Reisen Band 2

Текст
0
Отзывы
Читать фрагмент
Отметить прочитанной
Как читать книгу после покупки
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

Der Marsch selber wäre mir nun freilich ganz angenehm gewesen, hätte ich eben — einen andern Reisegefährten gehabt; dieser war ein blutjunger Bursche, der sich gar nichts sagen lassen wollte und mir, im Fall ich wirklich einmal in Gefahr kommen sollte, auch nicht geringste Hülfe gewähren konnte. Meine Meinungen konnt' ich dabei nicht mit ihm austauschen, ihn nichts lehren und nichts von ihm lernen; was also nützte es mir jetzt, die Mühseligkeiten und Gefahren, und später auch die Ehre eines solchen Marsches durch die Wildnis mit ihm zu teilen? Nichtsdestoweniger mochte ich ihn nicht gern allein ziehen lassen, und erst an der sogenannten Woolshed, zu Land etwa 120, zu Wasser vielleicht 400 Meilen von Albury, an einer vollkommen sichern und bewohnten Straße, die nach dem circa 180 Meilen entfernten Melbourne niederführte, kamen wir zu einem Verständniß, nach dem Jeder seine eigene Bahn verfolgen sollte.

Hier übernachteten wir noch einmal zusammen und schieden am nächsten Morgen in Fried' und Freundschaft.

Nun aber leichten Herzens, schulterte ich meine Büchse und wanderte getrosten Mutes allein in die graugrüne Wildnis trostloser Gumbäume, um den wildesten, abenteuerlichsten Marsch zu beginnen, den ich noch in meinem ganzen Leben unternommen.

4.

Marsch durch das Murraytal.

Der Murray verfolgt im Ganzen eine Strömung von Osten nach Westen, vielleicht West-Nordwest-Cours, bis zu dem großen sogenannten „Nordwest-Bend“ oder der nordwestlichen Biegung, wo er sich plötzlich in einem ganz kurzen Bogen nach Süden hinunter dreht. Von der „Woolshed" aus läuft er sich aber eine weite Strecke nach Süden hinunter aus dem Weg, erst ungefähr in der Gegend, wo er den Murrumbidgee aufnimmt, seinen alten Cours wieder, bis eben zum Nordwest-Bend verfolgend. Diese südliche Abneigung geht durch weites Sumpfland, das durch tausend, jetzt trockene Lagunen durchschnitten, mit Teebüschen, Lignum und den verschiedenen Arten von Gum- und Borholz bewachsen ist, und besonders in solcher Dürre die traurigste Einöde bildet, die sich in einer bewaldeten Gegend nur überhaupt denken läßt.

Hier nun läuft eine Art Notkanal, den sich der größere Strom, der weiten Biegung wegen, bei hohem Wasser gebrochen, ziemlich gerade nach Westen ab, und trifft gar nicht sehr weit von der Ausmündung des Murrumbidgee in den Murray wieder mit diesem zusammen. Dieser Kanal wird der Eduardsriver genannt, unterhält aber kein fließendes Wasser — ausgenommen wenn der Hume hoch genug gestiegen ist, ihn zu füllen, und wird im Sommer, wie alle übrigen Wasser Australiens, durch eine Kette von Lachen bezeichnet, so daß die Lagunen oder auch Billibongs, wie sie sehr häufig von den Ansiedlern genannt werden, nur hier und da an ihren tiefsten Stellen noch stehen gebliebenes, grünes, übelriechendes Wasser von der letzten Flut enthielten. Entsetzlich war aber die Einfassung derselben, die ich gewöhnlich, selbst bis zum letzten Augenblick, mit nicht zu überwindendem Schauder betrachten mußte. Das arme unglückliche Vieh, besonders die Rinder, die den Boden von Allem entblößt /98/ fanden, was ihnen nur die geringste Nahrung bieten konnte, zu schwach, selbst nach dem Murray hinunter zu gehen, wo ihnen die steilen, gefährlichen Uferbänke ebenfalls nur selten einen sichern Trinkplatz gestatteten, suchten ihren Durst da zu löschen, wo ihnen ganz in der Nähe anscheinend die Gelegenheit leicht dazu geboten wurde - und furchtbar mußten sie dafür büßen. - Der breite schlammige Rand gab unter ihren Füßen nach, und die Mäuler bis dicht am Wasserrand, die Zunge am Gaumen klebend - sie wollten doch nicht zurücktreten, bis sie wenigstens e i n e n Schluck getan - sanken sie tiefer ein dabei, tiefer und tiefer, und abgemattet, Monate lang ohne ein einziges Maul voll ordentliches Futter, halb verschmachtet und elend, waren sie nicht mehr im Stande, sich wieder herauszureißen aus ihrer gefährlichen Lage, noch selbst ihren brennenden Durst genügend zu löschen. Mit der Kraft der Verzweiflung arbeiteten sie wohl noch kurze Zeit, aber nur um sich tiefer und tiefer in den Schlamm hinein zu arbeiten, und mit allen Vieren fest, die lechzende Zunge vielleicht wenige Zoll nur vom Rande des Pfuhls entfernt, an dem die Unglücklichen Linderung ihrer Qual erwarteten, lagen sie ruhig da, um zu v e r s c h m a c h t e n. - Ruhig? - ihnen wäre wohl, wenn sie dort nur verhungert und verdurstet wären, Mattigkeit brachte sie in dem Fall zuletzt in einen Zustand bewußtloser Erschöpfung, aus dem das tierische Leben leichter in den Tod überzugehen scheint, als wir sonst glauben möchten; aber nein, Krähen und Elstern, die in Masse dort in den Bäumen mit ihrem fetten, glänzenden Gefieder herumsaßen, waren verwöhnt worden durch die reiche und leichte Beute dieses Jahres - Aas? - es fiel ihnen nicht mehr ein, Aas anzurühren, nach dem sie sonst manche lange Meile geflogen waren, sie wußten ein leckereres Mahl. Auf das sterbende Vieh flogen sie hinab und hackten den vergebens nach Hülfe Blökenden, an den eigenen Hörnern der halb Versunkenen die gierigen scharfen Schnäbel noch wetzend, erbarmungslos die schon glasigen, brechenden Augen aus.

