist. Euch müßte es im jenseits – — —«

Die nun folgenden Verwünschungen sind nicht wiederzugeben. Indem ich sie, ohne ihn zu unterbrechen, über mich ergehen ließ, sah ich ein, daß es nicht nur unnütz, sondern auch geradezu lächerlich gewesen wäre, ihm noch eine Spur von Mitleid zu zeigen. Als er seinen Grimm herausgesprudelt hatte, spie er mich und Halef, die wir nahe bei ihm standen, an, und schloß mit den Worten:

»So wie jetzt solltet ihr verspieen und verachtet werden, von allen Menschen und in alle Ewigkeit! jetzt kennst du meine Meinung ganz und kannst deinen frommen Jammer bringen; ich werde kein Wort mehr dazu sagen.«

»Es wird dir nichts, aber auch gar nichts vorgejammert werden, sondern wenn hier jemand jammert, so wirst du es sein. Du hast von den Martern gesprochen, denen ich nicht entgehen könne; wo hast du sie? wo bleiben sie? Ich aber sagte dir, daß mit dem Anbruche des Tages das Strafgericht über dich beginnen werde; mein Wort, über welches du lachtest, ist pünktlich eingetroffen. Ich prophezeite dir noch mehr, will es aber jetzt nicht wiederholen. Warten wir den Abend ab! Für jetzt sollst du nach deiner eigenen Ansicht behandelt werden: Mit dem Tode ist alles aus. Wenn es im jenseits keine Strafe für dich giebt, so dürfen wir im Diesseits keinen Augenblick versäumen, dir zukommen zu lassen, was du verdienst. Vorher aber frage ich dich, wo die Leichen der ermordeten Mitglieder der Karwan-i-Pischkhidmät Baschi sind?«

Er antwortete nicht, auch dann nicht, als ich meine Frage zweimal wiederholte. Ich richtete sie an die gefangenen Ghasai-Beduinen, und zwar mit demselben Mißerfolge. Darum wendete ich mich speziell an denjenigen von ihnen, den ich für ihren Anführer halten mußte, weil er bei der Taxation der Beutestücke das Wort geführt und das Geld eingesteckt hatte. Seine einzige Antwort bestand in einer höhnischen Gesichtsverzerrung.

»Ich werde dir den Mund mit der Peitsche öffnen lassen!« drohte ich.

»Wage das!« rief er. »Wir sind freie Beduinen und dürfen nicht geschlagen werden! Wir sind ehrliche Leute und wissen nicht, weshalb man uns gefangen genommen und gebunden hat!«

»Ehrliche Leute! Und habt euch doch für Solaib-Araber ausgegeben! Und habt dort bei den Feuern gesessen und bei jedem einzelnen Stück um euern Mörderlohn gefeilscht!«

»Das ist Lüge!«

»Ich selbst habe es gesehen und gehört; das ist genug! Also sag, wo sind die Leichen?«

»Ich weiß von keiner Leiche! Wenn es Leichen giebt, so suche sie dir doch selbst!«

Seiner spöttischen Miene war die Überzeugung, daß ich sie nicht finden würde, deutlich anzusehen. Darum erwiderte ich:

»Ich werde dir beweisen, daß es mir sehr leicht ist, sie zu entdecken, aber dich dann doch noch zwingen, uns zu sagen, wohin sie geschafft worden sind. Die Peitsche macht gesprächig.«

»Das wirst du bleiben lassen! Mein ganzer Stamm würde über dich kommen und dir hundert Hiebe für jeden einzelnen geben!«

»Laß ihn hauen, immer laß ihn hauen!« rief mir da der Bimbaschi zu. »Vorher aber gestatte, daß der Säfir bekommt, was ihm gebührt!«

»Ich habe nichts dagegen, erwarte aber, daß ihr euch an eine Bedingung haltet, welche ich unbedingt stellen muß.«

