Die Regulatoren in Arkansas

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"Und was ist das?" fragte Johnson eifrig.

"Nichts mehr und nichts weniger, als daß der Sheriff von Pulasky County einen Verhaftsbefehl für unsern guten Cotton in der Tasche trägt."

"Der Teufel!" fuhr dieser auf. "Und weshalb?"

"Oh - ich weiß nicht, ob gerade irgend etwas Besonderes erwähnt ist, es waren aber so verschiedene Sachen. Ich hörte etwas von einer Fünfzig-Dollar-Note munkeln, und von einem Heiratsversprechen in Randolph County, und von einem Menschen, den man eine Zeitlang vermißt habe, und dessen Leichnam dann später aufgefunden sei, und so mehrere Kleinigkeiten."

"Die Pest!" rief mit dem Fuße stampfend der Jäger. "Und das hättet Ihr beinahe vergessen? Mich ganz arglos in die Ansiedlung hineintraben lassen? Ja, es wird Zeit, daß ich mich hier fortmache, Arkansas möchte mir ein wenig zu warm werden, oder ich bekomme vielmehr zu viele Bekannte hier."

"Habt wohl eine recht ausgebreitete Bekanntschaft?" schmunzelte Rowson.

"Sehr", sagte - die Frage halb überhörend - nachdenkend der Jäger. "Aber was tut's", fuhr er dann plötzlich, sich hoch aufrichtend, fort. "Was tut's - in wenigen Tagen ist unser Geschäft beendet, und mit dem Gelde kann ich bis an den Mississippi und von da aus bequem nach Texas kommen."

"Warum geht Ihr nicht lieber von hier zu Land? Da kostet's Euch keinen Cent und ist nicht den zehnten Teil so weit."

"Wohl recht, ich habe aber meine Gründe, den nördlich lebenden Indianern nicht so besonders nahe zu kommen."

"Alle Wetter, Cotton, erzählt uns die Geschichte", bat Weston, "ich habe schon so viel davon reden hören und möchte gar zu gern wissen, wie das alles zusammenhängt; was hattet Ihr mit den Cherokesen?"

"Jetzt wär' die Zeit dazu, eine Geschichte zu erzählen", brummte der Gefragte.

"Man soll an Euren Armen", lächelte Rowson, „noch die Spur von eisernen –“

"Geht zum Teufel mit Eurem Kindergeschwätz - wir haben jetzt mehr zu tun. Nicht allein auf mich ist's gemünzt, sondern auf euch alle. Die Regulatoren haben durch irgendeinen Schuft Wind bekommen und uns alle auf dem Korn!"

"Mich nicht", lächelte Rowson. "In dem frommen, gottesfürchtigen Methodistenprediger sucht keiner den Wolf."

"Keiner?" lächelte Cotton ihn höhnisch an. "Keiner? Was sagte doch neulich Heathcott, als er Euch einen Lügner und Schurken nannte?"

Rowsons Antlitz entfärbte sich, und Totenblässe vertrieb die frühere Röte; seine Hand fuhr krampfhaft nach dem verborgenen Messer.

"Was für Beschuldigungen brachte er da zum Vorschein?" flüsterte der Jäger leise weiter, dem vor Wut und Ingrimm Erbebenden einen Schritt nähertretend. "He? Kam da nicht auch das Wort Seelenverkäufer mit vor? Und Ihr ließet Euch das alles ruhig gefallen? Pfui! Ich schämte mich damals in Eure eigene Seele hinein -"

"Cotton", sagte Rowson, sich gewaltsam sammelnd, "Ihr habt die rechte Saite berührt - der Mensch ist uns gefährlich. Er hat nicht allein eine Ahnung, wer ich bin, sondern er ließ auch neulich einzelne verdächtige Worte über Atkins fallen."

"Was, Atkins? Der noch nie die Hand in einem Diebstahl gehabt hat und nur ruhig auf seiner Farm uns unterstützt?"

"Eben der Atkins. Weiß der Teufel, wie der Schuft darauf kommt, nach dieser Seite hin zu winden, wahr ist's aber, und daß ich damals den Lügner und Schurken hinnahm, hatte seine wohlweislichen Gründe. Wäre ich als Prediger aufgefahren und hätte ich ihm den Schuft zurückgegeben –“

"So hätt' er Euch zu Boden geschlagen", lachte Cotton.

"So hätte das mir und meinem sonstigen gottesfürchtigen Wandel einen gewaltigen Stoß gegeben", fuhr Rowson, ohne sich irremachen zu lassen, fort.

"Jawohl, Stoß", sagte Cotton, "an den Schädel oder zwischen die Augen."

