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Der schwarze Mustang

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Nur Old Shatterhand und Winnetou lachten nicht; der erstere erklärte vielmehr in sehr ernstem Tone:

»Die Scene mag euch lächerlich erscheinen; sie ist es aber nicht, Mesch‘schurs. Die Chinamänner sind nach ihren Begriffen viel strenger bestraft, als wenn sie von irgend einer Jury zu mehrjährigem Gefängnisse verurteilt worden wären.«

»Was? Ist das möglich?« fragte der Engineer. »Und wenn es so wäre, so gelten hier nicht chinesische Begriffe, sondern unsre Gesetze. Für einen so infamen Diebstahl nur die Haare zu verlieren, das kann ich unmöglich gelten lassen!«

»Nicht nur die Haare, sondern auch die Ehre, Sir!« warf Old Shatterhand ein.

» Pshaw, Ehre! Diese Diebe haben bewiesen, daß sie keine Ehre besaßen, und was man nicht hat, das kann man nicht verlieren. Ihr habt sie in Eurer Weise bestraft; ich werde dieser Strafe noch einen Nachtrag folgen lassen.«

»Welchen?«

»Ich jage sie fort; ich kann in meinem Dienste keine Spitzbuben brauchen.«

»Ihr werdet gar nicht in die Lage kommen, sie fortzuschicken.«

»Nicht? Wieso?«

»Weil sie dadurch, daß sie keine Zöpfe mehr haben, hier unmöglich geworden sind; sie dürfen sich nicht mehr sehen lassen und werden in dieser Nacht gewiß verschwinden.«

»Wenn das so ist, well, da will ich mich zufrieden geben, aber auch aufpassen, damit nicht mit ihnen noch Verschiedenes verschwindet. Diese beiden Zöpfe aber werde ich an mich nehmen, um ein Andenken an diesen hochinteressanten Abend zu besitzen.«

Er bückte sich, um sie aufzuheben. Old Shatterhand aber nahm sie ihm aus der Hand und sagte:

»Erlaubt, Sir! Diese Zöpfe wird ein ganz andrer bekommen.«

»So? Wer?«

»Tokvi Kava, der große und berühmte Häuptling der Komantschen.«

»Der? Warum?«

»Um ihn zu blamieren und zu ärgern.«

»Das verstehe ich nicht.«

»Und es ist doch sehr leicht zu verstehen. Winnetou hatte einen ganz besondern Grund, als er vorhin durch das Zeichen des Skalpierens diese beiden Zöpfe verlangte. Ihr seid doch wohl jetzt überzeugt, daß der ›schwarze Mustang‹ Euer Camp überfallen will?«

»Ja.«

»Worauf wird er es da wohl abgesehen haben? Etwa auf Euer Geld?«

»Schwerlich; das wird sich wohl dieser Yato Inda für seine Verräterei ausbedungen haben; die Roten brauchen keine Dollars; es wird wohl mehr auf unsre Waffen und Munition gerichtet sein.«

»Das allerdings, aber auch auf die Chinesenzöpfe.«

»Meint Ihr?«

»Ja. Wer diese Indsmen so kennt, wie wir sie kennen, der weiß ganz genau, wie sie denken und was sie wollen. Eine so große Anzahl ellenlanger Skalps! Welch eine Beute, und weich eine Ehre! Das soll ihnen aber nicht gelingen, und weil ich niemals ein Unmensch gewesen bin und mit jedem meiner Brüder fühle, gleichviel, ob er von weißer oder roter Farbe ist, so werde ich dem ›schwarzen Mustang‹ als Entschädigung diese beiden Zöpfe feierlichst überreichen.«

»Hallo, ist das ein Wort! Welch ein Ärger muß das für den ›Mustang‹ sein! So etwas kann sich nur ein Old Shatterhand ausdenken!«

»Da irrt Ihr Euch. Ich habe es mir gar nicht ausgedacht.«

»Wer denn?«

»Winnetou.«

»Winnetou? Habe ja kein Wort davon gehört!«

»Aber seinen Wink habt Ihr gesehen.«

»Sollte er dabei wirklich an den schwarzen Mustang‹ gedacht haben?«

»Gewiß! Wir beide pflegen uns nämlich auch ohne Worte zu verstehen. Gibt mir mein roter Bruder recht?«

Er wickelte, indem er diese Frage an Winnetou richtete, die Zöpfe zusammen und steckte sie ein. Der Apatsche antwortete:

»Mein Bruder Shatterhand hat mich genau verstanden. Es wird die größte Demütigung für den Häuptling der Komantschen sein, diese Zöpfe ohne Häute von uns zu erhalten.«