»Teile sie uns mit!«

»Schlagt ihn, soviel ihr wollt, aber nur nicht tot! Wir müssen ihn dem Pascha ausliefern, und ich bin überzeugt, daß er die Bestätigung deiner Ernennung zurücknehmen und dich vielleicht zum gewöhnlichen Soldaten machen würde, wenn er ihn nicht lebend, sondern tot zu sehen bekäme!«

Diese Warnung hatte den Zweck, eine sehr leicht mögliche Ausartung der Strenge in Grausamkeit zu verhüten. Der Offizier beeilte sich, mir die Versicherung zu geben:

»Sei da ohne Sorge, Effendi! Diesen Schurken tot zu schlagen, wäre eine ganz unverdiente Wohlthat für ihn. So kurz darf seine Strafe nicht sein. Aber du weißt, daß er in der Mehkeme die Bastonnade für dich verlangte; dafür soll er sie nun selbst bekommen, aber wie! Das erlaubst du doch?«

»Ja.«

»Bloß die Bastonnade?« fragte Halef. »Ich habe geglaubt, daß meine Kurbadsch mit ihm sprechen soll! Sihdi, dadurch, daß du ihm nur die Bastonnade verordnest, wirst du mich um den Hochgenuß bringen, ihm zu zeigen, wie innig meine Seele mit den Gefühlen seiner empfindungsvollen Haut verbunden ist!«

Ich nahm ihn bei der Hand, zog ihn zur Seite und stellte ihm die Frage:

»Sag, lieber Halef, welches ist der stolzeste und berühmteste Stamm der Beduinen, soweit die Blumen der Steppe blühen?«

»Der große Stamm der Schammar,« antwortete er. »Das weißt du ebensogut wie ich; warum fragst du also?«

»Und welche ist die hervorragendste seiner Abteilungen?«

»Das sind natürlich meine Haddedihn!«

»Von denen du der oberste bist?«

»Natürlich.«

»Also bist du der berühmteste und am höchsten gestellte Mann des ganzen Stammes der Schammar?«

»Das will ich meinen! Das steht sogar über jedem Zweifel erhaben!«

»Du hast also diesen großen Stamm mit deiner Person und die Ehre von soviel tausend Kriegern mit deiner Ehre zu vertreten?«

»Selbstverständlich!«

»Was du thust, ehrt oder schändet also jeden einzelnen Schammar und jeden Haddedihn?«

»Gewiß!«

»Was würdest du thun, wenn jemand alle Schammar und Haddedihn für Schinder, für Henker erklärte?«

»Ich würde ihm augenblicklich mein Messer zwischen die Rippen stoßen!«

»So stoß zu!«

»Was – —? Wie – —? Wen – —?« fragte er.

»Dich selbst!«

»Mich – — – selbst – — —?«

»Natürlich dich selbst, denn du, der Vertreter der Ehre deines ganzen Stammes, hast mir soeben selbst erklärt, daß du die Absicht habest, der Henker und Schinder des Säfir zu sein.«

Er sah mich erstaunt an. Er hatte meine Fragen mit stolzem Selbstbewußtsein beantwortet; jetzt klang seine Stimme ganz anders, als er sagte:

»Sihdi, du bist ein sehr gefährlicher und gegen deinen treuen Halef ein ganz schlechter Mensch!«

»Wieso?«

»Du hast mich wieder einmal von hinten herum übertölpelt und gefangen! Warum kommst du mir nicht lieber und ganz ehrlich und aufrichtig von vorn herum?«

»Weil die Breite deines Verstandes«, von welcher du so gerne sprichst, vorn größer ist als hinten.«

»So! Du gestehst also ein, daß du dich nicht an die vordere Hälfte meiner Klugheit wagst, sondern dich vor ihr fürchtest. Das sollte mich eigentlich freuen; aber diese Freude wird mir durch das Bewußtsein vergällt, daß du nicht ehrlich mit mir verfährst. Ich aber frage dich aufrichtig in dein Gesicht: Hast du mir versprochen, daß ich dem Säfir die Peitsche geben darf?«