Und kein größeres Mitleiden hatte der wilde Hund, dem es nicht mehr in den Sinn kam, an schon starren, kalten /99/ Leibern seine Fänge zu verderben, die noch lebenden, warmen waren seine sichere und bequeme Beute. - Was kümmerte ihn ihr angstvolles Blöken - es war Musik zu seinem Mahl, und die Leiber riß er den aus der Seite Liegenden aus, oder fraß sich in ihre Weichen.

Doch hinweg, hinweg mit den Schreckensbildern, mir wandte es das Herz im Leibe um, den Jammer mit ansehen zu müssen, und trotzdem daß ich nur noch wenige Ladungen Pulver in meinem Horn hatte, k o n n t e ich einige Mal dem Drange, diese Unglücklichen von ihren Leiden zu befreien, nicht widerstehen und schoß ihnen eine Kugel durch das Hirn - ich hätte einen Wagen mit Munition mithaben müssen, hätte ich ihnen allen helfen wollen.

Hier am Eduard wurde das Land einigermaßen besser, denn hier zum ersten Mal begann die eigentümliche Vegetation des Murray, die diesen Fluß auch deshalb so ausgezeichnet für den Schafzüchter macht, der S a l z b u s c h , und wenn auch der Name nicht gerade sehr einladend klingt, ist er doch ein Segen des Landes und besonders des Viehes geworden.

Der australische Schäfer und Ansiedler begreift übrigens unter dem Namen ,,Salzbusch" eine ganze Quantität der verschiedensten Pflanzen; der Hauptsalzbusch übrigens hat ein nicht sehr großes, herzförmiges, hellgrünes und wie mit Mehl bestreutes, ziemlich saftiges Blatt, mit einem bald mehr bald weniger salzigen Geschmack; dann hat noch eine andere Gattung von Eisgewächsen, mit dicken, kurzen, fleischigen, wässerigen Blättern und ebenfalls salzigem Geschmack den nämlichen Namen. Einige von diesen sehen wirklich ganz hübsch und frisch aus, und ich begreife gar nicht, wie sie in dem entsetzlich dürren Boden im Stande sind, solch' eine Masse von Feuchtigkeit anzuziehen und zu halten.

