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Das blaue Mal

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Wo bleibt also der Ausweg? Drei Möglichkeiten gibt es. Man könnte die Schwarzen zurück nach Afrika bringen! Technisch und rechtlich nicht durchführbar, da ihnen ja unsere Konstitution die Gleichberechtigung gibt, man sie also zur Rückkehr nicht zwingen kann. Zweitens konnte man die Verfassung ändern und die Neger wieder als Sklaven erklären. Das geht nicht, weil die alten und jungen, die weiblichen und männlichen Waschlappen in der ganzen Welt schreien und jammern würden. Also bleibt nur ein Ausweg, und das ist der, den wir Südstaatler und eigentlich auch die anderen im Norden einschlagen: Die Neger zu Staatsbürgern zweiter Klasse zu machen, sie sozial absolut von uns fernzuhalten, ihnen den Zutritt zur Wahlurne verwehren und sie im Beruf auf ihre körperlichen Fähigkeiten verweisen. Allerdings – ich gestehe Ihnen zu, daß dies kein Weg, sondern nur ein Ausweg ist, und die kommenden Generationen an der ungelösten Negerfrage schwer zu beißen haben werden.«

Wieder erhob sich ein lebhaftes Stimmengewirr. Ein alter Herr, der wie der leibhaftige alte Onkel Sam aussah, rief: »Wir sind Verbrecher, wenn wir unseren Kindern solche Erbschaft hinterlassen,« ein anderer sprach von einer Negerpest, die man künstlich züchten müßte, und der recht zynisch veranlagte Doktor Dobb meinte schmunzelnd: »Ich wüßte schon ein wunderbares Mittel, schmerzlos bei dem neugeborenen Negerknaben anzuwenden, aber ich kann darüber in Damengesellschaft nicht reden.« Da alle Damen wußten, was er meinte, waren sie gebührend schockiert, ohne aber ein herzliches Lachen zu unterdrücken.

Zeller wagte einen Einwand: »Und wäre es nicht möglich, zu einer einfacheren Lösung zu schreiten und über alle Rassenvorurteile hinweg das Aufgehen der Neger in den Weißen langsam zu dulden?«

Tiefe Stille entstand auf der Terrasse des großen Hauses. Zeller merkte an den teils entrüsteten, teils eiskalten Mienen ringsum, daß er für die Begriffe der Anwesenden Ungeheuerliches gesagt hatte. Ein alter Herr, dem die Zornesader auf die Stirne getreten war, unterbrach die peinliche Pause, indem er heiser sagte: »Sie sind ein Fremder, junger Mann, das halten wir Ihnen zugute, wenn ein Yankee solches vorgeschlagen hätte und noch dazu in Gegenwart der Damen, so gäbe es argen Verdruß!«

Oberst Whilcox, der es nicht zugeben konnte, daß sein Gast so schroff zurechtgewiesen wurde, griff ein:

»Sie sprechen als Gelehrter, als Botaniker, der eben die Wunder seltsamer Pflanzenkreuzungen gesehen hat. Aber würden wir solches Experiment an uns versuchen, so wäre das gleichbedeutend mit dem Aufgeben unserer selbst, mit der Afrikanisierung, Vernegerung von ganz Amerika und bald der ganzen Welt. Denn wissen Sie, Doktor Zeller: Ein Tropfen schwarzen Blutes macht einen Neger! Wir im Süden wissen das alles zu genau, um darüber streiten zu können. Die braune Mulattin, deren Vater ein Weißer war, vereinigt sich wieder mit einem Weißen. Ihr Kind ist ein Terzerone, nicht dunkler als ein sonnengebräunter Weißer, schön, schlank. Ist es ein Mädchen und vereinigt es sich wieder mit einem Weißen, so ist das Kind ein Quarterone, dem man nur mehr an dem bläulichen Schimmer der Fingernägel das Negerblut ansieht. Und ist es ein Mädchen und vereinigt sich wieder mit einem Weißen, so geschieht es, daß das Kind ein häßlicher, grauschwarzer Neger wird! Ein Tropfen Negerblut, und die ganze Generation ist vernegert! Da ist nichts zu machen, nichts zu wollen, das Blut Harns ist stärker als das der anderen, es kommt immer wieder zum Durchbruch! Sich mischen, heißt den weißen Menschen in sich umbringen und ein fluchbeladenes Geschlecht erzeugen!«

