Reisen Band 2

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Morgens um elf Uhr etwa, nachdem mich der Supercargo schon hatte um Sechs an Bord sprengen wollen, wurde zuerst die Ankerwinde der Emma Prescott bemannt, bald darauf liefen die Leute nach oben, um das Vormarssegel zu lösen, und es war jetzt Zeit zu gehen, wenn ich nicht zurückgelassen werden wollte. Mein Canoe, mit einem kleinen indianischen Burschen darin, lag übrigens bereit; rasch schossen wir, von /36/ zwei Rudern stark getrieben, über die spiegelglatte Bai. - Up with your helm! rief der Lotse in demselben Augenblick fast als ich an Bord kletterte, der Bug der Brig kam herum, und nicht zwei Minuten später flatterten die Segel, die Schrotkörner flogen, von den Geitauen gezogen, an die Spitzen der Raaen, diese wurden fast Vierkant gebraßt, denn der Wind war zum Auslaufen vortrefflich, und als das Wasser unter dem Bug zu kräuseln begann, ließen wir die Fahrzeuge, zwischen denen wir gelegen, zurück, und näherten uns mehr und mehr den Riffen, zwischen denen hinaus die Natur hier eine breite herrliche Fahrstraße gelassen, und hatten vor uns schon die weite, freie See. Noch zwischen den Riffen ging der Lotse — ein Amerikaner, und nicht mehr der alte wackere Jim, dessen sich frühere Seefahrer noch mit so viel Vergnügen erinnern - wieder an Bord; sein Walfischboot hatte er hinten anhängen gehabt. - Rechts und links vor uns schäumte die Brandung - die Riffbank flog vorüber - die Häuser von Papetee schmolzen mehr und mehr zusammen, kaum ließen sich noch die einzelnen Menschen am Rand mit bloßen Augen erkennen. Joranna, Joranna! ihr freundlichen Inseln - eure Palmen sinken in die See, eure Berge schwinden am Horizont zusammen, Joranna! - und gen Westen liegt wieder meine Bahn, der sinkenden Sonne nach.

Australien.

1.

Sidney.

Wieder einmal habe ich festen Grund und Boden betreten, und wie mit einem Zauberschlag hat sich Land, Klima, Boden, Szenerie, Bewohner - kurz alles, was die eigentliche Welt bildet, um mich her verändert. Nicht mehr die rauschenden Palmen sind es, die über mir wehen, nicht mehr das Brausen und Donnern der Riffe, und das Rascheln und Flüstern der im Winde schwankenden breiten Bananenblätter, nicht das fröhliche Lachen und Singen der immer frohen, sorglosen Tahitier dringt an mein Ohr; - wie eine beschnittene Taxushecke umgibt mich das flache, mit den wunderlich regelmäßigen Bäumen besetzte Land, mit ihren gleichmäßigen, trefflich aufgeführten Häusermassen die Stadt, und die breite irische Brogue und der englische Dialekt ist das Einzige, was dem Ohr für den romantischen Zauber, den es verloren, Ersatz bieten soll.

Es war überhaupt ein wunderliches Gefühl, mit dem ich in Australien an Land sprang. - Australien — Alles was verkehrt und sonderbar ist, gewöhnt man sich den vielen Beschreibungen nach, die uns darüber von Kindheit an vorgekommen, gerade unter dem Namen Australien zu denken, und man möchte gleich beim ersten Ansprung schon über die Häuser, die ja ebenso aussehen wie in jeder andern civili-/40/sierten Stadt, hinwegschauen können, nur um die jedenfalls dahinter liegenden Sonderbarkeiten zu entdecken.

K ä n g u r u - schon der Name hat einen gewissen Zauber, besonders für einen Jäger - Schnabeltier - Kirschen mit den Kernen auswärts, Bäume, die die Rinde abwerfen; für den gerade von Europa Kommenden auch noch die verkehrten Jahreszeiten, das Alles sind Sachen, an die man gerade nicht bestimmt denkt in dem Augenblicke, deren Bild uns aber doch in einer verworrenen Masse - Köpfe nach unten natürlich - vorschwebt, und die Farben wie in einem Kaleidoskop rasch wechseln und in einander fließen läßt. Es hat dabei einen ganz eigenen Reiz, nur allein einen fremden Erdteil betreten zu haben. So sehr der Mensch mit seines Herzens innersten Fasern an dem eigenen Vaterland hängt, so sehr wünscht er doch auch ein anderes zu sehen, um sich eben wieder zurücksehnen zu können - wie viel mehr denn, wenn dieser Erdteil auch noch gewissermaßen zu unseren Antipoden gehört und die Leute dort eigentlich dem Rechte nach auf dem Kopf stehen müßten.

