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Egmont

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Personen

Margarete von Parma, Tochter Karls des Fünften, Regentin der Niederlande.

Graf Egmont, Prinz von Gaure.

Wilhelm von Oranien.

Herzog von Alba.

Ferdinand, sein natürlicher Sohn.

Machiavell, im Dienst der Regentin.

Richard, Egmonts Geheimschreiber.

Silva,) – unter Alba dienend.

Gomez,) -

Klärchen, Egmonts Geliebte.

Ihre Mutter.

Brackenburg, ein Bürgerssohn.

Soest, Krämer,) – Bürger von Brüssel.

Jetter, Schneider,) -

Zimmermeister,) -

Seifensieder,) -

Buyck, Soldat unter Egmont.

Ruysum, Invalide und taub.

Vansen, ein Schreiber.

Volk, Gefolge, Wachen u. s. w.

Der Schauplatz ist in Brüssel.

Armbrustschießen.

Soldaten und Bürger mit Armbrüsten.

Jetter, Bürger von Brüssel, Schneider, tritt vor und spannt die Armbrust.

Soest, Bürger von Brüssel, Krämer.

Soest. Nun schießt nur hin, daß es alle wird! Ihr nehmt mir's doch nicht! Drei Ringe schwarz, die habt ihr eure Tage nicht geschossen. Und so wär' ich für dies Jahr Meister.

Jetter. Meister und König dazu. Wer mißgönnt's Euch? Ihr sollt dafür auch die Zeche doppelt bezahlen; Ihr sollt Eure Geschicklichkeit bezahlen, wie's recht ist.

(Buyck, ein Holländer, Soldat unter Egmont.)

Buyck. Jetter, den Schuß handl' ich Euch ab, teile den Gewinst, traktiere die Herren: ich bin so schon lange hier und für viele Höflichkeit Schuldner. Fehl' ich, so ist's, als wenn Ihr geschossen hättet.

Soest. Ich sollte drein reden; denn eigentlich verlier' ich dabei. Doch,

Buyck, nur immerhin.

Buyck (schießt). Nun, Pritschmeister, Reverenz! – Eins! Zwei! Drei!

Vier!

Soest. Vier Ringe? Es sei!

Alle. Vivat, Herr König, hoch! und abermal hoch!

Buyck. Danke, ihr Herren. Wäre Meister zu viel! Danke für die Ehre.

Jetter. Die habt Ihr Euch selbst zu danken.

(Ruysum, ein Friesländer, Invalide und taub.)

Ruysum. Daß ich euch sage!

Soest. Wie ist's, Alter?

Ruysum. Daß ich euch sage! – Er schießt wie sein Herr, er schießt wie

Egmont.

Buyck. Gegen ihn bin ich nur ein armer Schlucker. Mit der Büchse trifft er erst, wie keiner in der Welt. Nicht etwa wenn er Glück oder gute Laune hat; nein! wie er anlegt, immer rein schwarz geschossen. Gelernt habe ich von ihm. Das wäre auch ein Kerl, der bei ihm diente und nichts von ihm lernte! – Nicht zu vergessen, meine Herren! Ein König nährt seine Leute; und so, auf des Königs Rechnung, Wein her!

Jetter. Es ist unter uns ausgemacht, daß jeder —

Buyck. Ich bin fremd und König, und achte eure Gesetze und Herkommen nicht.

Jetter. Du bist ja ärger als der Spanier; der hat sie uns doch bisher lassen müssen.

Ruysum. Was?

Soest (laut). Er will uns gastieren; er will nicht haben, daß wir zusammenlegen und der König nur das Doppelte zahlt.

Ruysum. Laßt ihn! doch ohne Präjudiz! Das ist auch seines Herrn Art, splendid zu sein und es laufen zu lassen, wo es gedeiht. (Sie bringen Wein.)

Alle. Ihro Majestät Wohl! Hoch!

Jetter (zu Buyck). Versteht sich, Eure Majestät.

Buyck. Danke von Herzen, wenn's doch so sein soll.

Soest. Wohl! Denn unserer spanischen Majestät Gesundheit trinkt nicht leicht ein Niederländer von Herzen.

Ruysum. Wer?

Soest (laut). Philipps des Zweiten, Königs in Spanien.

Ruysum. Unser allergnädigster König und Herr! Gott geb' ihm langes

Leben.

Soest. Hattet Ihr seinen Herrn Vater, Karl den Fünften, nicht lieber?