"Laßt das Necken, zum Teufel", fuhr jetzt Johnson auf. "Wir sind doch nicht hier, um eure Narrenspossen mit anzuhören. Rowson hatte ganz recht; wenn er einmal predigt, so muß er sich auch wie ein Prediger betragen –“

"Und Pferde stehlen –“, lachte der unverbesserliche Cotton.

"Wollt Ihr jetzt ernsthaft die ernste Sache betreiben oder nicht? Sagt's, denn ich habe Euer Gewäsch satt", rief Rowson ärgerlich. "Wir sind hierhergekommen, um zu einem gemeinsamen Plan gemeinsam zu wirken, und nicht, um uns zu entzweien. - Mir ist noch mehr bekannt - die Regulatoren werden heute oder morgen hier zusammenkommen."

"Hier? Wo?" fragten alle schnell.

"Bei Roberts oder Wilkins oder sonst jemandem, was weiß ich, aber daß sie kommen, ist sicher - und dann - haben sie im Sinn, das allbeliebte Lynchgesetz wieder in Aufnahme zu bringen."

"Das dürfen sie nicht!" rief Cotton. "Die Gesetze sind erst kürzlich deswegen verschärft."

"Was dürfen sie hier in Arkansas nicht", lächelte Rowson, "wenn zwanzig oder fünfundzwanzig zusammentreten und ernsthaft wollen? Glaubt Ihr, der Gouverneur ließe Soldaten gegen sie anrücken? Nein, wahrhaftig nicht - und wenn er's täte, hülfe ihm das ebenso wenig. Sie dürfen alles, was sie nur ordentlich wollen, und sie wollen unser Geschlecht - ich rede nicht von unseren stillen, freundlichen Familienkreisen - unser Geschlecht, sag' ich, ausrotten, auf daß ihre Pferde abends vollzählig nach Hause kommen und sie den Leuten nicht mehr aufzupassen brauchen, die unter der Weste ein Bowiemesser, ein paar Pistolen und einen leichten Trensenzaum tragen."

"Im Grunde genommen kann ich ihnen das auch eigentlich nicht so sehr verdenken", lächelte Johnson, "daß es sich aber keineswegs mit den Ansichten verträgt, die wir selbst vom Leben haben - was hat das Tier da? Es hebt schon seit ein paar Minuten die Nase so sonderbar in die Höhe - sollte sich etwas nahen?"

"Nein, es ist nichts", sagte Cotton, den Hund von der Seite ansehend, der sich jetzt wieder ruhig zusammenknäulte, "er bekam vielleicht Witterung von einem Truthahn, und den zeigt er wohl an, folgt ihm aber nicht."

"Da sich dies also nicht mit unseren Ansichten verträgt, so müssen wir mit Gewalt oder List dagegenwirken. - Zur Gewalt sind wir zu schwach, also muß uns List retten, und ich denke, daß wir mit Atkins' Hilfe, der auf keiner besseren Stelle wohnen könnte, sie alle noch bei der Nase herumfahren, und wenn sie diesen dummstolzen Heathcott auch zum Anführer haben –“

"Heathcott ihr Anführer?" fuhr Rowson schnell auf.

"Ja! So sagte mir Harper wenigstens neulich, als ich ihn an der Mühle traf."

"Dies müssen die letzten Pferde sein, die wir hier aus der Nachbarschaft holen", murmelte Rowson sinnend vor sich hin, " 's ist doch zu gefährlich. - Die nächsten, denk' ich, beziehen wir aus Missouri; Weston macht da den Führer, und ich selbst bin am Big Black und um Farmington herum gut bekannt."

"Auch gekannt?" fragte Cotton.

"Ja gewiß", entgegnete jener, ohne den boshaften Sinn dieser Worte verstehen zu wollen, "auch gekannt, und die Leute haben mich dort alle meines gottesfürchtigen Wandels wegen liebgewonnen."

"Die Pferde auch", lachte Weston, "als er von da fortging, folgten ihm drei der guten Tierchen aus purer Anhänglichkeit."

