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KAPITEL I
Grundlagen
1. Ausgangslage
Das Internet hat sich zu einem Multifunktionsmedium entwickelt, das sowohl traditionelle Formen wie Text, Video und Audio miteinander verknüpft, aber insbesondere auch neue Kommunikationsformen ermöglicht und Interaktionsräume eröffnet. Die aktuellen Entwicklungen des Internets sind indes nicht nur technischer Natur; ebenso bedeutsam ist, dass digitale Technologien durch eine zunehmende Einbindung in den Alltag der Menschen gekennzeichnet sind, wie neuere Mediennutzungsstatistiken namentlich aus Amerika und Europa eindrucksvoll belegen. Dabei entstehen neue Gewohnheiten in der Mediennutzung und wichtige soziale Normen, welche die Informations- und Kommunikationsprozesse lenken; diese werden verändert oder hinterfragt. Die zunehmende Zeit, die der Mensch online verbringt, aber auch die qualitativ steigende Bedeutung des Mediums Internet im Alltagsleben bieten Anlass, die mit den vielfältigen Nutzungsarten verbundenen Chancen und Risiken zu analysieren und gegenseitig ins Verhältnis zu setzen. Dabei hat vor allem die zunehmende Internetnutzung von Kindern und Jugendlichen dazu geführt, dass Erwachsene, Bildungsinstitutionen und Politiker sich mit diesem Thema stärker auseinandersetzen.
In Gesprächen mit Eltern ist der erste angesprochene Problemkreis, wenn es um die Internetnutzung ihrer Kinder geht, regelmässig die Frage der Sicherheit – im Sinne der physischen und psychischen Integrität online. Aber auch Lehrpersonen, Gesetzeshüter und Politikerinnen sind zunehmend um die digitalen Sicherheitsrisiken besorgt. Die Sorge gründet in der (empirisch allerdings nicht fundierten) Annahme, dass ein mediales Umfeld, das Interaktionen mit einem mithin unbekannten Gegenüber ermöglicht, weniger sicher ist als traditionelle Kommunikationsräume, die nicht durch Anonymität gekennzeichnet sind. Während hinsichtlich Problemlage in der breiten Öffentlichkeit weitherum Einigkeit herrscht, trennen sich die Meinungen, wenn es um die Frage wirksamer Gegenmassnahmen geht. Auf der einen Seite wird etwa die Meinung vertreten, Kindern und Jugendlichen soll ein sicherer Umgang mit neuen Medien beigebracht werden – etwa im Rahmen der Medienerziehung in der Schule –, während andere Stimmen argumentieren, dass der Zugang zum Internet oder mindestens gewisse Anwendungen wie etwa soziale Netzwerke eingeschränkt oder gar verboten werden sollten. Die letztgenannte, auf Restriktion angelegte Reaktionsform findet zunehmend in den USA Verbreitung, wo Schulen manche unter Kindern und Jugendlichen populäre Anwendungen blockieren und die Eltern immer öfters Filterungs- und Trackingmethoden verwenden, um die Internetnutzung ihrer Kinder zu überwachen. Während manche dieser Interventionsmöglichkeiten in bestimmten Kontexten und für bestimmte Altersklassen sinnvoll sein können und sicherlich die meisten davon gut gemeint sind, sind sie mehrheitlich angstgetrieben statt datenbasiert und werfen eine Vielzahl neuer Fragen auf, etwa hinsichtlich der Informationsfreiheitsrechte und des Privatsphärenschutzes der Kinder und Jugendlichen. Hinzu kommt, dass die Interventionen oft mehr aus der Sicht der Erwachsenen sinnvoll sind, dabei aber auf geringe Akzeptanz seitens der Kinder und Jugendlichen stossen, was regelmässig zur Umgehung der Schutzmassnahmen führt.