»Das mag ja sein,« gab der Engineer in gedehntem Tone zu; »aber so leicht, wie es gesagt ist, kann es nicht gemacht werden. Ehe man den ›Mustang mit den Zöpfen ärgern kann, muß erst sein Angriff hier abgeschlagen worden und er in unsre Gefangenschaft geraten sein. Ihr thut, als ob dies so einfach wie für einen Professor das Buchstabieren sei; mir aber wird himmelangst, wenn ich nur daran denke. Wollen uns niedersetzen und einen Kriegsrat halten, Mesch‘schurs!«

Er schob mehrere Tische zusammen, so daß auch die weißen Arbeiter mit Platz hatten, und lud sie ein, herbeizukommen. Man setzte sich also nieder; auch Winnetou und Old Shatterhand thaten das, doch war ihnen anzusehen, daß der zu erwartende Kriegsrat für sie nicht diejenige Wichtigkeit hatte, wie für den Engineer. Auch Kas machte eine sorglose Miene und sagte, indem er sich an die Versammlung wendete:

»Wenn die Stare nicht wissen, was sie machen sollen, so pflegen sie sich auf irgend einer schönen, grünen Wiese zusammenzusetzen und zu schwatzen, grad so wie damals bei Timpes Erben.«

»Ihr scheint diese schwierige Sache nicht sehr ernst zu nehmen, Sir!« antwortete der Engineer in halb beleidigtem Tone. »Wir sind keine Stare, sondern Männer.«

»Wer hat denn gesagt, daß ihr Stare seid?«

»Ihr spracht doch von dieser Art von Tieren!«

»Von Staren und von einer schönen, grünen Wiese, ja. Sitzen wir hier etwa auf einer Wiese!«

» Pshaw!«

»Schön! Da hier keine Wiese ist, kann ich euch mit den Staren nicht gemeint haben, Sir. Es muß doch jedem vernünftigen Menschen erlaubt sein, zuweilen auch in schönen Bildern und treffenden Beispielen zu sprechen!«

» Well! Und da Ihr mit diesem vernünftigen Menschen doch wohl Euch selbst bezeichnet, so dürfen wir von Euch jedenfalls auch sehr vernünftige Vorschläge erwarten!«

»Das will ich meinen, obgleich ich anstatt mehrerer nur einen einzigen Vorschlag habe, der alles andre in sich begreift.«

»So laßt ihn hören, Sir!«

»Sehr gern und sofort! Ich stelle also den Antrag, daß wir keinen großen Kriegsrat halten, sondern einfach Mister Winnetou und Mister Shatterhand fragen, was gemacht werden soll. Das ist das einfachste, denn etwas Besseres, als diese beiden Gentlemen, können wir uns doch nicht aussinnen.«

»Das gebe ich ja zu; aber es ist doch gar so viel zu überlegen. Wann wird der Überfall stattfinden? Wieviel Rote werden kommen? In welcher Weise werden sie angreifen? Ich kann mich nur auf meine weißen Arbeiter verlassen, und ihr seht ja hier, wie wenige das sind. Die Chinesen haben keine Gewehre, und wenn sie welche hätten, so würden sie sie doch wegwerfen und ausreißen. Ja, wenn ich so viel Weiße hätte, wie mein Kollege in Rocky–ground! Der hat weit über achtzig Mann, alle wohl bewaffnet; bei den dortigen Sprengarbeiten sind Chinesen nicht zu brauchen.«

»Rocky-ground?« fragte Old Shatterhand. »Hieß dieser Ort schon früher so?«

»Nein; er wurde von uns so genannt.«

»Ist er weit von hier entfernt?«

»Nein. Mit der Maschine ist man in anderthalb Stunden dort.«

»Hm! Die hiesige Gegend ist mir leidlich bekannt, und Winnetou kennt sie noch besser. Freilich bin ich, seit Ihr hier arbeitet, nicht dagewesen und habe also keine Ahnung, wie Eure Strecke läuft. Könnt Ihr mir nicht den frühem Namen der dortigen Gegend sagen? Es genügt der Name eines Thales, eines Berges oder Flusses.«

»Der Rocky-ground schneidet durch den Fuß eines Berges, welcher keinen englischen Namen hatte; von den Roten wird er Ua-pesch genannt. Was das heißen soll, weiß ich nicht.«

»Uff ! Ua-pesch!« rief Winnetou, als ob dieser Name sehr wichtig sei und ihn auf einen guten Gedanken bringe. Als infolgedessen alle ihn ansahen, machte er mit der Hand eine abwehrende Bewegung und fügte hinzu: »Mein Bruder Shatterhand mag an meiner Stelle sprechen. Er weiß es ebenso genau wie ich.«

Die Blicke richteten sich auf den Bezeichneten. Dieser nickte, befriedigt lächelnd, vor sich hin und sagte zum Engineer:

