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Der schwarze Mustang

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Es ist sonst nicht die Gepflogenheit eines Westmannes, an unwürdige Subjekte so viel Worte zu verschwenden, aber es lag in der Humanität Old Shatterhands, das Ehrgefühl des Mestizen, wenn er je eine Spur davon besaß, wachzurufen, denn es thut geradezu weh, von einem Menschen zu bemerken, daß er vom Guten gar nichts mehr sein Eigen nennt; dieses Bestreben hatte jedoch nicht den beabsichtigten Erfolg, denn die Feigheit des Scout hielt ihn beim Leugnen fest, er antwortete:

»Ich sage es wieder und kann es gar nicht anders sagen: ich bin nicht Ik Senanda, sondern Yato Inda; ihr habt eure Gewehre wieder, und nun verlange ich, sofort von euch freigelassen zu werden!«

»Gemach, gemach, my boy! Da du noch immer leugnest, können wir dich erst recht nicht freigeben, sondern wir werden dich deinem lieben Großvater vor die Augen stellen, um zu erfahren, ob auch er so feig und niederträchtig ist, sein eigenes Fleisch und Blut zu verleugnen.«

Da blitzte das Auge des Mestizen heimtückisch auf, und er fragte:

»Ihr wollt mich zum ›schwarzen Mustang‹ bringen?«

»Ja.«

» Well! Versucht doch, ob ihr das fertig bringt!«

»Wir bringen es fertig, darauf kannst du dich verlassen! Aber es wird freilich in etwas andrer Weise geschehen, als du es wünschest. Der Kamm scheint dir jetzt plötzlich wieder hoch zu stehen. Verrechne dich nicht! Du hoffst, durch den ›Mustang‹ aus unsern Händen befreit zu werden; dein zärtlicher Grand-father aber wird mit sich selbst genug zu thun haben, denn er wird ebenso sicher unser Gefangener werden, wie du es geworden bist.«

Da beging das Halbblut den Fehler, zornig auszurufen:

»Das wird er nicht! Kein Old Shatterhand und kein Winnetou wird es jemals fertig bringen, den ›schwarzen Mustang‹ zu ergreifen, dessen Ruhm weit über alle Thäler und über alle Berge geht!«

»Ah, jetzt fällst du aus der Rolle! Doch ereifere dich nicht! Wir haben noch ganz andre Kerls ergriffen, als dieser alte Mustang ist, von dem du ganz richtig sagst, daß sein Ruhm über alle Thäler und Berge gehe; er scheint aber wie die Luft darüber hin zu gehen, denn man bemerkt hier unten nichts davon.«

»Wie könntet ihr ihn fangen? Ihr wißt ja gar nicht, wohin er sich gewendet hat!«

»Ich habe dir ja gesagt, daß wir ihn belauscht haben. Er ist wieder zurück nach Firwood-Camp.«

»Und dorthin wollt ihr ihm folgen?«

»Ja.«

»Ihr sechs Männer? Und habt doch die große Schar der Komantschen gesehen, die er bei sich hat!«

» Pshaw! Wir sind nicht so feig, wie du bist. Und diese Komantschen zu zählen, das fällt uns schon gar nicht ein, denn es ist uns ganz gleichgültig, ob es zehn oder ob es hundert sind.«

»Brüstet euch nicht. Es sind Naini-Komantschen, also die tapfersten Krieger dieses großen Volkes. Und selbst wenn ihr sie nicht fürchtet und wirklich so wahnsinnig sein wolltet, ihnen nachzureiten, um mit ihnen zu kämpfen, ihr würdet sie doch nicht einholen, denn sie haben einen großen Vorsprung, und ehe ihr es ermöglichen könnt, sie zu erreichen, ist Firwood-Camp ein Raub der Flammen geworden!«

»Schau, jetzt zeigst du so ungefähr dein richtiges Gesicht. Ich will dir auch das meinige zeigen, indem ich dir ganz offen und ehrlich sage, daß wir viel eher in Firwood-Camp sein werden als die Komantschen.«

»Das ist unmöglich!«

»Wir werden dir sehr leicht beweisen, daß es möglich ist.«

»Können eure Pferde fliegen?«

»Ja; wir Weißen haben allerdings Pferde, welche fliegen können.«

Da schlug der Scout ein höhnisches Gelächter auf. Old Shatterhand ließ sich dadurch keineswegs zum Zorn bewegen; er legte ihm nur schwer die Hand auf die Schulter und sagte lächelnd:

»Lach jetzt immerhin, Mannikin [ Männchen, Knirps. ]; es wird nur zu bald die Zeit kommen, da dir das Lachen ganz vergeht! Zunächst werden wir diesen schönen Ort verlassen, an welchem du auf deinen Großvater warten solltest; du wirst ihn wahrscheinlich schon viel eher wiedersehen. Jetzt binden wir dich auf dein Pferd, und ich rate dir, dich ohne Widerstreben drein zu fügen, denn es gibt für uns der Mittel viele, dich zum Gehorsam zu zwingen!«

Der Mestize besaß gar nicht den Mut, Widerstand zu leisten. Wenn es für ihn ein Mittel gab, aus der Gefangenschaft zu entkommen, so sah er es nur in der Verschlagenheit, und da er eine ganz ansehnliche Portion von dieser Eigenschaft besaß und dabei überzeugt war, daß die sechs Männer, in deren Händen er sich befand, gegen den »schwarzen Mustang« nichts auszurichten vermöchten, so hoffte er mit ziemlicher Bestimmtheit, daß seine gegenwärtige Lage von keiner langen Dauer sein werde.

Er war überzeugt, daß man mit ihm der Fährte der Komantschen folgen und also in das mehrerwähnte Thal einbiegen werde, und war daher sehr erstaunt, als er nach dem Aufbruche sah, daß Winnetou und Old Shatterhand, welche voranritten, eine beinahe entgegengesetzte Richtung einschlugen, indem sie nicht um den Corner-top bogen, sondern sich nach dem Ua-pesch wendeten. Er konnte sich den Grund, einen so bedeutenden Umweg einzuschlagen, gar nicht denken, zumal fast nur im Galopp geritten wurde, was doch auf große Eile schließen ließ. Später freilich sah er das Bahngeleise aus der offenen Prairie herüberkommen; es bog nach dem Felsenthale ein, und als die Reiter ihm folgten, begann eine Ahnung in ihm aufzudämmern, welche ihn mit nicht geringer Besorgnis erfüllte. Da er nicht daran dachte, sich zu beherrschen, nahm sein Gesicht einen bedenklichen Ausdruck an. Der Hobble-Frank bemerkte das, weil der Gefangene zwischen ihm und Droll ritt, und sagte in seiner heimatlichen Mundart, von welcher der Scout natürlich kein Wort verstand:

»ls das Gesicht, was der Kerl jetzt macht, nicht ein wahres Gaudeamus abbreviatur für uns, lieber Droll? Es gibt mir heemlich solchen Schpaß, daß es mir schwer fällt, mein lautes Lachen leise zu unterdrücken. Du nich ooch?«

»Ja,« antwortete sein altenburgischer Vetter. »Er wird wohl itzt so nach und nach zur Einsicht komme, was für een Pferd unser Old Shatterhand eegentlich gemeent habe wird.«

»Welches Pferd?«

»Na, das Pferd, was fliege kann. Hast‘s denn nich gehört?«

»Freilich hab‘ ich‘s ooch gehört. Es war die Lokomotive gemeent, mit der wir nu bald nach Firwood-Camp fliegen werden. Denkst du ooch, daß wir eher hinkommen als der ›schwarze Mustang‹? Es wäre ganz schauderhaft, wenn es uns nich gelänge, das Camp noch vor den roten Halunken zu erreichen!«

»Ja, denn alle Menschen würden dort verlore sein; aber ich bin fest überzeugt, daß wir noch zur rechten Zeit eintreffe werde. Old Shatterhand und Winnetou habe sich die Zeit ganz gewiß so genau berechnet, daß wir gar keene Sorge nich zu habe brauche. Wir reite doch schon itzt, als ob der Teufel hinter uns her wäre. Ich bin seit langer Zeit nich so gejagt wie heut.«

»Ich ooch nich; aber es gefällt mir sehr. Es is een elegantes Hochgefühl, so off dem mittelsten Rücken unsrer Pegasusse über die Räume des irdischen Nordamerika dahinzufliegen. Man fühlt sich schon mehr als een Mensch in vogelartiger Geschtalt, und ich habe zwischen meinen Schulterblättern eene poetische Empfindung, als ob die oberflächliche Haut dort offgeplatzt wäre, um flügelähnlichen Fittichen Platz zu machen, das heeßt, entweder nur zwee Flügel, wie die Vögel haben, oder gar vier Schtück, wie‘s bei den Tagesschmetterlingen und nächtlichen Zwieselsfaltern gebräuchlich is. So een Ritt wie der jetzige, is geradezu een wahrer Kunst— und Hochgenuß. Aber für dich, du armer Teufel, wird es freilich eene ganz bedeutende horoskopische Anschtrengung sein.«