Diesmal stimmte Rowson in das Gelächter, das dieser Bemerkung folgte, mit ein, war aber auch gleich darauf wieder ernsthaft und rief laut: "Gentlemen, das geht nicht länger - bedenken Sie, daß unser Hals auf dem Spiele steht; es hat alles seine Zeit, Possen und Ernst - hören Sie also jetzt meinen Plan. Ich habe mir die Sache anders überlegt; wir wollen die Pferde nicht in gerader Richtung nach der Insel schaffen, es wäre doch möglich, daß sie trotz aller Schlauheit von unserer Seite auf der Spur blieben, und nachher brächten wir nicht allein uns, sondern auch die Flußleute in Gefahr; wartet daher oberhalb Hoswells' Kanu - etwa eine halbe Meile weiter oben, da wo der Hurrikane anfängt, auf mich. Von dort aus habe ich einen Plan, wie wir die Verfolger herrlich an der Nase herumführen und selbst sicher fort können. Ich will sie nämlich auf eine falsche Fährte bringen, und das kann nur am Flusse geschehen. Doch davon später, zuerst müssen wir sehen, wer sich morgen frei jagt, und mit einem von denen will ich dann Abrede nehmen."

"Wenn sie uns nun aber zu Atkins folgen und damit unsern letzten Zufluchtsort entdecken?" fragte Cotton mißtrauisch.

"Wir brauchen vielleicht gar nicht zu Atkins zu gehen", rief Rowson lachend. "Ich habe lange genug im Walde gelebt, um ein paar kläffende Hounds von der Fährte zu bringen. Vereinigt euch nur jetzt darüber, wer noch mit mir gehen soll; ihr anderen seid dann richtig an dem bezeichneten Platze, und mein Name soll nicht Rowson sein, wenn ich mein Wort nicht löse."

"Das ist ein gewaltiger Schwur!" lachte Cotton. "In wenigen Wochen gäbt Ihr vielleicht Gott weiß was darum - wenn Euer Name nicht Rowson wäre. Nun, ich habe wenigstens den Trost, daß ich nicht mehr riskiere als ihr alle. Jetzt aber noch den Schwur, einander in Not und Tod nicht zu verraten. Ein Schuft, wer nur mit einem Blick, nur mit einem Atemzug falsch ist, und die Rache der anderen treffe ihn, wo er sich auch hinflüchten mag, und sei's in den Armen seiner Mutter."

"Blutigen Tod dem, der zum Verräter wird", rief Weston, das breite Messer aus der Scheide reißend, "und möge sein Arm und seine Zunge verdorren und sein Auge erblinden!"

"Das ist ein Kraftschwur“, sagte Johnson. "Ich stimme aber mit ein!"

"Auch ich", sprach Rowson, "doch hoff' ich, der Schwur wird nicht nötig sein, uns eng und fest zu verbinden; der eigene Nutzen tut es bis jetzt, und der hält stärker als Schwur und Bürgschaft. Sollte sich das freilich einmal ändern, dann will ich wünschen, daß ich in Texas wäre!"

"Ihr werdet doch nicht glauben, daß einer von uns niederträchtig genug sein könnte, die Freunde zu verraten?" fiel Weston hitzig ein.

 

"Schon der Gedanke wäre Verrat und Treubruch an unserer Freundschaft."

"Gut, gut, ich will's glauben, daß Ihr's aufrichtig meint, Weston", sagte Rowson, ihm die Hand reichend. "Ihr seid aber noch jung, sehr jung und wißt gar nicht, in welche Lagen ein Mensch kommen kann."

"Die Tortur selbst sollte mir keine Antwort auspressen, die –“

"Es freut mich, daß Ihr so denkt, doch jetzt good bye, Gentlemen - adieu, Johnson - wo treffen wir uns denn morgen früh zur Jagd?"

"Da, wo Setters Creek aus den Hügeln kommt; es stehen dort auf einer kleinen Erhöhung eine Menge Walnußbäume zusammen -"

„Ich kenne den Platz."

"Gut, dort also - bis dahin gute Geschäfte. - Macht's den armen Leuten nur nicht gar zu rührend – “

"Und der Witwe", rief ihm Cotton nach - Rowson hörte aber nicht weiter darauf, sondern verschwand bald in dem den kleinen lichten Fleck eng umschließenden Dickicht, dessen Zweige sich wieder hinter ihm zusammenbogen.

Cotton sah ihm eine lange Weile schweigsam nach. Endlich schulterte er, ohne ein Wort weiter zu sagen, die Büchse und wollte sich ebenfalls entfernen.

"Ihr traut Rowson nicht recht?" fragte Johnson jetzt, ihn scharf betrachtend.