»Ihr wißt nicht, was Ua-pesch bedeutet? Genau dasselbe, wie der Name, den Ihr der Sache gegeben habt, natürlich Steinthal oder Felsenthal. Ihr wißt, daß wir nach dem Alder-Spring wollen. Habt Ihr eine Ahnung, wo diese Stelle liegt?«

»Nein. Ich weiß nur, daß Ihr morgen abend dort eintreffen wollt; es muß also wohl ein Tagesritt von hier sein.«

»Allerdings ein Tagesritt, weil man durch Thäler und Schluchten sehr viele Windungen zu machen hat. Eure Bahn aber scheint in gerader Richtung durchzuschneiden, wie ich höre, denn man braucht ungefähr drei Stunden, um zu Pferde von Eurem Rocky-ground nach dem Alder-Spring zu kommen. Und dieses letztere ist es, was mich und Winnetou so sehr erfreut.«

»Warum erfreut, Sir?«

»Weil es alle Sorgen, die wir ja haben könnten, von uns nimmt und uns gegen die Komantschen eine Karte in die Hand gibt, die sie gewiß nicht übertrumpfen können.«

»Das würde mich riesig freuen. Wollt Ihr es uns nicht erklären?«

»Sagt vorher, in welcher Verbindung Ihr mit Rocky-ground steht!«

»In einer immerwährenden. Wir haben zunächst telegraphische Verbindung, so daß ich in jedem Augenblicke depeschieren kann.«

»Schön! Und die Bahn? Geht der Schienenweg bis hin?«

»Ja, schon seit zwei Wochen. Wir befinden uns hier am Ende des provisorischen Schienenstranges.«

»Welcher Art sind die Wagen?«

»Natürlich noch nicht Personen-, sondern nur Bau— und Materialwagen.«

»Werden auch genügen. Habt Ihr solche Wagen hier?«

»Ein ganzes Dutzend.«

»Und eine Maschine?«

»Nein; die ging gegen Abend nach Rocky-ground zurück.«

»Befindet sich also dort?«

»Ja.«

»Gewiß?«

»Ganz gewiß.«

»So habt die Güte, zu gehen und, ehe wir weitersprechen, nach dieser Lokomotive zu telegraphieren!«

»Was? Wie? Telegraphieren?« fragte der Engineer.

»Nach der Maschine? Telegraphieren? Weshalb? Brauchen wir sie hier?« ertönten rundum die Fragen der andern Anwesenden.

Da sagte Winnetou in seinem ruhigen und doch so bestimmten Tone:

»Mister Engineer mag sofort telegraphieren, ohne lange zu fragen! Mein Bruder Shatterhand weiß ganz genau, was er will.«

 

Der Beamte widersprach ihm nicht und ging; als er nach einigen Minuten zurückkehrte, sagte er:

»Die Depesche ist fort. Ich habe da eine gewisse Verantwortlichkeit übernommen, hoffe aber, daß ich ihr genügen kann.«

»Habt keine Sorge, Sir; es wird Euch kein Vorwurf treffen!« beruhigte ihn Old Shatterhand.

»Ihr hättet mir aber doch wohl vorher sagen können, was die Maschine hier soll!«

»Ich wollte keine Zeit verlieren, denn sie muß wahrscheinlich erst wieder geheizt werden, ehe sie von dort abgehen kann.«

»Das ist richtig; es wurde mir das sofort zurückgeantwortet. Wer soll denn fahren?«

»Winnetou, ich und unsre zwei neuen Gefährten mit unsern Pferden.«

»Niemand von uns mit?«

»Nein.«

»Aber, Mister Shatterhand, das kann ich nicht verantworten. Für Privatextrazüge sind unsre Maschinen und Wagen nicht da.«

»Es handelt sich gar nicht um eine private Angelegenheit, sondern um Hilfe für Euch, gegen die Komantschen. Ich will Euch in kurzem sagen, wie die Sache stand, ehe wir heut hier ankamen, und wie sie nun jetzt steht. Es handelt sich dabei nicht etwa um Vermutungen, sondern um unumstößliche Gewißheiten. Wir täuschen uns nicht, sondern wir kennen die Absichten der Feinde so genau, als ob wir an ihren Beratungen teilgenommen hätten. Der schwarze Mustang‹ wollte das Camp überfallen und sandte seinen Enkel, den Mestizen, unter falschem Namen her, um die Gelegenheit auszuspionieren. Heut abend kamen sie heimlich hier zusammen, um den Tag des Angriffes zu bestimmen. Dieser wäre wahrscheinlich kein naher gewesen, wenn wir uns nicht hier befunden hätten, und der Mestize nicht entlarvt worden wäre; die Roten hätten sich Zeit genommen. Jetzt aber wissen sie, daß wir sie durchschauen, und werden den Streich ausführen, ehe Ihr ihn durch Anlegung von Befestigungen und sonstigen Maßregeln unmöglich machen könnt. Ich bin sogar überzeugt, daß der Überfall gleich heut geschehen würde, wenn es da nicht ganz bedeutende Hindernisse gäbe.«

