KÖNIG SALOMONS DIAMANTEN

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Fünftes Kapitel: Unser Marsch durch die Wüste

Wir hatten neun Elefanten zur Strecke gebracht, und es kostete uns zwei Tage, die Zähne auszulösen und in das Lager zu bringen, wo wir sie unter einem großen Baum, der auf Meilen im Umkreis ein sichtbares Merkmal war, sorgfältig im Sand vergruben. Nie sah ich schöneres Elfenbein, wog doch jeder Zahn durchschnittlich vierzig bis fünfzig Pfund. Die Stoßzähne des großen Bullen, der Khiva getötet hatte, wogen unserer Schätzung nach zusammen hundertsiebzig Pfund.

Die sterblichen Überreste von Khiva begruben wir in der Höhle eines Ameisenbären zusammen mit seinem Speer, der ihn auf seiner Reise in eine bessere Welt schützen sollte. Am dritten Tag zogen wir weiter, in der Hoffnung, eines Tages hierher zurückkehren zu können, um unser vergrabenes Elfenbein abzuholen. Planmäßig erreichten wir nach langer, anstrengender Wanderung Sitandas Kraal unweit des Lunkangaflusses, den eigentlichen Ausgangspunkt unserer Expedition.

Unterwegs hatten wir viele Abenteuer erlebt, wofür der Platz fehlt, sie umständlich zu beschreiben. Unserer Ankunft an diesem Ort erinnere ich mich sehr gut. Zur Rechten befand sich verstreut eine Eingeborenenniederlassung mit ein paar steinernen Viehkraals, und unten am Wasser war kultiviertes Land, auf dem die Eingeborenen ihre dürftige Menge Getreide bauten. Jenseits davon dehnten sich weite Strecken von wogendem veldt, mit langem Gras bewachsen, über das Herden von kleinerem Wild streiften. Zur Linken befand sich die unendliche Wüste. Dieser Ort schien der Vorposten der fruchtbaren Gegend zu sein, und es wäre schwer zu sagen, welchen natürlichen Ursachen ein solch jäher Wechsel des Bodencharakters zuzuschreiben ist. Direkt unterhalb unseres Lagers floss ein kleiner Bach; auf der anderen Seite war ein steiniger Abhang, auf welchem ich vor zwanzig Jahren den armen Silvestre herunterkriechen sah, nachdem er versucht hatte, Salomons Minen zu erreichen. Jenseits dieses Hanges begann die Wüste, wasserlos und von einer Art des karoo-Strauches bewachsen.

Es war Abend, als wir unser Lager aufschlugen. Der rote Ball der Sonne sank in die Wüste hinein und sandte prächtige Strahlen vielfarbigen Lichts über diese ganze unermessliche Weite. Ich überließ es Good, die Einrichtung unseres kleinen Lagers zu überwachen, nahm Sir Henry mit mir, und wir spazierten auf die Anhöhe des gegenüberliegenden Hanges und schauten hinaus auf die sandfarbene Wüste. Die Luft war ganz klar, und weit, weit weg konnte ich die schwachblauen Umrisse des Sulimanbergs erkennen, der da und dort eine weiße Kappe trug.

»Dort«, brach ich das Schweigen, »dort ist die Mauer vor Salomons Minen, und nur Gott weiß, ob wir sie je erklimmen werden.«

»Mein Bruder soll dort sein, und wenn das stimmt, dann werde ich ihn irgendwie finden«, sagte Sir Henry in einem Ton ruhiger Zuversicht, die einen Mann auszeichnet.

»Ich hoffe das gleiche«, antwortete ich und wandte mich zum Lager zurück, da ich sah, dass wir nicht allein waren. Hinter uns stand, ebenso ernst nach dem weit entfernten Gebirge starrend, der große Kaffer Umbopa.

Als er sah, dass ich ihn beobachtete, sprach der Zulu, sich an Sir Henry wendend, dem er sich ja angeschlossen hatte.

»Ist das das Land, in das du reisen willst, Incubu?« (ein Eingeborenenwort, das Elefant bedeutet; diesen Zulunamen hatten die Kaffer Sir Henry gegeben). Dabei zeigte er mit seinem breiten Speer in die Richtung des Gebirges.

Ich fragte ihn barsch, was ihm einfalle, seinen Herrn auf so vertrauliche Art anzusprechen. Es ist zwar sehr gut, wenn die Eingeborenen für uns einen Namen unter sich haben, aber es geht nicht an, dass sie einen Weißen mit ihren heidenmäßigen Namen direkt ansprechen. Der Zulu lächelte, was mich ärgerte.

