Höllen-Lärm

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Heiße Rocker:

Lita Ford, Out For Blood (1983)

Mötley Crüe, Too Fast For Love (1981)

Ozzy Osbourne, Blizzard Of Ozz (1980)

Ozzy Osbourne, Diary Of A Madman (1981)

Quiet Riot, II (1979)

Ratt, Ratt EP (1983)

Riot, Fire Down Under (1981)

Twisted Sister, Under The Blade (1982)

Van Halen, I (1978)

Van Halen, Women And Children First (1980)

diverse Interpreten, Metal Massacre (1982)

Y&T, Earthshaker (1981)

Mollakkorde und dunkler Metal fegten über Amerika, als Back In Black von AC/DC im November 1980 auf Platz vier der US-Charts kletterte. Das Album war eine lautstarke Auflehnung gegen den Rockstartod des langjährigen Sän­gers Bon Scott am 20. Februar 1980, der infolge übermäßigen Alkoholkonsums an Erbrochenem erstickt war. Scott, der sein Handwerk mit der Ausstrahlung einer derben Kneipendiva versehen hatte, war laut ärztlichem Bericht einem „Unfall mit tödlichem Ausgang“ zum Opfer gefallen, und nachdem sich das herumgesprochen hatte, schrieben Ozzy und Randy Rhoads ihm zu Ehren den Antialkoholsong „Suicide Solution“. Statt durch diesen Schicksalsschlag ruhi­ger zu werden, kamen AC/DC wütend um sich spuckend aus den Grabgewöl­ben nach oben getobt. Zwar gab es Partyhymnen wie „You Shook Me All Night Long“, aber mit dem unheilvollen Läuten der „Hells Bells“ und dem schleppend langsamen „Rock And Roll Ain’t Noise Pollution“ lag bei Back In Black die Beto­nung vor allem auf grollendem, donnerndem Heavy Metal. Leadgitarrist Angus Young jagte mit seinen Riffs der präzisen Rhythmusabteilung seines Bruders Malcolm immer einen Atemzug voraus – ein Zauberer von kleiner Statur, des­sen einziges Werkzeug eine große Gitarre war, an der er alle Regler – außer dem für die Lautstärke – entfernt hatte.

Back In Black bewies, dass Heavy Metal ein bislang unerwartet großes Publi­kum ansprach. Wie sich herausstellte, gab es eine ganze Generation von Leu­ten, die von Disco die Nase voll hatten. Bot man ihnen etwas Heftigeres an, grif­fen sie schnell zu und hielten sich dran fest. Als das 1976 noch in Australien erschienene AC/DC-Album Dirty Deeds Done Dirt Cheap wiederveröffentlicht wurde, verkaufte es sich 1981 fünf Millionen Mal, und das Studioalbum For Those About To Rock, We Salute You, das später im selben Jahr entstand, ging drei

Millionen Mal über den Ladentisch. Während Eddie Van Halen die Sitcom-Schauspielerin Valerie Bertinelli heiratete und selbst den Rang eines gefeierten Stars erlangte, hatte AC/DC-Sänger Brian Johnson Probleme, bei seinen eigenen Auftritten an den Sicherheitskräften vorbeizukommen. Dennoch verkaufte sich Back In Black mit seinem rohen, irritierenden Sound während der folgenden zwei Jahrzehnte in Amerika beinahe zwanzig Millionen Mal – mehr als die ersten vier Van-Halen-Alben mit David Lee Roth zusammengenommen.

Mit Angus Young, der auf der Bühne eine Schuluniform trug und in einem grenzenlos wahnsinnig wirkenden Tanz über die Bühne zuckte und zappelte, wurden AC/DC zur überwältigenden Stadionband. Sie ersetzten Led Zeppe­lin, die sich aufgelöst hatten, nachdem ihr Schlagzeuger John Bonham am

25. September 1980 ebenfalls den Rockstartod gestorben und volltrunken an seinem Erbrochenen erstickt war. Bei beiden Bands spielte Blues in voller Laut­stärke eine große Rolle, und obwohl sie nicht unbedingt sexy waren, griffen beide auf hormonell aufgeladenes Songmaterial zurück. Als Led Zeppelin im Lauf der Siebzigerjahre verblassten, wurden nun AC/DC zu der Brücke, über die unzählige Hardrockfans den Weg in die Heavy-Metal-Verdammnis fanden.

