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Der schwarze Mustang

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»Mit allem,« nickte der Apatsche. »Mein weißer Bruder hat sehr klug gehandelt. Der Häuptling der Komantschen hat es gar nicht so bemerkt, mit welcher List du ihm die Möglichkeiten und die Waffen, die er noch hätte haben können, aus den Händen gerungen hast.«

»Glaubst du wie ich, daß er wiederkommen wird?«

»Ja. Er wird nicht zögern, denn er glaubt, daß es sonst keinen Weg zur Rettung gibt, und seine Krieger werden ihm gehorchen.«

Als der Komantsche unten angekommen war und die ersten Worte zu seinen Leuten gesprochen hatte, erhob sich ein lautes Geheul. Das war ihre Antwort auf seine Mitteilung, daß sie sich zu ergeben hätten. Um ihn gegen ihren etwaigen Widerspruch zu unterstützen, gab Old Shatterhand mit weithin schallender Stimme einige kurze Befehle. Da kamen alle Weißen, welche sich auf der andern Seite befanden, auf die seinige herüber, um die einzeln heraufkommenden Komantschen dann zu empfangen und gleich zu fesseln, und alle richteten ihre Gewehre nach unten, um auf Old Shatterhands Befehl sofort Feuer zu geben. Auch die unten beim Feuer unter dem Kommando des Engineers befindlichen Weißen richteten ihre Gewehre nach der Schlucht herein. Zu ihnen waren die weißen Arbeiter von Firwood-Camp gestoßen, die sich doch geschämt hatten, ihren Kollegen vom Rocky-ground die Arbeit allein thun zu lassen. Nur Leveret, ihr Engineer, ließ sich nicht sehen, denn er fühlte sich um so sicherer, je weiter er sich vom Kampfplatze befand. Was die Chinesen betraf, so waren sie zwar auf den Ausgang des Abenteuers unendlich neugierig, aber ihre Haut zu Markte zu tragen, das fiel ihnen gar nicht ein. Sie hatten sich in der Ferne niedergelagert, bereit, beim geringsten Zeichen von Gefahr aufzuspringen und auszureißen, und nicht nur die Komantschen waren es, die ihnen diese Furcht einjagten, sondern sie konnten noch immer den weißen Jäger und den roten Apatschen nicht vergessen, welche nur durch die Kraft ihrer Arme ihren dichten Haufen in eine abwärts rollende Lawine verwandelt hatten.

Tante Droll war auch mit von der andern Seite herübergekommen. Er hatte sich neben seinen Vetter Frank niedergestreckt, hielt wie dieser die Mündung seines Gewehres über den Rand der Schlucht hinab und erkundigte sich:

»Hast du, Vetter Frank, alles gehört, was hier gesproche worde is?«

»Wie kannste nur so fehlerhaft und chorographisch fragen!« antwortete der Kleine. »Ich bin doch dabei geschtanden und habe meine Ohren. Warum sollte ich denn da nischt gehört haben?«

»Daßte Ohre hast, das is mer nich ganz unbekannt; aber mancher hat zwee Ohre, ohne daß er höre will, was er höre soll. Is das nich der Häuptling der Komantsche gewese?«

»Ja.«

»Und es is mit ihm verhandelt worde?«

»Ja.«

»Off was hat er sich denn einlasse müsse?«

»Die Komantschen müssen sich ergeben. Sie kommen eenzeln da am Felsen roffgeschtiegen und werden sogleich gefesselt, wenn sie hier oben aus der Beichaise geschtiegen sind.«

»Du, das is wieder mal sehr pfiffig von unserm Old Shatterhand! Hätte se roffschteige könne, wie se wolle, gleich viele so hinter‘nander, so hätte das für uns gefährlich werde könne; da se aber so eenzeln und eelitzig komme müsse, könne se uns keen Schade mache. Ich will nur hoffe, daß alles gut von schtatten geht. Schtricke und Rieme sind genug da, um die Burschen zu fesseln. Es ist doch gleich was ganz andersch, wenn mer in de richtige Gesellschaft kommt! Seit mer gestern Old Shatterhand und Winnetou getroffe habe, werde mer nu wieder was erlebe könne.«