»Für mich? Warum? Denkste etwa, daß ich nich grad so reite kann wie du?«

»Nee, das denke ich nich; aber es schwebt mir deine Krankheet, deine Insel Ischia vor den unsichtbaren Oogen. Du mußt doch große Schmerzen haben!«

»O, nich im geringsten! Die Insel is fort, ohne die geringste Schpur zurückzulasse; ich fühle sie weder hinten im Kreuz noch unten in den Beenen mehr.«

»Das is ja wunderschön! Wenn sie nur nich etwa in eener andern Körpergegend wieder zum Vorschein und zur Auferschtehung kommt! Solche Krankheeten ziehen manchmal so heemtückischer Weise und anonym, was man bei fürschtlichen Personen in Cognaco nennt, im lebendigen Körper herum, und man hat nich eher eene Ahnung von ihrem gegenwärtigen Thatbeschtande, als bis sie ganz plötzlich an eener Schtelle zum Vorschein kommen, wo eegentlich gar keene dazu passende Schtelle mehr vorhanden is.«

»Das gloobe ich nu nich von mir. Ich habe das Gefühl, als ob Winnetou mir fürs ganze Lebe geholfe hätte. Deine Insel denkt nich dran, sich wieder bei mir einzuquartiere. Und das is mir grad recht, denn für solche Schmerze, wie ich ausgeschtande habe, muß ich danke! Überhaupt, die Tante Droll und krank, das war, so lange ich leb, noch gar nich dagewese!«

Der liebenswürdige und komische Altenburger wurde bekanntlich deshalb Tante Droll genannt, weil der Anzug, den er im Westen zu tragen pflegte, mehr dem einer alten Frau als demjenigen eines Mannes glich. Er war an diesen Namen so gewöhnt, daß er ihn selbst in Anwendung brachte, wenn er von sich sprach.

Wie aus dem Gespräch der beiden Vettern zu ersehen, war der Ritt fast ein Parforceritt zu nennen. Man ließ die Pferde nur von Zeit zu Zeit im Schritt gehen, und so wurde der Rückweg in viel kürzerer Frist zurückgelegt, als man zum Hinwege gebraucht hatte.

Als man die Haltestelle in Rocky-ground erreichte, war Mr. Swan, der wackere und thatkräftige Engineer, der erste, welcher die Reiter empfing.

» Halloo!« rief er ihnen entgegen. »Schon wieder zurück?

Und glücklich gewesen, wie ich sehe? Wie ist es denn gegangen? Habt ihr die Komantschen ge-«

Er hielt mitten in der Rede inne, als er den gefesselten Scout erblickte, fuhr dann aber, sichtlich erfreut, schnell fort:

» All devils, das ist ja Mr. Yato Inda, der halbgefärbte Gentleman! Und gebunden? Ist er Euer Gefangener, Sir?«

 

»Ja,« nickte Old Shatterhand, an den diese Frage gerichtet war. »Habt Ihr vielleicht einen Ort, wo wir ihn unterbringen können, ohne daß er Lust bekommt, spazieren zu gehen?«

»Habe einen solchen Ort, einen ganz vortrefflichen, Sir. Wen ich dahin einquartiere, der kann an keinen unerlaubten Ausflug denken. Will Euch die Stelle zeigen.«

Die Stelle, welche er meinte, war ein Brunnen, welcher sich in Arbeit befand. Obgleich schon ziemlich tief, hatte er noch kein Wasser. Als der Mestize hörte, daß er da hinabgelassen werden sollte, erhob er ein großes Lamento, was ihm aber nichts nützte. An den Rand des Brunnens geführt, um gebunden und dann hinabgelassen zu werden, stellte er sich gar zur Wehr. Da meinte der Engineer zu Old Shatterhand:

»Sollen wir etwa ein so gefährliches Geschöpf, wie dieser Kerl ist, mit Sammet und Seide anfassen? Er ist zwar Euer Gefangener; seine Schandthat galt aber uns Leuten von der Eisenbahn. Erlaubt mir, Sir, ihn zu Verstand zu bringen!«

»Macht mit ihm, was Ihr für gut und richtig haltet,« antwortete der Gefragte. »Ich habe ihn Euch übergeben und mag nichts mehr mit ihm zu schaffen haben, denn seine Absichten waren nicht gegen uns, wenigstens nicht ursprünglich, sondern gegen Euch gerichtet. Er gehört also jetzt Euch; nur sorgt dafür, daß es ihm unmöglich ist, uns heut noch Schaden zu machen!«