»Hindernisse?« fiel da der Engineer ein. »Ich denke, grad die gibt‘s heut am allerwenigsten.«

»Wieso?«

»Welch eine Frage! Wenn die Roten in diesem Augenblicke kommen, sind wir verloren!«

»Ja, wenn! Sie können aber nicht kommen, denn sie sind nicht da! Ich setze meinen Kopf zum Pfande, daß der ›schwarze Mustang‹ nur mit zwei oder drei Kriegern hier gewesen ist; sein Lager befindet sich weit, sehr weit von hier. Dazu kommt, daß er uns hier weiß. Der Mestize ist ihm nach und wird ihm sagen, was geschehen ist. Der Häuptling ist also überzeugt, daß wir in dieser Nacht auf der Hut sein werden. Er hat erfahren, daß ich mit Winnetou morgen nach dem Alder-Spring will. Der Besitz unsrer Personen ist ihm mehr, viel mehr wert als alle Beute, die er hier machen könnte. Er wird also schleunigst dorthin reiten, um uns gefangen zu nehmen. Er denkt sich das sehr leicht, weil er sich in dem Besitze unsrer gefürchteten Waffen weiß. Noch leichter wird es ihm dünken, dann, wenn wir in seine Hände gefallen sind, schleunigst hierher zurückzukehren und sich die langen Chinesenskalpe zu holen. Aufschieben darf er das nicht, denn sonst richtet Ihr Euch zur Verteidigung ein. Es gilt nun, ihm zuvorzukommen. Ich muß mit Winnetou eher als er am Alder-Spring sein. Wir müssen ihn beschleichen, seine Krieger zählen, ihn belauschen, um zu erfahren, in welcher Weise er handeln will.«

»Aber, Sir,« fiel da der Engineer ein, »das ist ja ungeheuer gefährlich! Wenn er Euch ertappt, so seid Ihr verloren!«

»Er wird uns nicht ertappen; darauf könnt Ihr Euch verlassen. Ein Westmann kann nur von einer unbekannten Gefahr überrascht werden, nicht von einer, die er kennt. Ein höchst glücklicher Umstand ist der, daß euer Rocky-ground so nahe am Alder-Spring liegt. Wir fahren, sobald die Maschine hier angekommen ist, dorthin, und von da aus reiten wir nach dem Spring, den wir schon früh erreichen. Dort richten wir uns so ein, daß wir alles beobachten können, ohne selbst bemerkt zu werden. Was dann geschieht, hängt von dem ab, was wir erfahren.«

»Werdet Ihr dort wieder zu Euren Gewehren kommen?«

»Wahrscheinlich nicht.«

»Aber es scheint doch, daß es Eure erste Sorge sein muß, sie wieder zu erhalten!«

»Unsre allererste Sorge ist die, Euch zu helfen. Gelingt uns das, so nehmen wir den ›schwarzen Mustang‹ gefangen. Mit ihm gelangen die Gewehre am einfachsten und sichersten wieder in unsern Besitz. Ich bin überzeugt, daß es uns gelingt, ihn zu belauschen. Hören wir, daß Euch Gefahr droht, so reiten wir schnell nach Rocky-ground und bringen die sämtlichen dortigen Arbeiter per Bahn hierher, um die Komantschen in Empfang zu nehmen.«

Bei diesen Worten fuhr der Engineer von seinem Sitze auf und rief in frohem Tone:

»Alle Wetter, ist das ein köstlicher Gedanke! Die Weißen von dort zur Hilfe hierher! Da kann es uns ja gar nicht fehlen; da brauchen wir gar keine Sorge zu haben, denn wir schießen die roten Halunken vom ersten bis zum letzten Manne nieder!«

»Ihr stimmt mir also bei?«

»Natürlich! Ihr habt recht, vollständig recht, Mister Shatterhand. Es ist ganz so, wie ich Euch bereits gesagt habe: Wir werden Euch und Mister Winnetou unsre Rettung zu verdanken haben.«

»So macht Ihr Euch also keine Gedanken mehr darüber, daß ich Euch veranlaßt habe, eine Maschine zu requirieren?«

»Gar nicht, gar nicht, Sir. Ich bin Euch vielmehr außerordentlich dankbar dafür und werde Sorge tragen, daß ihr in Rocky-ground nach Verdienst empfangen werdet.«