Für Amerikaner, die AC/DC live erlebt, die Fotos oder ein seltenes Video von Motörhead oder Saxon bei Auftritten in Europa vor tausenden von Fans gesehen hatten, stand außer Frage, dass Van Halen mit ihrem Gute-Laune-Rock nicht mithalten konnten. Ron Quintana, der mit der Suche nach in limitierter Auflage erschienenen Platten von kaum bekannten Bands alle Hände voll zu tun hatte, schrieb auf der Suche nach Brieffreunden an Kerrang!. „Ich wollte mich mit anderen Amerikanern vernetzen, die auch auf Heavy Metal standen“, sagt er, „mehr als auf Ted Nugent oder auch nur den ganzen typischen Lynyrd­Skynyrd-Hardrock, auf den hier sonst alle abfuhren. An eine englische Zeitung zu schreiben war die einzige Möglichkeit, um mit anderen hippen Amerikanern in Kontakt zu kommen und Metal-Demos und Bootlegs zu tauschen. Mein Brief wurde in der Kerrang!-Ausgabe Nummer vier abgedruckt. In diesem Som­mer bekam ich im Schnitt zehn oder zwanzig Briefe täglich – da war jeder Tag wie Weihnachten. Ich bekam unglaubliche Päckchen mit unglaublichen Bands, von denen niemand je etwas gehört hatte.“

Mit neuen Aufnahmen überschüttet, erweiterte Ron Quintana seine lange, fotokopierte Tauschliste um Fotos und ausführlichere Besprechungen neuer Plat­ten und Bands. Sechs Monate, nachdem sein Notsignal in Kerrang! erschienen war, hatte sich diese Liste von der einfachen Bestandsaufnahme eines Sammlers in ein voll ausgereiftes Fanzine mit Liveberichten und einleitenden Texten des Herausgebers verwandelt. Bei der Suche nach einem Namen entschied sich Quintana unter einer Vielzahl anderer Möglichkeiten für Metal Mania. „Ich wollte mein Magazin eigentlich Metallica nennen“, erzählt er, „aber Lars Ulrich wollte den Namen lieber für seine Band haben, also habe ich ihn ihm überlassen.“

Quintanas Freund Lars Ulrich, ein Anfänger am Schlagzeug, hatte kürzlich begonnen, mit dem Gitarristen James Hetfield zu jammen. Ihren neuen Bandnamen „Metallica“ hatten sie von Encyclopedia Metallica abgeleitet – dem einzigen damals erhältlichen Nach­schlagewerk zu Hardrock und Heavy Metal. Metallica klang deutlich besser als die Namen, die Hetfield zuvor sei­nen anderen Ensembles gegeben hatte: Leather Charm und Phantom Lord. Nicht dass das eine große Rolle gespielt hätte – die Aktivitäten der Gruppe beschränkten sich auf das Herunter­spielen klobiger Diamond-Head-Coverversionen in Ulrichs Jugendzim­mer, wenn Hetfield abends vorbeikam, um sich LPs aus Ulrichs umfassender Sammlung auf Cassette zu überspielen.

Im August 1981 startete der Plat­tenladenverkäufer und Radiomodera­tor Brian Slagel in Los Angeles das Fanzine New Heavy Metal Revue, das lokale Bands und NWOBHM-Platten rezensierte, die er gespielt und importiert hatte. „Slagel hat mit seinem Magazin echt gute Arbeit geleistet“, meint Ron Quintana, „aber die Szene in L. A. war so mies, dass er musikalisch nicht viel fand, womit er arbeiten konnte.“ Das Elend vor Ort wurde nur gelegentlich und kurzfristig durch Konzerte gemildert, wie zum Beispiel im August 1981 beim ausverkauften Gastspiel der einflussreichen Rock-Metal-Band UFO, in deren Vorprogramm Iron Maiden vor vierzehntausend Fans in der Long Beach Arena auf der Bühne standen.

Slagels Plattenladen bildete einen großen Anziehungspunkt auf die Metal­heads der Region, und so entstand dort unter den vormals isolierten Metal-Rat­ten ein Netzwerk an Beziehungen. „Ein paar Typen kamen rein und erzählten mir von Bands hier vor Ort“,sagt Slagel.„Davor gab es nur Van Halen und Quiet Riot. Nun hörte ich von Mötley Crüe und Bitch, und ich sah mir die dann an. Endlich gab es eine Metal-Szene in L. A. – das war irgendwie kaum zu glauben. Wir haben angefangen, im Fanzine darüber zu berichten, und ich habe auch viele dieser Bands im Radio gespielt. Allmählich kam die Sache ins Rollen; schließlich habe ich auch Auftritte in den Clubs hier in der Gegend organisiert.“