»Was das betrifft, Mister Shatterhand, so könnt Ihr Euch heilig darauf verlassen, daß er nicht aus diesem Brunnen kommt, als bis ich ausdrücklich die Erlaubnis dazu gebe. Also zieht ihm den Strick unter den Armen hindurch, und dann hinab mit ihm!«

Als hierauf der Scout wieder mit den gebundenen Händen und Füßen um sich stieß, wurde er an eine Eisenbahnschwelle befestigt und dann nicht eher mit derselben in den Brunnen hinabgelassen, als bis er unter einer tüchtigen Tracht von Stockschlägen still geworden war. Der Engineer war weit weniger Philanthrop als Old Shatterhand.

Er hatte übrigens in der Zeit vom Morgen an bis jetzt an alles gedacht. Seine Arbeiter hatten ihre Gewehre nachgesehen; eine Maschine war geheizt worden, und es standen Wagen zur vielleicht notwendigen Fahrt nach Firwood-Camp bereit.

Die sechs Westmänner erhielten, während ihre Pferde abgerieben, gefüttert und getränkt wurden, ein so ausgezeichnetes Mittagsmahl, wie es unter den hiesigen Verhältnissen möglich war, und erzählten dabei dem Engineer, was sie seit heute früh erlebt hatten.

»Das ist besser, viel besser gegangen, als ich glaubte,« sagte er dann. »Es freut mich ungeheuer, daß wir diesen halbblütigen Schurken in unsre Hände bekommen haben; er soll nicht so bald wieder Gelegenheit finden, solche Streiche zu planen oder gar auszuführen! Und die Roten sind wirklich nach dem Camp zurück, um es zu überfallen? Wir werden ihnen dabei behilflich sein. Freue mich riesig darauf, wirklich riesig!«

»Ich habe allerdings auf Euch und Eure Leute gerechnet,« bemerkte Old Shatterhand, »denn auf den dortigen Engineer ist grad so viel wie auf gar niemand zu rechnen.«

»Etwas Richtigeres könnt Ihr gar nicht sagen, Sir. Er ist zwar ein Kollege von mir, und von Kollegen soll man eben kollegialisch sprechen, aber er heißt zufälligerweise Leveret [ Häschen. ] und ist in Beziehung auf seinen Mut genau das, was sein Name sagt. Von den Chinesen wollen wir gar nicht reden, denn die rennen beim Erscheinen des ersten Indianers in alle Winde hinaus. Ein solcher Zopfmann spielt, wenn man ihm eine Flinte in die Hand gibt, keine andre Rolle als ein Karpfen, dem man zumutet, eine Luftballonfahrt zu unternehmen. Und was die paar Weißen dort betrifft, so sind sie gar nicht der Rede wert.«

»Das ist freilich schlimm, denn unter solchen Umständen können uns diese Leute nur Schaden, aber keinen Nutzen bringen. Am allerbesten wäre es da, wenn wir die Sache auf uns allein nehmen könnten und sie nicht eher etwas zu erfahren brauchten, als bis wir mit den Roten fertig sind.«

»Warum sollte das nicht gehen? Wir werden über neunzig Männer sein, und ich denke, daß wir keinen Grund haben, uns vor den Roten zu fürchten.«

»Einen solchen Grund gibt es freilich nicht; ich möchte sogar behaupten, daß die Sache abzumachen ist, ohne daß von unsrer Seite ein Tropfen Blut vergossen wird; aber wie wollen wir neunzig Mann hoch nach Firwood-Camp kommen, ohne daß die Bewohner dieses Ortes etwas davon bemerken? Es müßte Euch erlaubt sein, den Zug schon vor der Station dort halten zu lassen.«

»Das können wir ja. Wer will es mir verwehren?«

»Gut! Aber müßt Ihr den Abgang des Zuges nicht von hier aus nach dort melden?«

»Eigentlich, ja; aber wenn ich es heut einmal unterlasse, wird der Himmel auch nicht gleich einfallen.«

»Ist euch das Birch-hole bekannt, wohin der ›schwarze Mustang‹ seine Leute führen will?«

»Grad so bekannt, wie meine eigene Tasche, Sir. Es ist eine tiefe Felsenschlucht, welche hinter dem Camp in den Berg einschneidet. Das Gestein steigt auf allen Seiten fast senkrecht in die Höhe, und es gibt nur den einen, schmalen Eingang, an welchem eine alte, sehr hohe Birke steht, von welcher die Schlucht ihren Namen hat.«