»Hm! Was beabsichtigt Ihr da?«

»Ich werde, sobald ihr abfahrt, telegraphieren, daß Old Shatterhand und Winnetou, die zwei berühmtesten Männer des Westens, kommen.«

»Das werdet Ihr nicht thun!«

»Nicht? Warum nicht?«

»Erstens, weil wir nicht mehr und nicht besser sind, als andre Leute auch, und zweitens, weil Ihr damit unsern ganzen Plan gefährden würdet.«

»Meint Ihr?«

»Ja. Es braucht niemand zu wissen, wer wir sind und was wir wollen; es könnte den Komantschen verraten werden.«

»Unmöglich!«

»Sehr leicht möglich sogar l«

»Nein. Wem könnte es einfallen, den Roten eine solche Botschaft zuzutragen!«

»Denkt doch an den Mestizen, der Euer ganzes Vertrauen besaß! Man kann nie vorsichtig genug sein, zumal wenn es sich wie hier um so viele Menschenleben handelt.«

»Well! Aber telegraphieren muß ich; ich werde ganz einfach melden, daß vier Passagiere kommen; dazu bin ich gezwungen. Aber es wäre ein ganz verteufeltes Unheil, wenn Ihr Euch in Beziehung auf die heutige Nacht irrtet!«

»Was wollt Ihr damit sagen?«

»Ich meine: wenn die Komantschen doch heut kämen, und Ihr wäret fort!«

»Sie kommen nicht!«

»Das denkt Ihr, Sir! Ich will ja gern zugeben, daß Ihr in solchen Angelegenheiten tausendmal klüger seid, als ich bin; aber Ihr habt vorhin selbst gesagt, daß man nie vorsichtig genug sein kann.«

»Ich widerspreche Euch nicht; thut also immerhin, was Ihr für Eure Pflicht haltet!«

»Ja, was ist denn da meine Pflicht?«

»Laßt an verschiedenen Seiten des Camp mehrere Feuer anbrennen, und setzt Wachen dazu. Sollten sich die Komantschen je in der Nähe befinden, was ich aber entschieden in Abrede stelle, so werden sie sehen, daß wir auf der Hut sind, und sich nicht heranwagen.«

»Ja, das ist das beste; das werde ich thun.«

Er entfernte sich, um die nötigen Befehle zu erteilen, und bald brannten trotz der herrschenden Nässe sechs mächtige Feuer, welche das ganze Camp erhellten. Er hatte auch in seine Wohnung eine Wache gesetzt, welche ihm das Klingeln des dort befindlichen Telegraphenapparates melden sollte. Vom Schlafe war natürlich keine Rede. Die Vorbereitungen zur Bahnfahrt wurden zeitig getroffen. Für die vier Passagiere und ihre Pferde genügte ein sehr geräumiger Werkzeugwagen, in welchem einige bequeme Sitze hergestellt wurden.

Als das Signal ertönte und die Meldung kam, daß die Maschine in Rocky-ground abgegangen sei, wurden die Pferde in den Wagen gebracht und für die Besitzer derselben noch ein steifer Grog als Abschiedstrunk gebraut. Nach Verlauf von anderthalb Stunden kam die Lokomotive angedampft; der Wagen wurde angehängt; die Reisenden nahmen Abschied und stiegen ein, und der Engineer sandte ihnen die Meldung voraus, daß man in Rocky-ground vier Passagiere zu erwarten habe.

Obgleich das Geleise nur ein provisorisches war und eine beträchtliche Dunkelheit herrschte, flog der kurze Zug mit der Geschwindigkeit eines Eiltrains dahin; das war so amerikanische Weise und Sorglosigkeit. Es tauchte während der ganzen Fahrt kein einziges Licht auf, weil es keinen Haltepunkt gab. Berge, Thäler, Prairien und Wälder waren nicht voneinander zu unterscheiden; es schien, als ob der Zug ohne Unterlaß durch einen endlosen Tunnel brause, und so waren die vier Männer froh, als endlich die Maschine ihre schrille Stimme hören ließ und auch die Lichter des Zieles vorn auftauchten.