Obwohl im Rahmen der öffentlichen Diskussion und mit Blick auf Politikgestaltung allgemeine Aussagen hinsichtlich der Medien- und Technologienutzung von Kindern und Jugendlichen unvermeidbar und wesensimmanent sind, ist es wichtig, zu verstehen, dass nicht alle jungen Menschen digitale Medien in identischer Weise nutzen.54 Zunächst ist festzuhalten, dass nicht für alle der Zugang zum Internet gleichermassen gewährleistet ist. Gemäss der JAMES-Studie 2010 geben 95 % der Befragten an, im Haushalt Zugang zum Internet zu haben,55 wobei drei Viertel über einen eigenen Computer mit Internetzugang verfügen.56 Wiewohl diese Zahlen absolut gesehen hoch sind und der Trend ermutigend ist (zum Vergleich: laut einer Befragung von SWITCH unter 575 Schweizer Jugendlichen im Alter von 6 bis 20 Jahren, hatten noch im Jahr 2009 lediglich 87 % die Möglichkeit, das Internet zu Hause zu nutzen, wobei 62 % auf einen eigenen Computer mit Internet zurückgreifen konnten),57 zeigen Untersuchungen, dass Jugendliche aus Familien mit tieferem soziökonomischem Status höhere Zugangsschranken haben als die bessergestellte Vergleichsgruppe.58 Dies hat Folgen: Jugendliche mit fehlendem oder eingeschränktem Zugang zum Internet erhalten nicht die gleichen Teilnahmechancen. Insbesondere reduzieren sich für sie die Möglichkeiten, sich die durch Nutzung und Peer-Learning vermittelten technischen und sozialen Fähigkeiten anzueignen. Daraus können sich zum Beispiel Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion online oder im Umgang mit unzuverlässigen Informationen und anderen vermeidbaren Risikosituationen ergeben.
Die Möglichkeit des Zugangs alleine bedeutet indes noch nicht, gleichsam automatisch auch erfahren im Internetumgang zu sein.59 Auch die Zugangsbedingungen sind in den Blick zu nehmen. Gewisse Ungleichheiten hinsichtlich Zugangsbedingungen, die sich ihrerseits auf den Erwerb von Medienkompetenz auswirken, sind dabei gleichsam »hausgemacht«. Beispielsweise ist es in gewissen Ländern nicht unüblich, dass der Zugang zu bestimmten Anwendungen oder Webseiten an Schulen eingeschränkt wird und damit jene Kinder und Jugendliche, die zu Hause über keinen Internetzugang verfügen, im Umgang mit solchen Anwendungen einen Nachteil gegenüber der privilegierten Vergleichsgruppe erleiden. Sowohl theoretische Arbeiten als auch empirische Studien belegen (Henry Jenkins und Eszter Hargittai60), dass es einen wesentlichen Unterschied im Umgang mit Gefahren und Risiken gibt zwischen Jugendlichen mit fortgeschrittenen Fähigkeiten und solchen ohne diese Fähigkeiten.
Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor ist die Zeit, die Kinder und Jugendliche im Internet und mit neuen Medien verbringen. Eine schweizerische Studie aus dem Jahre 2007 belegt, dass es zu einer starken Zunahme des Computerkonsums unter Jugendlichen gekommen ist.61 Nach einer neueren Studie von 2010 sind 89 % der 12- bis 19-Jährigen täglich oder mehrmals pro Woche im Internet.62 Dieser Wert ist signifikant höher als die 47 % der 6- bis 20-Jährigen, die 2009 täglich im Internet waren.63 Dieser Trend wird auch durch Statistiken aus Deutschland unterstützt, wo das Internet bei Jugendlichen das Fernsehen als Leitmedium überholt hat. Gemäss der ARD/ZDF-Onlinestudie 2011 verbringen 14- bis 19-Jährige im Durchschnitt 125 Minuten pro Tag im Internet und 114 Minuten vor dem Fernseher (2009 waren es sogar 123 Minuten im Netz und 97 Minuten Fernsehen).64 Diese eindrücklichen Zahlen spiegeln sich auch in der subjektiven Einschätzung der Bedeutung des Internets unter den Nutzerinnen und Nutzern selbst: 50 % der 15- bis 19-jährigen Jugendlichen in der Schweiz könnten nach eigener Aussage unmöglich auf den Computer mit Internetanschluss verzichten.65 Auch Mobiltelefone werden häufiger erworben und benutzt. 92 % der 12- bis 19-jährigen Schweizerinnen und Schweizer geben an, täglich oder mehrmals pro Woche ein Mobiltelefon zu benutzen; die JAMES-Studie 2010 bezeichnet »Handy nutzen« deshalb als beliebteste Aktivität.66 Gemäss derselben Untersuchung besitzen 98 % der befragten Jugendlichen ein Mobiltelefon.67 Studien belegen, dass sich insbesondere Smartphones zunehmender Beliebtheit erfreuen. Diese ermöglichen es den Benutzerinnen und Benutzern, grundsätzlich überall und jederzeit online zu sein, und haben den Effekt, dass der Zugangsort an Bedeutung verliert, was wiederum die Möglichkeiten einschränkt, die zur Verfügung stehen, um die Internetnutzung von Kindern und Jugendlichen zu regulieren.