»Woher weißt du, ob ich nicht dem Inkosi ebenbürtig bin, dem ich diene?«, sagte er. »Er ist ohne Zweifel von königlichem Geblüt; man kann es an seiner Größe und an seinen Augen erkennen. Vielleicht bin ich es auch. Schließlich bin ich auch ein großer Mann. Leihe mir deinen Mund, Macumazahn, und sage meine Worte dem Inkoos Incubu, meinem Herrn, denn ich möchte zu ihm und zu dir sprechen.«

Ich war erzürnt über diesen Menschen, denn ich bin es nicht gewohnt, mich mit Kaffern auf diese Weise zu unterhalten, doch irgendwie imponierte er mir. Außerdem war ich gespannt zu erfahren, was er zu sagen hatte. So übersetzte ich seinen Sermon, wobei ich zugleich mit meiner Meinung nicht hinter dem Berg hielt, dass er ein unverschämter Bursche und seine Großtuerei abscheulich sei.

»Ja, Umbopa«, antwortete Sir Henry, »dorthin will ich reisen.«

»Die Wüste ist groß, und es gibt kein Wasser dort; die Berge sind hoch und schneebedeckt, und kein Mensch kann sagen, was sich jenseits davon befindet, wo die Sonne untergeht. Wie willst du dorthin gelangen, Incubu, und warum willst du dorthin?«

Ich übersetzte wieder.

»Sagen Sie ihm«, erwiderte Sir Henry, »ich gehe, weil ich glaube, dass ein Mann meines Blutes, mein Bruder, vor mir dorthin ging und ich ihn suchen will.«

»Das stimmt, Incubu; ein Hottentotte, den ich unterwegs traf, erzählte mir, dass vor zwei Jahren ein Weißer mit einem Diener - ein Jäger - in Richtung dieses Gebirges in die Wüste hinausging. Sie kamen nie zurück.«

»Woher willst du wissen, dass das mein Bruder war?«, fragte Sir Henry.

»Nein, ich weiß es nicht. Aber der Hottentotte, den ich fragte, wie der Weiße ausgesehen habe, erzählte, dass er deine Augen und einen schwarzen Bart gehabt habe. Er sagte auch, dass der Jäger, der bei ihm war, Jim geheißen hat. Es war ein Bechuanajäger, und trug Kleider.«

»Da ist kein Zweifel möglich«, warf ich ein. »Ich kannte Jim gut.«

Sir Henry nickte.

»Ich war dessen sicher«, sagte er. »Wenn sich George was in den Kopf gesetzt hatte, tat er es im Allgemeinen. So war er immer, seit seiner Kindheit. Wenn er die Absicht hatte, den Sulimanberg zu überqueren, hat er ihn überquert, außer es widerfuhr ihm ein Unglück. Wir müssen ihn auf der anderen Seite suchen.«

Umbopa verstand Englisch, obwohl er es selten sprach.

»Es ist eine weite Reise, Incubu«, fiel er ein, und ich übersetzte seine Bemerkung.

»Ja«, antwortete Sir Henry, »es ist weit. Aber es gibt keine Reise auf dieser Welt, die ein Mensch nicht unternehmen kann, wenn er sein Herz dafür einsetzt. Da gibt es nichts, Umbopa, was er nicht vollbringen kann. Da gibt es kein Gebirge, das er nicht bezwingt, da gibt es keine Wüste, die er nicht durchqueren kann, ausgenommen ein Berg und eine Wüste, von der du keine Kenntnis hast, wenn ihn die Liebe leitet, und er hält sein Leben, es als Nichts zählend, in den Händen, bereit, es zu behalten oder hinzugeben, wie es die Vorsehung bestimmen mag.«

Ich übersetzte.

»Große Worte, mein Vater«, antwortete der Zulu - ich nenne ihn immer einen Zulu, obwohl er tatsächlich keiner war -, »große, erhabene Worte, passend, von einem Manne gesprochen zu werden. Du hast recht, mein Vater Incubu. Höre! Was ist das Leben? Es ist eine Feder, es ist der Same des Grases, hierhin und dorthin geblasen, zuweilen sich dabei vermehrend und sterbend bei der Tat, zuweilen in den Himmel getragen. Jedoch, falls die Saat gut und gewichtig ist, kann sie sich vielleicht ein Stückchen auf der Straße bewegen, die sie will. Es ist gut zu versuchen, eine Reise zu machen und mit dem Wind zu kämpfen. Der Mensch muss sterben. Schlimmstenfalls kann er nur ein wenig früher sterben. Ich werde mit dir durch die Wüste gehen und über die Berge, wenn ich nicht unterwegs liegenbleibe, mein Vater.«

Er hielt eine Weile inne, und dann fuhr er mit einem jener merkwürdigen Ausbrüche rhetorischer Beredsamkeit fort, denen sich die Zulus bisweilen hingeben. Meiner Meinung nach voll nichtiger Wiederholungen, zeigen sie doch, dass diese Rasse keineswegs ohne poetischen Naturtrieb und geistige Kraft ist.