Es brannten auch hier mehrere Feuer, bei deren Scheine man zunächst ein langgestrecktes, niedriges Gebäude erkannte, welches einen sehr breiten Eingang hatte. Das Innere schien mehrere Abteilungen zu besitzen, deren eine erleuchtet war. Am Pfosten der Thür lehnte eine schmale, nicht hohe Gestalt, welche in das lederne Habit eines Westmannes gekleidet war. Eine zweite Person stand näher am Geleise, trat, als der Zug hielt, an den Wagen heran, schob die halb offene Thür desselben vollends zurück und sagte:

»Rocky-ground! Steigt aus, Mesch‘schurs! Bin doch neugierig, wegen welcher Art von Menschen der Kollege in Firwood-Camp eine nächtliche Extrafahrt veranstalten läßt.«

»Werdet es gleich sehen und erfahren, Sir,« antwortete Old Shatterhand. »Ich vermute natürlich, daß Ihr hier beamtet seid?«

»Bin der Engineer, Sir. Und Ihr?«

»Ihr werdet unsre Namen hören, wenn wir drin beim Lichte sind. Habt Ihr einen Platz, vier Pferde gut unterzustellen?«

»Werden sehen. Kommt nur erst selbst heraus.«

Er sah, als sie ausstiegen, einem nach dem andern ins Gesicht und brummte dann enttäuscht:

»Hm! Lauter Unbekannte! Sogar ein Roter dabei! Habe etwas andres gedacht!«

»Habt in uns wohl Vorgesetzte oder so etwas Ähnliches erwartet?« lachte Old Shatterhand. »Millionenaktionäre, was? Nehmt es nicht übel, daß wir sehr einfache Menschen Eure Nachtruhe stören! Wir werden gleich weiterreiten; dann könnt Ihr wieder schlafen.«

»Weiterreiten? Dann seid Ihr wohl nur so etwas wie Jäger oder Fallensteller?«

»Allerdings.«

»Und da mutet mir mein Kollege zu, mitten in der Nacht mich eines – – —«

Er wurde unterbrochen. Der schmächtige Mann an der Thür war näher getreten und sagte:

»Bin selbst auch neugierig, was für Mannskinder so mitten in der Nacht per Extrazug im wilden Westen herumkutschieren. Wenn man so in einer Weise – – —«

Er hielt inne. Old Shatterhand hatte ihm den Rücken zugekehrt, drehte sich aber bei dem Klange dieser bekannten Stimme schnell um. Der Kleine erblickte sein Gesicht, unterbrach sich mitten in der Rede und schrie:

»Old Shatterhand! Old Shatterhand!«

»Der Hobble-Frank, der Hobble-Frank!« antwortete dieser, grad ebenso erstaunt.

»Und Winnetou! Winnetou!« rief Frank weiter, als er nun auch den Apatschen erkannte.

»Uff!« antwortete dieser.

Er sagte nur dieses eine Wort, aber es lag in dem Tone desselben alles, was er bei dieser so unerwarteten Begegnung empfand.

»Wahrhaftig, sie sind es! Old Shatterhand und Winnetou!« wiederholte der Kleine, vor Freude beinahe außer sich.

»Kommt in meine Arme; kommt an mein Herz, Mesch‘schurs! Ich kann es nicht lassen, ich muß euch drücken und quetschen, ganz egal, ob ihr es übel nehmt oder nicht!«

Er schlang seine Arme bald um den einen, bald um den andern und rief dabei dem Beamten zu:

»Seht, Mister Engineer, das sind die beiden hochberühmten Westmänner, von denen ich Euch während des ganzen heutigen Abends erzählt habe. Wie hätte ich ahnen können, daß ich sie so schnell danach hier treffen würde!«

Der Engineer hatte eine ganz andre Haltung angenommen; sie war eine fast devote zu nennen; er antwortete:

»Dieser Eurer Erzählung hätte es gar nicht bedurft, Mister Frank. Ich kenne diese beiden Gentlemen schon seit langer Zeit, allerdings nur ihrem Rufe nach, der durch die ganzen Staaten geht. Hätte ich gewußt, daß sie es sind, die mir die Lokomotive brachte, der Empfang wäre ein ganz andrer gewesen. Ich eile, alle meine Leute zu wecken und – – —«

»Halt!« unterbrach ihn da Old Shatterhand. »Wir wünschen unerkannt zu bleiben. Die Gründe dazu werdet Ihr bald erfahren. Wir wollten nicht lange hier bleiben; da wir aber unsern guten Frank so unerwartet getroffen haben, wird es wohl ein Stündchen oder auch noch länger dauern, bis wir fortreiten. Also sagt, habt Ihr einen Ort, wo wir unsre Pferde sicher einstellen können?«

 

»O, Mister Shatterhand, ich werde Eure Pferde grad wie Menschen behandeln, denn ich weiß, was für edle Tiere Ihr und Winnetou reitet. Wir nehmen sie mit herein in die Halle, wo ihr, wenn ich Euch darum bitten darf, die Güte haben werdet, meine Gäste zu sein.«

Was er »Halle« nannte, war das schon erwähnte langgestreckte Gebäude. Der erleuchtete Teil desselben bildete den Restaurationsraum für die dermaligen Bewohner von Rocky-ground. Daneben gab es ein Gelaß zur Aufbewahrung besserer Güter; es war jetzt leer, und hier wurden die Pferde untergebracht. Man hatte sie also fast unter den Augen und konnte ihrer sicher sein.