Bereits vor dem Hintergrund dieser Statistiken wird deutlich, dass dem Dialog zwischen Eltern und Kindern sowie zwischen Kindern bzw. Jugendlichen und Lehrpersonen eine grosse Bedeutung zukommt, wenn es um die eingangs erwähnten, mit der Internetnutzung verbundenen Risiken geht. Eine Zürcher Studie zeigt dabei den besorgniserregenden Trend an, dass die gemeinsamen Aktivitäten Jugendlicher mit den Eltern in den letzten Jahren deutlich abgenommen haben.68 Die Autoren der Studie schliessen daraus, dass Jugendliche heute nicht nur den Computer stärker nutzen als früher, sondern sich gleichzeitig von den Eltern distanzieren.69 Auch Untersuchungen aus den USA deuten darauf hin, dass der Einfluss der Eltern auf den Mediengebrauch der Jugendlichen vermutlich eher geringer ist als noch vor einigen Jahren, womit die Schulen einen immer wichtiger werdenden Einflussfaktor darstellen dürften. Eine breit angelegte europäische Studie stützt diese Vermutung, indem sie feststellt, dass ein Drittel der befragten 9- bis 16-Jährigen manchmal ignorieren, was ihre Eltern zur Internetnutzung sagen.70 Laut derselben Studie haben 58 % der Befragten angegeben, ihre Lehrpersonen hätten ihnen bereits einmal geholfen, etwas im Internet zu finden oder zu erledigen.71
Aus der Optik der Schulen und Bildungsinstitutionen ist es folglich zunehmend bedeutsam, sich mit dem Internetgebrauch von Kindern und Jugendlichen eingehend zu beschäftigen, die Risiken zu studieren, aber auch die Potenziale auszuloten und stärker zu nutzen. So stellt beispielsweise eine 2008 in Amerika durchgeführte ethnografische Studie zu Peer-basierten Lerngewohnheiten unter Jugendlichen fest, dass elektronische Medien neue Möglichkeiten für intensives, selbstgesteuertes, interessengeleitetes Lernen eröffnen.72 Diese in der Fachsprache als »Geeking out« bezeichnete Lernmethode – das Aneignen und spätere Teilen von Expertenwissen unter Peers – gleicht in vielen Bereichen nicht dem traditionellen, Schulzimmer-basierten Unterricht, unterstützt aber dennoch auf interessante Weise technische und soziale Kompetenzen wie Selbstvertrauen, Führungskompetenz und Kommunikationsfähigkeit. Dabei profitieren Jugendliche vom Umgang im digitalen Umfeld namentlich dadurch, dass sie sich soziale Fähigkeiten aneignen, die es für ein kreatives und auf Zusammenarbeit basierendes Arbeitsumfeld braucht.73 Während oft der Ruf laut wird, dass Kinder und Jugendliche besser vor bestehenden und zukünftigen Risiken und Gefahren geschützt werden sollen, ist es wichtig, die Vorteile zu erkennen, die die neuen Digitaltechnologien mit sich bringen. Durch das Experimentieren mit neuen Technologien im Unterricht können selbstgesteuertes und ausserschulisches Lernen gefördert und neue Formen der sozialen Interaktion entwickelt werden.
Erst die Zukunft wird verlässlich zeigen, in welchem Ausmass digitale Medien wie Handy und Internet informations- und kommunikationsbasierte Vorgänge wie das Lernen nachhaltig verändern. Immerhin besteht aber bereits jetzt eine reichhaltige Forschung zu den Chancen und Risiken der digitalen Mediennutzung, aus der sich gerade auch im Blick auf Schulen erste und vorsichtige Handlungsempfehlungen ableiten lassen.