Cotton blieb noch einmal stehen, blickte wenige Sekunden lang forschend in das Auge des Fragenden und sagte dann derb und entschieden: "Nein! - Aufrichtig geantwortet, nein! Das schleichende Wesen, das selbst bei den gröbsten Beleidigungen freundliche Gesicht kann kein Vertrauen erwecken. Gift und Tod, der Bursche haßt Heathcott wie die Sünde - halt - das Gleichnis war nicht gut gewählt - wie die Tugend, wäre hier besser am Platz, und doch sah ich, wie sich die beiden wieder versöhnten; das heißt, Rowson ging zu Heathcott hin, schüttelte ihm die Hand und versicherte ihm, daß er weiter keinen Groll gegen ihn hege. Lebendig will ich mich in Stücke hacken lassen, wenn mir das möglich gewesen wäre. Mein Messer, aber nicht meine Hand hätte der Hund zu fühlen bekommen. Doch meinetwegen, es gilt hierbei seinen eigenen Nutzen, und da glaub ich, daß er treu ist; auf keinen Fall brächt' es ihm Vorteil, uns zu verraten, denn noch ist kein Preis auf meinen Kopf gesetzt. Hahaha, denken die Tintenlecker, den Cotton im Walde zu fangen? Das möchte schwerhalten und könnte wahrhaftig auch nur durch Verrat geschehen."

"Ihr denkt zu schlimm von Rowson", beruhigte ihn Johnson. "Er hat natürlich seine Fehler, nun die haben wir ja alle, sonst ist er aber treu, und ich bin fest überzeugt, die Regulatoren könnten ihn schinden, ehe sie ihm einen Namen seiner Freunde über die Lippen preßten."

"Ja - dann müßte aber erst' noch bewiesen werden, daß ich zu denen gehörte", lachte Cotton. "Doch ade, Johnson - Ihr meint's gut, das weiß ich, und auf Euch kann man auch einmal im Notfall rechnen - gehabt Euch wohl. Übermorgen früh finden wir uns hier wieder zusammen, und haben wir erst einmal ein paar hundert Dollar in den Taschen, dann lebt sich's auch schon besser und sicherer. Es gibt manche hier unter den Ansiedlern, die jetzt das Maul auf eine entsetzliche Art aufreißen und über Diebstahl und Sünde schreien, denen doch mit einer einzigen Fünf-Dollar-Note die Lippen zusammengeheftet werden könnten, daß sie sich nur noch zum freundlichen Lächeln wieder öffneten. - Doch die Zeit drängt - auf baldiges und frohes Wiedersehen."

Die Männer trennten sich jetzt, Cotton und Weston gingen zusammen dem Ufer des Flusses zu, Johnson aber wandte sich in gerader nördlicher Richtung durch die Büsche, überschritt die ausgehauene Countystraße und verschwand in den steilen, kieferbedeckten Hügeln.

Der Versammlungsort der "Pferdehändler", wie sie sich selbst nannten, lag ruhig und verlassen in Sabbatstille da. - Wohl eine Viertelstunde wurde diese auch durch nichts unterbrochen als durch das einfache Schirpen des Eichhorns und das muntere Geschrei des Hähers, als sich die Büsche wiederum, ohne jedoch das geringste Geräusch zu verursachen, teilten und die dunkle Gestalt eines Indianers den kaum verlassenen Platz betrat.

Vorsichtig horchte er nach allen Seiten hin, ehe er den lichten Fleck überschritt - gerade wie ein Hirsch, der, aus dem Waldesdunkel tretend, einen Pfad zu kreuzen im Begriff ist, fast stets stehenbleibt und zuerst rechts und links hinüberblickt, ob ihm keine Gefahr drohe - und glitt dann lautlosen Schrittes, die Augen auf den Boden geheftet, darüber hin. Plötzlich aber, und sehr wahrscheinlich durch die vielen Fußtapfen aufmerksam gemacht, blieb er stehen und überschaute spähend den engen Raum. Besonders genau betrachtete er den Platz, wo der Hund gelegen hatte, und umging dann in weiterem Kreise die kleine Lichtung, als ob er die Spuren zählen wolle, die von hier fortführten.

Es war eine kräftig schöne Gestalt, dieser rote Sohn des Landes, und das dünne, buntfarbige, baumwollene Jagdhemd, das seinen Oberkörper bedeckten konnte, an vielen Stellen von Dornen zerrissen, nicht ganz die breiten Schultern und sehnigen Arme verhüllend, die darunter hervorschauten. Dieses wurde um den Leib durch einen ledernen Gürtel zusammengehalten, der zugleich einen kleinen, scharfen Tomahawk und, nach der Sitte der Weißen, ein breites Messer trug. Seine Beine staken in dunkelgefärbten, ledernen Leggins, mit dem wohl zwei Zoll breiten Saum nach außen, und um den Hals trug er eine große silberne Platte, schildartig ausgeschnitten, auf der sehr einfach, aber nicht ungeschickt ein Renntier graviert war.2 Sonst hatte er keinen Schmuck an sich, und selbst die Kugeltasche, die an seiner Seite hing, war aller Glasperlen und bunten Lederstreifen bar, mit denen die Eingeborenen sonst so gern ihre Jagdgerätschaften schmücken. Der Kopf war ebenfalls unbedeckt, und die langen schwarzen, glänzenden Haare hingen ihm in Streifen an den Schläfen bis auf die Schultern hinunter. Seine Büchse war eine der gewöhnlichen langen amerikanischen Rifle.3