»Was ist das Leben? Sagt mir, o weiße Männer, die Ihr weise seid, wer kennt die Geheimnisse der Welt und die Welt der Sterne und die Welt, die über den Sternen und um diese herum liegt; die Ihr Eure Worte von weither ohne Stimme wie ein Blitz schickt, nennt mir, weiße Männer, das Geheimnis unseres Lebens - wohin es geht und woher es kommt!

Ihr könnt mir keine Antwort geben; Ihr kennt es nicht. Hört, ich werde antworten. Aus dem Dunkel kommen wir, in das Dunkel gehen wir. Gleich einem nachts vom Sturmwind getriebenen Vogel fliegen wir aus dem Nichts heraus, für einen Augenblick werden unsere Schwingen ins Licht des Feuers getaucht, und siehe! Wir gehen wieder in das Nichts. Das Leben ist nichts. Das Leben ist alles. Es ist die Hand mit der wir den Tod fernhalten. Es ist das Glühwürmchen, das des Nachts scheint und des Morgens dunkel ist; es ist der weiße Atem der Ochsen im Winter; es ist der schwache Schatten, der über das Gras huscht und sich bei Sonnenuntergang verliert.«

»Du bist ein seltsamer Mensch«, sagte Sir Henry, als er schwieg.

Umbopa lachte.

»Es scheint, wir sind uns sehr ähnlich, Incubu. Vielleicht suche ich einen Bruder über dem Gebirge drüben.«

Ich schaute ihn misstrauisch an.

»Was meinst du damit?«, fragte ich, »was weißt du von dem Gebirge?«

»Ein wenig; ganz, ganz wenig. Das ist ein merkwürdiges Land, dort drüben, ein Land der Zauberei und schönen Dinge; das Land eines tapferen Volkes, der Bäume, Bäche und weißen Berge und einer großen weißen Straße. Ich habe davon gehört. Aber was nützt es, darüber zu sprechen? Es wird dunkel. Jene, die leben, um es zu sehen, werden es sehen.« Wieder schaute ich ihn zweifelnd an. Der Mensch wusste zu viel.

»Ihr braucht vor mir keine Angst zu haben, Macumazahn«, sagte er, meinen Blick richtig deutend. »Ich grabe Euch keine Löcher, damit Ihr hineinfallt. Ich schmiede keine Ränke. Falls wir dieses Gebirge überqueren hinter der Sonne, werde ich berichten, was ich weiß. Aber auf ihm sitzt der Tod. Seid klug und kehrt um. Geht und jagt Elefanten, meine Herren, ich habe gesprochen.«

 

Und ohne ein weiteres Wort hob er seinen Speer zum Gruß und kehrte zum Lager zurück, wo wir ihn kurz danach wie die anderen Kaffer beim Reinigen eines Gewehrs fanden.

»Ein sonderbarer Kauz«, sagte Sir Henry.

»Ja«, erwiderte ich, »mehr als sonderbar. Ich mag seine komische Art nicht. Er weiß etwas und mag damit nicht herausrücken. Aber ich nehme an, es ist zwecklos, ihn zur Rede zu stellen. Wir sind auf einem merkwürdigen Trip, und dabei sollte ein rätselhafter Zulu mehr oder weniger nicht viel ausmachen.«