Es war halbdunkel geworden, als lautlos der schöne Neger erschien und durch leichtes Anschlagen auf den Gong ankündigte, daß das Souper die Gäste erwarte. Und die leichte Mißstimmung, die das Gespräch erregt hatte, machte bald einer heiteren, warmen Laune Platz. Professor Zeller war der Tischnachbar der schönen Hausfrau, und mitunter war es ihm, als würde ihr Knie sich an das seine lehnen, ihr Fuß den seinen suchen. Und als man später im Garten, in der südlich heißen Frühlingsluft von Georgia, promenierte, schmiegte sich Frau Harriett einen Augenblick lang dicht an den blonden Deutschen und flüsterte ihm zu: »Ich würde es Ihnen nie verzeihen, wenn Sie sich der schwarzen Brut nähern würden! Und verbergen könnten Sie es mir nicht, ich wittere und ahne den Geruch, den diese Tiere an allem haften lassen!«

* * *

Der Juli nahte mit sengenden Hitzwellen, unerträglich heißen Nächten, unerträglicher noch durch die Moskitoschwärme, die bei Sonnenuntergang auftauchten und den Aufenthalt im Freien unmöglich machten. Die ganze Terrasse, alle Fenster waren mit Drahtnetzen verhängt, und außerdem schwenkten, während man bei Eisgetränken auf der Terrasse in den Schaukelstühlen lag, schwarze Diener unaufhörlich ihr Räucherwerk, um etwaige blutsäugerische Eindringlinge zu vertreiben. Der Juli brachte aber auch neues Leben nach Irvington. Die Hochschulen im Osten und Westen hatten unmittelbar vor dem Unabhängigkeitstag mit den Ferien begonnen, und nun kamen alle studierenden Söhne und Neffen an, um sich im Süden bei ihren Leuten gründlich auszufaulenzen. Zur Ausübung irgend eines Sportes war es tagsüber zu heiß, daher rekelten sich die jungen Leute am Tage in den Schaukelstühlen, bevölkerten die Kneipen, knüpften ihre kleinen Flirts an, begaben sich abends aber auf den Bummel, der gewöhnlich in eine Negerhatz ausartete. Aus frischen, ungeschminkten Rasseinstinkten heraus hassen diese College-Boys den Neger, hassen ihn von ganzem Herzen – den jungen, heranwachsenden Negermädchen allerdings stellen sie nach. Die Töchter der Schwarzen sind ihnen Freiwild; doch dieses flieht gewöhnlich nicht den Jäger, sondern geht ihm willig ins Gehege. Die trostlosen Lebensbedingungen, unter denen die Neger im Süden noch mehr als im Norden vegetieren, bringen es mit sich, daß ihre sexuelle Moral auf einer recht niedrigen Stufe steht, und gewöhnlich fühlt sich die Negerin von der Annäherung eines Weißen, besonders wenn es sich um einen vornehmen Herrn handelt, sehr geschmeichelt, auch wenn sie weiß, daß sie dem Mann, der sie umarmt, nichts, aber auch gar nichts anderes ist, als die Sättigung eines sexualen Hungergefühls.

Gerne durchstreifen die jungen weißen Herren abends die Straßen der kleinen Stadt, rempeln Neger, die ihnen nicht rasch genug ausweichen, an, verprügeln sie jämmerlich unter dem Vorwande, unehrerbietige Bemerkungen aus ihrem Munde gehört zu haben, oder sie spielen gar Justiz, fahnden Diebstählen nach, die von den Schwarzen begangen wurden, und lauern auf die Gelegenheit, die Prozedur des Teerens und Federns anzuwenden.

Da kamen aus dem Hühnerhof des Obersten Whilcox eines Tages ein paar Hühner weg, die als Rassetiere größeren Wert hatten. Sofort nahm die Ferialjugend von Irvington mit einem Hund die Jagd auf. Der Foxterrier fand bald die richtige Spur und führte die Schar von etwa zwanzig Burschen nach einer Negerhütte, in der die ganze schwarze Familie eben im Begriffe war, sich einer köstlichen Hühnersuppe zu erfreuen. Rasch wurde eine Art Standgericht gebildet, das den Neger, der das Familienoberhaupt repräsentierte, zum Teeren und Federn verurteilte. Der arme Teufel mußte sich entkleiden, wurde in einer Teermasse hin und her gewälzt, dann mit Hühnerfedern und Wollflocken beklebt und so durch die Straßen gepeitscht. Professor Zeller war zufälligerweise Zeuge dieser Szene, die ihn tief empörte, obwohl er sich als Fremder nicht entschließen konnte, einzugreifen. Mit Unbehagen stellte er fest, daß die alten Neger und die Negerkinder mit den Weißen zusammen den Unglücksmenschen verhöhnten und verfolgten, aber gleich darauf stieß er auf eine Gruppe von jungen Negern, und in deren Mienen sah er nichts Gutes, sondern Haß, ohnmächtige Wut: spiegelten ihre, durch die Erregung graublau gewordenen Gesichter wider. Und er hörte, wie einer der Burschen zu den anderen sagte: »Es wird der Tag kommen, wo wir die weißen Hunde in ihrem eigenen Blute teeren werden.«