Mehrere Minuten lang hatte er seine Untersuchung fortgesetzt, dann richtete er sich hoch auf, strich die vorgefallenen Haare aus der Stirn, warf noch einen prüfenden Blick umher und verschwand auf der entgegengesetzten Seite von da, wo er den Platz zuerst betreten hatte, im Dickicht.

ZWEITES KAPITEL

Mehrere neue Personen erscheinen auf dem Schauplatz - Wunderbares Jagdabenteuer des "kleinen Mannes"

Auf der Countystraße zogen an demselben Morgen, und kaum fünfhundert Schritt von dem im vorigen Kapitel beschriebenen Dickicht, zwei Reiter hin, die augenscheinlich der besseren Farmerklasse des Landes angehörten. Sosehr sie übrigens in ihrem ganzen Wesen und Aussehen voneinander abstachen, so sehr schienen sie dagegen im übrigen zu harmonieren, denn sie unterhielten sich auf das beste mitsammen. Der junge, schlanke Mann, auf einem braunen, feurigen Pony, das sich nur mit augenscheinlichem Unwillen und oft versuchter Widersetzlichkeit dem langsamen Schritt fügte, in den es sein Herr zurückzügelte, lachte wenigstens oft und laut über die Späße und Bemerkungen, die ihm sein kleiner, wohlbeleibter Gefährte zum besten gab.

Dieser war ein Mann etwa in den Vierzigern, mit sehr vollem und sehr rotem Gesicht und dem freundlichsten, gemütlichsten Ausdruck in den Zügen, der sich nur möglicherweise in eines Menschen Gesicht hineindenken läßt. Seine runde, stattliche Gestalt entsprach dabei seiner Physiognomie auf eine höchst liebenswürdige Weise, und die kleinen, lebhaften grauen Augen blitzten so fröhlich und gutgelaunt in die Welt hinein, als hätten sie in einem fort sagen wollen: "Ich bin ungemein fidel, und wenn ich noch fideler wäre, wär's gar nicht zum Aushalten." Er war von Kopf bis zu Füßen, die schwarzen und spiegelblank gewichsten Schuhe ausgenommen, in schneeweißes Baumwollenzeug gekleidet. Die kleine baumwollene Jacke aber, die er trug, hätte er um alle Schätze der Welt nicht mehr vorn zuknöpfen können, so war sie entweder in der Wäsche eingelaufen oder, was wahrscheinlicher, so hatte sich sein runder Leib ausgebreitet und "verburgemeistert", wie er es selbst gern nannte. Ein hellgelber Strohhut beschattete sein Gesicht, und ein hellgelbes, dünnes Halstuch hielt seinen offenen Hemdkragen vorn zusammen, zwischen dem ein Teil der breiten, sonnverbrannten Brust sichtbar wurde. Nicht ohne etwas Stolz oder wenigstens Eitelkeit zu verraten, lugte dabei der Zipfel eines brennend roten Taschentuches aus der rechten Beinkleidertasche, die wohl geräumig genug gewesen wäre, ein halbes Dutzend derselben zu verbergen.

Sein Begleiter war ein junger, stattlicher Mann mit freiem, offenem Blick und dunklen, feurigen Augen. Seine Tracht ähnelte der der übrigen Farmer im Westen Amerikas und bestand aus einem blauwollenen Frack, ebensolchen Beinkleidern und einer schwarzgestreiften, aus demselben Stoff verfertigten Weste. Den Kopf bedeckte ein schwarzer, ziemlich abgetragener Filzhut, und in der Hand hielt er eine schwere, lederne Reitpeitsche. Schuhe trug er jedoch nicht, sondern nach der indianischen Sitte sauber, aber einfach gearbeitete Mokassins, und dies sowohl wie der nicht unruhige, aber fortwährend umherschweifende und auf alles achtende Blick verriet den Jäger. Übrigens führte er keine Büchse bei sich, so wenig wie sein Begleiter.