»So? Und mit mir kannste wohl nischt erleben? Höre mal, ich bitte mir diejenige reschpektvolle Hochachtung aus, off welche een Mann von meinen acht Matadoren Anspruch erheben kann! Übrigens haben wir sie nich schon gestern, sondern erscht heute früh getroffen. Wenn dir in deiner Zeitrechnung der falsche Multiplikator abhanden gekommen is, da bilde dir nur ja nich ein, daß ich dir mit meinen altassyrischen Dezimalbrüchen aushelfen werde. Wer da denkt, daß er nischt mit mir erleben kann, der kann grad sehr viel mit mir erleben. Das merke dir in Zukunft ganz ergebenst! Habe ich dir etwa deshalb geschtattet, als mein Vetter und leibhaftiger Cousin geboren zu werden, daß ich mir die gute Laune durch deine falsche Zeitrechnung verderben lassen soll? Behauptet dieser Mensch, bei mir nischt erleben zu können, und dabei kann er nich eenmal. das Addieren vom Zusammenzählen unterscheiden!«

»Na, sei nur gut!« bat Droll. »Ich hab‘s ja gar nich so gemeent! Wer wird nu gleich bei jedem Wort so wie ‚ne Bombe platze!«

»Schweig, alter Generalschtabsgimpel! Wie kannste es nur wagen, mich mit der Bombe in dieselbe Perschpektive zu versammeln!«

»Weilste grad so schnell platzest wie sie.«

»Platzen! Was für een Ausdruck für so eene bedeutende Wissenschaftlichkeet. Weeste denn nich, du Grünschnabel, daß die Bombe nich platzt, sondern exportiert?«

»Du willst wohl sage, explodiert?«

»Explodiert? Wie meenste das, lieber Droll?« fragte Frank in seinem freundlichsten Tone.

Aber wer ihn kannte, der wußte, daß grad diese scheinbare Freundlichkeit eine sichere Explosion in Aussicht stellte.

»Na,« antwortete Droll unbefangen und noch ganz ahnungslos: »Explodiere is doch, wenn was knalle thut; Export aber wird mit Ausfuhr übersetzt. Nich?«

»Ja, das is sehr richtig, lieber Droll, sehr richtig.«

»Schön! Freut mich sehr, daßte mer recht gegebe hast!«

»Recht gegeben?« brach nun der Kleine zornig los. »Bildest du dir das wirklich ein? Ich, und jemanden recht geben, der nich mal so viel Grütze hat, sich in die hochinteressanten Eegenschaften der Haupt— und Vorsilbe ex hineinzudenken! Denkt der Mensch wirklich, daß ich den mineralogischen Unterschied zwischen explodieren und exportieren nich weeß! ja, das war ganz richtig: explodieren heeßt knallen; also das Sodawasser explodiert, die Peitsche explodiert, und die Maulschelle explodiert, weil es eenen Knall dabei gibt. Und das war ooch richtig, daß Export so viel wie Ausfuhr heeßt. Nu sag eenmal, kommt nich das Dominium Ausfuhr von dem Feminium ausfahren her?«

»Das is mir zu gelehrt, aber es wird schon seine Richtigkeit habe.«

»Und wenn man ausfährt, muß man doch wo‘ rausfahren?«

»Ja freilich.«

»Zum Beischpiel aus der Haut?«

»Aus – – der – – – Haut?« wiederholte Droll ganz verblüfft.

»Natürlich! Oder haste noch nie den Ausdruck gehört, daß jemand aus der Haut gefahren is?«

»Gehört, ja; aber gesehe hab‘ ich‘s noch nich.«

»So haste also ooch noch keene Bombe gesehen?«

»Nee.«

»Na, die fährt eben aus der Haut, wenn sie platzt, und weil Ausfuhr so viel wie Export heeßt, so sagen wir Gelehrten, wenn wir unter vier Oogen sind, daß die Bombe exportiert. Hast du das kampiert?«

»Kampiert? Das is ooch wieder so een fremdes Wort. Nimm mirsch nich übel, lieber Frank; aber soll es nich vielleicht heeßen kapiert? Kampieren heeßt doch Lager mache?«

»Ganz richtig! Und etwas kampieren heeßt, es so fest in den Kopp offnehmen, daß es dort lagern bleibt. Verschtanden?«

Droll kratzte sich hinter dem Ohre und antwortete verlegen:

»Hm, ich hab‘s weder verschtande noch kampiert, du weeßt ja, daßte mer nich mit solche fremde Dinge kommen darfst. Ich schtamme nu eenmal aus dem Altenburgischen und bin nich in Moritzburg gebore.«