Australien wurde außerdem eine Art Land der Verheißung - ich betrat es hungrig, und ich wurde g e s p e i s t (für 1 Schill. 6 D.), ich betrat es wenn auch nicht gerade nackt, doch in sehr dünnem Anzug, und wurde g e k l e i d e t (für 3 Pfd. Sterl. 10 Schill.), und das ganze an Land Steigen machte gleich von allem Anfang einen solch' eigentümlichen Eindruck auf mich, daß ich denselben wirklich nicht besser zu charakterisieren weiß, als wenn ich dem Leser aufrichtig gestehe, es hätte gar nicht viel gefehlt, so brach ich mir gleich in der ersten Stunde ein Stückchen Stein irgendwo los, um ein Andenken an diesen Platz zu haben - es war, als ob er mir wieder unter den Füßen fort verschwinden müsse. Mein wirklich rasender Hunger denn an Bord gab es ja nichts, wenn ich auch wirklich das „Frühstück" hätte abwarten wollen, machte mich aber zuerst wieder darauf aufmerksam, daß die Sache hier reine Wirklichkeit, und ein Gasthaus gerade der Punkt sei, nach dem ich vor allen Dingen einmal umschauen müsse; damit war der Romantik allerdings schon ein bedeutender Stoß gegeben. Mit der /41/ Romantik hat übrigens Sidney auch nur ungemein wenig zu tun, denn wenn an irgend einem Ort der Welt (selbst die Yankee-Staaten nicht ausgenommen, was gewiß viel sagen will) ein reines, unverfälschtes Geschäftsleben herrscht, so ist es hier. Pfunde und Schillinge sind die einzigen Worte, die, wie eine magische Formel, die Züge der den Fremden überall umgebenden gleichgültigen Gesichter beleben können, und während bei den geschäftigen, speculirenden Kaufleuten die Schillinge zu Pfunden werden, zeigt sich bei dem fremden, unter ihnen herumwandernden Reisenden ein gerade entgegengesetztes Phänomen, was ihn, außerdem daß er sich bei den ewigen Gesprächen von Wolle und Verschiffungen langweilt, auch noch ganz unnötiger Weise praktisch belehrt, wie er ganz und gar kein Kaufmann sei.

Der Charakter der Stadt ist rein englisch, und es ist dabei eigentümlich, wie scharf sich dieses Englisch von dem Amerikanischen, während sie doch eine Sprache sprechen, abscheidet. Das treffendste Beispiel hiervon findet man in den Vereinigten Staaten, wo bloß der schmale Wasserstreifen der nördlichen Seen Amerika und eine englische Colonie von einander trennen, denn nie habe ich zwei benachbarte, und doch sich auch in jeder Kleinigkeit so ungleiche Städte gefunden, als z. B. Buffalo und Toronto.

Doch um wieder auf Sidney zurückzukommen, so hat der hier eintreffende Fremde gewöhnlich eine Art Vorurteil zu überwinden, das mit ihm aufgewachsen ist, und wahrlich nicht auf Reisen, besonders in Californien, vermindert wird - das Vorurteil: eine Verbrecher-Colonie zu betreten und sich nun plötzlich zwischen einer unbestimmten Anzahl von besonders hierher verpflanzten Mördern, Dieben, Hausbrechern und anderen entsetzlichen und schauderhaften Charakteren zu befinden. Hier sieht der eintreffende Fremde zu seinem Erstaunen, daß davon - wenigstens äußerlich - nicht die mindeste Spur erkennbar ist, und wenn er auch hier und da, und weil er fortwährend darauf achtet, vielleicht öfter als an irgend einem andern Ort verdächtigen Physiognomien begegnen sollte, so rechtfertigen diese doch keineswegs die entsetzlichen Erwartungen, die er eigentlich den Beschreibungen /42/nach von der ganzen Bevölkerung hätte haben sollen. Die „Gouvernements-Leute“, wie sie hier genannt werden, sind aber auch wirklich so mit der eingewanderten Bevölkerung verschmolzen, daß schon ein Kenner dazu gehört, sie herauszufinden. Der leichte Nahrungserwerb hier hat dabei hoffentlich die meisten von ihnen, was auch früher ihre Vergehen gewesen sein mögen, zu ehrlichen Leuten gemacht, und es wird dann nicht einmal mehr nötig, einen Unterschied zwischen ihnen zu verlangen. Wer weiß übrigens, ob nicht eben diese Deportation in späteren Jahrhunderten gar zu einer Auszeichnung, zu einer Art Adel dieser Colonie werden kann. Die Kinder der früher hierher gesandten Übeltäter bilden jetzt teilweise mit einen achtbaren und angesehenen Theile der Bevölkerung (ja wenn nicht sogar hier und da früher Deportierte selber); nach Jahrhunderten können dann ihre Kinder und Kindeskinder so und so viel Ahnen davon zählen. Unser europäischer Adel schreibt ja seinen Ursprung oft aus noch, weit wunderlicheren Quellen her.