"Ein verfluchter Kerl, mein Bruder", lachte der Kleine, in irgendeiner begonnenen Erzählung fortfahrend, "und eine Wut hatte er, alte Sachen zu kaufen, rein zum Rasendwerden! Wie ich vorigen Herbst in Cincinnati war, klagte mir seine Frau ihre Not. Das ganze Haus stand voll alter Möbel und Hausgeräte und Kochgeschirre, von denen sie nicht den zehnten Teil gebrauchen konnte, und alle Abende lief trotzdem der Sappermenter noch auf den Auktionen herum, um alles, was nur irgend billig war, aufzukaufen. Was er einmal hatte, sah er nachher nicht wieder an. Da gab ich denn meiner Schwägerin den Rat, sie solle einen Teil des Plunders heimlich auf eben diese Auktionen schaffen lassen, um es nur loszuwerden, das Geld könne sie nachher hinlegen und später einmal etwas Nützliches dafür anschaffen. Der Plan war gut, ich bestellte einen Karrenführer, besorgte, als mein Bruder nachmittags im Geschäft war, die ganze Bescherung selber hinunter nach Frontstreet, und ehe es dunkel wurde, war alles aus dem Haus. Meiner Schwägerin fiel ein Stein vom Herzen, und als ihr Mann abends halb zehn Uhr, zu seiner gewöhnlichen Stunde höchst aufgeräumt heimkam, machte sie uns noch einen kapitalen Punsch. - Apropos, Bill, Punsch müssen wir uns einmal hier brauen, das verwünschte Volk in dieser Gegend gehört fast sämtlich zum Mäßigkeitsverein. Also - wo war ich doch stehengeblieben, ja, beim Punsch. Bei dem Punsch blieben wir bis elf Uhr zusammen sitzen, und mein Bruder erzählte eine Schnurre nach der andern; konnte merkwürdige Schnurren erzählen, mein Bruder! Ich fragte ihn ein paarmal, weshalb er so lustig sei, er wollte aber nicht mit der Sprache heraus; geht am nächsten Morgen wieder um sechs Uhr fort, und denke dir, was bringt er auf drei Wagen nach Haus? Den ganzen Plunder, den ich am Abend vorher fortgeschafft hatte. Kein Stück fehlte, und dabei prahlte er, was er für einen unmenschlich guten Handel gemacht hätte."

"Nicht übel, Onkel", lächelte der junge Mann, ihm einen schnellen Seitenblick zuwerfend, "vortrefflich sogar - wenn es wahr wäre."

"Ei, du Sappermentsjunge, hab' ich dir schon jemals etwas vorgelogen? Nie! Wenn ich dir übrigens künftig eine Tatsache erzähle, so brauchst du nicht zu feixen und das Maul von einem Ohr bis zum andern zu ziehen; hörst du, Musjö?"

"Aber, bester Onkel, Sie müssen mir das nicht so übelnehmen. Wenn Sie anfangen, freu' ich mich immer schon aufs Ende, denn gewöhnlich ist etwas Komisches dabei - und da mag ich dann wohl manchmal ein wenig zu früh lachen –“

"Komisches? Ja hör einer den Laffen an. Ich erzähle nie komische Geschichten - hast du schon je eine komische Geschichte von mir gehört? Ernst war das Berichtete, bitterer, trauriger Ernst; mein Bruder wird sich auch noch mit der verdammten Leidenschaft zugrunde richten - er muß sich ruinieren."

"Ihr Bruder soll doch aber ein sehr gewandter Geschäftsmann sein, und wenn er in dieser Hinsicht auch eine freilich etwas sonderbare Liebhaberei hat, so bringt er das sicherlich auf andere Art zehnfach wieder ein."

"Gewandter Geschäftsmann? Gott segne dich, Junge - es gibt keinen pfiffigeren Kaufmann, als mein Bruder ist; nur zu pfiffig manchmal, nur zu pfiffig! - Ich weiß die Zeit noch recht gut, wo wir zusammen in Kentucky jagten und wie er die Krämer immer übers Ohr hieb mit alten Opossumfellen, denen er Waschbärenschwänze annähte und sie nachher für Schuppenfelle verkaufte. Manches Quart Whisky haben wir auf die Art zusammen vertrunken. - Aber einen Streich muß ich dir doch erzählen, den er mir einmal am Cane-See spielte. Wir ruderten zusammen in einem alten Kanu auf dem See herum, teils um Fische zu harpunieren, teils um Hirsche zu schießen, die des kühlen Tranks wegen an den Wasserrand kamen. Es war merkwürdig heiß, und die Sonne brannte auf eine sträfliche Art; um's mir daher bequemer zu machen, wollt' ich mein Jagdhemd ausziehen. Wie ich aber mein Pulverhorn vorher abnehme - ein kapitales, hörnernes Pulverhorn mit luftdichtem Stöpsel -, bleib' ich mit dem Finger in der Schnur hängen, und wie der Blitz rutscht's über Bord und hinunter ins Wasser.