»Hm! Dann ist es nicht sehr pfiffig von dem schwarzen Mustang‹, seine Leute grad dort unterzubringen.«

»Warum? Es gibt kein besseres Versteck für sie, und er ahnt doch nicht, daß wir diese seine Absicht kennen. Mir scheint also, er hat ganz gut gewählt.«

»Mir nicht. Kann man die Seiten der Schlucht erklettern?«

»Bloß an einer Stelle, aber auch nur am Tage. Bei Nacht möchte ich es keinem raten, dem sein ganzer Hals noch einen Vierteldollar wert ist.«

»Gut! Und ist es möglich, von außen her auf die Ränder der Schlucht zu gelangen?«

Da hob der Engineer schnell den Kopf, warf einen forschenden Blick in Old Shatterhands Gesicht und antwortete:

»Ah, Sir, ich glaube, den Plan zu erraten, den Ihr hegt!«

»Nun, welchen?«

»Ihr wollt uns auf die Ränder der Schlucht postieren und, wenn die Roten heimlich in dieselbe eingedrungen sind, auch den Eingang besetzen. Wie?«

»Und wenn es so wäre?«

»So hättet Ihr das Beste erdacht, was sich erdenken läßt, denn wenn wir das thun, so stecken die Indsmen in dem Birch-hole wie die Frösche in einer Reuße und müssen sich, grad wie diese, einzeln herauslangen und die Hälse abdrehen lassen, wenn wir wollen.«

»Das habe ich allerdings auch gedacht. Also, können Eure Leute hinauf?«

» Yes und abermals yes. Aber ist Mister Winnetou mit diesem Plane einverstanden?«

Der schweigsame Häuptling der Apatschen hatte bis jetzt kein Wort gesprochen. Er pflegte, wenn das Reden überhaupt nötig war, Old Shatterhand für sich sprechen zu lassen und dann um so kräftiger handelnd einzutreten. Jetzt nun, da er aufgefordert wurde, seine Meinung mitzuteilen, antwortete er,

»Old Shatterhand und Winnetou haben stets die gleichen Gedanken. Der Plan meines weißen Bruders ist gut und soll auch so ausgeführt werden, wie gesagt worden ist. Howgh!«

» Well!« nickte der Engineer. »Ich bin natürlich voll und ganz damit einverstanden. Wir kommen zeitig genug hin, um noch bei Tage und ehe die Indsmen eintreffen können, auf die Felsen zu steigen. Aber dann, wenn es dunkel geworden ist, müssen wir auch wissen, woran wir sind. Wäre es da nicht gut, für Beleuchtung zu sorgen?«

»Das ist freilich wünschenswert,« antwortete Old Shatterhand. »Welche Mittel oder Werkzeuge stehen Euch denn zur Verfügung, Mister Swan? Wir müßten sie freilich von hier mitnehmen, denn wir können nichts in Firwood-Camp requirieren, weil man dort nicht wissen soll, was geschieht.«

»Wird alles in schönster Ordnung sein, Mister Shatterhand. Als es galt, die hiesige Strecke schnell fertig zu bringen, haben wir häufig des Nachts bei Fackellicht arbeiten müssen, und von daher sind so viele Fackeln übrig, daß wir mehr als genug besitzen. Wir haben auch Petroleumfässer von verschiedener Größe.«

»Fässer zu transportieren, würde zu beschwerlich sein, und doch wäre es außerordentlich vorteilhaft für uns, wenn wir grad am Eingange zur Schlucht ein solches Faß in Brand stecken könnten. Über eine solche Flammenfackel könnten sich die Komantschen ganz unmöglich herauswagen.«

» Well, so wird Rat geschafft. Wir haben ja Tragen, Stricke und sonst alles, was dazu gehört, ein oder mehrere Fässer leicht zu transportieren.«

»Gut! Aber bedenkt dabei, daß kein Geräusch verursacht und keine in die Augen fallende Spur hervorgebracht werden darf!«

»Keine Sorge! Ich habe da Männer, auf die ich mich verlassen kann. Wir werden auch schnell eine Anzahl von Zündern anfertigen. Ich bitte Euch, mich selbst als Oberfeuerwerker und Beleuchtungsinspektor anzustellen. Ihr könnt Euch darauf verlassen, daß Ihr mit mir zufrieden sein werdet. Seid Ihr einverstanden?«

»Ja. Macht alles fertig, und sorgt dafür, daß wir zeitig an dem Birch-hole ankommen. Eingehendere Bestimmungen sind ja erst dann zu treffen, wenn wir das Terrain in Augenschein genommen haben.«