2. Erkenntnisleitende Fragestellungen
Dieses Buch bezweckt ein »Umfeldmonitoring« in Sachen Internetrisiken für Kinder und Jugendliche in der Schweiz. Dabei werden namentlich die folgenden Aspekte diskutiert und Fragen beantwortet:
1. Welchen Risiken und Gefahren sind Kinder und Jugendliche bei der Nutzung des Internets ausgesetzt? Dabei sind sowohl kurzfristige Risiken und Gefahren (z. B. Mobbing) als auch langfristige Folgen (z. B. Hinterlassen von untilgbaren Informationen im Internet) zu berücksichtigen.
2. Welche Möglichkeiten bestehen, um für Kinder und Jugendliche diese Risiken und Gefahren – präventiv – zu minimieren?
3. Sind in Zukunft im Zusammenhang mit der Nutzung des Internets für Kinder und Jugendliche Risiken und Gefahren zu erwarten, die heute noch von untergeordneter Bedeutung sind? Wenn ja, welche?
3. Methodologie
Primäres Datenmaterial
Die vorliegende Studie basiert auf einschlägigen Forschungsarbeiten aus dem In- und Ausland, wobei sowohl quantiative wie auch qualitative Befunde Berücksichtigung finden. Für die nachfolgende Darstellung der Risiken und Gefahren, die sich für Kinder und Jugendliche im Zusammenhang mit der Internetnutzung ergeben, wurde hauptsächlich Datenmaterial aus folgenden grösseren Studien aus dem deutschsprachigen Raum verwendet (weitere wichtige Quellen finden sich im Literaturverzeichnis):
1. JAMESfocus 201174
Willemse, I., Waller, G., & Süss, D. (2011). JAMESfocus – Mediennutzungstypen bei Schweizer Jugendlichen – zwischen Risikoverhalten und positivem Umgang. Zürich: Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Zuletzt abgerufen am 3. Februar 2012 unter: http://www.psychologie.zhaw.ch/fileadmin/user_upload/psychologie/ Downloads/Forschung/James/Willemse_Waller_Su%CC%88ss_-_JAMESfocus_Bericht_31.01.2012.pdf.
2. JAMES-Studie 201075
Willemse, I., Waller, G., & Süss, D. (2010). JAMES – Jugend, Aktivitäten, Medien – Erhebung Schweiz. Zuletzt abgerufen am 3. Februar 2012 unter: http://www.psychologie.zhaw.ch/fileadmin/user_upload/psychologie/ Downloads/Forschung/James/Ergebnisbericht_JAMES_2010_de.pdf.
3. JIM-Studie 201176
Behrens, P., & Rathgeb, T. (2011). JIM-Studie 2011: Jugend, Information, (Multi-) Media. Basisstudie zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest. Zuletzt abgerufen am 3. Februar 2012 unter: http://www.mpfs.de/fileadmin/JIM-pdf11/JIM2011.pdf.
4. JIM-Studie 201077
Kutteroff, A., & Behrens, P. (2010). JIM-Studie 2010: Jugend, Information, (Multi-) Media. Basisstudie zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest. Zuletzt abgerufen am 3. Februar 2012 unter: http://www.mpfs.de/fileadmin/JIM-pdf10/JIM2010.pdf.
5. JIM-Studie 200978
Kutteroff, A., & Behrens, P. (2009). JIM-Studie 2009: Jugend, Information, (Multi-) Media. Basisstudie zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest. Zuletzt abgerufen am 3. Februar 2012 unter: http://www.mpfs.de/fileadmin/JIM-pdf09/JIM-Studie2009.pdf.
6. KIM-Studie 201079
Behrens, P., & Rathgeb, T. (2011). KIM-Studie 2010: Kinder und Medien, Computer und Internet. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest. Zuletzt abgerufen am 3. Februar 2012 unter: http://www.mpfs.de/fileadmin/KIM-pdf10/KIM2010.pdf.
7. KIM-Studie 200880
Kutteroff, A., & Behrens, P. (2009). KIM-Studie 2008: Kinder und Medien, Computer und Internet. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest. Zuletzt abgerufen am 3. Februar 2012 unter: http://www.mpfs.de/fileadmin/KIM-pdf08/KIM2008.pdf.