Abends war auf der Terrasse des Obersten Whilcox große Gesellschaft, fast alle Studenten waren als Gäste erschienen, und sie rühmten sich des Heldenstückchens, das sie an dem Hühnerdieb verübt hatten. Da hielt Zeller sich nicht länger zurück: mit scharfen Worten gab er seinem Unmut über diese Art von Justiz Ausdruck. Die Alten schwiegen verlegen, die Jungen protestierten, der eine sprach sogar etwas von sentimentalem deutschen Unsinn, und es fehlte nicht an verletzenden, boshaften Bemerkungen. Zeller brach schließlich das peinliche Gespräch ab, indem er sagte: »Wer Haß säet, wird Haß ernten. Und Sie alle säen ein überreiches Maß an Haß. Glauben Sie mir, so wird man mit Rassen und Völkern nicht fertig! Vertreiben und ausrotten können Sie Ihre Neger nicht, so muß ein Modus vivendi gefunden werden. Und Teer und Federn leuchtet mir als Strafe nur dann ein, wenn es in das Gesetzbuch aufgenommen und auch weißen Hühnerdieben gegenüber angewendet wird.«

* * *

Die Stimmung war verdorben, es kam keine allgemeine Unterhaltung mehr in Gang und Zeller fühlte sich an diesem Abend recht überflüssig. Trotzdem die schöne Hausfrau ihn in ein Gespräch zu verwickeln suchte und dabei ihre Hand immer wieder auf seinen Arm legte, zog sich Zeller frühzeitig zurück und suchte sein Zimmer auf. Dort war es aber heiß und dumpf, während draußen ein frischer, vom Meer kommender Ostwind die Luft kühlte. Zeller setzte seinen Panamahut auf und verließ, um nicht gesehen zu werden, durch das kleine Gartentor das Haus. Die Luft tat ihm wohl, und rasch schritt er einen Wiesenpfad entlang, der zwischen endlosen Baumwollpflanzungen unter schönen amerikanischen Eichen stadtwärts führte, ziemlich parallel mit der Fahrstraße. Silbern und stechend leuchtete der Mond am Himmel, Grillen zirpten unnatürlich laut, und Zeller überkam die Sehnsucht nach der Heimat. Er fühlte, daß er heute in den Ruf eines unmöglichen deutschen Patrons gekommen sei und auch den Unwillen seines Gastgebers erregt habe. Und damit war eigentlich hier sein Aufenthalt nicht länger ratsam. Denn wenn auch Oberst Whilcox zu chevaleresk und vornehm war, um seinem Gast auch nur das entfernteste Zeichen übler Laune merken zu lassen, wäre es nicht ein Mangel an Taktgefühl, darauf zu bauen und irgendwo zu bleiben, wo sich Disharmonien einschlichen? Und dann war da noch diese schöne Harriett Whilcox, die es ratsam erscheinen ließ, sich bald aus den Wundergärten des Obersten zu entfernen. Zeller fühlte, daß die Lockungen der Amerikanerin sein Blut immer rebellischer machten, daß bald der Moment eintreten würde, wo er das Gastrecht auf das gröbste verletzen müßte. Zeller war nicht eingebildet, aber auch nicht naiv, und er sah deutlich, daß Mrs. Whilcox bereit war, die überaus weitgezogenen Grenzen des amerikanischen Flirts zu überschreiten. Und das gerade mit ihm, weil er eben kein in tausend Vorurteilen befangener Amerikaner war, sondern ein Mann, der in solchen Dingen freier dachte und sie, auch wenn sie mit ihm die Ehe gebrochen hätte, nicht verachten würde. Das alles müßte aber entweder zu entwürdigenden Lügen und einem abscheulichen Verrat oder zu katastrophalen Dingen führen, wenn der heißblütige Oberst auch nur den geringsten Verdacht schöpfen würde. Also fort von hier, so rasch als möglich.