Am nächsten Tag trafen wir unsere Anordnungen für den Aufbruch. Selbstverständlich war es unmöglich, unsere schweren Elefantenbüchsen und das andere Marschgepäck mit uns quer durch die Wüste zu schleppen. So entließen wir unsere Träger und trafen mit einem alten Eingeborenen, der in der Nähe einen Kraal hatte, ein Übereinkommen, darauf aufzupassen, bis wir zurückkamen. Es ging mir ans Herz, solche Dinge wie unsere bequeme Ausrüstung einem alten Gauner von Eingeborenen anzuvertrauen, dessen begehrliche Augen ich glänzen sah. Ich traf jedoch einige Vorsichtsmaßregeln. Zuerst lud ich sämtliche Gewehre, spannte sie voll und belehrte ihn, dass sie losgehen würden, wenn er sie anfasse. Er machte sofort mit meiner Achtkalibrigen die Probe aufs Exempel - sie ging prompt los und blies einem seiner Ochsen, die gerade zum Kraal hochgetrieben wurden, ein Loch ins Fell, ganz davon zu schweigen, dass es ihn durch den Rückstoß kopfüber nach hinten haute. Beträchtlich erschrocken rappelte er sich auf, vor allem über den Verlust seines Ochsen nicht erfreut. Er besaß die Unverschämtheit, von mir zu verlangen, dass ich ihn bezahle. Nach dieser Erfahrung würde ihn nichts mehr bewegen, die Gewehre noch einmal anzufassen.

»Packt diese geladenen Teufel weg, da in das Dachstroh«, rief er, »oder sie morden uns noch alle.«

Dann machte ich ihm weis, ich würde ihn und alle seine Leute durch Zauberkraft töten, sofern eines der Dinge vermisst würde, wenn wir zurückkämen. Würden wir aber umkommen und er würde die Gewehre stehlen, würde ich ihn heimsuchen, sein Vieh toll machen und die Milch sauer, bis er des Lebens überdrüssig wäre. Dann würde ich die Teufel aus den Gewehren lassen und mich mit ihm in einer Art und Weise unterhalten, die ihm gar nicht gefallen würde. So gab ich ihm einen gründlichen Begriff des künftigen Gerichts. Daraufhin schwur er, er würde darauf aufpassen, als ob sie seines Vaters Geist wären. Er war ein sehr abergläubischer Kaffer und ein Erzschurke.

Nachdem wir so über unser überflüssiges Gepäck verfügt hatten, bestimmten wir das Marschgepäck, das wir fünf, nämlich Sir Henry, Good, ich selbst, Umbopa und der Hottentotte Ventvögel, auf die Reise mitnehmen würden. Es war wenig genug, aber wir konnten machen was wir wollten, unter vierzig Pfund pro Mann ging es nicht. Es bestand aus folgendem:

- Drei Schnellfeuergewehren und zweihundert Schuss Munition.

- Den zwei Winchester-Repetiergewehren (für Umbopa und Ventvögel) mit zweihundert Schuss Patronen.

- Drei Colt-Revolvern und sechzig Schuss Patronen.

- Fünf Cochrane's Wasserflaschen, jede vier Pint fassend.

- Fünf Wolldecken.

- Fünfundzwanzig Pfund Biltong, das ist sonnengetrocknetes Wildfleisch.

- Zehn Pfund der besten gemischten Perlen als Geschenke.

- Einer Auswahl Arzneien, einschließlich einer Unze Chinin, sowie ein oder zwei kleinen chirurgischen Instrumenten.

- Unsere Messer, ein Kompass, Streichhölzer, Taschenfilter, Tabak, eine kleine Schaufel, eine Flasche Brandy und die Kleider, die wir am Leib trugen.

Das war unsere ganze Ausrüstung, zwar klein für ein solches Wagnis, aber wir wagten nicht den Versuch, mehr mitzuschleppen. Die Last war für jeden schwer genug, mit der er die glühende Wüste durchqueren sollte, denn in einer solchen Gegend zählt jede Unze doppelt. Doch wir sahen keine Möglichkeit, das Gewicht zu vermindern. Es war nichts dabei, was nicht unbedingt notwendig war.

Unter großen Schwierigkeiten und mit dem Versprechen, jedem ein gutes Jagdmesser zu schenken, glückte es mir, drei elende Eingeborene aus dem Dorf zu überreden, bis zur ersten Station, zwanzig Meilen, mit uns zu gehen und einen großen Kürbis für eine Gallone Wasser zu tragen. Ich wollte unsere Wasserflaschen nach dem ersten Nachtmarsch auffüllen, denn wir hatten uns entschlossen, in der Kühle des Abends aufzubrechen. Diesen Eingeborenen erzählte ich, dass wir Strauße schießen gingen, von denen es in der Wüste wimmelte. Sie plapperten durcheinander, zuckten die Schultern und sagten, wir wären verrückt und würden vor Durst umkommen, was mir - ich muss es gestehen - wahrscheinlich schien. Doch scharf darauf, die Messer zu bekommen - hier oben fast unbekannte Schätze -, willigten sie ein, mitzukommen. Wahrscheinlich hatten sie sich auch überlegt, dass nach all dem unser späteres Verderben nicht ihre Angelegenheit sein würde.