Bei der großen Ein— und Umsicht des Engineers waren die Vorbereitungen schnell getroffen. Die Pferde blieben unter sicherer Aufsicht zurück, und an den Brunnen, in welchem der Scout steckte, wurde auch ein Wächter gestellt. Dann dampfte der vollbesetzte Zug ab, ohne daß dies nach Firwood-Camp telegraphiert worden war. Die Bahnarbeiter beteiligten sich alle mit Freuden an dem Unternehmen, und als der Train an dem vorherbestimmten Punkte ankam und sie dort ausstiegen, gab es keinen, der um den Ausgang des willkommenen Abenteuers oder um sich selbst besorgt gewesen wäre. Die Stelle, von welcher aus der Zug wieder zurückfuhr, lag so weit von dem Camp entfernt, daß man von dort aus nicht bemerkt werden konnte. Die Bahn beschrieb hier eine Kurve um die Höhe, in welche die Birkenschlucht eingeschnitten war; die Männer befanden sich hinter dieser Höhe, während das Camp vor derselben lag, und der Eingang zur Schlucht war an der Seite des Camp. Wenn man von dem Orte aus, an welchem der Zug gehalten hatte, emporstieg, kam man, von dem Walde gedeckt, an den Rand der Schlucht hinauf, was gar keine Schwierigkeit bot, weil es jetzt noch hell am Tage war. Schwerer war es, die zwei Petroleumfässer, welche der Engineer mitgenommen hatte, unbemerkt und ohne Spuren zu hinterlassen, nach dem Schluchteingange zu schaffen und dort so zu verstecken, daß sie später den Späheraugen und auch den – – Nasen der Indianer entgehen mußten.

Zur Ausführung dieses heimlichen Planes erbot sich Winnetou, welcher, wie alle wußten, derjenige war, der sich am allerbesten dazu eignete, diese Aufgabe zu lösen, von deren Gelingen so viel, vielleicht alles abhing. Old Shatterhand übernahm es, die kampfeslustigen Männer zur Höhe zu geleiten, sie dort aufzustellen und ihnen die notwendigen Verhaltungsmaßregeln zu erteilen.

Oben angekommen, befand man sich unter dicht stehenden Bäumen. Deckung war also mehr als genug vorhanden. Es erfüllte Old Shatterhand mit Genugthuung, zu sehen, wie steil die Felswände in die Schlucht abfielen. Waren die Komantschen einmal da unten und drin, so gab es für sie kein Entkommen. Er verteilte die Leute rund um die vielleicht fünfhundert Schritte lange und durchschnittlich fünfzig Schritte breite Schlucht und gab jeder Gruppe von ihnen diejenigen Weisungen, die ihrer Stellung angemessen waren. Vor allem mahnte er zur größten Ruhe und Vorsicht und machte sie mit den verschiedenen Zeichen und Signalen bekannt, die später in der Nacht notwendig sein könnten und deren Bedeutung sie genau wissen mußten. Dann stieg er vom, an der nach dem Camp zu gelegenen Seite hinab, um den Apatschen zu suchen.

Dieser lag, auf ihn wartend, nicht weit von dem Eingange hinter einem ziemlich dichtgewachsenen Busche und winkte ihn zu sich heran.

»Mein roter Bruder liegt ruhend hier; er scheint also mit seiner Arbeit schon fertig zu sein?« fragte er.

»Winnetou hat seine Arbeit gethan,« lautete die Antwort. »Die Männer, welche der Engineer mitnahm, sind starke und anstellige Leute. Die Fässer liegen ganz nahe hier und so gut versteckt, daß mein weißer Bruder sehr scharf blicken müßte, um sie zu finden.«

»Und der Engineer selbst?«

»Er steckt mit den Trägern der Fässer dort unter dem Tannendickicht. Du kannst leicht hin zu ihm, wenn du ihm während meiner Abwesenheit Befehle zu erteilen hast.«

»Während deiner Abwesenheit? Du willst also fort?«

»Mein Bruder wird erraten, wohin!«

»Den Komantschen entgegen, um mir zu melden, wenn sie kommen.«

»Ja. Sie werden sich so leise heranschleichen, daß es gut ist, sie schon vorher beobachtet zu haben.«

»Auch handelt es sich um den Häuptling, welcher gesagt hat, daß er selbst es sein will, der das Camp beschleicht. Seiner müssen wir uns vor allen Dingen bemächtigen.«

 

»Winnetou hat genug Riemen, ihn zu binden, von Rocky-ground mitgebracht. Ich will jetzt gehen, denn es wird bald dunkel werden. Old Shatterhand mag an dieser Stelle auf meine Rückkehr warten.«

Er huschte fort und verschwand unter den nächsten Bäumen, ohne im weichen Moose eine Spur seines Fußes zurückzulassen. Old Shatterhand legte sich, von den Zweigen vollständig bedeckt, nieder; er konnte jetzt nichts weiter thun, als ruhig warten.