Bald entwickelte sich eine Clubszene in Los Angeles, die mit dem, worüber Kerrang! aus London berichtete, mithalten konnte. Jeden Mittwochabend spiel­ten Mötley Crüe und Ratt im Troubadour in Hollywood; der Eintritt kostete einen Dollar. Anders als die melodischen Rocker Van Halen waren die neuen Heavy-Metal-Clubbands mit dem rasend schnellen und donnernden Sound von Iron Maiden vertraut. „Diese ganzen Bands – Ratt und Steeler und Mötley Crüe – haben echt heavy angefangen“, erklärt Slagel. „Besonders Ratt – die waren im Prinzip wie Judas Priest. Sie trugen alle Schwarz, und zwei Typen spielten Flying-V-Gitarren. [Der spätere Ozzy-Mitstreiter] Jake E. Lee war in der Band. Schließlich haben sich diese Bands irgendwie zu dieser Hardrock­Metal-Geschichte entwickelt.“

Auftrieb erhielt die Szene besonders durch die punkigen Mötley Crüe mit ihrer wilden, okkult angereicherten Bühnenshow, bei der Bandleader und Bassist Frank Ferrano alias Nikki Sixx großzügige Mengen an Blut, Rauch und Feuer zum Einsatz brachte, was er den früheren Schockrockern Alice Cooper und Kiss abge­schaut hatte. Sixx gab später zu, einiges von Sister übernommen zu haben, einer Band der Metal-Anfangstage, deren Frontmann ein gewisser Steven Duren gewe­sen war, den man inzwischen als Blackie Lawless von W.A.S.P. kannte. „Unser Logo war ein Pentagramm, und ich zündete mich immer an“, sagt Lawless. „Als wir beschlossen, dass ich so was nicht mehr machen sollte, kam Nikki Sixx zu mir und fragte, ob es mich stören würde, wenn er diese Sachen übernähme. Ich sagte: ‚Nein, nein, mach nur, ist dein Ding.‘ Aber ich hab ihn vor beidem gewarnt.“

Die frühen Mötley Crüe besaßen die Monstrosität von Kiss, die ausweg­lose Energie der Plasmatics und die Umlaute von Motörhead. Sie stellten eine ernsthafte Konkurrenz für die englischen Bands dar, und die Metalheads vor Ort kamen scharenweise, um sie zu unterstützen. „James Hetfield führte mich an Mötley Crüe heran, weil er total auf die stand“, sagt L.-A.-Headbanger Katon

W. DePena. „Wir sind ständig zu den Konzerten gegangen. Für so eine Haar­sprayband waren die echt gut.“

Im Zuge der wachsenden Popularität des Heavy Metal wurden auch die ersten beiden Soloalben Ozzy Osbournes vergoldet, obwohl sie ursprünglich von einer ganzen Reihe desinteressierter Plattenfirmen abgelehnt worden waren. Zwei Vorfälle trugen dem liebenswerten Sänger schon bald landesweit berüchtigte Berühmtheit ein. Erstens biss Ozzy bei dem Versuch, sein neues Label CBS zu beeindrucken, einer lebendigen Taube während einer Vorstandsversammlung 1981 den Kopf ab. Dann, im Januar 1982, aß er den Kopf einer Fledermaus, die von einem Fan in Des Moines, Iowa, auf die Bühne geworfen worden war. Ozzy musste wegen dieses bizarren Einfalls einige Tollwutspritzen in den Bauch über sich ergehen lassen, erbte allerdings dafür von Alice Cooper den Thron des Top-Buhmanns im Rock. Zuvor waren die Geschichten vom „Acid Rock“ Schulhofmythen gewesen, die man hinter der Schulkantine beim heimlichen Zigarettenrauchen erzählte, um anzugeben. Unbestätigte Gerüchte, dass Coo­per einen Eimer voll LSD-angereicherten Schleims getrunken oder dass sich Angus Young von AC/DC mit einer Gibson SG aufgespießt habe, setzten die Maßstäbe der Rockmystik. Durch seine Beiß-Eskapaden wurde Ozzy Osbourne zum bereitwilligen Vertreter für Rockstarwahnsinn und erwarb sich die ent­schlossene Loyalität der Heavy-Metal-Außenseiter.