»Leider, leider ja! Die liebe Schöpfung hat uns mit so ganz verschiedenen Geistesgaben ausgeschtattet, und darum is, obgleich du mein wirklicher Vetter bist, unsre Verwandtschaft doch nur eene hinterpommersche Mesalliance zu nennen. Ich bin dir in allen Schtücken über und kann eegentlich gar nich begreifen, wie unsre beederseitigen Eltern off den komischen Gedanken haben kommen können, grad uns zwee beede durch so eene nahe Verwandschaftlichkeet zu verbinden. Es sollte doch wohl jedem halbwegs gebildeten Menschen freischtehen, sich seine Vettern und Tanten selber auszulesen! Wenn man das dürfte, da wäre es gar nich möglich, daß sich die Natur so viele Mißgriffe in der Vetterschaft zu schulden kommen lassen könnte.«

»So? Da willste also nischt mehr von mir wisse?«

»Sei doch so gut und frag nich so konschterniert und deponiert! Ich habe dich ja gerade deshalb so lieb, weil du dümmer bist als ich. Wo wollte ich denn mit sämtlichen Schtrahlen meiner Weisheet hin, wenn ich niemand hätte, den ich damit erleuchten und obskurieren könnte? Es macht mich doch gerade das so glücklich, daß alle meine Worte wie een Regen sind, der mit seinen Tropfen die geistig Armen erfrischt und die eenzelnen Wissenschaften in das große Meer des philosophischen Oceanos schwemmt. Jene Henne sagte, als sie Eier legte: »Jedem een Ei, aber dem hochschtudierten Schweppermann drei!‹ Du kannst doch nischt dafür, daß ich dieser Schweppermann bin und zwee Eier mehr bekommen habe als du. Aber habe nur keene Sorge nich! Ich weeß, was ich dir als Cousin und Vetter schuldig bin, und werde dir zuweilen von meinem Überflusse eene Portion Rührei mit Schtaudensalat zukommen lassen. Dein schpezieller Schaden soll es nich grad sein, daß die gütige Natur mich zu ihrem Liebling und Geschwisterkind erkoren hat. Mein Wahlspruch ist ja schtets gewesen: ›Singe, wem Gesang gegeben, in dem deutschen Dichterwald, und wer lebt, laß wieder leben, denn im Winter is es kalt!‹ Aber paß off ! Old Shatterhand scheint jetzt rufen zu wollen.«

Die gegebene Frist war vorüber, und der Erwähnte bog sich jetzt über die Felsenkante vor, legte die Hand an den Mund und rief in die Schlucht hinab:

»Tokvi-Kava, eta haueh!« [ »Komm herauf, Tokvi-Kava!« ]

Der Häuptling hörte den Ruf, gab, wie man sah, seinen Leuten noch einen letzten Befehl und wendete sich dann von ihnen, um der Aufforderung Old Shatterhands nachzukommen. Er stieg an derselben Stelle herauf, an welcher er hinabgeklettert war, und während er dies that, sah man, daß seine Leute alle ihre Waffen auf einen Haufen zusammenlegten. Er schien ihnen gesagt zu haben, in welchen Intervallen sie ihm folgen sollten, denn sie standen unten bereit, und erst als er oben angekommen war, folgte ihm langsam der Nächste. Ob es vom Steigen war oder von der Aufregung, welche ihm der Widerspruch seiner Krieger verursacht hatte, man sah es ihm an, daß seine Pulse klopften, als er, die Hände auf dem Rücken zusammenlegend, mit heiserer Stimme sagte:

 

»Tokvi-Kava hat sein Wort gehalten; hier, fesselt mich wieder! Aber nehmt Euch in acht, daß wir Euch nicht auch einmal Riemen an die Hände legen! Wenn das geschieht, dürft Ihr sicher sein, daß Ihr unter der Sonne nichts mehr zu suchen habt!«

Er wurde gebunden und ein Stück fortgeführt. Der ihm folgte, wurde auch gefesselt und dann Rücken an Rücken mit ihm zusammengebunden. Indem man die Gefangenen auf diese Weise zu zweien aneinander befestigte, wurde man ihrer doppelt sicher.

Es blieb so, wie man gleich zuerst beobachtet hatte: Es folgte jeder Komantsche dem Vorangestiegenen erst dann, wenn dieser die Höhe erreicht hatte, und so gewann man Zeit, die Taschen jedes einzelnen genau zu durchsuchen und ihn mit einem Kameraden zusammen zu binden. Natürlich hatte Tokvi-Kava diese Anordnung mit Absicht getroffen. Weshalb? Um den Feinden die Festnahme seiner Krieger zu erleichtern? Wohl kaum! Oder um sie durch diese Fügsamkeit zu veranlassen, ihm die Freiheit unter annehmbaren Bedingungen zu geben? Vielleicht! Es war auch anzunehmen, daß er es nur gethan hatte, um ihnen zu zeigen, daß ihm jetzt außer der erwarteten Freiheit alles andre gleichgültig sei, und daß er überzeugt war, daß er denen, die ihm jetzt Gehorsam abzwangen, später alles werde heimzahlen können.