Das Hanptnahrungsmittel der Schafe hier ist übrigens das sogenannte pigs face (Schweinsgesicht), ein jedenfalls höchst unpoetischer Name; es ist dies eine Cactusart, die im Herbst, nach roter Blüte, eine kleine, ebenfalls rote, höchst wohlschmeckende Beere tragen soll. Das pigs face selber kommt in dreieckigen dicken, fleischigen Blättern oder Stangen /100/ aus der Erde heraus, und die Schafe fressen es sehr gern; es gibt übrigens verschiedene Arten davon, die sich im Äußern allerdings gleichen, im Geschmack aber einen genauen Unterschied zulassen. Eine Art schmeckt sehr salzig, eine andere bloß wässerig mit leisem Bitter, etwa wie rohe Gurken, und eine dritte, von der ich selbst mehrmals bedeutende Mahlzeiten gehalten, hat einen Nachgeschmack fast wie reife Herzkirschen. Die Blacks verzehren dies pigs face in großen Quantitäten, aber auch von den Schafen wird es sehr viel gefressen, und ich glaube, daß es einen vorzüglichen Salat geben würde. Mancher Verirrte hat sich schon das Leben damit erhalten.

Die Vegetation blieb sich sonst ziemlich gleich: Gumbäume in der Nähe des Flusses, und Tee- und Besenbüsche mit dem Salzbusch in den sogenannten Flats. Die traurigste von allen Pflanzenarten ist aber das Lignum, das in den der Überschwemmung ausgesetzten Ebenen gedeiht. Es sieht genau so aus, als ob die dürren Stangen von dem Vieh abgefressen und ihrer Blätter total beraubt wären; es wächst aber gleich abgefressen, und das Vieh ist ganz unschuldig an dem trübseligen Aussehen desselben - es rührt die holzigen, bitteren Zweige nicht an.

Das Land zu beiden Seiten des Eduard war flach und von zahlreichen Lagunen durchschnitten, der Boden ein grauer, in feuchtem Wetter klebriger Lehmboden, der aber halb trocken schon wieder aufspringt und, der ganzen dort wuchernden Vegetation nach, kaum einer besondern Cultur fähig sein möchte.

Durch diese Wälder nun begann ich meinen einsamen Weg, jetzt aber noch inmitten einer verhältnißmäßig ganz ansehnlichen Zahl von Stationen, die, wenn man auch nicht immer darauf rechnen konnte, jede Nacht eine zu erreichen, doch gewissermaßen schon in dem Bewußtsein ihrer Existenz eine Art Schutz gegen etwaige freche Raubanfälle der Schwarzen bildeten.

Schon die erste Nacht lagerte ich im Freien am Eduardriver in einem kleinen Gehölz von sogenanntem Borwood - Gumbäumen ebenfalls, nur mit etwas anderer Rinde – und /101/ mein Abendbrot war ein Kakadu. Das Fleisch derselben ist übrigens hart, dunkelrot und trocken, und nur der äußerste Hunger vermochte mich dazu, den mir überdies widrigen Papageiengeruch zu überwinden. Ich zog dem Burschen, den ich Abends schon in tiefer Dämmerung aus einem Gumbaum herausgeholt hatte, das Fell ab und briet ihn auf den Kohlen. Ich hatte mir nämlich ein tüchtiges Feuer angemacht, denn obgleich ich den Tag Wilde getroffen, sollten sie in dieser Gegend doch noch nicht gefährlich sein; wenigstens war kein Beispiel bekannt geworden, wo sie einen Weißen ermordet hätten. Am nächsten Morgen wollte ich nicht wieder einen Kakadu frühstücken, mußte aber zwölf starke Meilen Marschiren, ehe ich an eine Station kam, und erlabte mich hier nicht wenig an kaltem Rindfleisch, Tee und Dämpfer, oder damper, wie es die Engländer nennen.

 

Zur Verständigung, da das Wort Damper wahrscheinlich noch öfter vorkommen wird, möge hier dienen, daß der Damper ein gewöhnlicher, einfach mit Wasser, ohne Hefen, angerührter Weizenteig ist, der nur flachgedrückt und in der Asche gebacken wird, und auch wohl, nach civilisirten Begriffen, etwas schwer zu verdauen sein möchte, den „Buschmägen" aber vollkommen gut zusagt.

Bis zum 23. Mai passierte mir nun nichts Besonderes. Die Gegend war monoton genug, meistens Salzbuschebenen und Borwoodwaldungen, niederes apfelbaumartiges Holz mit mattgrauer Rinde und mattgrünen Blättern; die ganze Natur sah aus wie ein abgetragener steyermärkischer Jagdrock, und der Himmel spannte sich mit einem correspondirenden nebligen Stahlgrau darüber hin. Das Wetter drohte dabei immer Regen und erhielt mich in fortwährender Angst, denn hatte es hier in dieser Gegend geregnet, so befand ich mich in einer höchst schauerlichen Lage. Der Boden bestand hier nämlich durchgängig ans dem grauen staubigen Lehm, der sich bei der mindesten Anfeuchtung mit einer ganz unbeschreiblichen Bosheit an die Sohlen hing. Ein langer Stock brachte die bleischweren Massen dann auch gar nicht wieder ab, und ich mußte später, hatte ich solche Strecken im Regen zu passiven, mein Messer offen in der Hand tragen, um die Hacken /102/ frei zu halten, oder doch wenigstens dann und wann von den entsetzlichen Anhängseln zu reinigen.