In Sidney hatte ich im Anfang einige Schwierigkeiten, ein gutes Haus zu finden, wo ich wohnen konnte, denn die meisten ging ich vorbei, da die unten befindlichen „Schenkstuben" eben nichts Einladendes hatten. Dem Grundsatz zuletzt folgend, daß man in einer fremden Stadt am besten tut, in das beste Hotel zu gehen - wenigstens so lange bis man einmal näher bekannt ist -, wandte ich mich dem „Royal-Hotel", einem großen, gewaltigen, aber etwas weitläufigen Gebäude, zu und zog dort ein. Ein warmes Bad war mir das Nächste, hierauf ein gutes Frühstück, und nun mußte ich mich fast von oben bis unten neu kleiden, denn unterwegs war ich ziemlich abgerissen. Doch dazu ist hier in Sidney Gelegenheit genug, Kleiderläden giebt's in Masse, und Kleider sind auch verhältnißmäßig nicht teuer.

Ich war von Deutschland aus hier an Herrn A. Dreutler, ein ziemlich bedeutendes deutsches Handlungshaus in Sidney, empfohlen, und von diesem Herrn auch auf das Herzlichste aufgenommen worden. Am nächsten Sonntag, den 30. März, fuhren wir zusammen nach dem Leuchtturm, einem der bedeutendsten Vergnügungsorte Sidneys, hinaus, /43/ und fanden dort einen großen Teil der schönen Welt versammelt. Der Leuchtturm liegt allerdings für Sidney romantisch genug. Auf der südlichen Seite der Einfahrt des Hafens, dessen Ufer nach der See zu durch schroffe, etwa 200 Fuß hohe Felsufcr gebildet wird, steht der Turm, eine Viertelmeile davon etwa ein Hotel, und ein Teil der zu einer Spazierfahrt aufgelegten Sidneyer kommt regelmäßig Sonntags hier heraus, während der andere das jedenfalls interessantere Botanybai und Cooksriver besucht. Der Leuchtturm selber ist vortrefflich und besteht aus einem revolving light oder Drehlicht, das durch neun mit Blechspiegeln versehene Lampen gebildet wird, der Felsen selber, auf dem er steht, mag etwa 120 Fuß über der Oberfläche der See liegen, und selber einige 60 bis 80 Fuß hoch, wird sein Licht bei klarem Wetter dreißig, ja manchmal vierzig englische Meilen weil in See gesehen.

 

Die Aussicht von hier aus über das Stille Meer ist wahrhaft reizend, und die tiefblaue See zeigt von dieser Höhe herankommende Schiffe mit ihren weißschimmernden Segeln in großer Ferne. - Eigentümlicher Weise beschränkt sich aber die ganze Schönheit der Scenerie eben auf die See und auf das unmittelbare Ufer von Port Jackson - gleich dahinter beginnt dürre, sandige, mit holzigen Büschen und „Grasbäumen", eine Art schilfigen Gewächses, besetzte Ebene - jeder kleine Strauch trägt oft reizende Blumen, und eine kleine allerliebste Schlingpflanze (Kenedya) füllt mit ihren duftenden lila Blüten oft ganze Büsche - einzelne kleine Gruppen sehen dabei ungemein freundlich aus, das Ganze nach dem Innern zu machte aber doch nur einen traurig-öden Anblick, und die Bai mit ihren reizenden Usern lag da, wie eine Oase in der Wildniß.

In angenehmer Gesellschaft, und mit dem Neuen und Pikanten, das mich überall umgab, verging mir übrigens der Tag ungemein rasch und bildete einen freundlichen Abstand gegen mein bisheriges, manchmal wirklich trostloses allein in der Welt Umherstreifen.