Als endlich alle abgefertigt worden waren, lagen weit über fünfzig zusammengebundene Indianerpaare an der Erde. Tokvi-Kava rief Old Shatterhand zu sich und sagte:

»Es ist mir schwer geworden, meine Krieger zum Gehorsam zu bewegen. Wirst du dir nun auch Mühe geben, den Bleichgesichtern unser Leben abzuringen?«

»Ich werde sogar mehr halten, als ich dir versprochen habe,« antwortete der Jäger. »Ich sagte dir, daß ich meinen Einfluß geltend machen wolle. Jetzt, da du uns so gehorsam gewesen bist, gebe ich dir das feste Versprechen, daß euch euer Leben und eure Freiheit sicher ist.«

Da stieß der Komantsche ein schrilles Gelächter aus und rief, indem ein Blitz unendlichen Hasses aus seinem Auge über Old Shatterhand hinschoß:

»Gehorsam? Ich euch? Ist der Löwe dem Hunde oder der Büffel dem Stinktiere gehorsam? Was denkst du, wer du bist? Eine eiterige Beule, die ich aus dem Leibe der bleichen Rasse herausschneiden werde, um sie in dem einsamsten Winkel der Savanne verfaulen zu lassen! Und was ist Winnetou? Der verachtetste und feigste unter den Apatschen. Ein Gift, welches ich voll Ekel ausspucken und mit dem Fuße in die Erde scharren werde! Hast du im Eise des vergangenen Winters den letzten Rest deines Gehirns erfroren, daß du zu behaupten wagst, der schwarze Mustang sei dir gehorsam gewesen? Ich schwöre dir beim großen Manitou und bei den Geistern aller unsrer Häuptlinge, denen wir in die ewigen Jagdgründe folgen werden, daß die Zeit kommen wird, in welcher ihr erfahren werdet, wer zu befehlen und wer zu gehorchen hat! jetzt aber blase ich dich von mir fort, wie man die Schmeißfliege von dem Fleische bläst. Geh fort von mir! Es wird mir übel, wenn ich dich nur sehe!«

Die einzige, ruhige Erwiderung Old Shatterhands war die Frage:

»Willst du dich vielleicht um das Leben reden? Noch bist du unser Gefangener und nicht frei!«

» Pshaw!« lachte er verächtlich. »Tokvi-Kava läßt sich von dir nicht bange machen! Old Shatterhand hat gesagt, daß uns unser Leben und unsre Freiheit sicher sei!«

»Ach! So fest verlässest du dich auf mein Wort? Weißt du, welche Ehre du mir damit erweisest? Du hast dich nicht getäuscht. Schütte deinen ganzen Grimm über mich aus, ich halte doch, was ich versprochen habe.«

»Doch nur aus Angst vor uns, aus Angst, denn jeder Tropfen Blutes, den ihr uns nehmen könntet, würde von unserm Stamme von euch gefordert werden, und ihr müßtet am Marterpfahle eines Todes sterben, den noch kein Bleichgesicht gestorben ist. Nur Furcht ist‘s, pure Furcht, warum ihr es nicht wagt, unsre Haut auch nur zu ritzen!«

»Du darfst uns, ungestraft am Leben, lästern, weil ich dir mein Wort gegeben habe. Weil du weißt, daß Old Shatterhand keine Unwahrheit sagt, bist du überzeugt, frech gegen mich sein zu dürfen. So wie jetzt du, bellt der Hund, dem man die Zähne ausgebrochen hat, daß er nicht beißen kann!«

»Und dieser Hund bist du!« schrie der Komantsche wütend. »Sieh hier meinen Fuß! Er wird dir bald den Tritt versetzen, der dich vor Schmerz zum Heulen bringt!«

»Du darfst viel, sehr viel wagen, weil du mein Versprechen hast,« mahnte ihn Old Shatterhand ruhig lächelnd. »Doch treib es nicht zu weit! Wenn du dich nicht zu beherrschen weißt, werdet ihr es zu bereuen haben.«

»Zu bereuen? Auch dieses Wort gibt dir die Angst nur ein. Sag, was du willst, ich verlache deine Drohung!«

Da wurde das Gesicht des weißen Jägers ernst, und seine Stimme klang voll und schwer, als er sagte:

» Well, ganz wie du willst! Ich werde allerdings halten, was ich versprochen habe, aber kein Wort, keine einzige Silbe mehr. Wie ich das meine, wirst du bald erfahren. Ich hatte mir vorgenommen, noch milder zu verfahren, als ich durch mein Versprechen verpflichtet war; das ist jetzt nun vorbei, und meine Mahnung wird sich bald erfüllen; die Reue wird schnell kommen!«