»Ja, das that ich.«

»Und nun willst du mir dieses dein Versprechen nicht halten?«

»Ich habe es ja gehalten!«

»Wie – —? Wirklich – —? Hättest schon – —?«

»Ja. Hat er Hiebe von dir bekommen oder nicht?«

»Hm. Freilich hat er sie!«

»Nun, wozu also deine grundlosen Vorwürfe?«

Da schüttelte er bedauernd den Kopf und antwortete:

»Oh, Sihdi, Sihdi, wenn du wüßtest, wie groß der Schmerz der Enttäuschung ist, welchen du mir bereitest! Ich glaubte, ich dürfe meine Kurbadsch einmal so recht aus vollstem Herzensgrunde schwingen, und nun soll sie sich mit den wenigen, armseligen Hieben begnügen, von denen sie nicht im entferntesten satt werden konnte, sondern nur noch viel größeren Hunger bekommen hat! Wenn du deinen großen Versprechungen so kleine Erfüllungen folgen lässest, muß ich dich für einen zwar großen, aber leeren Geldbeutel halten, mit dem nichts anzufangen ist. Es geschieht jetzt nicht zum erstenmal, daß du die freundlichen Bewegungen meiner Peitsche durch den Hinweis auf meinen Ruhm und meine Ehre hemmst. Ist die Ehre denn nur dazu da, den Besitz einer Kurbadsch fruchtlos zu machen? Meine Peitsche gehört zu mir, wie meine Hand zu mir gehört; sie ist ein Teil von mir selbst. Sie hat auch ihre Ehre, welche zugleich die meinige ist. Wie kann ichmich also dadurch entehren, daß ich ihr ihre Ehre gebe?«

»Dein Schluß ist falsch, weil er von einer falschen Voraussetzung ausgeht.«

»Da irrst du dich, denn meine Ansicht ist, daß der Säfir Hiebe bekommen soll, aber keine Voraussetzungen.«

»Hier wird die Breite deines Verstandes so schmal, daß man gar nichts mehr von ihm bemerkt. Wir wollen uns nicht streiten, sondern die Sache kurz machen: Wenn du es für dein Recht hältst, den Säfir prügeln zu dürfen, so will ich es dir nicht nehmen. Also prügle ihn! Aber dann wundere dich nicht, wenn ich dich nicht mehr als meinen Chabib[182], sondern als einen Dschellad[183] betrachte, der meinem Herzen nichts sein kann und nur für meine Augen etwas ist, nämlich das gefühllose Werkzeug des Gesetzes. Ich gehe!«

Ich wendete mich von ihm ab.

»Wohin, Sihdi?« fragte er schnell, indem er mir nachkam und mich am Arme faßte.

»Ich will die Leichen der Ermordeten suchen. Das ist eine Aufgabe der Pietät und keine Henkerarbeit.«

»Nimm mich mit! Wir müssen dem Säfir und dem Ghasai beweisen, daß wir ihre Angaben nicht brauchen, sondern ganz von selbst so klug sind, zu erfahren, was wir wissen wollen. Schau her! Ich stecke meinen Kurbadsch in den Gürtel und verzichte also darauf, dem Perser das Zeugnis seiner Verworfenheit auf den Rücken zu mal en. Der frühere Kol Agasi und jetzige Bimbaschi wird schon dafür sorgen, daß nicht weniger gegeben wird als gegeben werden darf.«

»So ist‘s recht!« lobte ich ihn. »Jetzt bist du ganz der, der du sein sollst!«

»Wer?«

»Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah, der oberste Scheik der Haddedihn vom großen Stamme der Schammar.«

Da richtete er seine kleine Gestalt so hoch wie möglich auf, blitzte mich mit leuchtenden Augen an und sagte:

»Jawohl, der bin ich ganz bestimmt! Ich bin der oberste Regent meiner herrlichen, meiner lieben Haddedihn, welche mir so gehorchen, wie kaum die Türken ihrem Padischah oder die Perser ihrem Schah-in-Schah gehorchen. Ich tausche mit keinem Menschen auf der ganzen Welt und habe die Peitsche nur zum Regieren, aber nicht um die Arbeit eines Henkers zu verrichten. je berühmter der Mann, desto weniger hat er es nötig, die Kurbadsch selbst zu führen! Ich gehe mit dir, der du ebenso berühmt bist wie ich selbst!«

 

Ich sagte dem Bimbaschi, daß wir uns jetzt entfernen, aber bald wiederkommen würden; er könne inzwischen in der »Sprache der Prügel« mit dem Säfir reden. Dann bestiegen wir unsere Pferde und ritten fort.

Zwar hatte der Gedanke, mich bei dem Pischkhidmät Baschi zu erkundigen, nahe gelegen, aber ich wollte mit diesem undankbaren Menschen nichts mehr zu thun haben und verzichtete also darauf, mit ihm zu sprechen oder gar ihn mitzunehmen. Übrigens hätte er mir wohl schwerlich eine bestimmte Auskunft geben können, denn er kannte die Gegend nicht; es war Nacht, also dunkel gewesen, als er hier angekommen und überfallen worden war, und wohin man die Leichen geschafft hatte, das war eine Frage, die er noch viel weniger als jede andere beantworten konnte. Ich hielt es für das beste, mich auf mich selbst zu verlassen. Halef konnte mir auch nur wenig nützen, weil er kein Fährtensucher war. Ich hatte ihn nur mitgenommen, um ihn von der Prügelstelle zu entfernen.

Indem wir in nördlicher Richtung, woher wir gekommen waren, längs der Ruinen hinritten, betrachtete ich unausgesetzt den Boden, um die mir passenden Spuren zu entdecken. Ich fand bald die unserigen und bald andere, aber nicht die, welche ich suchte. Wir ritten dann ostwärts, über die Fährte der Pascher hinaus, welche vom Kanale herkam, und stießen dann wieder auf die Eindrücke der Karwan-i-Pischkhidmät Baschi. Nun war es mir klar, daß der Überfall nicht hier im Norden, sondern südlich von unserm jetzigen Lagerplatze stattgefunden hatte.

Die Karawane war von dem Säfir über die Stelle, wo die unterirdischen Räume lagen, hinausgeführt worden; es wäre auch sehr unvorsichtig von ihm gewesen, sich grad dort über sie herzumachen, denn er hatte sich doch wohl sagen müssen, daß jedenfalls Spuren zurückbleiben würden. Wir kehrten also um und ritten zurück.

Als wir uns dem Lagerplatze näherten, rief uns der Anführer der Beduinen höhnisch zu:

»Nun, wo liegen die Ermordeten, nach denen ihr suchtet? Eure große Klugheit hat sie euch doch jedenfalls gezeigt!«

Er hatte also unsere Absicht erraten, und glaubte, wir würden nach diesem vergeblichen Ritte nun von den Pferden steigen und hier bleiben. Ich antwortete nicht; aber dem kleinen Halef war es unmöglich, zu schweigen. Er warf ihm, indem wir vorüberritten, die Drohung hin:

»Wir kommen nur, um dir zu sagen, daß du für jeden Toten, den wir finden, nach unserer Rückkehr fünf Streiche auf die Sohlen erhalten wirst!«

Es war so, wie ich gedacht hatte; die Spuren der Karawane führten von hier weiter und fielen mit denen der auf ihnen zurückgekehrten Räuber zusammen. Nach ungefähr fünf Minuten hörten sie auf, und wir befanden uns an der stark mit Blut getränkten Stelle des Überfalles. Es gab zwar kräftige Fuß- und Hufeindrücke, aber zerstampft und aufgerissen, wie es bei einem Kampfe unvermeidlich ist, war der Boden nicht. Die Perser hatten sich ohne eigentliche Gegenwehr abschlachten lassen, feige Menschen, die ebensowenig Mut besaßen wie ihr Herr, der sich doch so gern einen sehr tapfern Krieger nannte!