Erst spät wieder von dort zurückgekehrt, bemühte ich mich am nächsten Tag, etwas über das innere Land und die Mög-/44/lichkeit einer Landreise nach Adelaide zu erfahren - den Adelaidedistrict wollte ich jedenfalls, schon der Auswanderung wegen, besuchen, zur See mochte ich aber auch nicht dorthin gehen. - Eines Teils hatte ich mich gerade genug in der letzten Zeit auf Salzwasser herumgetrieben, und bekam, wieder zu Schiff, auch eben nichts weiter von dem innern Land zu sehen als die Hafenstädte, die sich über die ganze Erde gleich sind. Auf einer Reise durch das ganze bis jetzt unbekannte Innere lernte ich dagegen Alles, oder doch wenigstens einen großen Teil von Dem kennen, was mir einst über diesen Weltteil nützlich sein konnte, und ich beschloß, wenigstens die genauesten Nachforschungen deshalb anzustellen.

Darüber hörte ich denn nun freilich im Anfang wieder gar wenig Tröstliches - die schrecklichsten Wildengeschichtcn kamen vornweg, und tausend andere Schwierigkeiten nicht allein, sondern gleich Unmöglichkeiten für den Einzelnen, folgten nach. - Das war ich aber nun nachgerade gewohnt und wußte, was ich davon zu glauben hatte; so hielt ich es denn für das Notwendigste, erst vor allen Dingen einmal einen Mann zu sprechen, der jene Gegenden oder wenigstens einen Teil derselben aus eigener Anschauung kannte, und ich wurde zu dem Zweck zu einem Mr. Shepherd gewiesen, der schon einmal früher mit einer Herde Vieh und einer kleinen Caravane die Tour gemacht haben sollte.

Dieser teilte mir auf das Freundlichste alles mit, was er darüber wußte, aber selbst die Nachrichten, die ich von ihm darüber erhielt, waren keineswegs ermutigend. - Die Jahreszeit sollte gerade die ungünstigste im Allgemeinen, vorzüglich aber in diesem Jahr, zu einer Landreise sein, da es in dem letzten Jahr, und wohl noch einige Monate länger, a m M u r r ay g a r n i c h t g e r e g n e t h a b e; Gras gab es deshalb gar nicht - die Reise konnte nicht gut anders gemacht werden wie zu Pferde, und die Tiere fanden unter diesen Umständen wenig oder gar keine Nahrung im Freien. Nachts mußte man sie natürlich, da Futter in jenen Gegenden gar nicht überall, ja wohl sehr selten zu bekommen ist, mit zusammengebundenen Vorderfüßen (hobbled) frei laufen lassen, und Morgens konnte man sich dann ziemlich fest darauf ver-/45/lassen, Stunden, ja halbe Tage oft nach ihnen umhersuchen zu müssen. Außerdem ermüdet einen Reiter nichts mehr und auf angreifendere Weise, als das Bewußtsein, ein hungriges, abgemattetes Thier unter sich zu haben, die ewige Sorge deshalb verleidet ihm den ganzen Ritt, und er geht am Ende lieber ganz, ehe er sich von einem ewig müden Tiere langsam fortschleppen läßt. Unter diesen Umständen, meinte denn Herr Shepherd, dürfte ich kaum darauf rechnen, Adelaide in weniger als drei Monaten zu erreichen -, es wäre möglich, daß ich die Tour in etwas kürzerer Zeit zurücklegen könnte, Alles gerechnet, kämen aber doch am Ende drei Monate heraus, wobei ich noch das Vergnügen hätte, fast alle jene Stämme oft sehr feindseliger und verräterischer Wilden am Murray selber, zu dem ich mich des Wassers wegen halten mußte, anzutreffen. Drei Monate im Sattel, und noch dazu auf solche Art, war eine entsetzlich lange Zeit, und die Sache ging mir den ganzen Tag im Kopf herum.