Ruysum. Gott tröst' ihn! Das war ein Herr! Er hatte die Hand über dem ganzen Erdboden, und war euch alles in allem; und wenn er euch begegnete, so grüßt' er euch, wie ein Nachbar den andern; und wenn ihr erschrocken wart, wußt' er mit so guter Manier – Ja, versteht mich – Er ging aus, ritt aus, wie's ihm einkam, gar mit wenig Leuten. Haben wir doch alle geweint, wie er seinem Sohn das Regiment hier abtrat – sagt' ich, versteht mich – der ist schon anders, der ist majestätischer.

Jetter. Er ließ sich nicht sehen, da er hier war, als in Prunk und königlichem Staate. Er spricht wenig, sagen die Leute.

Soest. Es ist kein Herr für uns Niederländer. Unsre Fürsten müssen froh und frei sein wie wir, leben und leben lassen. Wir wollen nicht verachtet noch gedruckt sein, so gutherzige Narren wir auch sind.

Jetter. Der König, denk' ich, wäre wohl ein gnädiger Herr, wenn er nur bessere Ratgeber hätte.

Soest. Nein, nein! Er hat kein Gemüt gegen uns Niederländer, sein Herz ist dem Volke nicht geneigt, er liebt uns nicht; wie können wir ihn wieder lieben? Warum ist alle Welt dem Grafen Egmont so hold? Warum trügen wir ihn alle auf den Händen? Weil man ihm ansieht, daß er uns wohl will; weil ihm die Fröhlichkeit, das freie Leben, die gute Meinung aus den Augen sieht; weil er nichts besitzt, das er dem Dürftigen nicht mitteilte, auch dem, der's nicht bedarf. Laßt den Grafen Egmont leben! Buyck, an Euch ist's, die erste Gesundheit zu bringen! Bringt Eures Herrn Gesundheit aus.

Buyck. Von ganzer Seele denn: Graf Egmont hoch!

Ruysum. Überwinder bei St. Quintin!

Buyck. Dem Helden von Gravelingen!

Alle. Hoch!

Ruysum. St. Quintin war meine letzte Schlacht. Ich konnte kaum mehr

fort, kaum die schwere Büchse mehr schleppen. Hab' ich doch den

Franzosen noch eins auf den Pelz gebrennt, und da kriegt' ich zum

Abschied noch einen Streifschuß ans rechte Bein.

Buyck. Gravelingen! Freunde! da ging's frisch! Den Sieg haben wir allein. Brannten und sengten die welschen Hunde nicht durch ganz Flandern? Aber ich mein', wir trafen sie! Ihre alten handfesten Kerle hielten lange wider, und wir drängten und schossen und hieben, daß sie die Mäuler verzerrten und ihre Linien zuckten. Da ward Egmont das Pferd unter dem Leibe niedergeschossen, und wir stritten lange hinüber herüber, Mann für Mann, Pferd gegen Pferd, Haufe mit Haufe, auf dem breiten flachen Sand an der See hin. Auf einmal kam's, wie vom Himmel herunter, von der Mündung des Flusses, bav! bau! immer mit Kanonen in die Franzosen drein. Es waren Engländer, die unter dem Admiral Malin von ungefähr von Dünkirchen her vorbeifuhren. Zwar viel halfen sie uns nicht; sie konnten nur mit den kleinsten Schiffen herbei, und das nicht nah genug; schossen auch wohl unter uns – Es that doch gut! Es brach die Welschen und hob unsern Mut. Da ging's! Rick! rack! herüber, hinüber! Alles tot geschlagen, alles ins Wasser gesprengt. Und die Kerle ersoffen, wie sie das Wasser schmeckten; und was wir Holländer waren, gerad hinten drein. Uns, die wir beidlebig sind, ward erst wohl im Wasser, wie den Fröschen; und immer die Feinde im Fluß zusammengehauen, weggeschossen wie die Enten. Was nun noch durchbrach, schlugen euch auf der Flucht die Bauerweiber mit Hacken und Mistgabeln tot. Mußte doch die welsche Majestät gleich das Pfötchen reichen und Friede machen. Und den Frieden seid ihr uns schuldig, dem großen Egmont schuldig.

Alle. Hoch! dem großen Egmont hoch! und abermal hoch! und abermal hoch!

Jetter. Hätte man uns den statt der Margarete von Parma zum Regenten gesetzt!

Soest. Nicht so! Wahr bleibt wahr! Ich lasse mir Margareten nicht schelten. Nun ist's an mir. Es lebe unsre gnäd'ge Frau!

Alle. Sie lebe!

Soest. Wahrlich, treffliche Weiber sind in dem Hause. Die Regentin lebe!