Am 23. Abends erreichte ich einen kleinen Creek, den Mouleman, der sich ebenfalls in den Eduard ergießt (d. h. wenn er Wasser hat, denn jetzt war cs auch nur das trockene Bett, das den ehrenvollen Namen eines Creek führte). Hier war ein Wirtshaus und eine Polizeistation, und ich hörte hier allerdings nicht tröstliche Nachrichten über die Blacks, die eben in neuester Zeit wieder mehrere Mordtaten an einzelnen Reisenden, welche von einer Station zur andern gehen wollten, verübt haben sollten. Einer dieser Schufte, ,,Billy the Bull“, saß hier in der Polizeistation gefangen; er hatte zwei Mordtaten an Weißen gestanden und die Körper aufgezeigt. Einen derselben hatte er auf wahrhaft teuflische Weise versteckt, damit er von der Polizei nicht aufgefunden werden sollte. Nachdem er den Unglücklichen nämlich erschlagen und sich sein Nierenfett herausgenommen, stieg er mit der Leiche tief in das Bett des Murray hinab, und trieb hier, nachdem er den aufgeschnittenen Leib des Ermordeten zuerst mit Steinen gefüllt, einen Pfahl durch die Brust desselben in den Boden, wohl vierzehn Fuß unter Wasser, so daß der später leichter werdende Körper von der Flut nicht mehr an die Oberfläche gehoben werden konnte. Andere Mordtaten waren noch viele von ihm bekannt, die Beweise aber nicht so leicht zu liefern, da er sich schlauer Weise sämtlicher Zeugen dabei - unter ihnen selbst eine von seinen Frauen - auf sehr summarische Weise mit der Kriegs- keule entledigt hatte.

Außer diesem war die Polizei noch hinter zwei anderen von den Teufeln, Namens Bill und Peter, her, die ebenfalls Weiße ermordet und die Körper einfach in den Busch geworfen hatten. Es war ihr noch nicht gelungen, sie einzufangen, und einer der Policemen meinte treuherzig: ich würde ihnen wohl auf meinem Weg begegnen.

Gern hätte ich mir nun, nach diesen allerdings nicht gerade beruhigenden Nachrichten, einen Schwarzen von hier zum Begleiter mitgenommen, aber dasselbe wurde mir darüber hier wie auch schon in Albury und Sidney gesagt: daß ich /103/ erstens keinen bekommen würde, der die Tour mit mir machte, und zweitens, geschähe das wirklich, nur noch größerer Gefahr ausgesetzt bliebe, als wenn ich allein und nur gut bewaffnet ginge, denn nicht sowohl Raublust sei es oft, was die Stämme dazu treibe, den einzelnen Wanderer, besonders aber Einzelne eines andern Stammes anzufallen, als eine Art religiösen Wahnsinns und Aberglaubens, der aber dann, sobald man ihm einmal in den Weg geworfen wird, natürlich noch weit gefährlicher ist, als bloßes Raubgelüste und Blutdurst irgend eines wilden Stammes.

Diese Wilden hier glauben nämlich an keinen natürlichen Tod, und jeder, der von dem Stamm stirbt, ist - ihrer Meinung nach - das Opfer der Zauberei irgend eines andern Stammes geworden. Diese Zauberei kann auf verschiedene Art ausgeübt werden, doch die Art und Weise bleibt ihnen gleich, sie halten sich an das Resultat. Die Weiber bekleben sich nun mit weißem Thon und heulen und schreien, jammern und wehklagen, bis die Männer - selber zur Verzweiflung getrieben - hinausziehen und das Fett irgend eines erschlagenen Feindes als Sühnopfer dem Toten in das Lager bringen. Nun verwandelt sich der bisherige Jammer plötzlich in Freude, und die Manen des durch Zauberei Hingerafften sind jetzt, ihrer Meinung nach, vollkommen beruhigt.