Am 3. April war eine Ausstellung weiblicher Arbeiten zum Besten der Armen im botanischen Garten, und da fast ganz Sidney hinausströmte, strömte ich natürlich mit. Die Ausstellung befand sich in einem im Grünen aufgeschlagenen großen Zelt, und enthielt, was ich wenigstens davon zu sehen bekommen konnte, gerade nichts Besonderes. - Die besseren Sachen waren aber, glaub' ich, schon verkauft oder verlost worden, doch selbst um das Übrige erhielt sich, um die beiden langen Tische her, ein solch' entsetzliches Gedränge, daß man nur wirklich mit Lebensgefahr hineindrängen konnte. Die ganze schöne Welt von Sidney schien hier versammelt, und es tat dem Auge ordentlich wohl, eine solche Menge reizender Gestalten auf einem Punkt vereinigt zu sehen. Mir war es besonders wieder einmal etwas ganz Neues, und fast wie ein Anklang aus der Heimat. Ein gar wunderliches buntes Gemisch von Leuten trieb sich unter den duftenden Blütenbüschen und den hier aus allen Zonen gesammelten Bäumen herum; das schöne Geschlecht zeigte sich aber jedenfalls am stärksten vertreten - Wohltätigkeit war ja auch die angegebene Hauptursache - und seit langer Zeit hatte der botanische Garten wohl keinen so herrlichen Farbenschmelz und /46/ prangenden Blütenschmuck gezeigt, als gerade heute. Ermüdet vom langen Umherstreifen, warf ich mich zuletzt unter einen der Bäume auf den Rasen, um mir das Leben und Treiben um mich her ruhiger zu betrachten. Dies Leben und Treiben mochte mir auch fremd sein, aber der Baum selber, unter dem ich lag, war ein alter Bekannter aus Louisiana, eine Akazienart, mit dolchähnlichen, vom Stamm ausstehenden Dornen. Mein Pferd hatte mich einmal in den Redriversümpfen im wilden, gefährlichen Sprung, auf einer Bärenhetze, zwischen zwei solchen, nur eben weit genug auseinanderstehenden Bäumen, um uns durchzulassen, hingetragen, und ich weiß mich noch genau des Schauders zu erinnern, der mich durchrieselte, als ich daran dachte, wie ich aussehen müsse, wenn mich rechts oder links jene furchtbaren Dornen erfaßt hätten. Im Augenblick war ich am Ufer des Mississippi, unter den schattigen Pekans und Cypressen, dem grau wuchernden Moose und den duftenden Magnolienblüthen jenes schönen Landes, und lag dort so lange, bis ein aufsteigendes Gewitter mich daran mahnte, ein Obdach zu suchen.

Der Regen dauerte aber nicht lange, bald stand die Sonne wieder in voller Pracht am Himmel, und ich kehrte in die Stadt zurück, schrieb ein paar Briefe und warf mich dann zeitig auf mein Bett.

Die Landreise nach Adelaide ging mir aber wieder im Kopf herum. Wieder hatte ich Leute gesprochen, die mir ab rieten, sie in jetziger Zeit zu unternehmen, da die Pferde fast nichts zu fressen fänden. Der alte bekannte Dornenbaum aus den Redriversümpfen hatte dabei alte liebe Erinnerungen geweckt - es war gar eine schöne, wilde Zeit, als ich in den prachtvollen Wäldern des Westens den Hirsch und Bär jagte, und die stillen, raschen Fluten des mächtigen Riororo in dem schlanken, leichten Canoe hinabglitt - Canoe? - ich sprang bei dem Gedanken ordentlich im Bett empor. - Und was hinderte mich, den Murray ebenfalls in einem Canoe hinabzufahren? - Die Entfernung? - konnte ich damals 500 Meilen auf dem Redriver zurücklegen, waren die 2000, die der Murray hier etwa fließen mochte, auch keine Unmöglichkeit. - Die Schwarzen? - ich führte eine vortreffliche Büchse, /47/ und die Schwarzen werden nur zu oft, und nicht selten sehr ungerecht, zu Popanzen gebraucht. - Der Weg war gefunden - eine Canoefahrt den Murray hinunter - eine Fahrt, die noch Keiner vor mir, wenigstens bis Adelaide hinunter, gemacht hatte, und dann die Jagd am Fluß selber: Kängurus und Kasuare, wilde Hunde und schwarze Schwäne - Gott weiß, was mir die Nacht all' für grauses Zeug träumte; der nächste Morgen fand mich aber noch eben so warm für den Plan, als der gestrige Abend, und Erkundigungen, die ich an diesem Tag über den Strom selber einzog, ließen mich keinen Augenblick zweifeln, daß, ich die Tour ausführen könne - mein Entschluß war gefaßt.