 

Der Wiesenpfad mündete in die Landstraße gerade bei dem Hause des Negers Sampson ein. Plötzlich, wie aus dem Erdboden emporgezaubert, stand das junge Negermädchen, Karola, das ihn durch seine stilvolle Schönheit bei seiner Ankunft so fasziniert hatte, vor ihm. Er begrüßte es mit einigen Worten und fragte, ob es sich nicht fürchte, allein in der Nacht auf der Straße zu sein. Karola schüttelte den Kopf, daß ihre losen Haare nach vorne flogen, und sagte mit weicher, melodischer Stimme:

»Drin ist zu heiß, und wir sind zu viel in einer Stube. Wenn ein anderer gekommen wäre, so würde Karola sich schnell ins Haus geflüchtet haben. Aber der große deutsche Professor ist ein guter Mann, vor dem sie keine Angst hat.«

Lachend strich ihr Zeller über die dichten Haare, die sich wie rauhe Seide anfühlten:

»Woher weißt du, daß ich gut bin?«

Hell und girrend lachte das Mädchen:

»Das fühlt Karola! Der deutsche Mann ist anders als die Jankees sind, er haßt und verachtet die armen schwarzen Menschen nicht.«

»Nein, Karola, das tue ich wirklich nicht. Warum sollte ich es auch? Sicher gibt es unter euch farbigen Leuten genau so gute und schlechte Menschen, wie unter den weißen, gelben und roten. Aber du, Karola, du magst wohl die Weißen nicht?«

»Oh, ich, ich möchte sie gerne lieben, die Weißen. Blond ist das Schönste, was Gott geschaffen hat! Aber sie hassen uns, und so hasse ich sie!«

Gegen diese Logik war nichts einzuwenden! Zeller lachte und sagte:

»Komm, Karola, gehen wir ein bißchen spazieren, und wenn wir weit genug vom Hause entfernt sind, so singst du mir ein liebes, trauriges Lied deiner Leute vor!«

Zeller hatte das Mädchen bei der Hand genommen, und er erschrak fast, als sie seine Hand an ihre Lippen preßte und küßte, während sie leise sagte:

»O ja, Karola geht gerne mit Ihnen und will Sie an einen Platz führen, wo niemand hört und sieht.«

Silbern leuchtete der Mond herab, still und einsam war es ringsumher. Dem Gelehrten war es fast beklommen zumute, wie er so durch die glutvolle Nacht ging. Hand in Hand mit diesem schönen, schlanken Naturkind. Sein Blut geriet in Wallung. Wenn ich sie hier zwischen den Baumwollstauden an mich reiße und sie mir nehme, wie man eine rote Frucht vom Baume pflückt, niemand würde etwas daran finden, sie selbst vielleicht am allerwenigsten ... Wer weiß, wie viele vor mir schon waren, was für häßliche, schwarze Kerls, oder die Kollegeboys, denen die braune Schönheit doch sicher schon aufgefallen ist, oder am Ende gar der Strolch von einem Stiefvater, der ihr ja, wie Oberst Whilcox sagte, nachstellte. Eine wütende Eifersucht stieg in ihm auf, und heiser sagte er, während er sich zu ihr beugte:

»Hast du schon geliebt, Karola, hast du dich schon einem Manne geschenkt?«

Groß sah ihn das Mulattenmädchen an:

»Nein, Sir. Wenn einer von unseren Leuten mir nahe kommt, so kratz und spuck ich nach ihm, und vor den weißen Studenten verstecke ich mich. Ich rieche, wenn sie kommen, und laufe weg, bevor sie mich erwischen. Ich will auch nicht lieben, niemanden, keinen Menschen! Die dunklen nicht, weil sie dumm und häßlich sind, und die Weißen nicht, weil ich dann ein Baby bekomm, das nicht zu uns gehört und nicht zu den Weißen und so unglücklich ist wie Karola.«

»Bist du unglücklich, Karola, wirklich? Und warum eigentlich?«

»Ich möchte eine weiße Lady sein, Sir!«

In diesen Worten empfand Zeller die ganze Tragik des Mischlings, der sich von der weißen Rasse weggestoßen fühlt. Und unwillkürlich legte er den Arm um die Schulter des zum Weib erblühenden Kindes und empfand wohlig die süße Nacktheit des jungen Leibes, der mit nichts als mit Rock und Hemd bekleidet war. Karola aber wich nicht aus, sondern schmiegte sich wie eine Katze an ihn. Durch dichtes Buschwerk kamen sie in einen kleinen Wald, der aus Haselnußstauden, verkümmerten Eichen und hohen, dornigen Sträuchern gebildet wurde. Karola führte nun den Deutschen an der Hand, immer tiefer in die Wirrnis, bis sie laut und fröhlich ausrief:

»So, da ist meine Bank!«

Ein von Altersschwäche und Stürmen entwurzelter Baum lag hier auf solche Art, daß er wirklich eine Art Bank bildete, auf der sich bequem sitzen ließ. Zuerst saß Karola schweigend neben Zeller, dann sprang sie auf, stellte sich, in ein Gebüsch geschmiegt, daß er kaum ihre Konturen im Mondschein wahrnehmen konnte, vor ihm auf und begann mit zarter, klingender Stimme alte Negerweisen, zum Schlusse das schöne »Old folks at home« vorzusingen.