Jetter. Klug ist sie, und mäßig in allem, was sie thut; hielte sie's nur nicht so steif und fest mit den Pfaffen. Sie ist doch auch mit schuld, daß wir die vierzehn neuen Bischofsmützen im Lande haben. Wozu die nur sollen? Nicht wahr, daß man Fremde in die guten Stellen einschieben kann, wo sonst Äbte aus den Kapiteln gewählt wurden? Und wir sollen glauben, es sei um der Religion willen. Ja, es hat sich. An drei Bischöfen hatten wir genug: da ging's ehrlich und ordentlich zu. Nun muß doch auch jeder thun, als ob er nötig wäre; und da setzt's allen Augenblick Verdruß und Händel. Und je mehr ihr das Ding rüttelt und schüttelt, desto trüber wird's. (Sie trinken.)

Soest. Das war nun des Königs Wille; sie kann nichts davon, noch dazu thun.

Jetter. Da sollen wir nun die neuen Psalmen nicht singen. Sie sind wahrlich gar schön in Reimen gesetzt, und haben recht erbauliche Weisen. Die sollen wir nicht singen; aber Schelmenlieder, soviel wir wollen. Und warum? Es seien Ketzereien drin, sagen sie, und Sachen, Gott weiß. Ich hab' ihrer doch auch gesungen; es ist jetzt was Neues, ich hab' nichts drin gesehen.

Buyck. Ich wollte sie fragen! In unsrer Provinz singen wir, was wir wollen. Das macht, daß Graf Egmont unser Statthalter ist; der fragt nach so etwas nicht. – In Gent, Ypern, durch ganz Flandern singt sie, wer Belieben hat. (Laut.) Es ist ja wohl nichts unschuldiger, als ein geistlich Lied? Nicht wahr, Vater?

Ruysum. Ei wohl! Es ist ja ein Gottesdienst, eine Erbauung.

Jetter. Sie sagen aber, es sei nicht auf die rechte Art, nicht auf ihre Art; und gefährlich ist's doch immer, da läßt man's lieber sein. Die Inquisitionsdiener schleichen herum und passen auf; mancher ehrliche Mann ist schon unglücklich geworden! Der Gewissenszwang fehlte noch! Da ich nicht thun darf, was ich möchte, können sie mich doch denken und singen lassen, was ich will.

Soest. Die Inquisition kommt nicht auf. Wir sind nicht gemacht, wie die Spanier, unser Gewissen tyrannisieren zu lassen. Und der Adel muß auch beizeiten suchen, ihr die Flügel zu beschneiden.

Jetter. Es ist sehr fatal. Wenn's den lieben Leuten einfällt, in mein Haus zu stürmen, und ich sitz' an meiner Arbeit und summe just einen französischen Psalm und denke nichts dabei, weder Gutes noch Böses; ich summe ihn aber, weil er mir in der Kehle ist; gleich bin ich ein Ketzer und werde eingesteckt. Oder ich gehe über Land, und bleibe bei einem Haufen Volks stehen, das einem neuen Prediger zuhört, einem von denen, die aus Deutschland gekommen sind; auf der Stelle heiß' ich ein Rebell und komme in Gefahr, meinen Kopf zu verlieren. Habt ihr je einen predigen hören?

 

Soest. Wackre Leute. Neulich hört' ich einen auf dem Felde vor tausend und tausend Menschen sprechen. Das war ein ander Geköch, als wenn unsre auf der Kanzel herumtrommeln und die Leute mit lateinischen Brocken erwürgen. Der sprach von der Leber weg; sagte, wie sie uns bisher hätten bei der Nase herumgeführt, uns in der Dummheit erhalten, und wie wir mehr Erleuchtung haben könnten. – Und das bewies er euch alles aus der Bibel.

Jetter. Da mag doch auch was dran sein. Ich sagt's immer selbst, und grübelte so über die Sache nach. Mir ist's lang im Kopf herumgegangen.

Buyck. Es läuft ihnen auch alles Volk nach.

Soest. Das glaub' ich, wo man was Gutes hören kann und was Neues.

Jetter. Und was ist's denn nun? Man kann ja einen jeden predigen lassen nach seiner Weise.

Buyck. Frisch, ihr Herren! Über dem Schwätzen vergeßt ihr den Wein und

Oranien.

Jetter. Den nicht zu vergessen! Das ist ein rechter Wall: wenn man nur an ihn denkt, meint man gleich, man könne sich hinter ihn verstecken, und der Teufel brächte einen nicht hervor. Hoch! Wilhelm von Oranien, hoch!

Alle. Hoch! hoch!

Soest. Nun, Alter, bring' auch deine Gesundheit.