Am andern Tag, einem Sonntag, fuhr ich mit Herrn Dreutler, dessen Nichte, dem Capitain des erst vor einigen Tagen eingelaufenen und wieder nach Hamburg bestimmten Schiffes Dockenhuden, und einem mit dem Dockenhuden gekommenem Passagier nach Botanybai, dem interessantesten Punkte Sidneys, hinaus, und wir verlebten dort einen sehr angenehmen Tag. Bei einer reizenden Lage am Ufer der kleinen, aber freundlichen Bai ist dort ein wirklich vortrefflicher Vergnügungsort angelegt, der neben einem sehr hübschen Garten noch dadurch besonderes Interesse gewinnt, daß der Wirth einen großen Teil der einheimischen Tiere gesammelt hält und dadurch seinen kleinen Platz gewissermaßen in einen zoologischen Garten verwandelt hat. Außer den Kasuaren oder Emus befinden sich da drei wilde Hunde, ganz tüchtige Burschen von gelbrother Farbe mit ordentlichen Schäferhundsköpfen und Fuchsschwänzen, die wohl aussehen, als ob sie den Schafherden beträchtlichen Schaden zufügen könnten, eine Menge sehr schöner großer Raubvögel, mit den wunderlichsten Arten der hiesigen Tauben, Papageien und Kakadus. Ferner das Opossum, das sich übrigens von dem nordamerikanischen Opossum wesentlich unterscheidet. Es ist dieses ein viel freundlicheres Thier, nicht mit dem fatalen Rattenäußern und kahlen Schwanz, wie das amerikanische, sondern mehr einem fetten, behäbigen, pensionierten grauen Eichhörnchen gleichend, nur natürlich größer. Dann zwei schwarze Schwäne, prachtvolle Tiere mit dem schwarzbraunen Gefieder und den roten /48/Schnäbeln, moskowitische Enten, ebenfalls hier einheimisch, und die Hauptsache von Allem: fünf Kängurus, die mit zwei Rehen (erst kürzlich von Manila importiert) in einer kleinen Einfriedigung zusammengesperrt leben. Ihre Sprünge sind wirklich possierlich, und die kurzen Vorderpfoten wußten sie, als wir sie auf dem Rückweg mit Brod fütterten, auf das Geschickteste zu benutzen, um sich der mehr als zudringlichen und meistens den Platz behauptenden Rehe zu erwehren. - Den letzteren mußte übrigens das Klima nicht besonders zusagen, denn als ich zum zweiten Mal hier herauskam, war der Bock schon verendet.

An fremden Tieren waren noch da: ein junger bengalischer Tiger, ein prachtvolles glattes, geschmeidiges Thier, und ein kleiner schwarzer Bär vom Himalayagebirge, ein kleiner, häßlich struppiger, faul und mürrisch aussehender Gesell, der sich übrigens seiner Häßlichkeit ordentlich zu schämen schien, denn er hielt sich fast ununterbrochen die eine Vordertatze vor das Gesicht.

Als ich später noch einmal Botanybai besuchte, fuhren wir auch mit einem Boot an das andere Ufer der Bai hinüber, das insofern merkwürdig ist, als Capitain Cook hier sowohl wie La Perouse, der berühmte französische Seefahrer, zum ersten Mal australischen Boden betraten. Das Ufer wird dort durch einen sehr weichen gelben Sandstein gebildet, der sich auch in steiler niederer Klippe emporzieht, und zum Andenken an diese Stelle ist dort eine kleine Kupferplatte in den Fels eingelassen, welche die näheren Daten enthält. La Perouse dagegen ist auf dem linken Ufer der Bai eine kleine Säule von Sandstein gesetzt, um sein Andenken zu feiern. - Nachdem er nämlich die australischen Küsten verließ, hat man nie wieder von ihm gehört, und nur nach langen Jahren, wenn ich nicht irre, an den Küsten von Neu-Guinea, Anzeichen gefunden, daß sein Schiff dort gestrandet und die Mannschaft verloren gegangen oder erschlagen sein müßte.

An Scenerie bietet Botanybai übrigens gar nichts und kann nicht im Entferntesten mit der benachbarten Sidneybai oder Port Jackson, wie sie gewöhnlich genannt wird, verglichen werden. - Die unmittelbaren Ufer der Bai und einige kleine /49/ niedere Talflächen ausgenommen, ist das Land eine buschüberwachsene Sandfläche, die oft in dürre weiße Sandstrecken ausartet, und Port Jackson, das da so reizend mitten im dürren Boden liegt, kam mir wahrlich vor wie ein kleiner Ausschnitthändler, der seinen ganzen Warenvorrat aufgeputzt im Schaufenster hängen und zu diesem Zweck seinen ganzen übrigen Laden geplündert hat. Botanybai ist allerdings der Mannigfaltigkeit neuer Pflanzenarten wegen berühmt, die man dort entdeckte, und ich gebe zu, daß man, in's Einzelne gehend, die verschiedenen mit Blumen bedeckten Büsche, die mannigfachen Gattungen der Banksias und anderer, ungemein schön und interessant finden kann; das aber nimmt dem Ganzen doch nicht seinen Charakter, und der ist, sobald man den Wasserspiegel verläßt, ein entschieden trauriger.