Zeller hatte die Augen geschlossen und lauschte, und er mußte in sich hineinlachen:

»Welch komische, anmaßende und unlogische Welt, in der wir leben! Wenn ich dieses schöne, braune Kind jetzt mit mir nach Berlin oder Wien nehmen, ein wenig ausbilden und in köstliche Gewänder hüllen würde, dann wäre sie die große Tagessensation! Fürsten und Millionäre würden um ihre Gunst wetteifern, alle Männer ihr zu Füßen liegen, und sie könnte ein Leben wie eine Königin führen. Hier aber ist sie ein elendes Mulattenmädel, an dem man allenfalls als weißer Mann die Begierde eines Augenblickes befriedigen darf, aber auch nicht mehr! Wehe, wenn mich die schöne Frau Harriett in dieser Situation auch nur ahnen würde! Um Freundschaft und Flirt wäre es geschehen!«

Karola saß wieder neben ihm, und so eng neben ihm, daß er ihren Leib an seinem Arm fühlte. Er schlang den Arm um ihren Hals, zog sie sanft an sich, bog ihren Kopf zurück und küßte ihre vollen, üppigen Lippen. Sie aber gab den Kuß zurück und strich zärtlich durch das blonde Haar des Mannes und flüsterte ihm ins Ohr:

»Karola hat den guten deutschen Mann gleich sehr lieb gehabt, wie sie ihn zum erstenmal sah ... und wenn er will, kann er sie ganz nehmen. – Aber niemand darf es erfahren, sonst wird Missis Whilcox sehr böse sein und mich umbringen.«

Da erwachte der Urdeutsche in ihm, der Beschützer und Helfer, und die Gier in ihm wandelte sich in väterliche Zärtlichkeit. Er streichelte sie, wie man ein kleines liebes Kind streichelt, und küßte sie auf die Augen, die sie selig schloß. Und er nahm das Geschenk nicht, das sie ihm geboten hatte.

Von da an schlich sich Zeller sehr oft nachts aus dem Hause, um in der Nähe von Sampsons Hütte die Melodie von »Old folks at home« zu pfeifen. Da dauerte es denn nur wenige Sekunden, und Karola hatte sich von dem Sack, auf dem sie in der Hütte schlief, erhoben und huschte lautlos hinaus zu Zeller, um Hand in Hand mit ihm in den wilden Hain zu gehen, wo sie beide, von einem dichten Moskitoschleier eng verhüllt auf dem gestorbenen Baum saßen. Zeller ließ sich dann oft von ihr erzählen von den Dingen, die sie von ihrer alten dicken Mutter wußte, welche ihre Mädchenzeit noch in der Sklaverei verbracht hatte. Er gewann so einen tiefen Eindruck in das traditionslose, dumpfe Leben dieser amerikanischen Neger, die man aus dem Urzustand heraus wie Tiere gefangen und verschleppt hatte, und immer fester wurde die Überzeugung in ihm, daß es Vorurteil war, die Neger als verächtliche niedrige Rasse zu betrachten. Ein Volk, in seiner Kindheit einfach, trotz jahrtausendalter Vergangenheit geschichtslos. Teig für alles, für das Schlechte und Gute, wie im Kinde alle Eigenschaften vereinigt, der Befruchtung und Entwicklung durch den weisen, gereiften Lehrmeister harrend. Dieser aber wollte seine Mission nicht erfüllen, sondern das entwurzelte Volk in ewiger Kindheit erhalten, und Zeller mußte unwillkürlich an die Gaukler und fahrenden Komödianten denken, die das Zirkuskind durch Alkohol im Wachstum hindern.