Am nächsten Tag ruhten wir und schliefen. Bei Sonnenuntergang nahmen wir ein herzhaftes Mahl von frischem Rindfleisch ein, das wir mit Tee hinunterspülten, den letzten, den wir - wie Good düster bemerkte - vermutlich für viele lange Tage getrunken hätten. Nachdem wir unsere letzten Vorbereitungen getroffen hatten, legten wir uns hin und warteten, bis der Mond aufging. Endlich, um neun Uhr herum, stieg er in all seiner keuschen Pracht empor, überflutete die wilde Gegend mit silbernem Licht, und sein geisterhafter Schein ergoss sich über die unendliche Weite der sich vor uns ausdehnenden Wüste, die ebenso feierlich und still wie fremd auf Mensch und sternenbesetztes Firmament darüber blickte.

Wir standen auf, waren in ein paar Minuten fertig und zögerten doch ein wenig, wie eben die menschliche Natur an der Schwelle des Unabänderlichen dazu neigt, zu zögern. Wir drei Weiße standen beieinander. Umbopa, den Speer in der Hand und das Gewehr über der Schulter, starrte, ein paar Schritte voraus, hinaus in die Wüste; während die drei angeheuerten Eingeborenen mit den Kürbissen voll Wasser und Ventvögel hinter uns in einer kleinen Gruppe versammelt waren.

»Gentlemen«, sagte Sir Henry kurz darauf mit seiner dunklen Stimme, »wir brechen zu einer so merkwürdigen Reise auf, wie sie Menschen auf dieser Welt nur unternehmen können. Es ist sehr zweifelhaft, ob wir dabei Erfolg haben werden. Doch wir sind drei Männer, die im Guten wie im Schlechten bis zuletzt zusammenstehen werden. Jetzt, bevor wir aufbrechen, wollen wir kurz zu der Kraft beten, die der Menschen Schicksal bestimmt und die seit Ewigkeit uns die Wege weist, dass es Ihm gefallen möge, unsere Schritte in Übereinstimmung mit Seinem Willen zu lenken.«

Er nahm seinen Hut ab und bedeckte eine Minute lang sein Gesicht mit seinen Händen, und Good und ich folgten seinem Beispiel.

Ich behaupte nicht, dass ich ein besonders frommer Mensch bin; wenige Jäger sind es; und was Sir Henry betrifft, hörte ich ihn vorher nie auf diese Art sprechen und seither nur ein einziges Mal, obgleich er im tiefsten Herzen, wie ich glaube, sehr religiös ist. Auch Good ist fromm, wenn er auch gerne flucht. Jedenfalls glaube ich nicht, in meinem Leben je inniger gebetet zu haben, ausgenommen bei einer - nein -, bei zwei Gelegenheiten, als ich es in dieser Minute tat. Und irgendwie spürte ich, dass dieses Gebet diesmal glücklicher war. Unsere Zukunft war so völlig ungewiss, und ich glaube, das Ungewisse und das Furchtbare bringen einen Menschen seinem Schöpfer näher.

»Und jetzt«, sagte Sir Henry, »treck!«

Also brachen wir auf.

Wir besaßen nichts, das uns führen konnte, mit Ausnahme des fernen Gebirges und der Karte des alten José da Silvestra, die in Anbetracht dessen, dass sie vor dreihundert Jahren von einem sterbenden und halberschöpften Menschen auf einen Kleiderrest gezeichnet worden war, ein nicht sehr befriedigendes Hilfsmittel darstellte. Doch stützte sich darauf, so wie sie eben war, unsere einzige Hoffnung. Wenn es uns nicht gelang, jene Lache mit schlechtem Wasser zu finden, die der alte Dom eingezeichnet hatte und die ungefähr sechzig Meilen von unserem Ausgangspunkt und ebenso weit vom Gebirge in der Mitte der Wüste liegen sollte, mussten wir aller Wahrscheinlichkeit nach elend verdursten. Die Chance, sie in diesem großen Sandmeer und in dem Karoo-Gestrüpp zu finden, schien mir höchst fraglich. Selbst angenommen, da Silvestra hätte das Wasserloch richtig eingezeichnet, was sollte verhindert haben, dass es schon vor Generationen von der Sonne ausgetrocknet, vom Wild zertrampelt oder vom Treibsand verschüttet worden war?