 

Botanybai ist übrigens außerdem ein so harmloser Platz als möglich, und hat den schlimmen Namen, den es in der civilisirten Welt trägt, sicherlich auf die unschuldigste Weise bekommen. An feinen Ufern war nie eine Verbrechercolonie, ja die Leute sind dort nicht einmal zu Arbeiten verwandt, da gar nichts hier gearbeitet worden, und dennoch trägt der Name Botanybai jetzt fast alle Schrecken jener Periode - das kommt davon, wenn man schlechte Nachbarn hat.

Natürlich besuchte ich auch das Theater in Sidney, muß aber gestehen, daß ich von dem guten Geschmack des dortigen Publikums keinen sehr günstigen Begriff bekam. Ich hatte geglaubt, daß ein von England aus direct abstammendes Publikum etwas mehr künstlerischen Sinn haben würde, als Bruder Jonathan in den Vereinigten Staaten; aber Gott bewahre, ich fand denselben Bombast, dieselbe Marktschreierei, und die Schauspieler, mit nur sehr wenigen Ausnahmen, der Art, daß sie selbst auf einer mittelmäßigen Bühne Deutschlands dieselbe Aufnahme wie hier empfangen Hütten, nur daß die Bedeutung dort eine etwas verschiedene gewesen wäre. Trommeln und Pfeifen gilt hier nämlich für unbegrenzten Beifall, und es tat meinem Herzen wohl, ohne unartig zu werden, ganz in deutschem Sinne mit einstimmen zu können.

Der ganze Zettel schon war amerikanisch: erst ein Drama mit genauer räuberromanartiger Angabe der verschiedenen /50/ Szenen und entsetzlichen Vorfälle, dann komische Gesänge, die sämtlich vom Publikum auf die ungezogenste Weise als capo verlangt wurden, und höchst mittelmäßige, aber sehr stark applaudierte Tänze dazwischen. Vielleicht geschah es an dem Abend nur zufällig, aber es kamen sehr viele Damen in engen Tricots vor, die nicht selten keineswegs zarte, aber stets sehr stark applaudierte Sachen sagten. Das Publikum schien überhaupt nicht im Mindesten eigen, wie ich wenigstens aus einem kleinen Lustspiel zu ersehen glaubte, das nach dem Drama gegeben wurde, und in dem ich den Schauspielern Vieles wieder abbat, denn sie spielten vortrefflich. Das Sujet desselben war sehr einfach: ein paar schmollende junge Eheleute, die ein plötzlich ankommender, ungekannter Bruder der Frau - natürlich Offizier - versöhnt, der von dem Ehemann erst für einen Nebenbuhler gehalten wird. In der Entwickelung äußert dabei der Ehemann, daß der Offizier - der sich mit ihm, nachdem er seine Frau geküßt, nicht schlagen will - verdiene, den Rock, den er trage, vom Leibe gerissen zu bekommen, worauf der Offizier sehr kaltblütig äußert: „wenn er meine". Dann zieht er in höchster Gemütsruhe seinen Rock aus; „vielleicht auch die Weste?" sagt er dann, und entäußert sich auch dieser. Das Ehepaar nebst den Dienstboten - einem alten Bedienten und der jungen Magd - stehen entsetzt. - Rock und Weste liegen auf dem Stuhl - das Publikum lauscht in atemloser Spannung. „Wünschen Sie etwa noch mehr?" fragt mit Seelenruhe der schreckliche Offizier, und macht dabei eine ganz unzweideutige Bewegung, um sich auch seiner Unaussprechlichen zu entledigen, was nur durch eine angstvoll ablehnende Bewegung des Ehemannes und durch einen gemeinsamen Entsetzensschrei der Frau und der Dienerin, wie durch das unbändige Aufjubeln des Hauses verhindert wurde. Ein einziger junger Mann im Parterre schien auch dieses zu wünschen, denn er schrie aus Leibeskräften: down with them ! — wurde aber überstimmt.