Da zog der Komantsche den Kopf zwischen die Schultern und schnellte sich trotz der Fesseln ein Stück empor, um Old Shatterhand anzuspucken, was ihm auch gelang. Da ballte Winnetou, der sonst so ruhige, überlegene Mann, den nichts aus der Fassung bringen konnte, die Faust und rief zornig:

»Scharlih [ Karl, der Vorname Old Shatterhands. ], er hat dich mit seinem Geifer besudelt. Wer soll ihn dafür züchtigen, du oder ich?«

»Nicht du, sondern ich, aber anders, als du denkst,« antwortete sein weißer Freund. »Er ist nicht wert, daß ihn deine Hand berührt.«

Auch andre waren tief empört über die unglaubliche Frechheit des Komantschen, der jetzt, da er seines Lebens sicher war, den nur mit Mühe so lange verschlossenen Grimm hervorbrechen ließ. Eine Menge Stimmen der Weißen ließen sich, schnelle Vergeltung fordernd, hören. Kas, der lange Blonde, ließ seinen kleinen Kopf von einer Seite auf die andre gehen; sein Stumpfnäschen schien noch einmal so groß geworden zu sein; seine sonst so gutmütigen Mausäuglein blitzten, und unternehmend zog er die Schaftstiefel an seinen Storchbeinen empor, wobei er sich mit lauter Stimme erbot:

»Mister Shatterhand, das ist zu stark; das könnt Ihr ganz unmöglich dulden! Ich bin bereit, ihm das große Maul zu stopfen.«

»Womit?«

»Mit einem Riemen, den ich ihm um den Hals lege; dann bringen wir ihn hoch, dort an den Baum, der einige so schöne Äste hat, die jedenfalls nur zu dieser Prozedur so hübsch gewachsen sind. Wenn ihm dann der Atem ausgeht, kann ich nicht dafür. Hätte er ihn für was Besseres aufgespart! Wer nicht hören will, der muß fühlen; das ist ein altes, gutes Wort, und das gab es damals schon bei Timpes Erben!«

»Danke! Wenn er geboren worden ist, um aufgehängt zu werden, so wird er schon noch eine dazu passende Schlinge finden, ohne daß grad wir es sein müssen, die sie ihm um den Hals legen.«

»Was?« rief der Hobble-Frank. »Er soll Sie in dieser Weise beleidigt und mit faulen Erdäpfelschälern beworfen haben, ohne daß er seinen philharmonischen Lohn dafür bekommt? Das kann ich nich dulden, das geht mir gegen den Schtrich, wie dem Pudel, wenn er von hinten nach vorn gebürschtet wird! Es gibt am südlichen Firmamente eene helle Schtelle, von welcher das Gesetz der Wiedervergeltung tief herunterhängt. Viele können die Buchschtaben desselben lesen, viele aber ooch nich. Zu denen, die es lesen können, gehöre natürlich in erschter Linie ich, und so halte ich es für meine größte und inkompetente Pflicht —«

»Hier kann nur von meiner Pflicht die Rede sein, nicht von der deinigen, lieber Frank,« unterbrach Old Shatterhand den Redefluß des kleinen Mannes. »Laß es also mir über, diesem roten Patron auf seine Frechheiten zu antworten!«

»Das thu‘ ich aber nich; das thu‘ ich wirklich nich, denn wenn ich Ihnen die Macht und Gewalt des renitenten Oberschtaatsanwaltes überlasse, so weeß ich schon im voraus, daß die Rothaut den delikatesten Milchreis mit Austernsauce anschtatt tüchtige Prügel kriegt.«

»Keine Sorge, Frank! Dieses Mal denke ich nicht daran, Nachsicht zu üben.«

»So? Also werden Sie endlich ooch eemal gescheit? Zwar sehr schpät, aber doch! Demnach haben Sie ihm wirklich eene Schtrafe zuverdefendiert?«

»Ja.«

»Da bitte ich Sie um die große Diagnose und Gefälligkeet, mich dabei als den erschten Tragödien— und Soubrettensänger mitwirken zu lassen! Die Rolle brauch‘ ich gar nich erscht auswendig zu lernen, denn ich drehe dem Alten das Inwendige so nach außen, daß wir ihm mit der größten Splendidität und Leichtigkeet alle beeden Seiten ausklopfen und sympathisieren können. Befehlen Sie also gütigst, Herr Inschpektor und Direktor, wenn der Vorhang offschteigen soll! Das verehrte Publikum trampelt schon mit allen Beenen, und das ganze Haus is ausverkooft!«