Zusätzlich zu diesen Quellen werden im Folgenden mehrere internationale Studien zu Spezialfragen herangezogen, die in den vorgenannten Untersuchungen nicht adressiert worden sind.
Gliederung
Die vorliegende Studie ist wie folgt aufgebaut: In einem ersten Teil werden grundlegende Fakten rund um die Internetnutzung von Kindern und Jugendlichen im Überblick dargestellt, auf die im Verlaufe der weiteren Betrachtungen vertiefend Bezug genommen wird. Daran schliesst eine Analyse ausgewählter Risiko- und Gefahrenbereiche an. Das Schwergewicht der Betrachtung liegt dabei auf Bereichen, zu denen in der Forschung bereits relativ aussagekräftige Ergebnisse vorliegen. Die Diskussion der einzelnen Risiko- und Gefahrenbereiche folgt dabei einem einheitlichen Muster: Jedem Kapitel ist eine Übersicht vorangestellt, die in den jeweiligen Bereich einführt und die zentralen Fragen, aber auch erste Erkenntnisse zusammenfasst. Es folgt dann eine kleine Auswahl von konkreten Praxisbeispielen, die den jeweiligen Risiko- und Gefahrenbereich illustrieren sollen. Daran schliesst eine Diskussion der in der Übersicht angesprochenen und durch die Beispiele aufgeworfenen Fragen und Phänomene an, die den aktuellen Forschungsstand zusammenfassend darzustellen sucht, ohne aber auch nur annäherungsweise Vollständigkeit anzustreben. Jedes Kapitel endet mit einem Überblick über Interventionsmöglichkeiten, wobei besonders auf jene Massnahmen eingegangen wird, die einen Bezug zu Bildung und Schule aufweisen. Im letzten Teil der Studie werden sodann Risiko- und Gefahrenbereiche angesprochen, die bisher zumindest in der Schweiz in der Öffentlichkeit weniger Aufmerksamkeit erfahren haben, aber im Rahmen eines Monitorings allemal Berücksichtigung finden sollten.
KAPITEL II
Fakten
Für die Analyse von Risiken und Gefahren im Internet spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Grundlegend ist die Frage des Zugangs zum Internet und der Zugangsbedingungen, die Häufigkeit und Intensität der Internetnutzung und der Zugangsort. Relevant in Bezug auf die Internetnutzung und den Umgang mit Risiken und Gefahren ist mithin der Bildungsstand. Bedeutsam ist auch das Zugangsmedium. Immer mehr Kinder und Jugendliche besitzen selbst ein Mobiltelefon und können damit jederzeit und ohne elterliche Kontrolle online gehen. Nicht weniger relevant ist, was Kinder und Jugendliche tatsächlich online machen.
Internetzugang
Wie oben erwähnt, ist gemäss der JAMES-Studie 2010 in 99 % der Haushalte, in welchen Kinder und Jugendliche aufwachsen, ein Computer und in 95 % der Haushalte ein Zugang zum Internet vorhanden.81 Drei Viertel der Kinder und Jugendlichen haben nach dieser Studie gar einen eigenen Computer mit Internetzugang.82 Damit ist, bei wohl weiter steigender Tendenz, bald von einer fast allgegenwärtigen Verfügbarkeit von Internet in Haushalten, in denen Kinder und Jugendliche aufwachsen, auszugehen.83 Laut der KIM-Studie 2009 ist die Verfügbarkeit des Internets auch in deutschen Haushalten, in denen Kinder aufwachsen, in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen.84 Die JIM-Studie 2011 besagt, dass Computer (100 %) und Internet (99 %) in allen deutschen Haushalten, in denen 12- bis 19-Jährige aufwachsen, vorhanden sind.85 Eine zunehmend wichtige, allerdings noch wenig erforschte Rolle spielt der mobile Zugang zum Internet via Handys (dazu sogleich mehr), aber etwa auch via WiFifähige iPods und Tablets, wobei namentlich die Zugangsbedingungen (z.B WiFi versus Datenplan) noch kaum untersucht sind.