Die natürliche Folge hiervon muß sein, daß die einander benachbarten Stämme fortwährend in grimmigster Feindschaft leben und sich gegenseitig nicht über die selbstbestimmten Grenzen wagen, außer um Einfälle in die Besitzungen ihrer Nachbarn zu machen und Todesfälle jener Art zu rächen. Daher wagt sich auch selten ein Schwarzer, selbst in starker Begleitung von Europäern, auf feindliches Gebiet. Hat er aber einmal wirklich die Grenze überschritten, und liegt ein feindlicher Stamm zwischen ihm und dem seinen, so wird es ihm nie einfallen, allein zurückzugehen, und er sieht dann die Weißen als seine einzigen Beschützer an.

Daher kommt es denn auch, daß Weiße, die mit einem Schwarzen gehen, fast unvermeidlich der Gefahr ausgesetzt sind, von einem andern Stamm angefallen zu werden, wäh-/104/rend ein Weißer allein weit eher Aussicht hat, unbeschädigt durchzukommen.

Hier sah ich auch zum ersten Mal eine kleine Abteilung der sogenannten „schwarzen Police“, die „im Busch“ besonders von unendlicher Wichtigkeit für die Sicherheit der Ansiedler ist, nicht allein um begangene Freveltaten an den anderen Stämmen zu strafen, als auch schon beabsichtigte Raubzüge zu verhindern. Sie bekommen von der Regierung einen guten Gehalt und Kleidung und Beköstigung, und stehen unter einem weißen Dirigenten. Ihre Uniform ist blaue Jacke und Hose, die letztere mit roten Streifen an den Seiten herunter, und eine runde Mütze. Ihre Waffen sind hauptsächlich ein Seitengewehr, aber auch Flinten tragen sie, und es ist merkwürdig, wie rasch sie sich in den Gebrauch derselben finden und wie vortrefflich sie selbst mit Leichtigkeit zuschießen lernen.

Meistenteils wird diese „wilde Polizei“ ans den Nachbarstämmen gewählt und unterhalten. Die Weißen haben dadurch auch noch den Vorteil, daß solche mit allen Schlichen und Schlupfwinkeln der Nachbarschaft genau bekannt sind, ja auch schon die Charaktere, von denen gewalttätige Handlungen etwa zu erwarten wären, persönlich kennen und im Auge behalten. Aber selbst aus feindlichen Stämmen hat man schon Einzelne dafür angeworben, die sich dann, mit den neuen Waffen und von den Weißen beschützt und unterstützt, sicher genug fühlten, ein Territorium zu betreten, dem sie sonst gewiß nicht auf manche lange Meile zu nahe gekommen wären, ausgenommen auf einem Kriegszug.

Ein Stamm der Mouleman-Blacks lagerte am linken Ufer des kleinen, fast trockenen Baches, und eine Anzahl solcher schwarzer Polizeidiener, die hier gerade ihre Station hatten, trieb sich zwischen ihnen herum. Wie der Blitz aber waren sie da, als sie mich mit Büchse und Messer bewaffnet aus dem Dickicht kommen sahen, und während sie mich in zehn Schritt Entfernung etwa an sich vorbei defilieren ließen, wechselten sie rasch einige Worte mit einander. Dann aber, wie Hunde, die einen Fremden kommen sehen und von ihm zurück- kläffend einen kleinen Bogen beschreiben, um auf seine Fährte zu treffen, so ließen sie mich erst vielleicht fünfzig Schritt /105/ weiter, den Gebäuden zu gehen, und folgten dann meiner Spur eine kurze Strecke, bis sie zu einem Platz kamen, auf dem der Fuß vollkommen genug abgedrückt war, ihnen die getreue Fährte zu zeigen.

Die Station selber bestand aus einer kleinen Anzahl von Gebäuden, die zum Polizeigebrauch dienten, und teils zu einem Gefängnis, teils zur Wohnung für die Angestellten bestimmt waren, dann aus zwei Privatwohnungen und dem Gasthaus. Das Gespräch drehte sich hier übrigens fast einzig und allein um einige erst neulich wieder verübte Mordthaten an Reisenden und um das wahrscheinliche Urteil, das über den Angefangenen und überwiesenen Verbrecher gefällt werden würde, von dem man wieder vermutete, die Gerichte würden ihm, nach einer harten Verwarnung, eine wollene Decke geben und ihn laufen lassen, wie das bis jetzt mit den meisten der anderen geschehen war.