Das Publikum selber war für mich interessanter fast als das Spiel. Wirklich habe ich kaum je eine wild- und bunt- gemischtere Menge beisammen gesehen. Die erste Galerie enthält ausschließlich die feine Welt; schon der Name dress /51/ circle zeigt, was sie bedeutet, und schwarze Fracks und weiße Glacehandschuhe haben dort unbestreitbar die Majorität. Die Damen sind ebenfalls im höchsten Putz, und allen anderen ersten Gallerten gleich wird hier, nur mit sehr wenigen Ausnahmen, weder Mißfallen noch Tadel ausgesprochen; es herrscht eine edle, würdige Steifheit. Die zweite Galerie ist für die Mittelklasse, aber nur ein halb anständiger Platz, denn man darf sich keineswegs wundern, wenn plötzlich einmal eine junge Dame ihre beiden Hände auf Eines Schultern stützt und über den etwas Überraschten hin mit der größten Unbefangenheit und unverkennbarer Aufmerksamkeit das Spiel betrachtet. Die dritte Galerie ist der billigste Platz, der Aufenthalt der Gerechten - das Paradies, und je schrecklicher der Zettel, desto voller. Der interessanteste Raum ist aber jedenfalls das Parterre, denn wenn jener den Namen des Paradieses verdient, so sieht das Parterre aus, als ob dort die Schafe und Böcke noch nicht geschieden wären, und fortwährend in höchster Ungeduld den entscheidenden Ausspruch, der sie zur äußersten Rechten oder Linken berufen solle, erwarteten. - Wie aus der Arche Noah herausgeschüttelt sitzen dort „ein Männlein und ein Fräulein" traulich bei einander, Matrosen und Dienstmädchen, Grisetten und Ladenjünglinge, Handwerker und Wasserleute, kurz Ers und Sies im tollsten Farbenschmelz, mit Strohhüten, Mützen, Blumenhauben, roten Shawls, Hemdärmeln, Spitzenkragen und Fracks. Während der Akte amüsiert sich dieses Völkchen vortrefflich mit Lachen, Bravoschreien, Dacaporufen und Trommeln und Pfeifen - beides, wie gesagt, hier Beifallsbezeigungen -, und in den kurzen Zwischenacten wird seine Lust erst recht laut, so daß also für dasselbe ein solcher Theaterabend einer fortgesetzten, ununterbrochenen Reihe von Vergnügungen zu gleichen scheint. Dann kommt die Zeit, wo hier und da einer der sich berufen fühlenden Laien auf die Bank steigt, und seiner ihm entzückt lauschenden Umgebung einen declamatorischen oder musikalischen Vortrag hält. Hier führen zwei Matrosen ein Scheingefecht mit Stöcken auf - sehr zur Unbequemlichkeit eines ruhigen Mannes in einem braunen Rock, der all' die Hiebe bekommt, die der eine Matrose pariert; /52/ dort hat ein Anderer den kaum verlassenen Platz eines Dritten räuberischer und hinterlistiger Weise occupirt, und ein hitziger Wortwechsel droht ein noch viel hitzigeres Ende nehmen zu wollen: schon reißt der Eine seine Jacke vom Leibe, seinen Ellbogen in dem bevorstehenden Kampfe freieres Spiel zu gewähren, als sich plötzlich ein Aufwärter mit Leib und Tragkorb hineinlegt, und zwar im wörtlichsten Sinne des Worts, aber auch eben so unfreiwillig als glücklich für den Frieden des Hauses. Mit einem Korb nämlich voller Apfelsinen, Äpfel, Birnen und Feigen beladen, ist er, der allgemeinen Gewohnheit nach, ruhig über die Bänke, das Obst zum Verkauf ausbietend, dahergeschritten, unglückselige Neugierde leitete seine Bahn nach dem ausbrechenden Tumult hin, nur noch eine Bank weiter, da - war es ein verräterischer Stock, oder glitt der sonst so sichere Fuß? - hakt er plötzlich in irgend etwas fest, einen Augenblick schwankt er, aber der schwere Korb entscheidet mit fürchterlicher Schnelle fein Schicksal - wie ein Hagelschlag fahren die Äpfel und Apfelsinen zwischen die Streitsüchtigen hinein, während die bisherigen Zuschauer plötzlich zu Mitwirkenden werden und sich in Todesverachtung auf die als gute Beute erklärten Waren stürzen. Nur den Aufwärter mit seinem Korb lassen sie liegen.

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