* * *

Es war abends nach dem Souper. Die Insassen des großen Hauses saßen mit ihren Gästen auf der Terrasse. Der Vollmond schien wieder, und die ganze Gesellschaft rüstete zu einem Ausflug, teils zu Pferd, teils zu Wagen, nach der etwa acht Meilen entfernten Besitzung eines Nachbarn, wo eine mitternächtliche Eisbowle bereitstand. Mit einem scheinbar harmlosen Lächeln wandte sich Frau Harriett, gerade als sie in den Sattel steigen wollte, zu Zeller, der ihr behilflich war:

»Eigentlich stört Sie unser Ausflug nur, Professor, denn er bringt Sie um Ihren nächtlichen Spaziergang.«

Zeller bekämpfte die Verlegenheit, die in ihm aufstieg, und er sagte leichthin:

»Oh, ist das also nicht unbekannt geblieben? Allerdings tut es mir sehr wohl, wenn ich nachts allein umherschlendere, um meine Gedanken zu sammeln. Es ist ja doch zu heiß, um früher als in den Morgenstunden einschlafen zu können.«

Grell und spitz lachte die Amerikanerin, während sie sich in den Sattel schwang:

»Ich fürchte nur, daß Ihnen in der Einsamkeit Übles widerfahren könnte. Vielleicht, daß Ihnen Neger nachschleichen.«

»Wie kommen Sie auf diese Vermutung?«

»Nun, ich habe Ihnen ja gesagt, daß ich den Nigger von weitem wittere, und Sie bringen seinen Geruch mit sich. Er haftet Ihnen noch morgens nach dem Bade an.«

Achselzuckend erklärte Zeller: »Das dürfte denn doch auf Einbildung beruhen,« und gab dem ihm sehr unangenehmen Gespräch eine andere Wendung.

Es wurde nun ein scharfer Trab eingeschlagen, während sich die Pferde des Wagens in die Zügel legten. Nach wenig mehr als einer Stunde war man vor dem Hause des Friedensrichters Oberst Stoddard angelangt, das durch Lampions festlich beleuchtet war. Es gab noch einen ausgiebigen, kalten Imbiß, dann wurde eine herrliche, aus erlesenen Pfirsichen und Champagner hergestellte eiskalte Bowle serviert, und da die Mehrzahl der Gesellschaft aus jungen Leuten bestand, ging es bald sehr lebhaft und heiter zu. Bis Frau Harriett, die außergewöhnlich erregt schien, mit einem Schlage das Gespräch an sich riß und sich darüber beklagte, daß in der letzten Zeit das farbige Gesindel im Auftreten, in Blicken und Gebärden frech und herausfordernd geworden sei. Das bildete das Signal zu einer Negerhatz in Worten und zu wütenden Drohungen, die die jungen Herren ausstießen. Sie wetteiferten förmlich in Verwünschungen gegen die Schwarzen, jeder einzelne nahm sich vor, demnächst einem Neger das Fell zu gerben, vergebens warnte Oberst Stoddard und bat, den Frieden nicht zu stören. Die Studenten erklärten übereinstimmend, daß endlich etwas geschehen müsse, um den schwarzen Gesellen wieder den Herrn zu zeigen. Einer der jungen Leute, der Frau Harriett ostentativ den Hof machte, erklärte mit Emphase, die Züchtigung einiger Neger wäre unbedingt notwendig, weil sonst, wenn die Ferien vorüber und alle jungen Männer weg wären, die Damen frechen Blicken oder gar noch Schlimmerem der Neger preisgegeben wären. Diese Behauptung fand allgemeinen Beifall, sogar bei einzelnen der jungen Mädchen, während Frau Harriett dem Beschützer der weißen Unschuld die Hand entgegenstreckte.

Schweigend, aber mit bangen Empfindungen hatte Zeller dem Gespräch zugehört, und seine Gedanken flogen zu dem lieben, braunen Naturkind, das in seinem Herzen unschuldiger und reiner war, als alle diese männerbeherrschenden, flirtenden Frauen und Mädchen. Er hatte das Gefühl, daß Unheil in der Luft liege, und nahm sich vor, Karola zu warnen und die nächtlichen Begegnungen mit ihr auf das äußerste einzuschränken. Und wieder tauchte die Idee in ihm auf, Karola im Herbst mit sich nach Europa zu nehmen.

Von da an brodelte Irvington und Umgebung in Unruhe. Täglich wurden von den jungen Amerikanern unter irgendeinem Vorwande Neger ergriffen und gepeitscht, täglich aber wurde die Haltung der jungen Neger, die auf den Baumwollpflanzungen arbeiteten, trotziger und drohender. Und immer war es Frau Harriett, die abends die Männer durch Beifall und durch die Erzählungen, daß dieser oder jener Neger sie frech angegrinst habe, aufreizte und zu neuen Negerhatzen anspornte. Zur gleichen Zeit wurde sie gegen ihren Gast kälter, längst hatte sie weiteres Flirten mit ihm aufgegeben, und Zeller empfand, daß nur ihre gute Erziehung sie abhielt, gegen ihn schroff zu werden. So sehr er den stillen, liebenswürdigen Oberst Whilcox schätzte, so wenig lag ihm an der schönen koketten Frau; immerhin begann er sich aber unbehaglich zu fühlen, und er war entschlossen, noch früher als er beabsichtigt hatte, seinen Aufenthalt im Staate Georgia abzubrechen und schon im September nach New York und von dort nach Europa zurückzufahren.