Ruysum. Alte Soldaten! Alle Soldaten! Es lebe der Krieg!

Buyck. Bravo, Alter! Alle Soldaten! Es lebe der Krieg!

Jetter. Krieg! Krieg! Wißt ihr auch, was ihr ruft? Daß es euch leicht vom Munde geht, ist wohl natürlich; wie lumpig aber unser einem dabei zu Mute ist, kann ich nicht sagen. Das ganze Jahr das Getrommel zu hören, und nichts zu hören, als wie da ein Haufen gezogen kommt und dort ein andrer, wie sie über einen Hügel kamen und bei einer Mühle hielten, wieviel da geblieben sind, wieviel dort, und wie sie sich drängen, und einer gewinnt, der andere verliert, ohne daß man sein Tage begreift, wer was gewinnt oder verliert. Wie eine Stadt eingenommen wird, die Bürger ermordet werden, und wie's den armen Weibern, den unschuldigen Kindern ergeht. Das ist eine Not und Angst, man denkt jeden Augenblick: "Da kommen sie! Es geht uns auch so."

Soest. Drum muß auch ein Bürger immer in Waffen geübt sein.

Jetter. Ja, es übt sich, wer Frau und Kinder hat. Und doch hör' ich noch lieber von Soldaten, als ich sie sehe.

Buyck. Das sollt' ich übel nehmen.

Jetter. Auf Euch ist's nicht gesagt, Landsmann. Wie wir die spanischen

Besatzungen los waren, holten wir wieder Atem.

Soest. Gelt! die lagen dir am schwersten auf?

Jetter. Vexier Er sich.

Soest. Die hatten scharfe Einquartierung bei dir.

Jetter. Halt dein Maul.

Soest. Sie hatten ihn vertrieben aus der Küche, dem Keller, der

Stube – dem Bette. (Sie lachen.)

Jetter. Du bist ein Tropf.

Buyck. Friede, ihr Herren! Muß der Soldat Friede rufen? – Nun, da ihr von uns nichts hören wollt, nun bringt auch eure Gesundheit aus, eine bürgerliche Gesundheit.

Jetter. Dazu sind wir bereit! Sicherheit und Ruhe!

Soest. Ordnung und Freiheit!

Buyck. Brav! das sind auch wir zufrieden.

(Sie stoßen an und wiederholen fröhlich die Worte, doch so, daß jeder ein anders ausruft, und es eine Art Kanon wird. Der Alte horcht und fällt endlich auch mit ein.)

Alle. Sicherheit und Ruhe! Ordnung und Freiheit!

Palast der Regentin.

Margarete von Parma in Jagdkleidern. Hofleute. Pagen. Bediente.

Regentin. Ihr stellt das Jagen ab, ich werde heut' nicht reiten. Sagt Machiavellen, er soll zu mir kommen. (Alle gehen ab.) Der Gedanke an diese schrecklichen Begebenheiten läßt mir keine Ruhe! Nichts kann mich ergötzen, nichts mich zerstreuen; immer sind diese Bilder, diese Sorgen vor mir. Nun wird der König sagen, dies sei'n die Folgen meiner Güte, meiner Nachsicht; und doch sagt mir mein Gewissen jeden Augenblick, das Rätlichste, das Beste gethan zu haben. Sollte ich früher mit dem Sturme des Grimmes diese Flammen anfachen und umhertreiben? Ich hoffte sie zu umstellen, sie in sich selbst zu verschütten. Ja, was ich mir selbst sage, was ich wohl weiß, entschuldigt mich vor mir selbst; aber wie wird es mein Bruder aufnehmen? Denn, ist es zu leugnen? Der Übermut der fremden Lehrer hat sich täglich erhöht; sie haben unser Heiligtum gelästert, die stumpfen Sinne des Pöbels zerrüttet und den Schwindelgeist unter sie gebannt. Unreine Geister haben sich unter die Aufrührer gemischt, und schreckliche Thaten sind geschehen, die zu denken schauderhaft ist und die ich nun einzeln nach Hofe zu berichten habe, schnell und einzeln, damit mir der allgemeine Ruf nicht zuvorkomme, damit der König nicht denke, man wolle noch mehr verheimlichen. Ich sehe kein Mittel, weder strenges noch gelindes, dem Übel zu steuern. O was sind wir Großen auf der Woge der Menschheit? Wir glauben sie zu beherrschen, und sie treibt uns auf und nieder, hin und her.

(Machiavell tritt auf.)

Regentin. Sind die Briefe an den König aufgesetzt?

Machiavell. In einer Stunde werdet Ihr sie unterschreiben können.