Ich bin wahrlich nicht gesonnen, Grausamkeiten gegen wilde Stämme das Wort zu reden. Es ist nicht mehr wie recht und billig, mit den Eingeborenen, die allerdings über ein Menschenleben ganz andere Begriffe haben, als wir, und von denen man nun einmal nicht erwarten kann, daß sie sich so gleich den ihnen doch eigentlich auch aufgedrungenen Gesetzen und Einrichtungen der Weißen fügen sollen, milde zu verfahren und nicht gleich bei einem ersten Fall z. B. die ganze Strenge der Gesetze gegen sie in Anwendung zu bringen. Dieser Schuft aber, Billy the Bull, wußte so gut was er tat, und wie er sich dadurch der vollen Rache der Weißen preisgab, als irgend ein Weißer es wissen konnte, und ließen ihn die Gerichte wieder frei, so hieß das gar nichts Anderes, als „gehe hin und morde nach Gefallen".

Es war ganz das nämliche Verhältnis mit dem Mörder Merryman in Albury, und die Weißen zeigten sich dort ziemlich alle einerlei Meinung, ihm - wo sie ihm nur einmal allein im Walde begegneten, einfach eine Kugel durch den Kopf zu jagen. Ich selber würde mir nicht das mindeste Gewissen daraus gemacht haben, ihn wie einen Wolf niederzuschießen. Überdies waren in der Gegend besonders schon zu viele solche Morde vorgefallen, und wo Reisende nicht /106/ allein, sondern auch die einzeln zerstreuten Schäfer fortwährend der heimtückischen Mordlust einzelner Schufte preisgegeben sind, da könnte es auch wohl eben nichts schaden, wenn einmal ein Exempel statuirt und den Burschen gezeigt würde, wie man mit ihnen umgehen k a n n, so man nur will, besonders wenn es sich um einen so anerkannten Mörder handelte, wie eben dieser Billy the Bull sein sollte.

Eines merkwürdigen Umstandes, der auch eben diesen Billy the Bull in die Hände der Weißen lieferte, muß ich aber doch noch erwähnen, der übrigens vielleicht in den eigenen Gesehen oder angenommenen Gebräuchen der Wilden selber seine Lösung findet. - Sie scheinen nämlich zu glauben, daß nach Ablauf einer gewissen, gar nicht so sehr langen Zeit, die vielleicht sechs Monate betragen mag, eine Art von Verjährung eingetreten sei, nach der sie straflos wären und nun ruhig wieder ihre Jagdgründe, die sie nach dem verübten Mord eines Weißen nicht selten verlassen, wieder besuchen könnten. Auch „Billy“ hatte sich auf sechs Monate nach dem einen Mord, von dem er nicht ganz sicher war, daß er herauskommen möchte, entfernt, und gestand, eingefangen, mit der größten Freundlichkeit noch einige andere, die aber schon „lange, lange“ (über sechs Monate) verübt wären und ihm seiner Rechnung nach doch jetzt nicht mehr konnten zur Last gelegt werden.

In dem Gasthaus kehrten diese Nacht auch ein Settler von der nächsten Station den Fluß hinunter, ein Mr. Smith, und ein Prediger ein, den der Erstere mit herauf von Melbourne gebracht hatte. Die Ansiedler schienen nämlich eine Subscription gemacht zu haben, um einen Geistlichen - und es war dies der erste, der in diesen Distrikt kam - bleibend hier herauf zu bekommen. Die Meinung sprach sich sehr günstig dafür aus, und man glaubte, einem längst gefühlten Bedürfnis abzuhelfen, da auch der gemeine Mann, so roh und ungebildet er „im Busch“ (wie die Wildnis Australiens überhaupt genannt wird) auch sein möchte, doch dann und wann einmal Gottes Wort zu hören wünsche, und daher gern einen kleinen Beitrag zur Beibehaltung eines Geistlichen geben würde. Überdies lebten ja auch da und dort Familien, /107/ und zu Trauungen, Taufen und Begräbnissen schien es wünschenswert, geistlichen Beistand zu haben.

Mein Marsch und die Art meiner Reise brachte mich, sehr zu meinem Vorteil, mit beiden Schichten der Gesellschaft am Murray in Verbindung, und zwar als Fußreisender oder sogenannter „bundleman“ am meisten mit den unteren Schichten; denn größtenteils, wo ich eine Station erreichte, um dort zu übernachten, schlief ich in der Hütte des Schäfers oder in der Küche, wurde aber stets reichlich mit Speise und Trank und warmer Schlafstelle versehen.