 

Bis ein Ereignis eintrat, das alle seine Vorsätze und Pläne über den Haufen warf.

Eines Tages, zu Ende August, erschien Frau Harriett im Reitkostüm mit allen Zeichen der Erregung spät nachmittags in der Halle des Georgiaklubs, wo sich um diese Zeit die ganze Jeunesse dorée von Irvington beim Poker und Bridge unterhielt, und ließ einige bekannte Herren herausrufen. Auch ihren Gatten und Doktor Zeller, die sich im Bibliothekszimmer aufgehalten hatten. Fliegenden Atems teilte sie mit, daß ihr soeben furchtbarer Schimpf widerfahren sei. Gerade vor dem Hause des Niggers Sampson sei der Sattelgurt ihres Gaules gerissen, und Sampson, der vor dem Hause herumgelungert, habe den Schaden rasch repariert. Als sie wieder aufgesessen sei, da habe die schwarze Bestie, unter dem Vorwande, den Steigbügel zurecht zu rücken, sich einen schamlosen Handgriff gegen sie erlaubt. Und als sie vor Empörung einen Hieb mit der Reitgerte gegen ihn richtete, habe das Mulattenmädel, das nicht nur seine Stieftochter, sondern auch seine Dirne sei und den Vorfall beobachtet hatte, händeklatschend gerufen: »Pack sie nur, Pa, und zwick sie tüchtig.« Sie, Frau Harriett, sei einer Ohnmacht vor Kränkung nahe gewesen, im Galopp hergeritten, und nun frage sie die Männer von Irvington, was geschehen müsse, um Sampson und seine Tochter entsprechend zu züchtigen.

Während Zeller, der seine Hand dafür ins Feuer gelegt hätte, daß die Geschichte, wenigstens soweit sie Karola betraf, erlogen war, fassungslos dastand und entgeistert war, entstand ein furchtbarer Tumult. Die Herren schrien erregt durcheinander, Pistolen wurden gezogen, selbst Oberst Whilcox ballte die Fäuste und schrie: »Die Brut muß ausgerottet werden!« Der junge Kurmacher der Frau Harriett aber trat, als sich die Aufregung ein wenig gelegt hatte, vor, und bat Mrs. Whilcox, sich jetzt ruhig nach Hause zu begeben, da ihre Ehre in guten Händen sei. Sofort werde ein Tribunal gebildet werden, um die notwendigen Schritte zu beschließen.

Zeller war über alles das so fassungslos, daß er die ruhige Überlegung verlor. Statt unverzüglich zum Blockhaus des Sampson zu fahren, versuchte er zu beschwichtigen, und er wandte sich, da sich die jungen Leute sofort in einem Raum eingeschlossen hatten, an Mrs. Harriett, die ihn jedoch nur mit schneidender Kälte anhörte, um schließlich achselzuckend zu erklären:

»Ihre Bemühungen, als Negeranwalt aufzutreten, werden Ihnen kaum etwas nützen, da unsere Jungens in solchen Dingen sich nichts dreinreden lassen.«

Vergebens wandte sich nun Zeller an Oberst Whilcox, an Doktor Dobbs, der hinzugekommen war, an den Apotheker und andere alte Herren. Auch sie lehnten es rundweg ab, zu intervenieren. Es liege hier ein ganz krasser Fall eines Negerangriffs gegen eine Lady vor, da müsse sofort Justiz geübt werden, wie es eben Landesbrauch ist. Das war der Tenor ihrer Erwiderungen.