Es lag tiefe Stille rundumher; nur von dem nicht sehr fernen Camp klang zuweilen irgend ein Geräusch herüber. Die Dämmerung brach herein, und Winnetou war noch nicht viel über eine Viertelstunde fort, so gehörte das scharfe, wohlgeübte Auge Old Shatterhands dazu, von dem Orte aus, an dem er lag, den Eingang zu der Schlucht noch zu erkennen. Erst von jetzt an war die Ankunft der Komantschen zu erwarten, denn es mußte als selbstverständlich angenommen werden, daß sie sich hüten würden, ihre Annäherung schon oder noch beim Tageslichte zu bewerkstelligen. Sie hätten sich da der größten Gefahr ausgesetzt, von einem auswärts herumstreifenden Bewohner des Camp gesehen und entdeckt zu werden, wodurch das Gelingen ihres Unternehmens sehr in Frage gestellt worden wäre.

Es wurde schließlich so dunkel, daß Old Shatterhand nur noch einige Schritte weit sehen konnte. Desto weiter reichte sein Gehör, denn je weniger der eine Sinn beschäftigt ist, desto schärfer empfindet der andre. Da vernahm er etwas wie das Streichen eines langen Halmes über niedrige Gräser. Tausend und abertausend andre Menschen hätten dies nicht gehört; er aber horchte mit doppelter Spannung auf.

»Das kann nur Winnetou sein,« dachte er, und wirklich, da erhob sich vier Schritte von ihm die Gestalt des Apatschen aus dem hohen Moose. Er kam vollends herbei, kroch unter den Busch und sagte leise:

»Sie kommen.«

»Weißt du, wo sie die Pferde gelassen haben?«

»Sie haben sie mit.«

»Welch eine Unvorsichtigkeit von ihnen! Sie verdienen Prügel dafür! Die Pferde läßt man doch unter der Aufsicht von Wächtern viel weiter zurück, als die Entfernung von hier nach dem Camp beträgt. Ein einziges Wiehern oder nur Schnauben kann alles verraten.«

»Diese Söhne der Komantschen nennen sich zwar Krieger, sind aber keine.« Obgleich Winnetou diese Worte leise sprach, war ihm doch der Ton der Geringschätzung deutlich anzuhören. »So viele Pferde nach einer so kleinen und so engen Schlucht zu bringen, darüber würde der jüngste Knabe der Apatschen lachen.«

»Uns kann es nur lieb sein, denn die Pferde werden die Verwirrung, welche wir anrichten, verdoppeln. Horch, jetzt schnaubte eines!«

Es näherte sich ein erst unbestimmtes und nach und nach immer deutlicher werdendes Geräusch; es war das dumpfe Stampfen von Hufen im weichen Moose oder Grase. Die Komantschen kamen nach Indianersitte einer hinter dem andern, und jeder führte sein Pferd nach sich am Zügel, wie die beiden Lauscher bemerkten. Am Eingange zur Schlucht blieben sie halten. Es schienen einige hineinzugehen, um die Sicherheit derselben zu erkunden. Nicht lange Zeit nachher ließen sich unterdrückte Rufe der Aufforderung hören, worauf sich die Gänsemarschkolonne wieder in Bewegung setzte. Sie drang in die Schlucht ein, wegen der Dunkelheit so langsam, daß es über eine Viertelstunde dauerte, ehe der letzte Mann vorüber war.

Old Shatterhand und Winnetou huschten unter dem Busche hervor und krochen näher nach der Felsenkante, welche die eine Seite des Thores bildete. Sie hatten kaum fünf Minuten dort gelegen, so vernahmen sie Schritte, welche wieder zurückkamen. Es erschienen drei Männer, welche so nahe bei ihnen stehen blieben, daß sie den einen von ihnen genau erkannten; es war Tokvi-Kava, der Häuptling, welcher den beiden andern den Befehl erteilte:

»Ihr bleibt hier, um die Thür zu dieser Felsenschlucht zu bewachen, und stecht jeden Menschen, der sich naht, augenblicklich mit dem Messer nieder. Unsere Krieger müssen wegen der Pferde mehrere Feuer anzünden, und wenn jemand den Schein derselben auch nur von weitem sähe, wären wir verraten. Die Zeit des Überfalles ist noch nicht gekommen, denn die Bleichgesichter werden noch nicht alle unter dem Dache, wo sie Feuerwasser trinken, beisammen sein, dennoch gehe ich jetzt, ihre Wohnungen zu beschleichen. Achtet nicht darauf, wenn ich lange fortbleibe, denn ich komme erst dann wieder, wenn der Augenblick gekommen ist, an dem sie alle sterben müssen.