Regentin. Habt Ihr den Bericht ausführlich genug gemacht?

Machiavell. Ausführlich und umständlich, wie es der König liebt. Ich erzähle, wie zuerst um St. Omer die bilderstürmerische Wut sich zeigt. Wie eine rasende Menge, mit Stäben, Beilen, Hämmern, Leitern, Stricken versehen, von wenig Bewaffneten begleitet, erst Kapellen, Kirchen und Klöster anfallen, die Andächtigen verjagen, die verschlossenen Pforten aufbrechen, alles umkehren, die Altäre niederreißen, die Statuen der Heiligen zerschlagen, alle Gemälde verderben, alles, was sie nur Geweihtes, Geheiligtes antreffen, zerschmettern, zerreißen, zertreten. Wie sich der Haufe unterwegs vermehrt, die Einwohner von Ypern ihnen die Thore eröffnen. Wie sie den Dom mit unglaublicher Schnelle verwüsten, die Bibliothek des Bischofs verbrennen. Wie eine große Menge Volks, von gleichem Unsinn ergriffen, sich über Menin, Comines, Verwich, Lille verbreitet, nirgend Widerstand findet, und wie fast durch ganz Flandern in einem Augenblicke die ungeheure Verschwörung sich erklärt und ausgeführt ist.

Regentin. Ach, wie ergreift mich aufs neue der Schmerz bei deiner Wiederholung! Und die Furcht gesellt sich dazu, das Übel werde nur größer und größer werden. Sagt mir Eure Gedanken, Machiavell!

Machiavell. Verzeihen Eure Hoheit, meine Gedanken sehen Grillen so ähnlich; und wenn Ihr auch immer mit meinen Diensten zufrieden wart, habt Ihr doch selten meinem Rat folgen mögen. Ihr sagtet oft im Scherze: "Du siehst zu weit, Machiavell! Du solltest Geschichtschreiber sein. Wer handelt, muß fürs Nächste sorgen." Und doch, habe ich diese Geschichte nicht voraus erzählt? Hab' ich nicht alles voraus gesehen?

Regentin. Ich sehe auch viel voraus, ohne es ändern zu können.

Machiavell. Ein Wort für tausend: Ihr unterdrückt die neue Lehre nicht! Laßt sie gelten, sondert sie von den Rechtgläubigen, gebt ihnen Kirchen, faßt sie in die bürgerliche Ordnung, schränkt sie ein; und so habt Ihr die Aufrührer auf einmal zur Ruhe gebracht. Jede andern Mittel sind vergeblich, und Ihr verheert das Land.

Regentin. Hast du vergessen, mit welchem Abscheu mein Bruder selbst die Frage verwarf, ob man die neue Lehre dulden könne? Weißt du nicht, wie er mir in jedem Briefe die Erhaltung des wahren Glaubens aufs eifrigste empfiehlt? daß er Ruhe und Einigkeit auf Kosten der Religion nicht hergestellt wissen will? Hält er nicht selbst in den Provinzen Spione, die wir nicht kennen, um zu erfahren, wer sich zu der neuen Meinung hinüberneigt? Hat er nicht zu unsrer Verwunderung uns diesen und jenen genannt, der sich in unsrer Nähe heimlich der Ketzerei schuldig machte? Befiehlt er nicht Strenge und Schärfe? Und ich soll gelind sein? Ich soll Vorschläge thun, daß er nachsehe, daß er dulde? Würde ich nicht alles Vertrauen, allen Glauben bei ihm verlieren?

Machiavell. Ich weiß wohl; der König befiehlt, er läßt Euch seine Absichten wissen. Ihr sollt Ruhe und Friede wieder herstellen durch ein Mittel, das die Gemüter noch mehr erbittert, das den Krieg unvermeidlich an allen Enden anblasen wird. Bedenkt, was Ihr thut! Die größten Kaufleute sind angesteckt, der Adel, das Volk, die Soldaten. Was hilft es, auf seinen Gedanken beharren, wenn sich um uns alles ändert? Möchte doch ein guter Geist Philippen eingeben, daß es einem Könige anständiger ist, Bürger zweierlei Glaubens zu regieren, als sie durch einander aufzureiben.

Regentin. Solch ein Wort nie wieder! Ich weiß wohl, daß Politik selten Treu' und Glauben halten kann, daß sie Offenheit, Gutherzigkeit, Nachgiebigkeit aus unsern Herzen ausschließt. In weltlichen Geschäften ist das leider nur zu wahr; sollen wir aber auch mit Gott spielen, wie unter einander? Sollen wir gleichgültig gegen unsere bewährte Lehre sein, für die so viele ihr Leben aufgeopfert haben? Die sollten wir hingeben an hergelaufne, ungewisse, sich selbst widersprechende Neuerungen?