Diese Stelle lag ungefähr zweihundert Meter von den hier steil ansteigenden Ruinen entfernt, und es führten Fußstapfen hinüber, welche so tief eingedrückt waren, daß ich zu Halef sagte:

»Die Leichen hat man dort hinter die Mauern geschafft.«

»Woraus vermutest du das?« fragte er.

»Wenn du ohne eine Last hinübergehst, werden deine Fußeindrücke viel leichter sein als diese hier. Die Stapfen sind tiefer, weil man die Toten hinübergetragen hat.«

»Werden wir sie finden?«

»Gewiß. Leichname sind keine Geister, welche spurlos erscheinen und verschwinden. Komm!«

Drüben angelangt, sahen wir, daß die Spuren an einem zwar nicht großen, aber hoch an der Mauer aufgebauten Ziegelhaufen endeten, welcher nicht aus einzelnen, sondern noch durch den Asphaltkitt verbundenen Steinen bestand. Wir hatten ihn vorhin in der Entfernung nicht von der Mauer unterscheiden können. Wir stiegen ab und entdeckten, sobald wir nur einige der Konglomerate entfernt hatten, eine breite, doch nur halb manneshohe Öffnung, welche schief abwärts in das Innere zu führen schien. ich kroch hinein und spürte einen starken Moderduft und zugleich jenen eigentümlichen und nicht zu verwechselnden Geruch, welcher auf das Vorhandensein von Leichen deutet, selbst wenn der Tod erst vor wenigen Stunden eingetreten ist.

Indem ich mich, vorsichtig nach allen Seiten mit den Händen tastend, weiter schob, gewahrte ich, daß die Decke über mir in wagerechter Richtung verlief, während der Boden abwärts ging und der Gang, in welchem ich mich befand, also nach und nach tiefer wurde. Es war Sand, auf dem ich mich bewegte; die Wände und die Decke waren glatt; ich fühlte keine Ritzen zwischen den einzelnen Steinen. Wenn das auf eine Asphaltschicht deutete, so war das, was ich Gang genannt habe, wohl ein Kanal gewesen, welcher den Zweck hatte, das Innere des Birs vom ehemaligen Bette des Euphrat her mit Wasser zu versorgen. Durch den vom Westwinde herbeigewehten Sand war nach und nach draußen der Boden erhöht und die Mündung des Kanales bis fast ganz oben herauf verschüttet worden. So erklärte sich auch das Vorhandensein des Sandes im Innern, der immer weniger wurde, je weiter ich hineingelangte, so daß ich bald nicht mehr zu kriechen brauchte, sondern aufrecht gehen konnte.

Ich mochte vielleicht vierzig Meter zurückgelegt haben, als der Sand aufhörte und ich auf glattem Erdpechboden stand. Hier stieß ich mit dem Fuße an einen Gegenstand. Ich bückte mich nieder, um ihn zu untersuchen, und fühlte einen vollständig ausgezogenen, also unbekleideten Menschenkörper. Da fiel mir ein, daß ich ja noch ein Licht und auch Kibritat[184] in der Tasche hatte. Ich brannte es an und sah nun die elf Perser, denen man nicht ein einziges Kleidungsstück gelassen hatte, neben- und aufeinander vor mir liegen. Ich war an dergleichen Scenen gewöhnt, muß aber doch gestehen, daß es mich schauerte. Die Geschichte dieses Ortes trug wohl auch dazu bei. Da stand ich in einem verschütteten Kanale des babylonischen Turmes vor nackten, blutigen Leichen, die mit ihren starren, gebrochenen Augen und klaffenden Wunden einen grauenhaften Anblick boten, zumal bei der mangelhaften Beleuchtung. Das Flackern des Lichtes täuschte mir gespensterhafte Bewegungen hervor, und der mir unbekannte Teil des Kanals jenseits der Ermordeten schien von tausend schattenhaften, durcheinander huschenden oder tanzenden Wesen belebt zu sein. Dazu der schwere, drückende Modergeruch, welcher, je weiter ich vorgedrungen war, desto mehr Leichenduftartiges angenommen hatte. Dieser Gestank konnte nicht von den Persern stammen, die ja noch vor kurzem gelebt hatten. Ich mußte wissen, welche Ursachen er hatte, stieg also über die Toten hinweg, weil kein Platz war, an ihnen vorüberzukommen, und ging weiter.