Internetnutzung
Laut dem Schweizer Bundesamt für Statistik nutzten im März 2011 95,4 % der 14- bis 19-Jährigen das Internet.86 Die JAMES-Studie 2010 geht von 99 % der 12- bis 19-Jährigen aus, wobei 89 % täglich oder mehrmals pro Woche online sind.87 Ähnliche Daten sind auch über Kinder und Jugendliche in Deutschland vorhanden. Nach Angaben der KIM-Studie 2010 nutzen insgesamt 57 % der Kinder im Alter von 6 bis 13 Jahren das Internet zumindest selten.88 Zu den Nutzerinnen und Nutzern des Internets zählen laut JIM-Studie 2011 99 % der 12- bis 19-Jährigen.89
Nutzungshäufigkeit
Gemäss der JAMES-Studie 2010 sind 89 % der befragten Kinder und Jugendlichen in der Schweiz mehrmals pro Woche oder täglich online.90 Die Verweildauer im Internet wird im Schnitt mit 2 Stunden und 5 Minuten (an Wochentagen) bzw. mit 3 Stunden und 1 Minute (an freien Tagen) angegeben.91 In Deutschland sind ebenfalls 89 % der Kinder und Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren mehrmals pro Woche online. 65 % der Befragten geben an, täglich im Internet zu sein. Die durchschnittliche tägliche Internetnutzung liegt nach eigenen Angaben der Kinder und Jugendlichen bei 2 Stunden und 14 Minuten (134 Minuten) pro Tag.92 Der Bericht »Generation M2« der Henry J. Kaiser Family Foundation kommt zu einem ganz ähnlichen Schluss. Jugendliche in den USA verbringen täglich 129 Minuten an einem Computer/online.93 Grundsätzlich darf aber nicht davon ausgegangen werden, dass eine häufigere Nutzung automatisch und für alle Kategorien mehr Risiken mit sich bringt; Kinder und Jugendliche, die häufiger das Internet nutzen, lernen u. U. manche Risiken frühzeitig zu erkennen (z. B. Kontaktanbahnung/Fremdkontakt) oder verstehen es, sich davon (z. B. mit technischen Massnahmen) abzuschirmen. Vieles hängt (auch hier) von der konkreten Nutzungsweise ab.
Zugangsort
Laut der deutschen JIM-Studie 2011 findet die Internetnutzung der 12- bis 19-Jährigen wie in früheren Jahren in erster Linie zu Hause statt. Drei Viertel (73 %) gehen regelmässig vom eigenen Zimmer aus online, 43 % nutzen einen anderen Zugang im Haushalt. 11 % surfen bei Freundinnen und Freunden. In der Schule oder bei der Arbeit gehen nur 16 % regelmässig online. Mobiles Internet spielt momentan zwar ebenfalls noch eine untergeordnete Rolle, ist aber zweifelsfrei im Wachstum begriffen und seit der letzten Befragung um 11 Prozentpunkte auf 13 % angestiegen.94 In der Schweiz variiert der Zugriff auf das Internet in der Schule je nach Alter stark. Gemäss der JAMES-Studie 2010 werden Computer und Internet von knapp einem Drittel der 18- bis 19-Jährigen täglich oder mehrmals pro Woche genutzt, bei den 12- bis 13-Jährigen allerdings nur von 10 % der Befragten.95
Bildungsstand
Nach Angaben des schweizerischen Bundesamtes für Statistik variiert die Internetnutzung je nach Bildungsstand. Verglichen mit Jugendlichen mit einem obligatorischen Schulabschluss (57 % sind Internetnutzerinnen und -nutzer) und Jugendlichen mit einem Abschluss auf der Sekundarstufe II (76 % sind Internetnutzerinnen und -nutzer), benutzen Gymnasiasten und Hochschulabsolventinnen das Internet am häufigsten (94 %). Das Bundesamt für Statistik stellt weiter fest, dass sich die Lücke in der Internetnutzung zwischen Menschen mit unterschiedlichem Bildungsgrad nur langsam einebnet.96 Die JIM-Studie 2011 hat zudem ergeben, dass der Bildungsgrad auch einen Einfluss auf die Nutzungszeiten hat: Jugendliche mit tieferem Bildungsstand verweilen länger im Internet als solche mit höherer Bildung.97