Schweigend zogen wir wie Schatten durch Nacht und schweren Sand. Das Karoo-Gestrüpp fing unsere Füße und hielt uns auf, der Sand lief in unsere veldschoens und Goods Jagdstiefel, so dass wir alle paar Meilen anhalten und sie ausleeren mussten. Doch die Nacht blieb hübsch kühl, und wir kamen recht gut vorwärts, obgleich die Atmosphäre dick und drückend war und der Luft ein sahniges Gepräge gab. Es war still und einsam hier in der Wüste, in der Tat bedrückend. Good fühlte dies und begann auf einmal zu pfeifen Das Mädchen lass ich zurück, aber in der Weite klangen die Töne kläglich, und er gab es auf.

Wenig später ereignete sich ein kleiner Zwischenfall, der Grund zum Lachen gab, obwohl er uns damals Beine machte. Good führte als Besitzer des Kompasses, mit dem er als Seemann natürlich ausgezeichnet umgehen konnte. Wir plagten uns im Gänsemarsch hinterher, als wir plötzlich einen halberstickten Aufschrei hörten und er verschwand. In der nächsten Sekunde erhob sich ringsum ein höchst ungewöhnlicher Lärm, ein Schnaufen und Grunzen und ein wilder Krach flüchtender Hufe. In dem fahlen Licht konnten wir auch dunkle, halb von Sandfontänen verdeckte galoppierende Gestalten ausmachen. Die Eingeborenen warfen ihre Lasten weg und waren nahe daran, davonzulaufen. Dann erinnerten sie sich, dass es hier nichts gab, wohin sie flüchten konnten, sie warfen sich zu Boden und heulten irgendetwas von Geistern. Sir Henry und ich standen verblüfft da. Unser Erstaunen war nicht geringer, als wir Good, wie auf einem Pferderücken angewachsen und verrückt schreiend, in Richtung Gebirge davonpreschen sahen. In der nächsten Sekunde warf er die Arme hoch und schlug mit Gedröhn auf der Erde auf. Dann sah ich, was passiert war: wir waren auf eine Herde schlafender Quaggas gestoßen, Good war gewiss auf den Rücken eines von ihnen gefallen, worauf das Tier hochstieg und mit ihm durchging. Ich rief den anderen zu, alles sei in Ordnung, und lief Good entgegen, in Sorge, dass er verletzt wäre. Doch zu meiner größten Erleichterung saß er im Sand, sein Monokel noch immer fest ins Auge geklemmt, ziemlich erschüttert und aufs höchste erschrocken zwar, doch nicht verletzt.

Daraufhin zogen wir ohne weiteres Missgeschick bis nach ein Uhr weiter, als wir haltmachten, einen Schluck Wasser tranken, nicht mehr, denn Wasser war kostbar, eine halbe Stunde rasteten und uns dann wieder auf den Weg machten.

Weiter, immer weiter marschierten wir, bis sich schließlich der Osten zu röten begann wie die Wangen eines Mädchens. Es folgten schwache Strahlen von rosarotem Licht, die sich bald in goldene Riegel wandelten, durch die die Dämmerung über die Wüste hinaus glitt. Die Sterne verblassten immer mehr, bis sie schließlich verschwanden, der goldene Mond verblich, und seine Bergketten standen aus seinem siechen Gesicht so klar hervor wie die Knochen in dem Gesicht eines Sterbenden. Dann schoss Lanze um Lanze blendenden Lichts empor, blitzte weithin über die grenzenlose Wildnis, durchdrang und rötete die Nebel, bis die Wüste in einen flimmernden Glanz getaucht war und es Tag wurde. Wir machten noch nicht halt, obwohl wir es zu dieser Zeit gerne getan hätten, doch wir wussten, dass es für uns unmöglich war, weiterzumarschieren, wenn erst einmal die Sonne voll am Himmel stand. Endlich, über eine Stunde später, erspähten wir einen kleinen Felshaufen inmitten der Ebene, und auf ihn schleppten wir uns zu. Wie es das Glück wollte, fanden wir hier eine überhängende Felsplatte mit feinem Sand darunter, die einen höchst willkommenen Schutz vor der Hitze bot. Wir krochen darunter, und nachdem wir jeder einen Schluck Wasser getrunken und ein Stück Biton gegessen hatten, legten wir uns hin und waren bald fest eingeschlafen.