 

Eltern fühlten sich durch Ozzys Ruf abgestoßen, dabei war seine Musik nach Black Sabbath sehr viel freundlicher als sein Image. Er hoffte noch immer auf Frieden, ein unmodernes Ansinnen in der Reagan-Thatcher-Ära, und in „Crazy Train“ äußerte er sich mitfühlend über die „heirs of a Cold War, that’s what we’ve become“. Junge Teenies vertrauten Ozzys weiser Stimme in Songs wie „Goodbye To Romance“ oder „Over The Mountain“, und sie vergötterten das angenehme Songwriting und die Gitarrensoli von Randy Rhoads, dessen Markenzeichen nicht Pentagramme, sondern große Tupfen waren. Dieser verrückte Abstecher in Ozzys Karriere endete jedoch tragisch, als der begabte fünfundzwanzigjährige Rhoads während der Diary Of A Madman-Tour im März 1982 bei einem Flug­zeugunglück starb. Der Pilot verlor die Kontrolle, als er versuchte, den Ozzy-Tour­bus zu überfliegen, und raste in ein nahe stehendes Haus. Der Verlust war ver­heerend und wirkte sich auf Ozzys bereits angeschlagene Psyche traumatisch aus.

Im Heavy Metal gab es wenige Künstler, die über Nacht erfolgreich wur­den. Wer sich aber traute, Neuland zu betreten, erhielt schließlich seinen gerech­ten Lohn. Unterstützt durch ausgedehnte Tourneen kamen 1982 die Alben Screaming For Vengeance von Judas Priest, Number Of The Beast von Iron Mai­den und High ’n’ Dry von Def Leppard in die amerikanischen Charts. Flankiert von den deutschen Scorpions, deren Blackout die Billboard-Top-Ten knackte, bewirkten diese marodierenden englischen Bands nur ein leichtes Beben in der Popmusikszene, aber in ihrem Erscheinen lag der Ursprung einer sehr viel groß­artigeren Entwicklung. Die eingefleischten Heavy-Metal-Fans bekamen das ansteckende Gefühl,dass die Musik von Tag zu Tag an Bedeutung gewann.„Im Verlauf der Achtzigerjahre ist die Szene einfach explodiert“, sagt Rob Halford von Judas Priest.„ Als die Amerikaner erst mal von dieser britischen Geschichte Besitz ergriffen hatten und ihr ihren eigenen Stil und ihre eigene Herangehens-weise verpassten, setzte sich der Sound weltweit durch.“

Angeregt durch die zunehmenden Aktivitäten und die Do-it-yourself-Bot­schaft der Platten des NWOBHM-Zeitalters, machte sich der Herausgeber der New Heavy Metal Revue, Brian Slagel, daran, mit Metal Massacre die erste LP seines brandneuen Labels Metal Blade Records zu produzieren.„Ich rief die Ver­triebsleute an,mit denen ich im Plattenladen arbeitete“,sagt er,„und fragte sie, wenn ich eine Compilation mit Metal-Bands zusammenstellen würde, ob sie die verkaufen würden.“ Nachdem ihm seitens der Geschäftspartner Unterstüt­zung zugesichert worden war, verpflichtete Slagel örtliche Bands, für die er Auf­tritte gebucht hatte, darunter Ratt, Malice und Steeler. Er schickte auch ein paar unbekannte Pferdchen ins Rennen, die bisher nur selbst aufgenommene Demo­cassetten vorzuweisen hatten, wie Pandemonium aus Alaska und die merk­würdigen Cirith Ungol aus Ventura, Kalifornien.

Auch Mötley Crüe hätten beinahe etwas zu dem Wohnzimmersampler bei­getragen. „Ich habe eine Menge Shows für sie gebucht“, sagt Slagel. „Sie hatten einen Song für die Platte fertig, aber als wir den Sampler endlich in Angriff nah­men, ging Too Fast For Love [das in Eigenregie veröffentlichte Debüt der Band] schon richtig ab. Ihre beiden Manager kamen eines Tages ins Haus meiner Mut­ter und fragten: ‚Wir haben hier neunhundert Pressungen von diesem Mötley­Crüe-Album. Was machen wir denn am besten damit?‘ Ich habe sie zu einem Ver­trieb geschickt, und der Rest ist Geschichte.“ Angekurbelt durch eine anzügliche Fotostrecke in der Zeitschrift Oui (eine Ehre, die im selben Jahr auch Motörhead zuteil wurde), verkaufte sich Too Fast For Love zwanzigtausendmal in sechs Mona­ten, was zu einem Vertrag mit Elektra Records und einer Platzierung auf Num­mer einhundertsiebenundfünfzig der Billboard-Albumcharts führte.