Als sie hierauf in die Restauration traten, erhob sich der Boardkeeper [Wirt.] verschlafen hinter seinem Tische. Er war nicht zu Bette gegangen, weil er geglaubt hatte, von den erwarteten Gästen etwas zu verdienen. Man hatte wegen des Extrazuges angenommen, daß es vornehme Herren, vielleicht gar Revisoren der Strecke seien. Und nun sah er zu seiner Enttäuschung, daß es einfache Westläufer waren. Er bekam aber schnell einen andern Begriff von ihnen, als der Engineer ihm die zwei berühmten Namen und eine hierauf folgende Bestellung zuraunte.

Noch ehe man sich setzte, hielt es Old Shatterhand für angezeigt, Kas und Has mit dem Hobble-Frank bekannt zu machen. Er sagte also zu dem letzteren in deutscher Sprache:

»Lieber Frank, es ist mir vergönnt, Ihnen eine Freude zu machen. Ich stelle Ihnen nämlich hiermit – —«

»Halt! Still geschwiegen!« unterbrach ihn da der Kleine. »Sie kennen mich, verehrtester Herr Shatterhand. Mich?«

»Natürlich!« lächelte der Gefragte, welcher wußte, daß Frank jetzt eine seiner Eigentümlichkeiten loslassen werde. Bekanntlich war dem Kleinen, so lange er sich der englischen Sprache bediente, seine Originalität nicht anzumerken; sobald er aber deutsch zu reden begann, konnte man sicher sein, sich irgend einer Seltsamkeit erfreuen zu können.

» Bon! Sie, Herr Shatterhand, kennen Ihren Hobble-Frank und wissen also, daß ich ein Mensch bin, der sich seiner abnormen Geistesrechte sehr wohl bewußt is und deshalb seiner Ehre niemals nischt vergibt. Dem Verdienste seine schwedischen Kronenthaler! Die verlange ich für alle Fälle ooch für mich und sehe also schtets darauf, daß ich von meiner devoten Umgebung richtig antituliert werde. Für eenen Mann, wie ich bin, gehört sich das ehrfurchtsvolle Sie, das französische Wuh oder das englische Juh; aber aus Ihrem Munde thut es meinem gefühlvollen Herzen wehe. Ich bin mit Ihnen durch dick und dünn geritten und geloofen; ich habe mit Ihnen gehungert und gekummert; wir haben mit eenander nich nur in Todes-, sondern sogar ooch in Lebensgefahr geschtanden; ich bin, so zu sagen, Ihr geistiges Kind und Ihr leiblicher Vater geworden; unsre Seelen sind sich so innig verschwägert, verschwistert und verwandt, daß ich von Ihnen das Wuh, das Juh und das Sie nich hören mag. Thun Sie mir also den Gefallen, und nennen Sie mich ergebenst nich andersch als nur Du! Wollen Sie?«

Old Shatterhand wiegte den Kopf bedenklich hin und her und ließ ein leises »hm!« als Antwort hören.

»Hm?« fragte der Kleine. »Hier wird gar nischt gehummt und gebrummt! Meine Bitte kommt vom Herzen und is gar nich so schwer zu erfüllen. Werden doch sogar große Herren Du genannt, warum also von Ihnen nich ooch ich!«

»Es ist also wohl Brüderschaft gemeint, lieber Frank?«

»Brüderschaft? Fällt mir nich im Troome ein! Brüderschaft machen nur Menschen, die sich nich höher zu benehmen wissen und ihr orthopädisches Rangdewuh verloren haben. Ich thue das nie, denn ich weeß, was ich meinem intellektuellen Territorium schuldig bin. Da müßte ich Sie doch ooch Du nennen, und zu eener solchen Gütergemeenschaft der unpersönlichen Fürwörter könnte ich mich off keenen Fall entschließen. Sie schtehen hier zwischen zwee Schtühlen. Setzen Sie sich, off welchen Sie wollen! Heeßen Sie mich Sie, so nenne ich Sie Du; verehren Sie mir aber das obligate Du, was mir gebührt, so schteht es in den Schternen bombenfest angeschrieben, daß ich Ihnen Ihr trauliches Sie nicht vorenthalten werde. Also machen Sie es kurz! Wie soll es sein?«

» Well, ich gehe auf deinen Wunsch ein.«

»Sie nennen mich Du?«

»Ja, denn ich weiß, wie du es meinst.«

»Ganz richtig! Wir sind also een Leib und eene Seele, eene Drossel und eene Philomele! Und nun sprechen Sie ergebenst weiter! Sie wollten mir vorhin eene Freede machen.«