 

Am Abend erreichte ich die etwa fünfundzwanzig Meilen entfernte Station des Mr. Smith, der an dem Nachmittag zurückkehrte, und übernachtete in der sogenannten „Hütte“ mit dem Schäfer und Stockkeeper. Das Gespräch drehte sich natürlich um die „natural curiosity“, wie sie es nannten, den „Prediger im Busch“, aber keineswegs mit der Ehrfurcht, die Mr. Smith oder der Prediger erwartet haben mochten.

„Der ist wohl hergekommen, um uns unsere six pence abzuholen,“ meinte der Eine; „verdammt der Penny, den er aus dieser Tasche kriegt,“ erwiderte der Andere. Alles sprach sich gegen jede Predigt, wie überhaupt gegen jede geistliche Tröstung aus. Ich glaube auch, nach Allem was ich gehört habe, daß dies ziemlich die allgemeine Stimmung im Busch ist, und es gibt sicherlich auf der weiten Welt keinen undankbareren Ort für einen Geistlichen, als eben den Murray Scrub. Wohl nirgends in der weiten Welt lebt ein roheres, rauheres Volk, als gerade die Bewohner dieses Busches - die Ansiedler selber, oder vielmehr die Pächter der verschiedenen Stationen und „runs" natürlich ausgenommen, die sich aber auch von den „Leuten“ in streng aristokratischer Art vollkommen isoliert halten.

Eine Tugend haben diese Leute aber, die Tugend der Gastfreundschaft, die bei dem Araber nicht gewissenhafter ausgeübt werden kann. Kommt ein Wandersmann in eine von ihren Hütten, ja sieht man nur einen von Weitem kommen, so setzt der „Hutkeepcr" (Hüttenbewohncr) schon den Quarttopf mit Tee ans Feuer und den Damper und das Fleisch auf den Tisch. Kommt er gegen Abend an, so ist es eine /108/ Sache, die sich von selbst versteht, daß er dort übernachtet, und in gar vielen Hütten bin ich auf das Herzlichste aufgefordert worden, auch den nächsten Tag noch zu bleiben und auszuruhen. Die wenigen Settler, die davon eine Ausnahme machen, sind am ganzen Murray bekannt, und es wird nur mit Verachtung von ihnen gesprochen.

Sonst besteht diese Bevölkerung wenigstens zu drei Viertheilen aus früheren Deportirten, Leuten, die in ihrer Jugend schon hierher geschafft wurden und, selbst der Möglichkeit jeder Erziehung entnommen, wild und roh in einem eben so wilden Lande aufwuchsen. Jedes Wort fast, das sie aussprechen, bezeichnet das, und „a bloody fine day - a bloody bad road“ sind die steten, selbst im freundlichsten Sinne gebrauchten Ausdrücke. Dennoch halten sich diese Leute in einer Art gesetzlichem Zwang, von dem der eben so wilde, aber nicht so rohe Backwoodsman (Hinterwäldler) Amerikas nichts weiß. Es herrscht eine Art angeborener Scheu vor einem Gesetz, das in vielen Fällen nicht im Stande ist ihn zu schützen, das der Buschmann aber doch selten oder nie - wenn er es nicht als Verbrechen heimlich tut — übertritt. Ich meine hiermit das Lynchgesetz, das vielleicht in keinem Ort der Welt nötiger wäre manchmal anzuwenden, als gerade hier - nirgends aber auch, wenn nicht jene wohltätige Scheu vor dem Gesetze stattfände, in schlimmeren Händen sein könnte.