Hugh!«

Nach diesen Worten entfernte er sich mit langsamen, fast unhörbaren Schritten. Er glaubte natürlich, ganz unbeobachtet zu sein, war aber doch nicht allein, denn ihm folgten Winnetou und Old Shatterhand, möglichst tief gebückt und dabei so leise auftretend, daß er ihre Schritte unmöglich hören konnte.

Dies war nicht etwa leicht. Man konnte höchstens fünf Schritte weit sehen; sie durften ihn garnicht aus den Augen lassen und hatten sich also so nahe hinter ihm zu halten, daß er jeden andern Belauscher sicherlich gehört haben würde. Blieb er stehen, so hielten auch sie an und duckten sich bis tief auf die Erde nieder; ging er dann wieder weiter, so setzten auch sie ihre Schritte fort. So unhörbar wie sie, kann selbst der Panther nicht auftreten, und solche Leichtigkeit und Gewandtheit der Bewegungen hat nur die Schlange aufzuweisen. Und das war notwendig, denn das Rollen eines kleinen Steines oder das Knicken des dünnsten Zweigleins konnte alles verderben.

So ging es fort, bis sie ganz sicher waren, aus der Hörweite der beiden Wächter gekommen zu sein. Dabei hatten sie sich dem Camp bereits so weit genähert, daß sie die Helligkeit, welche aus der offenen Thür des Logier— und Restaurationsgebäudes drang, von weitem sehen konnten. Jetzt war es an der Zeit; noch länger zu warten, hätte unvorsichtig genannt werden müssen.

»Jetzt!« raunte Old Shatterhand dem Apatschen zu.

»Uff!« stimmte dieser ebenso leise bei.

Es folgten zwei weite Sprünge vorwärts, die der Komantsche hören mußte; er drehte sich um, bekam aber in demselben Augenblicke schon den bekannten Faustschlag Old Shatterhands an die Schläfe, so daß er wie ein lebloser Klotz steif und schwer zu Boden fiel. Er hatte einen Schrei ausstoßen wollen, brachte es aber nur zu einem kurzen, zwar scharf und rasch verklingenden Hauch, der, wenn er je gehört wurde, viel eher für den Flügelschlag eines schlafmüden Vogels als für den unterdrückten Todesschrei eines Menschen gehalten werden konnte. Zu gleicher Zeit kniete Winnetou auf ihm, um ihm die Beine zusammen und die Arme auf den Rücken fest zu binden. Old Shatterhand riß eine Handvoll Gras ab, schob es dem Bewußtlosen in den Mund, band einen Fetzen, den er ihm vom Jagdrocke lang herunterriß, darüber, so daß er später den Grasknebel mit der Zunge nicht aus dem Munde stoßen und dadurch Raum zum Schreien bekommen konnte, und sagte dann:

»Den Häuptling haben wir; seine Leute werden wir wohl ebenso leicht bekommen. Tragen wir ihn fort! Du nicht mit, Winnetou; ich nehme ihn allein!«

Er warf sich den langen, knochigen, schweren Mann über die Schulter und schritt mit ihm, gefolgt von dem Apatschen, davon, nach der Schlucht zurück.

Natürlich wendeten sie sich nicht direkt dem Eingange derselben zu, sondern sie hielten sich mehr nach links, so daß sie nach dem Tannendickicht kamen, unter welchem der Engineer mit seiner Abteilung lag. Dieser war zwar ein kluger und umsichtiger Herr, aber doch kein Westmann und hätte, als er die beiden Gestalten so unerwartet ganz nahe bei sich auftauchen sah, wahrscheinlich eine Unvorsichtigkeit begangen, wenn ihm nicht Old Shatterhand mit unterdrückter Stimme bedeutet hätte:

»Still! Wir sind es. Macht keinen Lärm, Mister Swan!«

»Ah, Ihr! Wen bringt Ihr denn da geschleppt?«

»Den schwarzen Mustang,« antwortete der Gefragte, indem er seinen Gefangenen von der Schulter herab— und auf den Boden niedergleiten ließ.

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