»Gut, dein Wunsch soll erfüllt werden. Ist dein Bowiemesser noch scharf?«

»Scharf und schpitz wie een gut eingeölter Blitz, Herr Shatterhand.«

» Well! So mögen Kas und Has den Häuptling so fest halten, daß er den Kopf nicht bewegen kann, und du schneidest ihm den ganzen dicken Haarschopf herunter, lässest aber eine Strähne stehen, an die wir diese schönen ostasiatischen Zierden festbinden können.«

Er zog bei diesen Worten die Zöpfe der zwei chinesischen Gewehrdiebe aus der Tasche.

»Hurra, die beeden Kang-Keng-King-Kongzöpfe! Die hatte ich beinahe ganz vergessen! Hurra, hurra, is das een großartiger schtylistischer Gedanke! Ich bin so erfreut und so entzückt, als ob heute mein diatonischer und kynologischer Geburtstag wäre! Dem Manne kann sofort geholfen werden, nämlich von dem Schopfe und zu den Zöpfen! Kommen Sie her, Herr Timpe Nummer eens und Timpe Nummer zwee! Ihr Name hat für mich zwar gar keenen schönen Karbol— und Klarinettenklang, aber bei so eener famosen Operation kann er mich doch nich schtören. Passen Sie off, Mesch‘schurs und meine Herren, das große Werk kann beginnen. Der Vorhang geht in die Höhe, aber die Haare müssen runter! Ich schpiele den Barbier von Sevilla ohne Borschtenpinsel und Seefenschaum, und der Komantsche wird den ›geschundenen Raubritter geben. Beim erschten Offzug singe ich ihn an: ›Reich mir die Hand, mein Leben!‹ und hierauf trägt er die Gnadenarie aus ›Robert und Bertram‹ vor. Dann beginnt der Chor der Rachebrüder: ›Schab, Hobble, schab, der Schopf der muß herab!‹ Sodann fällt er ein: ›Leise, leise, lieber Frank, sonst wird meine Kopfhaut krank!‹ aus dem Freischütz, wenn ich mich nich irre oder wenn sich Weber nich geirrt hat. Am Schluß des erschten Aktes das Terzett: ›Mond, ich grüß dich tausendmal, der Komantsche is nu kahl!‹ Wenn kurze Zeit schpäter der Vorhang wieder in die Sofitten oder in die Lafetten gezogen wird, schtimme ich mit Harmoniumbegleitung an: ›Weint mit ihm des Schmerzes Thräne, fadendünne ist die Strähne!‹ worauf er ganz alleene mit dem Doppelquartett antwortet: ›Weil ich sonsten ohne Hut mich nich sehen lassen kann, lieber Hobble, sei so gut, bind mir die Chinesen dran!‹ Das thu‘ ich natürlich ooch, weil meine Rolle es so mit sich bringt, und wenn es geschehen is, fallen sämtliche Mitschpieler und Zuschauer mit dem ganzen Orschester in den Lobgesang ein: »Jubelt laut, ihr roten Brüder, denn die Zöpfe bammeln nieder! Euer Häuptling is entzückt, daß sein Schädel ward geschmückt; führt ihn im Triumph nach Haus, die Komödie is nu aus! worauf das Publikum offschteht und der Vorhang aber niedergeht. In dieser Weise denke ich mir das Festprogramm, und nu, meine Herrschaften und übrigen Gentlemen, mag das Schtück beginnen. Wer am besten schpielt, kriegt ooch keene Gage!«

Der kleine, lustige Kerl war ganz begeistert von der Aufgabe, die ihm zugeteilt worden war. Er hatte seinen launigen Vortrag zwar in deutscher Sprache gehalten und konnte also nur von den Deutschen vollständig verstanden werden, doch waren seine Gestikulationen und sein Mienenspiel so bezeichnend gewesen, daß auch die andern Weißen sich denken konnten, was er meinte; die Roten aber hatten keine Ahnung davon.

Der Häuptling allerdings sah die Blicke, welche sich auf ihn richteten; er sah das Bowiemesser in der Hand des Hobble-Frank, und er sah die chinesischen Zöpfe, welche dieser von Old Shatterhand erhalten hatte. Er mußte schließen, daß es mit diesen Gegenständen auf ihn abgesehen sei, aber was man vorhatte, das konnte er sich doch nicht denken. Etwas Gutes war es jedenfalls nicht, das sagte er sich, indem er an die Art und Weise dachte, in welcher er Old Shatterhand beleidigt hatte. Es wurde ihm bange, und diese Bangigkeit steigerte sich, als Kas und Has rechts und links von ihm niederknieten und ihn ganz unheimlich verheißungsvoll mit ihren Blicken maßen.