Um die letzten noch offenen Minuten auf Metal Massacre zu füllen, erklärte sich Slagel bereit, einen Beitrag des jungen Metal-Enthusiasten Lars Ulrich anzunehmen. „Mein Freund John Kornarens und ich lernten Lars 1982 bei einem Auftritt von Michael Schenker im Country Club kennen“, sagt Slagel. „John stand nach dem Gig auf dem Parkplatz und sah da einen Jungen mit einem europäischen Tour-T-Shirt von Saxon. So was hatten wir noch nicht gesehen. Er sagte, er sei gerade erst aus Dänemark hierher gezogen und er würde total auf Metal abfahren. Am nächsten Tag sind wir alle bei Lars zuhause gelan­det und wurden Freunde. Er schien ungefähr sechzehn zu sein, ich war neun­zehn, und John war zwanzig. Wir klapperten ständig alle Plattenläden ab und suchten stundenlang nach britischem Metal.“

Obwohl er überzeugt war, dass Ulrich Geschmack besaß und über einen breiten Kreis an Kontakten verfügte, wusste Slagel nicht einmal genau, ob der junge Däne überhaupt eine Band hatte. „Das war echt komisch. Er war einfach ein irrer junger Typ, und er hatte ein Schlagzeug in seinem Zimmer, das eigent­lich gar nicht ganz aufgestellt war. Er hatte eine Weile mit James Hetfield rum-probiert, aber da passierte nichts. Als er sagte, dass er eine Band gründen würde, dachten alle: ‚Ja klar, Lars, sicher.‘“

Das Paar Hetfield und Ulrich repräsentierte den Zusammenschluss zweier typischer Metalhead-Charaktere. James Hetfield war ein Einzelgänger aus der Mittelklasse, der sich still einem brutalen häus­lichen Trott widersetzte – einer ständigen Herausforderung für seinen freien Willen. Er wuchs in Downey auf, einem allmählich ver­ödenden industriellen Vorort von Los Angeles, besuchte eine Privatschule und bekam Kla­vierstunden. Die Hetfields waren Christian Scientists, und James verglich sein Leben daheim mit dem Aufwachsen in einem Dampfkochtopf. Er bekam Entschuldigungen für den Biologieunterricht an der Highschool, weil seine Eltern befürchteten, er könne zu viel über seinen Körper erfahren. Als Mrs. Hetfield, eine ehemalige Opernsängerin, 1979 an Krebs erkrankte, lehnte sie medizinische Hilfe ab und starb – James blieb ohne emotionale Unter­stützung zurück. Auf der Junior High ent­deckte er Ladendiebstahl als neues Hobby und führte ellenlange Listen seiner Beutestücke, bis er – zur Erleichterung der Droge­rien in seiner Umgebung – seine Geschicklichkeit aufs Gitarrespielen verlagerte.

Lars Ulrich andererseits war ein privilegierter Sprössling, dessen eigene Ansprüche ihm verboten, sich profanen, normalen Teenagerbeschäftigungen hinzugeben. Ulrichs Familie verließ ihre Heimatstadt Gentofte in Dänemark Ende 1980 und ließ sich im kalifornischen Newport Beach nieder, einer Ort­schaft im Umland von Los Angeles, die sich durch einen besonders hohen Anteil sonnengebräunter Ferrari-Fahrer auszeichnete. Von dort aus reiste sein Vater, Torben Ulrich, oft zu Weltklasse-Tennisturnieren, zu Worldcup oder Daviscup, und es sah zunächst so aus, als würde der junge Ulrich dieselbe Laufbahn ein­schlagen. Lars, der als Teenager in Dänemark ein konkurrenzfähiger Tennis­spieler gewesen war, geriet allerdings völlig ins Hintertreffen, als er gegen die kalifornischen Sportskanonen antreten musste.

Nach dem Scheitern seiner Sportlerkarriere widmete Lars Ulrich seine Begeisterung dem Heavy Metal – vor allem den besonders heftigen Spielarten. Da er in seiner Kindheit seinen Vater oft zu internationalen Turnieren beglei­tet hatte, dachte sich Ulrich nichts dabei, 1981 nach England zu fliegen, um sich ein paar Auftritte seiner Idole Diamond Head anzusehen. Er stellte der Band nach und wurde unglaublicherweise eingeladen, zwei Monate bei den Eltern des Sängers Sean Harris zu wohnen. Ulrich, der damals einige schlecht zusammenpassende Schlagzeugteile besaß, aber kaum schon als Musiker zu bezeichnen war, beobachtete die Band tagelang bei weniger glamourösen Tätig­keiten wie Proben und Songschreiben.

Später folgte Ulrich Motörhead durch Amerika. Er kannte kaum Grenzen, wenn es darum ging, nicht nur die glorreichen Momente, sondern auch die winzigen Details der von ihm geliebten Metal-Bands begierig in sich aufzu­saugen. „So ist er“, meint Ron Quintana, der sich gut an den Fanatismus seines Freundes erinnert. Ulrich war so vollständig von Heavy Metal besessen, dass er ihn zu seinem Lebensinhalt machte – die nächsten Jahrzehnte verbrachte er nicht nur damit, Metal zu spielen, sondern auch neue Wege zu finden, seine Begeisterung für diese Musik den Menschen weltweit in den Kopf zu hämmern.