Medium
Gemäss der JIM-Studie 2011 ist das Mobiltelefon das am meisten verbreitete eigene Medium der 12- bis 19-Jährigen. Allen 12- bis 19-Jährigen steht im Haushalt ein Mobiltelefon zur Verfügung. 96 % der Jugendlichen besitzen bereits ein eigenes Mobiltelefon, unter den Mädchen sind es sogar 98 %.98 Dabei überprüfen 83 % der Eltern die Inhalte nicht, die ihre Kinder auf ihren Mobiltelefonen gespeichert haben.99 Die weite Verbreitung von Mobiltelefonen ist auch in der Schweiz zu beobachten, wo 98 % der in der JAMES-Studie 2010 befragten 12- bis 19-Jährigen ein eigenes Handy besitzen, wovon ca. ein knappes Drittel Smartphones.100 In 43 % der deutschen Haushalte sind Smartphones, also Mobiltelefone mit mobilem Internetzugang, vorhanden. 25 % der Jugendlichen haben ein eigenes Smartphone, was einer Zunahme von 11 Prozentpunkten seit Durchführung der JIM-Studie 2010 entspricht.101 Bei den Mobiltelefonen handelt es sich vielfach um neuere Modelle mit erweiterten Funktionen: Fast alle Mobiltelefone (95 %) der 12- bis 19-Jährigen verfügen über eine eigene integrierte Kamera.102 Die meisten Mobiltelefone sind laut Angaben der Kinder und Jugendlichen zudem in der Lage, auf das Internet zuzugreifen (81 %).103
92 % der Jugendlichen in der JAMES-Studie 2010 benutzen das Mobiltelefon täglich oder zumindest mehrmals pro Woche.104 In der Rangliste der liebsten Freizeitaktivität (medial und non-medial) steht das Nutzen des Mobiltelefones zuoberst.105 Der Bericht »Generation M2« der Henry J. Kaiser Family Foundation besagt, dass 12- bis 15-Jährige in den USA 90 Minuten täglich damit verbringen, SMS zu versenden.106 In der Schweiz verschicken 86 % der befragten Jugendlichen täglich oder mehrmals pro Woche SMS-Nachrichten.107 Allerdings dürfte SMS mit zunehmender Verbreitung von Smartphones durch Anwendungen verdrängt werden, die es erlauben, Kurznachrichten via Internet zu versenden.
Gemäss der in Deutschland durchgeführten JIM-Studie 2011 haben bereits alle 12- bis 19-Jährigen einen Computer oder Laptop im Haushalt. 79 % besitzen einen eigenen Computer oder Laptop.108 In der Schweiz haben gemäss der JAMES-Studie 2010 99 % der Haushalte mit Kindern und Jugendlichen einen Computer,109 wobei drei Viertel der Kinder und Jugendlichen gar einen eigenen Computer mit Internetzugang besitzen.110
Tätigkeiten online
Nach Angaben der KIM-Studie 2010 ist das Benutzen von Suchmaschinen für 6- bis 13-jährige Kinder die häufigste Tätigkeit online (mind. einmal pro Woche: 68 %); es folgen der Besuch von Websites für Kinder und das Ansehen von Filmen und Videos online (je 46 %). Ähnlich häufig (44 %) surfen 6- bis 13-Jährige einfach so drauf los oder besuchen eine Social Network Site (43 %; in der Studie »Community« genannt). Die Kommunikation übers Internet, sei es via E-Mail (38 %), beim Chatten (34 %) und oder durch Austausch per Instant Messenger (30 %), spielt anders als bei Jugendlichen (siehe JIM-Studie 2011) bei der Internetnutzung von 6- bis 13-Jährigen eine weniger prominente Rolle.111 Allerdings haben kommunikative Aspekte des Internets auch für 6- bis 13-Jährige seit der letzten Erhebung der KIM-Studie 2008 an Bedeutung gewonnen: Instant Messenger (19 %) oder Communities wie SchülerVZ (16 %) waren 2008, wenn überhaupt, nur für die älteren Kinder interessant.112