»Ja, und zwar dadurch, daß ich dir in diesen beiden Herren zwei Landsleute vorstelle.«

»Was, wirklich? Also Deutsche?«

»Sogar Sachsen!«

»Is es die Möglichkeet! Sachsen? Woher denn?«

»Hier Herr Hasael Benjamin Timpe aus Plauen.«

»Plauen im Voigtlande?«

»Ja.«

»Das freut mich ungeheuer, ja wirklich ungeheuer. Plauen is mir nämlich sehr ans Herz gewachsen, denn dort habe ich bei Anders im Glassalon mein schönstes Bier getrunken und meine besten Schweinsknöcheln à la omelette gegessen; voigtländische Klöße, so grüngenüffte, waren, gloobe ich, ooch dabei. Und der andre Herr?«

»Ist Herr Kasimir Obadja Timpe, ein Vetter von ihm aus Hof.«

»Aus Hof? Hm! So so! Das gehört doch eegentlich nach Bayern; es liegt also eegentlich eene geographisch-ornithologische Landkartenverwechslung vor. Aber in diesem Falle macht es keenen Schaden, weil die Eisenbahnlinie von Plauen nach Hof ganz sächsisch is. Ich kann also Herrn Kasimir Obadja immerhin als Landsmann gelten lassen. Welcher von den beeden is denn eegentlich der wirkliche Vetter, der eene oder der andre?«

»Beide, lieber Frank, natürlich beide.«

»Alle beede also? Hm, ja! Es wird wohl schon so sein; ich war een bißchen irre, denn bei diesem schönen Namen Timpe kann es eenem ganz timpelich zu Mute werden. Hoffentlich gibt es nich noch mehr Leute, welche ooch Timpe heeßen!«

Die beiden Vettern hatten schon von dem Hobble-Frank gehört, ihn sich aber doch nicht so originell gedacht, wie sie ihn jetzt sahen und hörten. Er war ihnen aber gleich so sympathisch, daß Kas schnell antwortete:

»O, Timpes gibt‘s noch mehr. Nämlich Rehabeam Zacharias Timpe, Petrus Micha Timpe, Markus Absalom Timpe, David Makkabäus Timpe, Tobias Holofernes Timpe, Nahum Samuel Timpe, Joseph Habakuk Tim – – —«

»Halt ein, halt ein, halt ein!« schrie der Hobble-Frank, indem er sich beide Ohre zuhielt. »Wenn das so fortgeht, bekomme ich entweder den Wadenkrampf, oder ich schpringe ins erste, beste Wasser! Um eene solche Völkerzählung anhören zu können, muß man ja Nerven wie Telegraphenkabel und Ohrläppchen wie een Elefant besitzen! Timpe, Timpe, Timpe und immer wieder Timpe! Und nun diese Vornamen dazu! Sagen Sie, was haben Sie denn eegentlich für Onkels, für Tanten und für Paten gehabt, daß sie Ihnen solche Namen anhefteten?«

»Die hießen alle auch Timpe.«

»Alle guten Geister! jetzt hört es auf! Wenn Sie nur noch een eenziges Mal Timpe sagen, schieße ich Sie gradewegs über den Haufen; ich muß mein Leben retten! Thun Sie mir den Gefallen, und schreiben Sie an das sächsische Ministerium, um sich eenen andern Namen herüberschicken zu lassen, sonst kann ich unmöglich mit Ihnen verkehren!«

»Das können wir uns leichter machen. Wir lassen uns nämlich von guten Freunden bei den abgekürzten Vornamen nennen, also Kas und Has anstatt Kasimir und Hasael. Wollen Sie?«

»Ja, das lasse ich mir eher gefallen; so eenen guten Freund sollen Sie gern an mir haben. Setzen wir uns jetzt, und – – —ah, was is denn das?«

Diese Frage galt den vollen Tellern und Flaschen, welche der Keeper jetzt auf den Tisch stellte; er winkte nach dem Engineer hin, und dieser erklärte, daß er es für eine hochgeschätzte Ehre halten würde, wenn die Gentlemen seine Gäste sein wollten. Nach amerikanischer Ansicht wäre es eine große Beleidigung gewesen, diese Einladung zurückzuweisen; darum wurde sie angenommen. Hobble-Frank und die Timpes sprachen den Gaben wacker zu; Old Shatterhand aß wenig und nahm nur ein Gläschen Wein; Winnetou verzichtete ganz auf den Trank. Er hatte wohl alle Arten von Spirituosen einmal gekostet, sie dann aber nie wieder getrunken; er wußte gar wohl, daß das »Feuerwasser« der größte Feind des roten Mannes ist, und, fügen wir hinzu, des weißen Mannes auch!

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