Machiavell. Denkt nur deswegen nicht übler von mir.

Regentin. Ich kenne dich und deine Treue, und weiß, daß einer ein ehrlicher und verständiger Mann sein kann, wenn er gleich den nächsten, besten Weg zum Heil seiner Seele verfehlt hat. Es sind noch andere, Machiavell, Männer, die ich schätzen und tadeln muß.

Machiavell. Wen bezeichnet Ihr mir?

Regentin. Ich kann es gestehen, daß mir Egmont heute einen recht innerlichen, tiefen Verdruß erregte.

Machiavell. Durch welches Betragen?

Regentin. Durch sein gewöhnliches, durch Gleichgültigkeit und Leichtsinn. Ich erhielt die schreckliche Botschaft, eben als ich, von vielen und ihm begleitet, aus der Kirche ging. Ich hielt meinen Schmerz nicht an, ich beklagte mich laut und rief, indem ich mich zu ihm wendete: "Seht, was in Eurer Provinz entsteht! Das duldet Ihr, Graf, von dem der König sich alles versprach?"

Machiavell. Und was antwortete er?

Regentin. Als wenn es nichts, als wenn es eine Nebensache wäre, versetzte er: Wären nur erst die Niederländer über ihre Verfassung beruhigt! Das übrige würde sich leicht geben.

Machiavell. Vielleicht hat er wahrer als klug und fromm gesprochen. Wie soll Zutrauen entstehen und bleiben, wenn der Niederländer sieht, daß es mehr um seine Besitztümer als um sein Wohl, um seiner Seele Heil zu thun ist? Haben die neuen Bischöfe mehr Seelen gerettet als fette Pfründen geschmaust, und sind es nicht meist Fremde? Noch werden alle Statthalterschaften mit Niederländern besetzt; lassen sich es die Spanier nicht zu deutlich merken, daß sie die größte, unwiderstehlichste Begierde nach diesen Stellen empfinden? Will ein Volk nicht lieber nach seiner Art von den Seinigen regieret werden, als von Fremden, die erst im Lande sich wieder Besitztümer auf Unkosten aller zu erwerben suchen, die einen fremden Maßstab mitbringen und unfreundlich und ohne Teilnehmung herrschen?

Regentin. Du stellst dich auf die Seite der Gegner.

Machiavell. Mit dem Herzen gewiß nicht; und wollte, ich könnte mit dem

Verstande ganz auf der unsrigen sein.

Regentin. Wenn du so willst, so thät' es not, ich träte ihnen meine Regentschaft ab; denn Egmont und Oranien machten sich große Hoffnung, diesen Platz einzunehmen. Damals waren sie Gegner; jetzt sind sie gegen mich verbunden, sind Freunde, unzertrennliche Freunde geworden.

Machiavell. Ein gefährliches Paar.

Regentin. Soll ich aufrichtig reden, ich fürchte Oranien, und ich fürchte für Egmont. Oranien sinnt nichts Gutes, seine Gedanken reichen in die Ferne, er ist heimlich, scheint alles anzunehmen, widerspricht nie, und in tiefster Ehrfurcht, mit größter Vorsicht thut er, was ihm beliebt.

Machiavell. Recht im Gegenteil geht Egmont einen freien Schritt, als wenn die Welt ihm gehörte.

Regentin. Er trägt das Haupt so hoch, als wenn die Hand der Majestät nicht über ihm schwebte.

Machiavell. Die Augen des Volks sind alle nach ihm gerichtet, und die

Herzen hängen an ihm.

Regentin. Nie hat er einen Schein vermieden; als wenn niemand Rechenschaft von ihm zu fordern hätte. Noch trägt er den Namen Egmont. Graf Egmont freut ihn sich nennen zu hören; als wollte er nicht vergessen, daß seine Vorfahren Besitzer von Geldern waren. Warum nennt er sich nicht Prinz von Gaure, wie es ihm zukommt? Warum thut er das? Will er erloschne Rechte wieder geltend machen?

Machiavell. Ich halte ihn für einen treuen Diener des Königs.

Regentin. Wenn er wollte, wie verdient könnte er sich um die Regierung machen, anstatt daß er uns schon, ohne sich zu nutzen, unsäglichen Verdruß gemacht hat. Seine Gesellschaften, Gastmahle und Gelage haben den Adel mehr verbunden und verknüpft als die gefährlichsten heimlichen Zusammenkünfte. Mit seinen Gesundheiten haben die Gäste einen dauernden Rausch, einen nie sich verziehenden Schwindel geschöpft. Wie oft setzt er durch seine Scherzreden die Gemüter des Volks in Bewegung, und wie stutzte der Pöbel über die neuen Livreen, über die thörichten Abzeichen der Bedienten!