 

Da saß ich. Der See war klar wie Kristall, und obgleich er etwa fünfzehn Fuß tief sein mochte, so konnt' ich das Horn unten so deutlich liegen sehen, als ob ich's mit den Händen zu ergreifen vermöchte. George war nun immer ein merkwürdiger Springer, Läufer und auch Schwimmer und Taucher gewesen; als er daher meine Verlegenheit bemerkte, erbot er sich unterzutauchen und sprang auch ohne weitere Umstände über Bord. Pulver war damals in der Gegend unmenschlich teuer und überdies schwer zu bekommen. Als er auf den Grund und in den weichen Schlamm kam, wurde das Wasser ein wenig trübe, und er mußte einen Augenblick warten, bis es wieder klar wurde. Ich zog indessen mein Jagdhemd aus und setzte mich darauf-, wie er mir aber doch endlich zu lange da unten blieb und ich ein wenig ängstlich über Bord hinuntersah - was meinst du, was er da machte - he?"

"Ja, ich weiß wahrhaftig nicht, was einer in solcher Lage anders machen könnte als den Versuch, so schnell als möglich wieder an die Oberfläche zu kommen."

"Fehlgeschlagen!" rief der Alte und hielt in der Erregung des Augenblicks, wie von der Erinnerung überwältigt, sein Pony einen Augenblick an. "Fehlgeschossen! - Unten stand er - ruhig, als wenn er sich auf ebener Erde befände, und bog sich vorn über, daß ich nicht sehen sollte, was er machte, ich sah's aber gut genug. – Der Spitzbube ließ mein Pulver heimlich in sein eigenes Horn laufen, und wie er nachher wieder heraufkam, war mein Horn halb leer. Nun, du brauchst nicht zu lachen, als ob du vom Pferde fallen wolltest. - Das ist am Ende auch nicht wahr? - Hat dir dein alter Onkel schon jemals eine Lüge erzählt? - He?"

"Nein, Onkel Ben, seien Sie. nicht böse, ich glaube jede Silbe; aber - ha - sehen Sie das Rote dort? - Da drüben - über der umgestürzten Fichte hin - gerade dort zwischen dem Maulbeerbaum und der Eiche hindurch?"

"Wo denn? Ach da - ja, das ist ein Hirsch - sicher genug; wenn Assowaum mit seiner Büchse hier wäre, könnt' er ihn bequem schießen; hinter den Bäumen hin ließ er einen sicher bis auf fünfzig, sechzig Schritt herankommen."

"Wo nur Assowaum überhaupt bleibt?" sagte der junge Mann jetzt, sich etwas ungeduldig im Sattel aufrichtend und auf die Straße zurückschauend, als ob er dort die Gestalt des Indianers zu sehen erwartete. "Er schlich auf einmal in den Wald hinein, und ich glaubte, er sähe ein Stück Wild, weiß aber der liebe Gott, was ihn wieder abgeführt hat. - Welch herrlichen Schuß er von hier aus hätte", fuhr er jetzt mit etwas unterdrückter Stimme fort, "ich wollte, ich hätte meine Büchse mitgenommen."

"Roberts würden dich schön bewillkommt haben, wenn du ihnen am Sabbat mit dem Schießeisen gekommen wärst; will's die Frau doch nicht einmal von dem Indianer leiden, und dem - aber hol mich dieser und jener - das Ding ist ordentlich zahm - es muß uns gar nicht hören."

Die beiden Männer waren indessen, die Straße ruhig hinaufreitend, dem Hirsch sehr nahe gekommen. Dieser stand in einer der unzähligen Salzlecken, die sich an beiden Ufern des Fourche la fave, besonders reichhaltig aber am nördlichen finden, und schien keine Ahnung von einer nahenden Gefahr zu haben. Einmal hob er zwar den Kopf, das mochte aber mehr sein um Atem zu schöpfen, als weil er irgend etwas Außergewöhnliches fürchtete. Die Männer sahen nämlich, daß er in einem tiefen, in dem Lehmufer des kleinen Baches befindlichen Loche geleckt hatte, das durch häufigen Gebrauch von Pferden, Kühen, insbesondere aber Hirschen ausgehöhlt worden war. Wenige Sekunden blieb er in dieser Stellung und peitschte, den Rücken unseren beiden Freunden zugewandt, mehrere Male mit dem Wedel die ihn umschwärmenden Fliegen fort, dann aber bog er sich wieder nieder, um aufs neue den Salzgeschmack des fetten Erdbodens zu genießen. Er hatte erst frisch aufgesetzt. Das kaum vier Zoll lange Gehörn hinderte ihn deshalb nicht sehr in der Verfolgung seines Zweckes, so daß er bald darauf den Kopf, ihn seitwärts herumbiegend, wieder in die Höhlung hineinschob, um mit der langen Zunge die salzigsten Teile aus dem Innern herauszuholen.