Mit Metal Massacre gab es nun einen konkreten Ansporn für Ulrich und Hetfield, Mitspieler für Metallica zu suchen und tatsächlich eine Band zu grün­den. Zwar hatten die beiden bereits früher einmal darüber gesprochen, aber Hetfield war nicht völlig von Ulrich überzeugt gewesen. Im Januar 1982 rekru­tierten sie den jamaikanischen Headbanger Lloyd Grant für die Leadgitarre auf „Hit The Lights“, einem Song, den sie von Hetfields voriger Band Leather Charm übernommen hatten. „James bekam die Leadgitarre nicht richtig hin“, sagt Slagel, „und Lars kannte Lloyd, der ein ziemlich guter Gitarrist war, also holte er ihn für die Aufnahme dazu.“

Zwar war mit Metallica als Band noch nicht viel Staat zu machen, aber sie stellten ihre Aufnahme fertig – wenn auch nur mit knapper Not. „Natürlich waren sie die letzte Band, von der ich einen Song bekam“, sagt Slagel. „Ich glaube, sie haben ihn zwei Abende, bevor wir die Platte gemastert haben, auf­genommen.“ Slagel, der sich vom Fan zum Fanzineautor und von dort zum aufstrebenden Plattenfirmenmogul entwickelte hatte, ließ mehrere tausend Stück von Metal Massacre pressen. Das Geld dafür hatte er durch seine Arbeit bei Sears verdient und von seiner Tante geborgt. Schon bald führten alle kleinen Metal-Läden in Amerika Metal Massacre neben den verführe­rischen Importwaren, die dort regel­mäßig in Form von Überlebens­paketen aus Übersee ankamen.

Metallica hatten jetzt einen Song auf Platte, aber noch keine Live­auftritte absolviert. Grant, das ein­zige Mitglied mit halbwegs ausgereif­ten musikalischen Fähigkeiten, ver­abschiedete sich wieder. In dieser Zeit verbrachte die Band die Tage oft im Metal-Wahn. „Damals, als Lloyd Grant noch in der Band war, machte Metallica echt Spaß“, sagt der Headbanger Katon DePena, der in dem Haus abhing, in dem James Hetfield und der Metallica-Bassist Ron McGovney wohn­ten. „Wir gingen immer in einen Plattenladen, Middle Earth, und kauften aus­schließlich Importe – Saxon, Motörhead, Riot, Angel Witch, Anvil, Satan, Trust, Tank, sogar das erste Def-Leppard-Album. Trotzdem dachten wir, wir könnten das selbst noch ein bisschen besser und härter.“

Wenn das Konzerterlebnis mit einem Hochamt vergleichbar war, dann waren die verstreuten spezialisierten Plattenläden die Kapellen an den Weg­rändern der Metal-Welt. Im Record Vault in San Francisco traf sich die Metal-Gang, die sich um das Metal Mania-Magazin und das harte Programm des Radiosenders KUSF geschart hatte. In London war es die Boutique Shades am St. Anne’s Court, in der Tom Warrior von Hellhammer auf einer touristischen Pilgertour auf die erste Single von Venom stieß. In Tokio gab es die Läden The Black und Metal Kids. Diese Schlupflöcher versorgten die Headbanger mit lebensnotwendigen Dingen: Hier gab es Kerrang!, Nietenarmbänder, faszinie­rende britische Importe und Picture-Discs von Accept, Oz, Mercyful Fate und Earthshaker. „Ganz früher war Record Exchange in Walnut Creek in Kalifor­nien der härteste Laden in den Staaten, so weit ich weiß“, sagt Ron Quintana. „Ich glaube, ich habe das erste Kerrang! da gekauft. Als ich Lars Ulrich kennen lernte, sind wir da hingegangen und haben uns den Laden angesehen. Wir haben die Leute da ganz schön erschreckt – die konnten kaum glauben, dass jemand so viel über Metal wusste. Wir haben sie dazu gebracht, lauter komi­sches Zeug zu bestellen, und dadurch kam der Ball ins Rollen.“

 

Im Februar 1982 war Kerrang! so beliebt, dass die Herausgeber nicht mehr nur monatlich, sondern sogar zweiwöchentlich eine neue Ausgabe veröffent­lichten. Kerrang! wurde zum kulturellen Kitt, der die vereinzelten amerikani­schen Metalheads zusammen- und bei Laune hielt. Selbst ein Junge aus Dow­ney wie James Hetfield, der niemals außer Landes gereist war, benutzte inzwi­schen hin und wieder britische Ausdrücke und nannte die Fans beispielsweise „punters“ – ein Wort, das im Kerrang! die Headbanger in den ersten Reihen bezeichnete.