Nach Angaben der JIM-Studie benutzen 12- bis 19-Jährige das Internet vor allem als Kommunikationsmedium. Etwa die Hälfte der Befragten kommuniziert regelmässig per E-Mail; dieser Wert ist seit 2009 ziemlich stabil. Jedoch haben sich andere Gewohnheiten innerhalb kurzer Zeit stark verändert: Während 2010 noch 63 % täglich oder mehrmals pro Woche einen Instant Messenger benutzten, waren es 2011 nur noch 49 %. An die Stelle der Instant Messenger sind Social Networks getreten. Während 60 % der 12- und 13-Jährigen solche sozialen Netzwerke wie Facebook nutzen, sind es bei den 14- bis 19-Jährigen 80 % oder mehr.113 Auch die ARD/ZDF-Onlinestudie 2011 kommt zu ähnlichen Resultaten. Der Studie zufolge nutzen 63 % der 14- bis 19-Jährigen täglich ein Social Network, weitere 30 % wöchentlich.114
In der Schweiz sind 84 % der in der JAMES-Studie 2010 befragten Jugendlichen bei mindestens einem Social Network registriert. 73 % dieser registrierten Nutzerinnen und Nutzer sind bei Facebook angemeldet. Insgesamt nutzten im November 2011 549 100 Personen im Alter von 14 bis 19 Jahren Facebook. Die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer wächst wohl weiterhin, waren doch zu Beginn 2011 erst 508 360 davon bei diesem hierzulande erfolgreichsten Social Network registriert.115 Im Durchschnitt verbringt ein Schweizer knapp vier Stunden pro Monat auf einer Social Network Seite.116 Die JAMES-Studie 2010 zeigt, dass Jugendliche in der Schweiz Social Networks auch bei der Suche nach Information im Internet nutzen (67 % täglich oder mehrmals pro Woche), und zwar sogar intensiver als Suchmaschinen (66 %).117
Gemäss JIM-Studie 2011 wird von Jugendlichen neben der Kommunikation am meisten Zeit online zu Zwecken der Unterhaltung verbracht (24 %). 16 % der Internetnutzung dienen dem Online-Gaming, zwei Prozentpunkte mehr als im Jahr 2009. Nach Angaben der JAMES-Studie 2010 spielen 25 % häufig alleine Online-Spiele, 20 % gemeinsam mit anderenen Internetnutzerinnen und -nutzern (Freunden oder unbekannten Personen).118 Im Vergleich zu Deutschland (16 % bzw. 17 %) liegen diese Werte etwas höher.119 Es besteht dabei ein grosser Unterschied zwischen Mädchen und Jungen: Während nur 6 % der Mädchen zwischen 12 und 19 Jahren in der Schweiz mit anderen online spielen, sind es bei den Knaben 33 %.120 Die JIM-Studie 2011 zeigt, dass die männlichen Jugendlichen auch wesentlich mehr Zeit mit Spielen verbringen als die weiblichen: Mit 58 Minuten wochentags und 116 Minuten am Wochenende spielen Erstere mehr als doppelt so lange wie Letztere (35 Minuten bzw. 42 Minuten).121 Gemäss der JAMES-Studie 2010 haben 70 % aller 12- bis 19-Jährigen in der Schweiz Zugang zu einer festen Spielkonsole (TV/PC).122
Das Internet wird durchaus auch für kreativere Tätigkeiten verwendet. 48 % der in der JAMES-Studie 2010 befragten 12- bis 19-Jährigen geben an, täglich oder mehrmals pro Woche zum Web 2.0 beizutragen. 19 % laden regelmässig Fotos oder Videos ins Netz. 11 % laden Musik hoch. 10 % verfassen täglich oder mehrmals pro Woche Blogeinträge (28 % monatlich oder seltener).123 Es erstaunt dabei nicht, dass die auch im Offline-Leben gestalterisch aktiven Nutzerinnen und Nutzer solche interaktiven Internetanwendungen häufiger nutzen als ihre gestalterisch passiven Peers, wie die JAMESfocus-Studie 2011 belegt.124 In Deutschland ist gemäss der ARD/ZDF-Onlinestudie 2011 das Interesse zu aktiver Nutzung in den vergangenen Jahren – mit Ausnahme von 2010, wo ein Rückgang festgestellt wurde – stabil geblieben.125
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