 

Machiavell. Ich bin überzeugt, es war ohne Absicht.

Regentin. Schlimm genug. Wie ich sage: er schadet uns und nützt sich nicht. Er nimmt das Ernstliche scherzhaft, und wir, um nicht müßig und nachlässig zu scheinen, müssen das Scherzhafte ernstlich nehmen. So hetzt eins das andre; und was man abzuwenden sucht, das macht sich erst recht. Er ist gefährlicher als ein entschiednes Haupt einer Verschwörung; und ich müßte mich sehr irren, wenn man ihm bei Hofe nicht alles gedenkt. Ich kann nicht leugnen, es vergeht wenig Zeit, daß er mich nicht empfindlich, sehr empfindlich macht.

Machiavell. Er scheint mir in allem nach seinem Gewissen zu handeln.

Regentin. Sein Gewissen hat einen gefälligen Spiegel. Sein Betragen ist oft beleidigend. Er sieht oft aus, als wenn er in der völligen Überzeugung lebe, er sei Herr, und wolle es uns nur aus Gefälligkeit nicht fühlen lassen, wolle uns so gerade nicht zum Lande hinausjagen; es werde sich schon geben.

Machiavell. Ich bitte Euch, legt seine Offenheit, sein glückliches Blut, das alles Wichtige leicht behandelt, nicht zu gefährlich aus. Ihr schadet nur ihm und Euch.

Regentin. Ich lege nichts aus; ich spreche nur von den unvermeidlichen Folgen, und ich kenne ihn. Sein niederländischer Adel und sein golden Vließ vor der Brust stärken sein Vertrauen, seine Kühnheit. Beides kann ihn vor einem schnellen, willkürlichen Unmut des Königs schützen. Untersuch' es genau; an dem ganzen Unglück, das Flandern trifft, ist er doch nur allein schuld. Er hat zuerst den fremden Lehrern nachgesehn, hat's so genau nicht genommen, und vielleicht sich heimlich gefreut, daß wir etwas zu schaffen hatten. Laß mich nur! Was ich auf dem Herzen habe, soll bei dieser Gelegenheit davon. Und ich will die Pfeile nicht umsonst verschießen; ich weiß, wo er empfindlich ist. Er ist auch empfindlich.

Machiavell. Habt Ihr den Rat zusammenberufen lassen? Kommt Oranien auch?

Regentin. Ich habe nach Antwerpen um ihn geschickt. Ich will ihnen die Last der Verantwortung nahe genug zuwälzen; sie sollen sich mit mir dem Übel ernstlich entgegensetzen oder sich auch als Rebellen erklären. Eile, daß die Briefe fertig werden, und bringe mir sie zur Unterschrift. Dann sende schnell den bewährten Vaska nach Madrid; er ist unermüdet und treu; daß mein Bruder zuerst durch ihn die Nachricht erfahre, daß der Ruf ihn nicht übereile. Ich will ihn selbst noch sprechen, eh' er abgeht.

Machiavell. Eure Befehle sollen schnell und genau befolgt werden.

Bürgerhaus.

Klare. Klarens Mutter. Brackenburg.

Klare. Wollt Ihr mir nicht das Garn halten, Brackenburg?

Brackenburg. Ich bitt' Euch, verschont mich, Klärchen.

Klare. Was habt Ihr wieder? Warum versagt Ihr mir diesen kleinen

Liebesdienst?

Brackenburg. Ihr bannt mich mit dem Zwirn so fest vor Euch hin, ich kann

Euern Augen nicht ausweichen.

Klare. Grillen! kommt und haltet!

Mutter (im Sessel strickend). Singt doch eins! Brackenburg sekundiert so hübsch. Sonst wart ihr lustig, und ich hatte immer was zu lachen.

Brackenburg. Sonst.

Klare. Wir wollen singen.

Brackenburg. Was Ihr wollt.

Klare. Nur hübsch munter und frisch weg! Es ist ein Soldatenliedchen, mein Leibstück.

(Sie wickelt Garn und singt mit Brackenburg.)