Die noch unausgeformten Metallica gaben sich alle Mühe, „ein bisschen besser und härter“ zu werden, und durchliefen in den ersten Monaten eine Reihe personeller Veränderungen, als sie im Vorprogramm lokaler Hoffnungsträger wie Roxx Regime, die später als Stryper bekannt wurden, spielen durften. Bei einem der frühen Metallica-Konzerte in Costa Mesa, Kalifornien, probierten sie es mit einer Besetzung aus fünf Personen, zu der auch die Gitarristen Dave Mustaine und Brad Parker alias Damian C. Phillips gehörten. Hetfield übernahm den Leadgesang. Wie der Bassist Ron McGovney Shock Waves mitteilte, endete das Experiment,als Phillips sich rasch als ungeeignet für den Job erwies.„Wäh­rend James, Lars und ich uns anzogen, um auf die Bühne zu gehen, hörten wir ein Gitarrensolo, also schauten wir über das Geländer vom Umkleideraum und sahen Brad ganz allein auf der Bühne, wie er einfach auf seiner Gitarre loslegte! Das war der erste und letzte Metallica-Auftritt mit Damian C. Phillips.“

Phillips tauchte später bei den Lippenstift-Glamrockern Odin wieder auf, aber trotz solcher Fehltritte stand die Ampel für Metallica grell leuchtend auf Grün. Die Besetzung der Band festigte sich rund um Lars Ulrich, James Het­field, Ron McGovney und Dave Mustaine. Innerhalb eines Jahres hatte sich Ulrich von einem außergewöhnlichen Fan zum Schlagzeuger einer aufstreben­den Heavy-Metal-Macht gemausert, und Bootleg-Aufnahmen von Metallica-Konzerten kursierten nicht nur an der Westküste, sondern sogar auf der ande­ren Seite des Großen Teichs, in Europa. Schon bald nach der Veröffentlichung von Metal Massacre im Juni 1982 konnte Lars Ulrich nach einer Party bei Dave Mustaine zuhause den Verlust seiner Jungfräulichkeit vermelden.

Für Brian Slagel brachte der Metal Massacre-Schachzug eine andere Art von Erfolg. Die erste Pressung von viertausendfünfhundert Exemplaren war nach einer Woche komplett ausverkauft – die Fans rissen sich um eine Platte, auf der ein Dut­zend beinahe unbekannter regionaler Bands vertreten war. Slagel hatte den Geschmack des erwachenden Heavy-Metal-Publikums richtig erraten; er hatte dessen Ausmaße sogar noch unterschätzt. Seine Auswahl stellte mit Sicherheit die Cr me der noch ungehobenen Schätze dar. Die meisten davon – Ratt, Ron Keel und Yngwie Malmsteens Band Steeler, Malice, Black ’N Blue, sogar die schlichten Metallica – unterschrieben letztlich Plattenverträge bei Majorfirmen. (Ratt und Steeler wurden deshalb von den folgenden Metal Massacre-Pressungen entfernt, und auch die inzwischen erfahreneren Metallica ersetzten ihr Stück durch eine neuere Version von „Hit The Lights“, die sie mit Mustaine aufnahmen.)

In diesem Stadium erwarteten die Metal-Fanatiker nicht, mit ihrer Do-it­yourself-Musik Geld zu verdienen, und Slagel besaß nicht die finanziellen Mög­lichkeiten, um die wachsende Szene zu managen. „Alle Vertriebe riefen bei mir an und verlangten Nachschub, aber ich hatte kein Geld und wusste nicht, was ich tun sollte“, sagt er. „Wir hatten ein Treffen mit einem Typ, der die Dixie Dregs managte, und er hatte einen Labelvertrag mit RCA. Wir bekamen nie Geld, es war einfach ein Albtraum. Ich hatte nicht den blassesten Schimmer, was ich da tat. Ich war bloß ein einundzwanzigjähriger Typ, der die ganze Sache toll fand.“

Slagel machte sich daran, seinen Erfolg 1982 mit der Compilation Metal Mas­sacre II zu wiederholen. Wieder führte er kalifornische Bands wie Warlord, Savage Grace und Trauma mit abseitigeren Gruppen wie Aloha aus Hawaii zusammen, bei denen der spätere Gitarrist von Megadeth, Marty Friedman, mitspielte. Slagel hoffte, die Platte mit einem Stück der mystischen dänischen Truppe Mercyful Fate krönen zu können, aber als deren Management wech­selte, riss der Kontakt ab. Stattdessen wandte er sich an die in Leder gekleideten Armored Saint vor Ort, die mit dem aufrüttelnden „Lesson Well Learned“ an den Start gingen.