Da sah ich denn, daß ich mich in einer wahren Massengruft befand. Es lagen Schädel, Knochen und andere Leichenreste in Menge da; ich stieß bei jedem Schritte an sie, bis ich eine Stelle erreichte, wo die Decke eingestürzt war und ich nicht weiter konnte; ich kehrte also um. Die Ghasai hatten ihre Ermordeten hierher geschafft; sie kannten also diese grausige Totenkammer und waren demnach schon oft hier gewesen, um die Spuren und Beweise ihrer Thaten diesem geheimen Orte anzuvertrauen. Kein Wunder, daß ich beschloß, Halefs Drohung solle in Erfüllung gehen!

Als er mich nach einiger Zeit dem finsteren Loche entsteigen sah, schaute er mich erschrocken an und fragte:

»Wie siehst du aus, Sihdi? Wäre dein Gesicht nicht so von der Sonne verbrannt, so würde ich sagen, du seiest blaß wie eine Leiche. Hast du die Ermordeten gefunden?«

»Ja.«

»So hast du dich vor ihnen gefürchtet?«

»Ich, fürchten? Nicht vor Lebenden, viel weniger vor Toten! Der entsetzliche Geruch, den es da unten gab, ist schuld, daß ich so angegriffen aussehe.«

»Was hast du entdeckt? – Erzähle es!«

»Jetzt nicht. Ich muß sofort zu den Beduinen, um dir eine Freude, eine große Freude zu machen.«

»Welche?«

»Frag nicht, sondern komm!«

Wir stiegen wieder auf und ritten nach dem Lagerplatze. Der alte Ghasai schien von der Fruchtlosigkeit unserer Nachforschung vollständig überzeugt zu sein, denn noch war ich nicht aus dem Sattel gesprungen, so fragte er mich hämisch:

»Hat Allah euch den richtigen Weg geführt? Du machst ein so frohes, ein so glückliches Gesicht, daß ich weiß, ich werde die Streiche jetzt bekommen. Wie freue ich mich darauf!«

Ich antwortete ihm nicht, sondern wendete mich an Halef:

»Wie viele Hiebe hast du ihm versprochen?«

»Fünf für jeden Toten; das sind also fünfundfünfzig,« antwortete der Hadschi.

»Er soll sie bekommen, sofort bekommen. Und nach ihm erhält jeder seiner Leute dreißig; aber derb; die Sohlen müssen platzen!«

Da schrie der Alte mich an:

»Untersteht euch nicht etwa, uns auch nur zu berühren!

Wo sind die Toten, die wir ermordet haben sollen? – Zeig sie uns!«

»Dort in den Ruinen haben wir sie gefunden, bei den Resten derer, die ihr schon vor ihnen umgebracht habt!« erwiderte ich ihm.

»Dein verfluchtes Maul ist eine Geburtsstätte der Lüge, und dein wahnwitziges Gehirn brütet Unwahrheiten aus, welche – — —«

Er sprach nicht weiter, sondern unterbrach seine Worte mit einem überlauten Schrei, denn ich hatte, nun endlich doch einmal in Hitze geraten, dem kleinen Hadschi die Peitsche aus dem Gürtel gerissen und zog dem unverschämten Menschen einen solchen Hieb über das Gesicht, daß es sofort aufsprang und das Blut ihm an beiden Seiten herunterlief.

179Mutter der Wonne.
180Röhrenhut, Cylinderhut.
181Vergrößerungsglas, Fernrohr.
182Freund.
183Henker.
184Zündhölzer.
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