Es fallen nämlich, selbst hier im Busch, sehr häufig Diebstähle vor. Diese aber sind um so gefährlicher, da die Schäfer und Stockkeeper ihre Hütten gar nicht einmal verschlossen halten können, und selbst die Hutkeeper, besonders da wo Hürden stehen, dieselben manchmal verlassen müssen. Nur zu häufig kommt es vor, daß herumstreichende Vagabonden, die überall die Gelegenheit wissen, Decken oder Provisionen - denn sonst ist in den Hütten selten etwas zu holen - mitnehmen, ja wohl auch die einzige Kiste aufbrechen, worin ein paar mühsam ersparte Schillinge zu finden sind; oder daß sie Pferde auffangen, um damit ihren Weg fortzusetzen, die sie dann, wenn sich Gelegenheit bietet, verkaufen oder vertauschen, oder auch wieder laufen lassen. /109/ Werden solche Schufte von den rechtmäßigen Eigentümern aus frischer Tat ertappt, so müßte immer erst ein Polizeibeamter vielleicht sechzig oder siebzig Meilen weit herbeigeholt werden, um sie zu verhaften. Ebenso geht es mit der Verfolgung; wollte man sich der Polizei dabei bedienen, so gewännen die Diebe gewöhnlich, ehe die Polizei herbeigeschafft werden könnte, einen solchen Vorsprung, daß an ein Nachsetzen gar nicht mehr gedacht werden könnte. Übernehmen aber die Leute selber die Verfolgung, so dürfen sie ihnen gesetzlich nichts weiter tun, als ihnen das geraubte Gut wieder abnehmen - und ich glaube selbst, das ist nicht einmal streng gesetzlich. Das diebische Gesindel, das sich hier herum aufhält, weiß das auch recht gut, und treibt sein schändliches Gewerbe ohne Scheu. Nur ein paar Mal aber den alten Lynch zwischen sie gebracht, was keine strengen Folgen von Seiten der Behörden haben könnte, und sie würden sich lange nicht mehr so sicher in der Ausübung ihrer Verbrechen fühlen. Man mag gegen das Lynchgesetz sagen was man will, ich bin doch in einzelnen Fällen dafür, und Alles, was ich darüber in Amerika gesehen und erfahren habe, ist mir hier im australischen Busch bestätigt worden.

Diesen Tag hatte ich mehrere leere Schäferhütten getroffen. Es sollte vor Kurzem hier mehrfach Regen gefallen sein, und weiter nach Norden hinauf, im sogenannten Scrub oder den Malleybüschen, fing das Gras an aufzukeimen, weshalb die meisten Schafstationen jetzt weiter in's Land hinein verlegt wurden. Die Schafe sollen zu dieser Jahreszeit und mit dem so wasserhaltigen Futter des pigs face vielleicht nicht so viel Wasser gebrauchen, und den Schäfern wird es dann durch Karren für den eigenen Bedarf zugeführt.

Heute traf ich auch zuerst den Malleybusch, von dem ich früher schon so viel gehört hatte, und der ein für viele australische Stämme so ungemein wichtiger Strauch ist.

Der Malleybusch hat, wie fast jeder australische Baum, die langen, lanzettförmigen, oben und unten gleichen, und mit einer Art Terpentin gesättigten Gummiblätter; er wächst aber nur als Busch, und zwar sechs bis zwölf und zwanzig kleinere Stämme von einer Mittelwurzel schlank und blattlos /110/ in die Höhe zweigend, während die dichte Laubkrone ein breites, symmetrisch gleichförmiges Dach bildet. Das Grün dieser Blätter ist lebhaft und der Stiel derselben von einer rötlichen Farbe, so daß sie mit dem schlanken eigentümlichen Wuchs gar nicht üble Gruppen bilden. Zwischen ihnen kommt meistens die australische Fichte vor, ein wahrhaft schöner, wenn auch nicht hoch wachsender Baum, der mit seinem vortrefflich schattierten saftigen Grün und den feinen Nadeln aus das Freundlichste gegen die ihn umgebenden und oft überragenden Malleybüsche absticht. Das Holz dieser Fichten ist schlank, weiß und fest, und eignet sich vortrefflich zu Tischlerarbeiten, wie denn von den kleinen schlanken Stämmen fast sämtliche Hütten im Busch aufgebaut werden. Die Rinde ist von einem sehr hübschen Grau und lang und tief eingespalten, was bei dem tannenartigcn Wuchs des Baumes selber und unter dem tiefschattigen Laub vortrefflich absticht.

Der Boden, wo diese Malleybüsche stehen, ist durchgängig roter Sand, und hier gedeiht besonders bei nur einigermaßen günstiger Witterung der wilde Hafer; an mancher Stelle sogar, wie mir versichert wurde, zu ganz vorzüglicher Güte. Jetzt freilich waren nur die allerersten Spuren davon in dünnen grünen Hälmchen sichtbar, und es bedurfte noch manchen guten Schauers, um sie auch in dieser so regenarmen Gegend voll und üppig herauszutreiben.

Купите 3 книги одновременно и выберите четвёртую в подарок!

Чтобы воспользоваться акцией, добавьте нужные книги в корзину. Сделать это можно на странице каждой книги, либо в общем списке:

  1. Нажмите на многоточие
    рядом с книгой
  2. Выберите пункт
    «Добавить в корзину»