Metallica entwickelten sich ebenso schnell weiter und nahmen im Juli 1982 „No Life ’Til Leather“ auf, ein Demoband mit den Songs „Hit The Lights“, „Mechanix“, „Motorbreath“, „Seek & Destroy“, „Metal Militia“, „Jump In The Fire“ und „Phantom Lord“. Der Sound war grell und ruppig und verströmte eine Energie, die gründlich mit den traditionellen Vorstellungen von Melodie und Schönklang aufräumte. Hetfields Stimme und die Gitarrensoli von Dave Mustaine klangen aggressiv und manisch. Die Stücke wirkten wie eine schnel­lere, heftigere, jüngere amerikanische Version des Sounds, den die Briten von Diamond Head geprägt hatten. Obwohl Metallica noch nicht über die fließende Kraft verfügten, die zu ihrem Markenzeichen werden sollte, bewies das Tape, dass sie inzwischen spielen gelernt hatten. Es erntete zudem den Beifall der Fans, die scharf auf eine Weiterentwicklung der NWOBHM waren.

„No Life ’Til Leather“ ebnete Metallica den Weg über die Stadtgrenzen hin­aus und führte zu ihrem ersten Auftritt in San Francisco am 18. September 1982. Bei einer Show für die Promotion von Metal Massacre begegnete die Band, die in Los Angeles ruhig ihr eigenes Ding durchgezogen hatte, plötzlich Leuten, die Cassetten tauschten und das Metallica-Tape bereits kannten. „Metallica, Bitch und Cirith Ungol sollten spielen“,sagt Brian Slagel,„aber Cirith Ungol sagten in letzter Minute ab. Als Metallica auf die Bühne kamen, war das magisch. Die Menge war nicht mehr zu halten, und die Band rastete einfach aus. Sie hatten in L. A. ein paar Fans, aber so etwas hatten sie noch nicht erlebt. Es war unglaublich.

Das war der Punkt, an dem mir klar wurde, dass sie L. A. verlassen mussten.“ Im Vergleich zu Los Angeles, das letzt­lich den Futtertrog der Musikindustrie darstellte, bildete San Francisco eine kul­turelle Insel und ein kreatives Paradies. Die Stadt wies eine höhere Dichte an Clubs, Plattenläden und Radiosendern auf, und überall dort arbeiteten Freunde, die bestrebt waren, harte Sachen noch ein wenig mehr anzuschieben. So, wie die Bands der NWOBHM den zerfransten britischen Hardrock entwirrten, so über­nahmen Bands wie Trauma und Exodus freudig den Vorsitz über die Aus­löschung der Bay-Area-Waschlappenrocker Starship und Journey. Jeff Hanne-man von Slayer sagt: „Als wir das erste Mal Exodus hörten, waren wir über­rascht, dass es eine Band gab, die irgendwie so klang wie wir, die dieselbe Art von Musik spielte. Ich war total aufgeregt, als wir das erste Mal in Frisco spiel­ten, weil da tatsächlich jemand einen ähnlichen Stil draufhatte.“

Im Rückblick erscheint es fast unwahrscheinlich, dass die pickeligen Jeans­jackenträger Metallica eine solche Akzeptanz in Los Angeles erreichten, wo das Showbusiness immer mehr zählte als musikalisches Können. Das extremste Bei­spiel waren W.A.S.P., deren dröhnender Schockrock in einer Bühnenshow prä­sentiert wurde, zu der Folterinstrumente, aufgespießte Schädel und mehr Feuer, Rauch und Lichter gehörten, als an Halloween bei den Munsters im Wohnzim­mer zu finden war. „Bevor wir erfolgreich wurden, hatte mein Dad ein Bau­geschäft“, erklärt der Bandleader Blackie Lawless, „und daher arbeitete ich, als ich nach Kalifornien zog, für eine Spezialeffektefirma und baute Nebelmaschi­nen und Feuertechnik. Eine Menge davon ist in die Show eingeflossen. Da ich Informationen aus erster Hand besaß, wusste ich, was möglich war und was nicht. Besonders, was den explodierenden Hosenlatz und so ein Zeug anging.“

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