Es war drei Uhr nachmittags, als wir aufwachten. Unsere drei Träger bereiteten sich auf die Rückkehr vor. Sie hatten von der Wüste bereits genug gesehen, und keine Zahl von Messern hätte sie mehr verlocken können, nur einen Schritt weiterzugehen. So nahmen wir einen herzhaften Schluck aus unseren Wasserflaschen und füllten sie aus den Kürbissen, die sie mitgeschleppt hatten. Dann beobachteten wir sie, wie sie sich auf ihre zwanzig Meilen Heimweg machten.

 

Um halb fünf brachen auch wir auf. Es war ein einsames und trostloses Unternehmen, denn abgesehen von ein paar Straußen war nicht ein einziges Lebewesen in der ganzen unendlichen Weite der sandigen Ebene zu sehen. Offensichtlich war es für Wild zu trocken, und mit Ausnahme von einer oder zwei tödlichen Kobras sahen wir keine Schlangen. Ein Insekt jedoch, die gemeine oder Hausfliege, war in großer Zahl vertreten. Sie kamen nicht als einzelne Späher, sondern in Bataillonen, ich glaube, irgendwo heißt es so im Alten Testament. Die Hausfliege ist ein ganz außergewöhnliches Tier. Wohin man auch geht, findet man sie. So muss es immer gewesen sein. Ich habe sie in Bernstein eingeschlossen gesehen, das, wie man mir sagte, eine halbe Million Jahre alt ist, und die Fliege sah genauso aus wie ihre Nachkommen heute. Ich zweifle kaum daran, dass sie herumsummen wird, wenn der letzte Mensch auf Erden stirbt, sofern dies zufällig im Sommer geschieht, und sie wird auf eine Gelegenheit warten, sich auf seine Nase zu setzen.

Bei Sonnenuntergang hielten wir an und warteten, bis der Mond kam. Endlich ging er klar und schön wie immer auf, und - ausgenommen eine Rast um zwei Uhr morgens - schleppten wir uns müde durch die Nacht, bis endlich die willkommene Sonne unserer Plackerei ein Ende machte. Wir tranken einen Schluck, warfen uns völlig erschöpft in den Sand und waren gleich eingeschlafen. Eine Wache hier aufzustellen, war unnötig, denn wir brauchten uns in dieser unendlichen, menschenleeren Ebene vor niemandem und nichts zu fürchten. Unsere einzigen Feinde waren Hitze, Durst und Fliegen; doch weit lieber hätten wir jeder Gefahr ins Auge geschaut, die von Tier oder Mensch droht, als dieser schrecklichen Dreieinigkeit. Diesmal hatten wir nicht das Glück, einen schützenden Felsen zu finden, der uns vor dem blendenden Glanz der Sonne bewahrte - mit dem Ergebnis, dass wir gegen sieben Uhr munter wurden und genau das Gefühl hatten, ein Beefsteak auf einem Bratrost zu sein. Wir waren buchstäblich durch und durch geröstet worden. Die sengende Sonne schien uns unser ganzes Blut herausgesaugt zu haben. Wir setzten uns auf und atmeten schwer.

»Puh«, stöhnte ich, wobei ich nach dem Heiligenschein von Fliegen schlug, die fröhlich um meinen Kopf herum summten. Die störte die Hitze in keiner Weise.

»Mein Wort!«, rief Sir Henry.

»Eine teuflische Hitze!«, echote Good.

In der Tat, es war heiß, und es war nicht der geringste Schutz dagegen zu finden. Man konnte schauen, wohin man wollte, da gab es weder Felsen noch Bäume, nichts außer einem endlosen, blendenden Glanz, blendend von der erhitzten Luft reflektiert, die über die Oberfläche der Wüste tanzte wie über einen glühenden Ofen.

»Was kann man da machen?«, fragte Sir Henry; »das können wir nicht lange aushalten.«

Wir sahen einander ratlos an.