 

»Was wollt ihr hier? Was soll mit mir geschehen?« fragte er sie.

An ihrer Stelle antwortete Old Shatterhand:

»Du sollst ein Geschenk von mir erhalten, weil du so freundlich und so höflich zu mir gewesen bist.«

»Welches Geschenk?«

»Ihr seid hierher gekommen, um euch die Skalpe der gelben Männer zu holen, habt sie aber leider nicht bekommen können, weil die Chinesen sie selbst behalten wollten. Da du denken kannst, wie sehr ich dir gewogen bin, wirst du einsehen, wie leid es mir thut, daß auch du als Häuptling auf den Besitz eines solchen Skalpes verzichten sollst. Mein gutes Herz hat es darum möglich gemacht, dich nicht nur mit einem Zopfe, sondern sogar mit diesen zwei Zöpfen überraschen zu können. Ich hoffe, daß du diese Gaben dankbar von mir entgegennimmst!«

Tokvi-Kava ließ ein zweifelhaft klingendes »Uff!« hören, da er keine andre Antwort geben konnte, weil er nicht wußte, welche Absicht sich hinter den freundlichen Worten des Sprechers verbarg. Dieser fuhr fort:

»Zöpfe gehören natürlich an den Kopf, und so denke ich, daß es dir lieb ist, wenn ich sie da anbinden lasse, wo du sie zum Andenken an mich tragen wirst.«

»Uff, uff!« antwortete er da, zornig werdend. »Skalpe hängt man nicht an den Kopf, sondern an den Gürtel. Und das sind gar nicht Skalpe, sondern nur Haare der feigen Gelbhäute ohne Haut daran. Der Krieger, welcher solche Haare trüge, würde von den Kindern und von den alten Weibern verlacht und verspottet werden!«

»Du wirst sie aber dennoch tragen, denn ich schenke sie dir und bin gewohnt, daß meine Gaben geachtet werden.«

»Behalte sie; ich mag sie nicht!«

»Ob du sie magst oder nicht, danach frage ich nicht. Sie sind für dich bestimmt, und ich werde sie dir jetzt anheften lassen.«

»Wage es, dies zu thun!« schrie der Rote auf. »Vergiß nicht, daß ich ein Häuptling bin!«

» Pshaw! Du weißt ganz genau, daß auch ich ein Häuptling bin, ein Häuptling der weißen Jäger und zugleich ein Häuptling der Apatschen, die mich mit derselben Macht wie Winnetou bekleidet haben. Und wie hast du vorhin gewagt, mit mir zu sprechen! Meinst du, Wurm, daß ich in dir den Häuptling achten müsse, den du in mir verspottet hast? Du bist seit vorhin in meinen Augen nichts, als eine rote Fratze, an welche ich die Zöpfe der Chinesen hängen werde, zur ernst gemeinten Mahnung an deine Krieger, daß ja nicht wieder irgend einer von ihnen sich erdreiste, zu denken, Winnetou und Old Shatterhand seien Knaben, mit denen man machen könne, was man will!«

Die Augen Tokvi-Kavas wurden stier; er biß die Zähne zusammen und zischte zwischen denselben hervor:

»Ich warne dich. Wage es ja nicht, den Kopf eines Kriegshäuptlings mit diesem Abfall gelber Hunde zu beleidigen!«

»Du sprichst von einem Wagnis und wagst es doch selbst, mich zu warnen? Ich habe dich vorhin auch gewarnt. Hast du auf mich gehört? jetzt kommen die Folgen, da du mir nicht glaubtest, daß du deine Beleidigungen bereuen würdest. Du wirst diesen ›Abfall gelber Hunde‹ tragen, und ich will dir das so bequem wie möglich machen. Du bist nicht bloß mit der Skalplocke, sondern mit dem vollen Haar geschmückt; dieses Haar und dazu die Zöpfe, das würde zu viel sein für deinen Kopf; darum werde ich dir jetzt den Schopf abschneiden lassen, um Platz für die Haare der Chinesen zu bekommen.«

Wäre ein Blitzstrahl neben Tokvi-Kava in den Boden gefahren, er hätte nicht tödlicher erschrecken können. Seine Augen wollten zwischen den Lidern hervorquellen; seine Züge nahmen den Ausdruck eines wilden Tieres an; er richtete sich trotz der Fesseln halb empor, und mit vor unsagbarem Grimme bebender Stimme schrie er laut auf:

»Meinen Schopf willst du abschneiden lassen? Meinen Schopf, die Zierde meines Hauptes, den Ausdruck der Kraft und den Sitz der Adlerfedern, welche meine Würde verkünden und von meinem Ruhme sprechen! Der, der soll abgeschnitten werden?«

»Ja, und zwar sofort.«

»Wage es, wage es doch, wenn du dafür eines Todes sterben willst, welcher soviel Martern hat, wie die Schmerzen von tausend zu Tode gequälten Menschen!«

» Pshaw! Diese deine Drohung macht mich lachen. Sie hält mich keinen Augenblick auf, das zu thun, was ich mir vorgenommen habe. Legt ihn nieder und haltet ihn fest!«

Diese Weisung galt den beiden Timpes, welche ihr sofort folgten. Sie zogen den aufgerichteten Oberkörper des Komantschen auf den Boden nieder und hielten ihn da, ohne sich anstrengen zu müssen. Er leistete in diesem Augenblick keinen Widerstand, er verhielt sich so, wie es der kleine Käfer macht, der sich tot stellt, wenn er angegriffen wird. Er lag lang ausgestreckt, hatte die Augen geschlossen und murmelte halblaut vor sich hin:

»Nein, er wird es nicht wagen; er kann es nicht wagen; er darf es nicht thun. Einem Häuptling den Schopf abschneiden, das ist noch nicht geschehen, so lange es rote Krieger und so lange es weiße Menschen gibt!«

»Wenn es wirklich noch nicht geschehen sein sollte, so wird es jetzt geschehen,« beharrte Old Shatterhand auf seinem Willen. »Fang an, Frank! Wir wollen nicht die Zeit unnütz versäumen.«

»Ganz recht,« antwortete der Kleine, indem er die Zöpfe einstweilen weglegte und mit dem Messer in der Hand zum Häuptling trat. Dieser hörte die Schritte, öffnete die Augen und sah ihn kommen. Nun erkannte er, daß das für unmöglich Gehaltene doch geschehen sollte, und diese Erkenntnis gab ihm Riesenkraft. Er warf, obwohl ihm die Hände auf dem Rücken zusammengebunden waren, mit einer Doppelbewegung seines Oberkörpers die beiden Timpes von sich ab. Sie faßten ihn freilich sofort wieder und strengten alle ihre Kräfte an, ihn nieder zu halten, doch war er ihnen durch die gewaltige Aufregung, in der er sich befand, für den Augenblick so überlegen, daß noch zwei andre Männer auf ihn knieen mußten, ehe sein Kopf so festgehalten wurde, daß der Hobble-Frank sein Werk beginnen konnte. Kaum war dies geschehen, und der Kleine hielt die erste abgeschnittene Strähne in der Hand, so hörte der Widerstand auf und der Körper des Komantschen streckte sich als wie im Tode. Es kam nach der übermäßigen Anstrengung das Gefühl völliger Ohnmacht über ihn, und er ergab sich in sein Schicksal, ohne sich ein einziges Mal zu regen. Er ließ sogar ohne Widerstreben seinen Kopf, wie der Hobble-Frank es brauchte, bald nach rechts, bald nach links wenden, so daß man, wenn es nicht im wilden Westen gewesen wäre, hätte glauben können, daß er chloroformiert worden sei. So wurde ihm der ganze, sehr dichte und lange Schopf mit Ausnahme eines dünnen Restes heruntergeschnitten. Als dies geschehen war, hob Frank die beiden Zöpfe in die Höhe und rief:

»So, jetzt is die Zobelperücke herunter und nu kommen die Schmachtlocken dran. Passen Sie off, meine Herrschaften, wie ich ihn jetzt zum Kurfürschten und abgesetzten Kaiser von China krönen werde! Es gibt in jeder Lebenslage eene gewisse Lage, in welcher der offrecht schtehende Mensch zum Liegen kommt. In dieser Lage befindet sich hier der Häuptling der Komantschen, denn er liegt vor mir, sanft und schtill, wie anderthalb Liter ausgegossene Buttermilch. Er hat unsrer zarten Zuschprache Folge geleistet und sich mit erhabener Geduld in sein hohes Schicksal ergeben. Das is een Verdienst von ihm, welches belohnt werden muß, und darum binde ich ihm denn die Krone off sein teures Haupt und frage Sie, Herr Shatterhand, welchen Titel er fortan führen soll, denn mit den chinesischen Schwänzen im Nacken kann er doch nicht mehr Tokvi-Kava, der schwarze Mustang‹ sein!«

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