 
Die Trommel gerühret!
Das Pfeifchen gespielt!
Mein Liebster gewaffnet
Dem Haufen befiehlt,
Die Lanze hoch führet,
Die Leute regieret.
Wie klopft mir das Herze!
Wie wallt mir das Blut!
O hätt' ich ein Wämslein
Und Hosen und Hut!
Ich folgt' ihm zum Thor 'naus
Mit mutigem Schritt,
Ging' durch die Provinzen,
Ging' überall mit.
Die Feinde schon weichen,
Wir schießen darein!
Welch Glück sondergleichen,
Ein Mannsbild zu sein!
 

(Brackenburg hat unter dem Singen Klärchen oft angesehen; zuletzt bleibt ihm die Stimme stocken, die Thränen kommen ihm in die Augen, er läßt den Strang fallen und geht ans Fenster. Klärchen singt das Lied allein aus, die Mutter winkt ihr halb unwillig, sie steht auf, geht einige Schritte nach ihm hin, kehrt halb unschlüssig wieder um und setzt sich.)

Mutter. Was giebt's auf der Gasse, Brackenburg? Ich höre marschieren.

Brackenburg. Es ist die Leibwache der Regentin.

Klare. Um diese Stunde? Was soll das bedeuten? (Sie steht auf und geht an das Fenster zu Brackenburg.) Das ist nicht die tägliche Wache, das sind weit mehr! Fast alle ihre Haufen. O Brackenburg, geht! hört einmal, was es giebt? Es muß etwas Besonderes sein. Geht, guter Brackenburg, thut mir den Gefallen.

Brackenburg. Ich gehe! Ich bin gleich wieder da! (Er reicht ihr abgehend die Hand; sie gibt ihm die ihrige.)

Mutter. Du schickst ihn schon wieder weg.

Klare. Ich bin neugierig. Und auch, verdenkt mir's nicht, seine Gegenwart thut mir weh. Ich weiß immer nicht, wie ich mich gegen ihn betragen soll. Ich habe Unrecht gegen ihn, und mich nagt's am Herzen, daß er es so lebendig fühlt. – Kann ich's doch nicht ändern!

Mutter. Es ist ein so treuer Bursche.

Klare. Ich kann's auch nicht lassen, ich muß ihm freundlich begegnen. Meine Hand drückt sich oft unversehens zu, wenn die seine mich so leise, so liebevoll anfaßt. Ich mache mir Vorwürfe, daß ich ihn betrüge, daß ich in seinem Herzen eine vergebliche Hoffnung nähre. Ich bin übel dran. Weiß Gott, ich betrüg' ihn nicht. Ich will nicht, daß er hoffen soll, und ich kann ihn doch nicht verzweifeln lassen.

Mutter. Das ist nicht gut.

Klare. Ich hatte ihn gern und will ihm auch noch wohl in der Seele. Ich hätte ihn heiraten können, und glaube, ich war nie in ihn verliebt.

Mutter. Glücklich wärst du immer mit ihm gewesen.

Klare. Wäre versorgt und hätte ein ruhiges Leben.

Mutter. Und das ist alles durch deine Schuld verscherzt.

Klare. Ich bin in einer wunderlichen Lage. Wenn ich so nachdenke, wie es gegangen ist, weiß ich's wohl und weiß es nicht. Und dann darf ich Egmont nur wieder ansehen, wird mir alles sehr begreiflich, ja, wäre mir weit mehr begreiflich. Ach, was ist's ein Mann! Alle Provinzen beten ihn an, und ich in seinem Arm sollte nicht das glücklichste Geschöpf von der Welt sein?

Mutter. Wie wird's in der Zukunft werden?

Klare. Ach, ich frage nur, ob er mich liebt; und ob er mich liebt, ist das eine Frage?

Mutter. Man hat nichts als Herzensangst mit seinen Kindern. Wie das ausgehen wird? Immer Sorge und Kummer! Es geht nicht gut aus! Du hast dich unglücklich gemacht! mich unglücklich gemacht.

Klare (gelassen). Ihr ließet es doch im Anfange.

Mutter. Leider war ich zu gut, bin immer zu gut.

Klare. Wenn Egmont vorbeiritt und ich ans Fenster lief, schaltet Ihr mich da? Tratet Ihr nicht selbst ans Fenster? Wenn er heraufsah, lächelte, nickte, mich grüßte, war es Euch zuwider? Fandet Ihr Euch nicht selbst in Eurer Tochter geehrt?

Mutter. Mache mir noch Vorwürfe.

Klare (gerührt). Wenn er nun öfter die Straße kam und wir wohl fühlten, daß er um meinetwillen den Weg machte, bemerktet Ihr's nicht selbst mit heimlicher Freude? Rieft Ihr mich ab, wenn ich hinter den Scheiben stand und ihn erwartete?

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