»Ich hab's«, sagte Good, »wir müssen ein Loch graben, hineinkriechen und uns mit Karoo-Büschen zudecken.« Ich hielt es zwar für keinen sehr vielversprechenden Vorschlag, doch schließlich war er besser als nichts. Und so machten wir uns an die Arbeit. Mit dem kleinen Spaten, den wir dabei hatten, und unseren Händen gelang es uns, in über einer Stunde ein Loch von zehn Fuß Länge, zwölf Fuß Breite und zwei Fuß Tiefe auszuheben. Dann hauten wir mit unseren Jagdmessern eine Menge von dem niedrigen Buschwerk ab, krochen in das Loch und zogen es über uns. Nur Ventvögel blieb draußen, da ihm, dem Hottentotten, die Sonne nichts ausmachte. Das Buschwerk gab uns einen schwachen Schutz gegen die glühenden Strahlen der Sonne, aber die Atmosphäre in diesem Amateurgrabe kann man sich besser vorstellen als beschreiben. Die Schwarze Höhle von Kalkutta muss ein Vergnügen dagegen gewesen sein; wahrlich, in diesem Augenblick wusste ich nicht, wie wir den Tag überleben sollten. Wir lagen keuchend da, und dann und wann befeuchteten wir unsere Lippen aus unserem knappen Wasservorrat. Hätten wir unseren Gelüsten nachgegeben, wir hätten das ganze Wasser, das wir hatten, in den ersten zwei Stunden ausgetrunken, doch wir waren gezwungen, strengste Sparsamkeit zu üben. Wir wussten, dass wir sehr schnell elendig umkommen mussten, wenn uns das Wasser ausging.

Aber alles hat ein Ende, wenn man nur lange genug lebt, um es zu erleben; und irgendwie ging auch dieser elende Tag dem Abend entgegen. Gegen drei Uhr nachmittags entschieden wir, dass wir es nicht länger ertragen könnten. Es würde besser sein, zu laufen, als langsam durch Hitze und Durst in diesem schrecklichen Loch umzukommen. So nahmen wir jeder einen kleinen Schluck von unserem schnell abnehmenden Wasservorrat. Das Wasser war schon auf die gleiche Temperatur wie Menschenblut erwärmt. Dann wankten wir weiter.

Wir hatten jetzt ungefähr fünfzig Meilen der Wildnis hinter uns. Wenn der Leser die grobe Skizze und die Aufzeichnung des alten da Silvestra zur Hand nimmt, wird er sehen, dass die Ausdehnung der Wüste mit vierzig Seemeilen angegeben ist und die Pfanne mit schlechtem Wasser ist etwa in der Mitte davon eingezeichnet. Nun sind vierzig Seemeilen gleich hundertzwanzig Meilen, folglich sollten wir höchstens zwölf oder fünfzehn Meilen von der Wasserstelle sein, sofern sie wirklich existierte.

Langsam und unter Qualen schleppten wir uns während des Nachmittags dahin, wobei wir kaum mehr als eine und eine halbe Meile pro Stunde zurücklegten. Bei Sonnenuntergang rasteten wir wieder, um auf den Mond zu warten. Nachdem wir ein wenig getrunken hatten, brachten wir es fertig, etwas zu schlafen.

Ehe wir uns hinlegten, machte uns Umbopa auf einen kleinen und undeutlich sichtbaren Hügel auf der ebenen Wüstenfläche aufmerksam, etwa acht Meilen entfernt. Auf diese Distanz sah es wie ein Ameisenhaufen aus. Da ich am Einschlafen war, machte ich mir keine Gedanken, was das sein konnte.

Mit dem Mond zogen wir wieder los, wir fühlten uns schrecklich erschöpft und litten durch Durst und Hitzeblattern Torturen. Niemand, der es nicht selbst gespürt hat, kann ermessen, was wir durchmachten. Wir gingen nicht mehr, wir taumelten, brachen hie und da vor Erschöpfung zusammen und mussten etwa jede Stunde Halt gebieten. Wir hatten kaum mehr Energie in uns, zu sprechen. Bis jetzt hatte Good geplaudert und gescherzt, denn er ist ein lustiger Bursche, aber jetzt fand er auch kein Scherzwort mehr. Endlich kamen wir, etwa gegen zwei Uhr, körperlich und seelisch völlig erschöpft, am Fuße dieses sonderbaren Hügels, einer Sandkuppe, an, die auf den ersten Blick einem riesigen Ameisenhaufen, über hundert Fuß hoch, ähnelte. Seine Grundfläche betrug etwa zwei Morgen.

Hier hielten wir und, von unserem furchtbaren Durst getrieben, saugten wir unsere letzten Tropfen Wasser in uns hinein. Wir hatten pro Kopf nur eine halbe Tasse, und jeder von uns hätte eine Gallone trinken können.

Dann legten wir uns hin. Wie ich gerade am Einschlafen war, hörte ich Umbopa auf Zulu zu sich selbst sagen:

»Wenn wir kein Wasser finden können, werden wir morgen, bevor der Mond aufgeht, tot sein.«

Ich fröstelte, so heiß es war. Einen so schrecklichen Tod vor Augen ist nicht angenehm; aber selbst der Gedanke daran konnte mich nicht vom Schlafen abhalten.

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