"Wo nur der Indianer stecken mag, Bill!" sagte jetzt Harper leise und mit schlecht verhehlter Jagdlust. "Ich glaube, man könnte sich bis auf fünf Schritt an das dumme Ding heranschleichen, es merkt' es nicht. - Ach, Bill, wie ich jung war, da hättest du mich sollen schleichen sehen, ich bin einmal –“

"Wenn Sie sich hinter der Hickorywurzel hielten, Onkel, ich glaube, es ginge", flüsterte ihm lächelnd der junge Mann zu.

"Unsinn, Junge! Glaubst du, ich will mit meinen alten Knochen sonntags im Walde herumkriechen, unschuldiges Viehzeug zu erschrecken? Ich denke nicht dran." - Trotz der abweisenden Worte war Harper aber doch vom Pferde gestiegen, das geduldig und regungslos stehenblieb, und auf den Zehen schlich jetzt der kleine, dicke, weißgekleidete Mann mit immer röter werdendem Gesicht, die Wurzel eines umgestürzten Baumes zwischen sich und dem Wild haltend, auf dasselbe zu - augenscheinlich nur in der Absicht, seinen Spaß an den gewaltigen Sätzen des Tieres zu haben, wenn dieses ihn endlich, und so ganz in der Nähe, wittern würde. Dieses schien ihn aber nicht zu wittern, da es gerade gegen den Wind stand, denn wieder hob es den Kopf, streckte sich einen Augenblick und begann seine leckere Mahlzeit aufs neue.

William Brown oder Bill, wie ihn sein Onkel der Kürze wegen nannte, fing jetzt selbst an, sich für den Gegenstand zu interessieren, denn unbeweglich auf seinem Pferde sitzenbleibend, um auch das geringste Geräusch zu vermeiden, schaute er mit gespannter Aufmerksamkeit dem Vorrücken seines Onkels zu, der in diesem Augenblick zu der Wurzel kam und sich jetzt in kaum zehn Schritt Entfernung vom Hirsch befand. Hier blieb er einen Moment stehen und sah nach seinem Neffen zurück, verzog aber das Gesicht dabei zu einem wunderkomischen Grinsen, als wenn er hätte sagen wollen: "Na, Bill, bin ich nicht ein verfluchter Kerl?" Hier zögerte er jedoch wenige Sekunden, denn entweder war er selbst über die unbegreifliche Sorglosigkeit des jungen Hirsches erstaunt, oder er scheute sich auch wohl, mit seinen reinen Schuhen weiter vorzutreten, da dort die wirkliche sogenannte "Lick" oder Salzlecke begann und der kleine Bach, der durch den weichen Lehmboden rieselte, von unzähligen Wildfährten und Viehspuren zu einem weichen Schlamm zusammengetreten war. Die alte Jagdlust überwog jedoch zuletzt jede andere Bedenklichkeit, denn jetzt schien sich ihm zum erstenmal die Möglichkeit aufzudrängen, daß er das Wild wirklich ergreifen könnte, und ohne sich weiter zu besinnen, trat er leise und vorsichtig in den flüssigen Brei, den Glanz seiner wohlgeschwärzten Sonntags Schuhe auf eine wahrhaft unverantwortliche Weise vernichtend. Näher und näher kam er dem Tier, Brown hob sich, atemlos vor gespannter Erwartung, im Sattel in die Höhe, und das Herz des alten Mannes schlug, wie er später wohl hundertmal erzählte, so laut, daß er mit jedem Augenblick fürchtete, der Hirsch müßte ihn hören. Da hob dieser den Kopf - , ehe er aber nur, über die Nähe des weißscheinenden Gegenstandes erschreckt, mit einer Muskel zucken konnte, warf sich Harper auch, Sabbat und Sabbatkleider vergessend, vorwärts und ergriff ihn gerade in demselben Augenblick mit beiden Händen an den Hinterläufen, als sich das zum Tod entsetzte Tier auf diesen in die Höhe hob, um mit einem Sprung der gefährlichen Nachbarschaft zu entgehen. - Es war zu spät, der alte Mann hing wie mit eisernen Klammern an dem seinem Geschick verfallenen Tier. Vorwärts riß ihn aber die verzweifelte Kraftanstrengung des also Gefangenen.

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