Bei diesen zeitraubenden Diskussionen hatte Zeller nicht bemerkt, daß inzwischen die jungen Leute von Irvington, zwanzig Mann hoch, mit Wagen und Pferden davongestürmt waren, um die Ehre der Mrs. Harriett an dem Neger und seiner Tochter zu rächen. Als er es erfuhr, fand er keinen Mietwagen, keinen Gaul, um ihnen nachzueilen, und es blieb ihm in seiner rasenden Angst um Karola nichts anderes übrig, als zu Fuß den langen Weg in glühender Sommerhitze zurückzulegen. Es dauerte mehr als eine Stunde, bis er, schweißbedeckt, atemlos, vollkommen erschöpft, vor der Blockhütte ankam. Schon lange vorher witterte er aber beißenden Rauch, und er ahnte, daß Schreckliches geschehen war. Nun stand er endlich vor der Hütte – nein, vor dem Platz, auf dem vor einer Stunde noch die Hütte gestanden hatte! Nur noch ein paar rauchende und schwelende Balken lagen inmitten des kleinen zertrampelten Gartens auf dem Erdboden.

Zeller sah um sich, und das Blut wollte ihm in den Adern gerinnen: da, dicht vor ihm, baumelte von dem Ast eines alten Apfelbaumes herab die Leiche des gelynchten Negers. Nicht schwarz war aber seine Gesichtsfarbe, sondern seltsam graugrün, und aus dem weitaufgerissenen breiten Mund hing die Zunge heraus, daß es schien, als würde der Gehängte eine Grimasse schneiden. Der kalte Schweiß rann Zeller über die Stirne, wie geistesabwesend starrte er die Leiche an. War das möglich? Hätten zivilisierte junge Menschen, Studenten, die dereinst Ämter und Würden bekleiden sollten, wirklich einen Menschen ermordet, der im schlimmsten Fall sich etwas zuschulden hatte kommen lassen, was mit einer Tracht Prügel genügend bestraft worden wäre? Lebte er zu Ende des neunzehnten Jahrhunderts oder im Mittelalter? Unwillkürlich erinnerte sich Zeller der Judenverfolgungen in vergangenen Jahrhunderten, der Hexenprozesse, der Inquisitionsgerichte.

Pferdegetrappel riß ihn aus seinem Grauen. Querfeldein, über die Baumwollfelder, kamen die Richter aus eigener Machtvollkommenheit angeritten. Als sie den Deutschen erblickten, riefen sie ihm fröhlich, als sei nichts geschehen, ihr Hallo zu, sprangen ab und einer von ihnen sagte lachend:

»Was, Professor, so etwas gibt es in eurem alten, gemütlichen Deutschland nicht! Sie müssen uns dankbar sein, daß wir Ihnen gezeigt haben, wie man hierzulande ohne Gerichtshof gute Justiz macht.«

Mühsam beherrschte sich Zeller. Er wußte, daß er, würde er diesen Leuten seine Verachtung zeigen, sich nur lächerlich und verhaßt machen, Karola, die liebe, kleine Karola aber nicht retten würde – vorausgesetzt, daß sie überhaupt noch am Leben war. Und so ersuchte er die jungen Herren denn, ihm zu erzählen, wie sich alles abgespielt habe.

Der neue Seladon der Frau Harriett tat dies.

»Nun, wir sind alle im raschesten Galopp hergeritten und fanden richtig das ganze Gesindel beisammen. Ohne lange zu fackeln, griffen wir zuerst den Sampson und banden ihn mit Stricken. Dann wollten wir das kleine Biest, seine Tochter, fassen, aber sie war leider flinker als wir, sie bückte sich blitzschnell, rannte zwischen unseren Füßen durch, und wie eine Wildkatze war sie davon. Ein paar von uns ihr nach, aber sie war nicht einzuholen, sondern verschwand im Gebüsch. Also der Hauptschuldige war ja Sampson selbst, und den hatten wir glücklicherweise. Während er heulte und seine Unschuld beteuerte und sein dickes Weib so lange auf den Knien umherrutschte, bis wir sie mit Fußtritten aus der Hütte jagten, sprachen wir dem Kerl das Urteil. Ein paar von unseren Jungen hielten die Neger, die sich indessen langsam angesammelt hatten, mit den Revolvern in Schach, wir anderen schleppten den Sampson zum Apfelbaum auf die Straße und eins, zwei, drei, hing er schon in der Schlinge. Als der Kerl keinen Ton mehr von sich gab, zündeten wir das ganze Nest an, damit von der Schandbude nichts übrig blieb. Und jetzt haben wir nochmals nach der Dirne gesucht, aber vergebens. Die Alte ist in die Stadt gelaufen, wo sie sich bei ihrer schwarzen Sippe verstecken wird. Um die ist uns auch gar nicht zu tun, denn gegen sie hat Mrs. Whilcox nichts ausgesagt. Aber das Mädel werden wir schon noch finden. Jimmy bringt abends einen Schweißhund zur Stelle, da kann sie sich verkrochen haben, wo sie will, wir werden sie schon aufstöbern.«

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